Begriff und Einordnung: deutsch-französischer Wahlgüterstand
Der deutsch-französische Wahlgüterstand ist ein von Deutschland und Frankreich gemeinsam geschaffenes eheliches Güterrecht, das Ehepaaren mit besonderem Bezug zu beiden Staaten offensteht. Er wird auch als Wahl-Zugewinngemeinschaft bezeichnet. Kennzeichnend ist die Trennung der Vermögen während der Ehe bei gleichzeitiger Beteiligung beider Ehegatten am während der Ehe erzielten Vermögenszuwachs, sobald der Güterstand endet (zum Beispiel durch Scheidung oder Tod). Der Wahlgüterstand ist kein automatisch geltender, sondern ein ausdrücklich gewählter Güterstand; er entsteht durch Ehevertrag und gilt dann in beiden Ländern einheitlich.
Rechtsgrundlagen und Entstehung
Deutschland und Frankreich haben mit einem bilateralen Abkommen einen gemeinsamen, inhaltlich harmonisierten Güterstand geschaffen, der die Grundidee der deutschen Zugewinngemeinschaft in ein für beide Rechtsordnungen gleichförmiges Regelwerk überführt. Dieser Wahlgüterstand ist seit 2013 verfügbar. Seit 2019 sorgt das europäische Kollisionsrecht zu ehelichen Güterständen zusätzlich für geordnete Zuständigkeits- und Anerkennungsregeln innerhalb zahlreicher EU-Staaten. Das bilaterale Abkommen regelt die inhaltlichen Rechte und Pflichten des Wahlgüterstands, während das europäische Recht insbesondere die internationale Geltung und Rechtswahl koordiniert.
Inhalt und Funktionsweise des Wahlgüterstands
Grundprinzip
Während der Ehe verwaltet jeder Ehegatte sein Vermögen selbstständig. Es findet keine automatische Vermischung statt. Erst bei Beendigung des Güterstands wird der während der Ehe erzielte Vermögenszuwachs (Zugewinn) beider Seiten ermittelt und hälftig ausgeglichen.
Anfangs- und Endvermögen, Berechnung des Zugewinns
Für jeden Ehegatten wird ein Anfangsvermögen (zu Beginn des Güterstands) und ein Endvermögen (zum Zeitpunkt der Beendigung) festgestellt. Der Zugewinn ist die Differenz zwischen End- und Anfangsvermögen. Unentgeltliche Erwerbe wie Erbschaften und Schenkungen werden dem Anfangsvermögen zugerechnet, wodurch sie nicht in gleicher Weise in den Zugewinn einfließen. Der Ehegatte mit dem höheren Zugewinn schuldet dem anderen die Hälfte des Überschusses. Der Ausgleich kann als Geldforderung bestehen; auch eine Erfüllung durch Übertragung von Vermögenswerten ist möglich, soweit die Regeln des Güterstands dies vorsehen.
Vermögensverwaltung und Verfügungen
Grundsätzlich darf jeder Ehegatte frei über sein Vermögen verfügen. Für bestimmte Rechtsgeschäfte, die typischerweise die wirtschaftliche Grundlage der Ehe betreffen, bestehen Schutzmechanismen, etwa besondere Zustimmungserfordernisse bei Verfügungen über die Familienwohnung und den ehelichen Haushalt. Diese Schutzregeln dienen dem Erhalt der gemeinsamen Lebensgrundlage.
Haftung für Schulden und Gläubigerschutz
Für eigene Verbindlichkeiten haftet jeder Ehegatte grundsätzlich allein mit seinem Vermögen. Gemeinsame Schulden oder Verpflichtungen, die im Namen beider begründet werden, können beide betreffen. Der Güterstand enthält Regelungen zum Schutz gutgläubiger Dritter und zur Transparenz des gewählten Güterstands, damit Außenstehende sich auf die Vermögensordnung einstellen können.
Anwendungsbereich und Wahl des Güterstands
Persönlicher und sachlicher Anknüpfungspunkt
Wählbar ist der deutsch-französische Wahlgüterstand für Ehepaare mit engem Bezug zu Deutschland und Frankreich. Ein solcher Bezug kann insbesondere durch Staatsangehörigkeit oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem der beiden Staaten bestehen. Der Güterstand steht verheirateten Paaren offen; eingetragene Lebenspartnerschaften oder vergleichbare Institute unterliegen gesonderten Regelungen.
Form und Zeitpunkt der Wahl
Der Wahlgüterstand wird durch Ehevertrag in notarieller Form vereinbart. Dies kann vor der Eheschließung oder während einer bestehenden Ehe erfolgen. Der Vertrag wird in der Regel in Deutschland durch notarielle Beurkundung und in Frankreich durch einen notariellen Akt (acte notarié) abgeschlossen. Bilinguale Fassungen sind möglich, sodass der Inhalt in beiden Staaten eindeutig feststeht.
Wirksamkeit, Publizität und Drittwirkung
Der Güterstand wirkt zwischen den Ehegatten ab dem vertraglich bestimmten Zeitpunkt. Gegenüber Dritten gelten Informations- und Publizitätsregeln des Personenstands- und Registerrechts. In Frankreich wird der Ehevertrag häufig im Zivilstandsregister vermerkt; in Deutschland existiert kein allgemeines Güterrechtsregister, Nachweise erfolgen durch die Urkunde. Für Grundstücke kann eine Grundbucheintragung relevant sein. Drittwirkung richtet sich nach den Schutzregeln beider Rechtsordnungen.
Beendigung und ihre Folgen
Beendigungsgründe
Der Wahlgüterstand endet insbesondere durch Scheidung, Tod eines Ehegatten oder durch vertraglichen Wechsel in einen anderen Güterstand. Mit der Beendigung entsteht der Anspruch auf Zugewinnausgleich.
Zugewinnausgleich
Der Ehegatte mit dem höheren Zugewinn schuldet die Hälfte der Differenz. Der Ausgleichsanspruch wird festgestellt und kann durch Zahlung oder – soweit vorgesehen – durch Übertragung von Vermögenswerten erfüllt werden. Es bestehen Regeln zur Bewertung von Vermögensgegenständen, zur Berücksichtigung von Schulden und zu möglichen Korrekturen bei missbräuchlichen Vermögensverfügungen kurz vor Beendigung des Güterstands.
Auswirkungen im Erbfall
Bei Beendigung durch den Tod eines Ehegatten greifen die Vorschriften des Wahlgüterstands zum Zugewinnausgleich neben dem Erbrecht des überlebenden Ehegatten. Je nach Konstellation wird der Zugewinn als eigener Ausgleich betrachtet und tritt neben die erbrechtlichen Ansprüche. Das Zusammenwirken von ehelichem Güterrecht und Erbrecht wird dabei so koordiniert, dass Doppelbegünstigungen vermieden und die Vermögensnachfolge geordnet bleibt.
Internationale Bezüge und Anerkennung
Kollisionsrecht und Rechtswahl
Das europäische Kollisionsrecht zu ehelichen Güterständen ermöglicht Ehegatten, das auf ihren Güterstand anwendbare Recht aus bestimmten Anknüpfungen (etwa Staatsangehörigkeit oder gewöhnlicher Aufenthalt) zu wählen. Die Wahl des deutsch-französischen Wahlgüterstands ist eine inhaltliche Entscheidung für ein einheitliches Regime, das in Deutschland und Frankreich gleichermaßen gilt. Die Rechtswahl wirkt grundsätzlich universal, das heißt auch gegenüber Vermögen in anderen Staaten, soweit dortige Regeln dies anerkennen.
Anerkennung und Vollstreckung
Deutschland und Frankreich erkennen den Wahlgüterstand wechselseitig an. Innerhalb der Europäischen Union erleichtern gemeinsame Zuständigkeits- und Anerkennungsmechanismen die Behandlung grenzüberschreitender Güterrechtsfragen. Bei Vermögen außerhalb der EU hängt die Anerkennung von den Regeln des betroffenen Staates ab.
Abgrenzung zu anderen Güterständen
Gegenüber der deutschen Zugewinngemeinschaft
Der deutsch-französische Wahlgüterstand ist in seinen Kernelementen der deutschen Zugewinngemeinschaft nachgebildet, jedoch als bilaterales, harmonisiertes Regime konzipiert. Dadurch werden Auslegungsunterschiede zwischen den Rechtsordnungen reduziert und eine einheitliche Anwendung in beiden Staaten gewährleistet.
Gegenüber französischen Güterständen
In Frankreich ist der gesetzliche Standard die Errungenschaftsgemeinschaft (communauté réduite aux acquêts). Daneben existiert die Beteiligung am Erwerb (participation aux acquêts), die funktional der deutschen Zugewinngemeinschaft ähnelt. Der deutsch-französische Wahlgüterstand stimmt in seinen Mechanismen mit dieser Systematik überein, setzt aber bewusst einheitliche Regeln, die in beiden Ländern identisch gelten.
Eingetragene Partnerschaften
Für eingetragene Partnerschaften und vergleichbare Institute gelten eigene güterrechtliche Regime und Kollisionsregeln, die nicht automatisch dem vorliegenden Wahlgüterstand entsprechen. Ob und in welchem Umfang vergleichbare Wirkungen erzielt werden, richtet sich nach den einschlägigen Normen der jeweiligen Rechtsordnung.
Praktische Aspekte von Beurkundung und Nachweisen
Beurkundung und Sprache
Der Ehevertrag wird notariell beurkundet. In grenzüberschreitenden Konstellationen sind zweisprachige Urkunden verbreitet, um die eindeutige Anwendung in beiden Staaten zu gewährleisten. Der Inhalt des Wahlgüterstands ist normiert, sodass die rechtlichen Wirkungen in Deutschland und Frankreich deckungsgleich sind.
Nachweis gegenüber Dritten
Gegenüber Vertragspartnern und Behörden wird der Güterstand typischerweise durch Vorlage der notariellen Urkunde oder durch Registervermerke nachgewiesen. Bei Immobiliengeschäften können Eintragungen im Grundbuch beziehungsweise entsprechende Hinweise in französischen Urkunden erforderlich sein, damit der Güterstand bei Verfügungen berücksichtigt wird.
Häufig gestellte Fragen
Wer kann den deutsch-französischen Wahlgüterstand wählen?
Wählbar ist er für verheiratete Paare mit engem Bezug zu Deutschland und Frankreich, etwa durch Staatsangehörigkeit oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem der beiden Länder. Der Güterstand steht ausschließlich Ehegatten offen.
Wie wird der Wahlgüterstand vereinbart?
Durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag. Die Vereinbarung kann vor oder nach der Eheschließung erfolgen und gilt ab dem vertraglich bestimmten Zeitpunkt.
Was passiert mit Erbschaften und Schenkungen?
Unentgeltliche Erwerbe werden dem Anfangsvermögen zugerechnet. Dadurch werden sie nicht in gleicher Weise dem Zugewinnausgleich unterworfen wie während der Ehe erwirtschaftete Zuwächse.
Gilt der Wahlgüterstand auch gegenüber Dritten?
Ja, der Güterstand entfaltet Außenwirkung. Für den Schutz gutgläubiger Dritter gelten jedoch besondere Transparenz- und Publizitätsregeln, die sich nach dem Recht des betroffenen Staates richten.
Wie wirkt sich der Wahlgüterstand im Scheidungsfall aus?
Im Scheidungsfall wird der Zugewinn beider Ehegatten ermittelt. Der Ehegatte mit dem höheren Zugewinn schuldet dem anderen einen hälftigen Ausgleich, der als Geldforderung oder durch Übertragung von Vermögenswerten erfüllt werden kann.
Welche Folgen hat der Güterstand im Todesfall?
Beim Tod eines Ehegatten entsteht ein Zugewinnausgleich neben den erbrechtlichen Ansprüchen. Das Zusammenwirken von Güterrecht und Erbrecht ist so ausgestaltet, dass eine geordnete Nachlassabwicklung erfolgt.
Kann der Wahlgüterstand später geändert werden?
Ja, durch einen erneuten notariellen Ehevertrag kann der Güterstand geändert oder ein anderer Güterstand gewählt werden. Die Wirkungen gegenüber Dritten richten sich nach den jeweils geltenden Schutzregeln.
Gilt der Wahlgüterstand auch außerhalb der EU?
Die innerstaatliche Geltung in Deutschland und Frankreich ist gesichert. Außerhalb der EU hängt die Anerkennung von den Regeln des jeweiligen Staates ab; das europäische Kollisionsrecht wirkt dort nicht automatisch.