Begriff und Ausgangslage: Wahlgüterstand, deutsch-französischer
Der Begriff „Wahlgüterstand, deutsch-französischer“ bezeichnet eine Form des ehelichen Güterrechts, die zwischen Deutschland und Frankreich anerkannt und anwendbar ist. Im Kern geht es um die Möglichkeit, dass Ehegatten, die im deutsch-französischen Rechtsraum leben oder relevante Verbindungen zu beiden Staaten aufweisen, einen im jeweiligen Recht vorgesehenen ehelichen Güterstand durch eine entsprechende Wahl treffen können. Dies betrifft insbesondere Situationen, in denen beide Eheleute unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten angehören oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in jeweils verschiedenen Staaten haben.
Der deutsch-französische Wahlgüterstand wurde insbesondere infolge europäisch-harmonisierten Rechts, bilateraler Abkommen sowie der Anwendung internationaler güterrechtlicher Regelungen relevant. Das Thema behandelt sowohl materiellrechtliche als auch kollisionsrechtliche Aspekte.
Rechtsgrundlagen und Rahmenbedingungen
1. Kollisionsrechtliche Einordnung
a) Europäische Güterrechtsverordnungen
Die Verordnungen (EU) 2016/1103 (Ehe) sowie 2016/1104 (eingetragene Partnerschaften) regeln die Zuständigkeit, das anwendbare Recht und die Anerkennung von Entscheidungen in güterrechtlichen Angelegenheiten auf europäischer Ebene. Beide Rechtsakte sind in Deutschland und Frankreich seit dem 29. Januar 2019 anwendbar. Hierdurch wurde die Möglichkeit geschaffen, dass Ehegatten ihr persönliches Güterstatut frei wählen können.
b) Nationalrechtliche Vorschriften
Zusätzlich zu den europäischen Vorgaben finden die nationalen Vorschriften der beteiligten Staaten Anwendung. In Deutschland ist dies insbesondere das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) mit Regelungen zu Gütergemeinschaft, Zugewinngemeinschaft und Gütertrennung. In Frankreich erfolgt die Regelung primär im Code Civil mit einer Vielzahl von Güterständen (z. B. communauté réduite aux acquêts, séparation de biens, communauté universelle).
2. Grundlagen der Rechtswahl
Ehepartner können für ihren Güterstand unter bestimmten Voraussetzungen das Recht eines von mehreren Staaten wählen:
- das Recht des Staates, in dem einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,
- das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten besitzt,
- das Recht des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts.
So können deutsch-französische Ehepaare durch eine sogenannte Güterstandsvereinbarung (Vertrag, Ehevertrag) ein bestimmtes Recht, z. B. deutsches oder französisches Güterrecht, als für ihren Güterstand anwendbar festlegen.
Arten und Bedeutung deutsch-französischer Wahlgüterstände
1. Wahlmöglichkeiten
a) Zugewinngemeinschaft (Deutschland) vs. communauté réduite aux acquêts (Frankreich)
Die Zugewinngemeinschaft ist in Deutschland der gesetzliche Regelfall; in Frankreich ist die communauté réduite aux acquêts Standard. Beide setzen ähnliche Schwerpunkte auf die Trennung der Ehegattenvermögen und eine Ausgleichspflicht bei Beendigung des Güterstandes.
b) Gütertrennung
Auch die vollständige Gütertrennung (séparation de biens) kann gewählt werden, wobei jeder Ehepartner sein eigenes Vermögen behält. Diese Form wird in beiden Rechten angeboten und kann explizit durch Ehevertrag vereinbart werden.
c) Gütergemeinschaft und andere Modelle
Sowohl das deutsche wie das französische Recht kennen weiterreichende Formen wie die (universelle) Gütergemeinschaft, bei der das gesamte Vermögen gemeinschaftlich wird.
2. Bedeutung für Vermögensaufteilung, Haftung und Erbfolge
Die Wahl des Güterstandes regelt maßgeblich:
- die Verwaltung und Verfügung über Vermögenswerte während der Ehe,
- die Verteilung der Vermögenswerte im Fall der Scheidung oder des Todes eines Ehepartners,
- den Gläubigerschutz gegenüber dem Vermögen der Ehegatten,
- erb- und erbschaftsteuerliche Folgen bei grenzüberschreitenden Zusammenhängen.
Form und Voraussetzungen der Güterstandsvereinbarung (Ehevertrag)
Der Abschluss einer güterrechtlichen Vereinbarung zwischen deutsch-französischen Ehegatten erfordert bestimmte Formvorschriften und inhaltliche Mindestanforderungen:
- Formvorschriften: In Deutschland ist ein notariell beurkundeter Ehevertrag vorgeschrieben (§ 1410 BGB). Dies gilt auch für die Wahl französischen Güterrechts, sofern die Vereinbarung in Deutschland geschlossen wird. Für eine in Frankreich geschlossene Vereinbarung gelten die französischen Vorschriften (in der Regel notarielle Beurkundung).
- Zeitpunkt: Die Wahl kann vor oder während der Ehe vorgenommen werden. Eine Änderung des Güterstandes während der Ehe bedarf ggf. gerichtlicher Zustimmung, falls minderjährige Kinder vorhanden sind oder Gläubigerinteressen betroffen sind.
- Wirksamkeit und Anerkennung: Durch die Brüssel IIa- und Güterrechtsverordnungen ist die Anerkennung der Vereinbarungen in beiden Staaten in der Regel gesichert, sofern die gewählten Rechte nach den Vorschriften der jeweiligen Staaten zulässig sind.
Praktische Anwendungsfälle und Besonderheiten
1. Typische Konstellationen
Deutsch-französische Wahlgüterstände kommen insbesondere in folgenden Situationen zur Anwendung:
- Ehegatten mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit (deutsch/französisch) und/oder unterschiedlichem Aufenthaltsort
- Lebenssachverhalte, bei denen Vermögenswerte in beiden Staaten gehalten werden
- Ehepaare, die planen, während der Ehe umzuziehen oder bereits in mehreren Staaten gelebt haben
2. Steuerliche und erbfolgerechtliche Aspekte
Die Wahl des Güterstandes beeinflusst grenzüberschreitende Vermögensübertragungen, steuerliche Bewertungssachverhalte, Pflichtteilsansprüche und Erbschaftsregelungen, da beide Staaten unterschiedliche Prinzipien bei der Zurechnung von Familienvermögen zugrunde legen.
3. Wechselwirkungen mit anderen Rechtsgebieten
Ein deutsch-französischer Wahlgüterstand hat auch Auswirkungen auf:
- das Insolvenzrecht bei Verschuldung eines Ehepartners,
- die Vertragsgestaltung bei Unternehmenseigentum,
- die Bewertung von Immobilien in beiden Staaten.
Rechtsprechung und Auslegung
Gerichte in beiden Ländern orientieren sich bei Streitigkeiten am Wortlaut der gewählten Bestimmung, dem Willen der Parteien und den Vorgaben der europäischen Güterrechtsverordnungen. Die hierzu ergangene Rechtsprechung betont die Autonomie der Ehegatten bei der Gestaltung ihres Güterstandes, setzt aber Grenzen bei Verstoß gegen zwingende nationale Vorschriften (ordre public) oder zum Schutz Dritter.
Zusammenfassung und Ausblick
Der deutsch-französische Wahlgüterstand ist ein modernes Instrument der güterrechtlichen Selbstbestimmung im internationalen Kontext. Er ermöglicht es Ehegatten, ihren persönlichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnissen entsprechend das für sie passende Güterrecht unter Einbeziehung deutscher und französischer Rechtsregeln zu gestalten. Das Zusammenspiel zwischen dem europäischen Kollisionsrecht, nationalem Ehegüterrecht und bilateraler Vereinbarung bietet dabei eine hohe Flexibilität, setzt allerdings genaue Kenntnis der jeweiligen Regelungen voraus. In der Praxis empfiehlt es sich, die Folgen einer Güterstandsvereinbarung sorgfältig im Hinblick auf Vermögensaufteilung, Vermögensschutz und steuerliche Wirkungen zu prüfen.
Häufig gestellte Fragen
Wie wird ein deutsch-französischer Wahlgüterstand rechtlich vereinbart?
Ein deutsch-französischer Wahlgüterstand wird durch einen entsprechenden Ehevertrag rechtlich vereinbart. Dies geschieht häufig im Rahmen von binationalen Ehen, wenn einer der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit und der andere die französische besitzt oder eine Verbindung beider Länder besteht (z. B. Wohnsitz, Vermögen). Die rechtliche Grundlage bildet das Internationale Privatrecht (Art. 15 ff. EGBGB für Deutschland, Art. 3 ff. Code civil für Frankreich). Die Ehegatten können den anzuwendenden Güterstand – zum Beispiel die Zugewinngemeinschaft (deutsches Recht) oder die communauté réduite aux acquêts (französisches Recht) – wählen oder auch individuelle Regelungen treffen. Der Ehevertrag muss zwingend notariell beurkundet werden. Damit der Wahlgüterstand grenzüberschreitend anerkannt wird, ist oft eine eindeutige Rechtswahl im Ehevertrag notwendig, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der EU-Güterstandsverordnungen (EU 2016/1103 und 2016/1104). Zusätzlich ist zu beachten, dass der Ehevertrag in beiden Ländern den jeweils formalen Anforderungen genügt, um Rechtswirksamkeit zu entfalten.
Welche Auswirkungen hat die Wahl des Güterstandes auf die Vermögensaufteilung bei einer Scheidung?
Die Wahl des Güterstandes bestimmt unmittelbar, nach welchen Maßgaben das Vermögen bei einer Scheidung aufgeteilt wird. Wenn beispielsweise ein deutsch-französisches Ehepaar den deutschen Zugewinnausgleich als Güterstand vereinbart hat, wird bei Scheidung eine Ausgleichsberechnung über während der Ehe erworbenes Vermögen durchgeführt (§ 1373 BGB). Ist hingegen das französische Recht gewählt, kommt die „communauté réduite aux acquêts“ zur Anwendung, bei der grundsätzlich das während der Ehe erworbene Vermögen gemeinsam geteilt wird, unabhängig vom Zu- oder Abwachsprinzip wie im deutschen Recht. Die rechtlichen Unterschiede sind bedeutend, etwa hinsichtlich der Einordnung von Erbschaften, Schenkungen oder Verbindlichkeiten. Zudem beeinflussen nationale Verfahrensrechte (zuständiges Gericht, Art. 6 ff. der Güterrechtsverordnung) die Durchsetzung und Anerkennung der Vermögensaufteilung.
Wie beeinflusst der deutsch-französische Wahlgüterstand das Erbrecht?
Der gewählte Güterstand hat Auswirkungen auf die erbrechtlichen Ansprüche der Ehegatten. Im deutschen Recht erhält der überlebende Ehegatte beim Zugewinngemeinschaft eine pauschale Erhöhung des Erbteils (§ 1371 BGB), wohingegen nach französischem Recht unter der „communauté réduite aux acquêts“ der Anteil aus dem gemeinsamen Vermögen sofort ausgezahlt werden kann und nur der Rest zum Nachlass gerechnet wird. Die Anwendung des jeweils gewählten Güterstandes ist auch im internationalen Erbfall von Relevanz, insbesondere im Zusammenspiel mit der Europäischen Erbrechtsverordnung (EU 650/2012). Dabei ist zu beachten, dass eine vom Güterstand abweichende Rechtswahl für den Nachlass getroffen werden kann, was zu komplexen Überschneidungen führen kann.
Welche Formerfordernisse müssen für die Wirksamkeit eines deutsch-französischen Ehevertrags erfüllt sein?
Für die Wirksamkeit eines deutsch-französischen Ehevertrags gelten die Formvorschriften beider beteiligten Staaten. In Deutschland ist eine notarielle Beurkundung zwingend erforderlich (§ 1410 BGB), anders als in Frankreich, wo wahlweise ein acte notarié (notariell beurkundeter Vertrag) oder eine private Vereinbarung mit anschließender Registrierung, sofern zweifelsfrei, möglich ist. Für die grenzüberschreitende Anerkennung muss der Vertrag in der Form abgeschlossen werden, die mindestens einem der beteiligten Staaten genügt; empfohlen wird jedoch, zur Rechtssicherheit beide nationalen Formen zu wahren. Zudem kann eine Eintragung im französischen Güterstandsregister (Registre des conventions matrimoniales) sinnvoll sein, um Dritten gegenüber Wirksamkeit zu erlangen. Im Anwendungsbereich der EU-Güterrechtsverordnung ist zusätzlich auf die Dokumentation und Übersetzung der Vereinbarung in die jeweilige Landessprache zu achten.
Welches Gericht ist bei Streitigkeiten über den Wahlgüterstand zuständig?
Die Zuständigkeit der Gerichte bei Streitigkeiten über den Wahlgüterstand richtet sich nach internationalen Zuständigkeitsregelungen. Für Ehesachen und damit verbundene güterrechtliche Streitigkeiten gelten grundsätzlich die Brüssel IIa-Verordnung (EU 2201/2003) sowie mittlerweile die EuGüVO (EU 2016/1103). Ausschlaggebend ist entweder der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt, die Staatsangehörigkeit eines oder beider Ehegatten oder eine hiervon abweichend bestimmte Gerichtsstandvereinbarung. Komplex wird es, wenn Vermögenswerte in verschiedenen Ländern liegen: In diesem Fall kann eine parallele oder sukzessive Zuständigkeit bestehen. Es ist daher stets zu prüfen, ob die Wahl des Güterstandes auch die gerichtliche Zuständigkeit regelt oder individuelle Rechtswahlklauseln im Vertrag erhalten sind.
Welche Steuerfolgen ergeben sich aus einem deutsch-französischen Wahlgüterstand?
Die steuerlichen Konsequenzen eines deutsch-französischen Wahlgüterstandes betreffen primär die Schenkungs- und Erbschaftssteuer sowie die Einkommensbesteuerung. Die Behandlung gemeinschaftlicher oder getrennter Vermögen kann zu abweichenden steuerlichen Belastungen führen, abhängig davon, welches nationale Recht und welcher Güterstand zugrunde liegen. In Deutschland können etwa Zugewinnausgleichszahlungen erbschaftssteuerlich begünstigt sein (§ 5 ErbStG), während in Frankreich andere Befreiungstatbestände gelten. Probleme können entstehen, wenn Vermögenswerte in beiden Ländern liegen: Es droht die Gefahr der Doppelbesteuerung, die nur durch sorgfältige Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen abgewendet werden kann. Daher sollte eine steuerrechtliche Beratung bei der Gestaltung des Wahlgüterstandes obligatorisch sein.
Wie erfolgt die Anerkennung und Vollstreckung eines deutsch-französischen Ehevertrags im jeweils anderen Land?
Die Anerkennung und Vollstreckung eines Ehevertrags richtet sich nach den Vorschriften der jeweiligen nationalen Zivilrechtsordnungen sowie nach europarechtlichen Verordnungen. Unter der EU-Güterrechtsverordnung ist die gegenseitige Anerkennung von Güterrechtstatbeständen grundsätzlich vorgesehen (Art. 36 ff. EuGüVO). Ein in Deutschland errichteter und rechtsgültiger notarieller Ehevertrag wird in Frankreich in aller Regel anerkannt, sofern er die Mindestanforderungen des französischen Rechts erfüllt. Zur Vollstreckung – beispielsweise bei der Teilung von Immobilien – kann eine Anerkennung durch das örtlich zuständige französische Gericht oder Grundbuchamt nötig sein. Umgekehrt werden französische „actes notariés“ in Deutschland grundsätzlich anerkannt, bedürfen aber oftmals einer Übersetzung und einer Legalisation bzw. Apostille. Extraterritoriale Wirkungen, etwa bei Vermögen im Drittstaat, sind gesondert zu prüfen.