Legal Lexikon

Vorschuss


Begriff und rechtliche Einordnung des Vorschusses

Der Begriff Vorschuss bezeichnet eine Geldleistung, die vor der endgültigen Fälligkeit einer Vergütung oder eines Kostenersatzanspruchs auf eine künftig entstehende Forderung gezahlt wird. Ein Vorschuss wird rechtlich in verschiedenen Kontexten verwendet, beispielsweise im Dienstvertragsrecht, im Werkvertragsrecht, im Prozessrecht und im öffentlichen Recht. Der Vorschuss dient meist der Deckung zukünftiger Aufwendungen oder der Abschlagszahlung auf eine noch ausstehende Hauptforderung.

Definition und Abgrenzung des Vorschusses

Ein Vorschuss unterscheidet sich von Abschlagszahlungen und der Vorauszahlung insofern, als der Vorschuss nicht die gesamte fällige Leistung, sondern lediglich einen Teilbetrag vorab abdeckt. Während Abschlagszahlungen auf bereits erbrachte Teilleistungen gewährt werden, wird der Vorschuss in Erwartung einer künftig entstehenden oder zu erbringenden Leistung gezahlt.

Vorschuss im rechtlichen Sinne

Im rechtlichen Sinne ist ein Vorschuss eine Zahlung, die auf eine noch nicht endgültig entstandene Forderung geleistet wird. Die Verpflichtung zur Rückzahlung entsteht, soweit der empfangende Teil die erwarteten Leistungen nicht oder nicht voll erbringt. Der Vorschussempfänger bleibt daher abrechnungspflichtig.

Gesetzliche Regelungen zum Vorschuss

Die gesetzlichen Vorschriften zum Vorschuss finden sich in verschiedenen Gesetzen, darunter das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), die Zivilprozessordnung (ZPO), das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und weitere Spezialgesetze.

Vorschuss nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

Vorschuss im Dienstvertragsrecht (§ 669 BGB)

Nach § 669 BGB hat ein Beauftragter dem Auftraggeber einen Vorschuss auf die zur Ausführung des Auftrags voraussichtlich erforderlichen Aufwendungen zu leisten. Diese Regelung schützt den Auftragnehmer davor, mit eigenen finanziellen Mitteln Vorleistungen zu erbringen. Die Höhe des Vorschusses richtet sich nach dem mutmaßlichen Bedarf für die Erfüllung der Auftragspflichten.

Beispielfälle:

  • Ein Rechtsberater erhält einen Vorschuss auf noch anfallende Gutachterkosten.
  • Ein Architekt verlangt vor Beginn der Planung einen Vorschuss für zu tätigende Auslagen.

Vorschuss im Werkvertragsrecht

Im Werkvertragsrecht besteht in bestimmten Fällen ein Anspruch des Unternehmers auf einen Vorschuss für zur Vertragserfüllung notwendige Kosten (z. B. Anwaltskosten, Materialkosten). Ein gesetzlicher Anspruch ist zwar nicht ausdrücklich normiert, kann sich aber vertraglich oder aus ergänzender Vertragsauslegung ergeben.

Vorschuss im Zivilprozessrecht

Gerichtskostenvorschuss (§ 12 GKG, § 63 FamGKG)

Im deutschen Zivilprozessrecht ist ein Vorschuss insbesondere bei der Einleitung gerichtlicher Verfahren relevant. Der Kläger hat gemäß § 12 Absatz 1 GKG einen Gerichtskostenvorschuss zu leisten. Die Klage wird grundsätzlich erst nach Eingang des Gerichtskostenvorschusses zugestellt. Ohne diese Zahlung beginnt das gerichtliche Verfahren regelmäßig nicht.

Gleiches gilt für familiengerichtliche Verfahren (§ 63 FamGKG).

Vorschuss auf Beweis- und Sachverständigenkosten (§§ 402, 379 ZPO)

Wenn ein Beweisantritt im Zivilprozess nur durch Sachverständigenbeweis möglich ist, verlangt das Gericht von der beweisbelasteten Partei einen Vorschuss auf die voraussichtlich anfallenden Sachverständigenkosten. Dieser Vorschuss ist verpflichtend, andernfalls unterbleibt der Beweis oder kann wegen Zahlungsverzugs nicht erhoben werden.

Rechtsfolgen bei Nichtzahlung des Vorschusses

Grundsätzlich entfällt der prozessrechtliche Beweisantritt, wenn der notwendige Vorschuss nicht gezahlt wird. Die Rechtsfolgen können vom Ruhen des Verfahrens bis zur Abweisung der Klage wegen Beweisnot reichen.

Vorschuss im anwaltlichen Gebührenrecht

Rechtsgrundlagen des Vorschusses (§ 9 RVG)

Nach § 9 RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) kann ein Rechtsbeistand von dem Auftraggeber einen angemessenen Vorschuss auf die voraussichtlichen Gebühren und Auslagen verlangen. Die Zahlungspflicht besteht unabhängig vom Ausgang des Mandats. Über die vereinnahmten Vorschüsse ist bei Beendigung des Mandats abzurechnen.

Zweck und Umfang:
Der Vorschuss deckt zunächst die im weiteren Verlauf zu erwartenden Vergütungen und Auslagen, sodass der Vertreter nicht in Vorleistung treten muss.

Vorschuss im Arbeitsrecht

Im Arbeitsrecht kann ein Vorschuss auf das geschuldete Arbeitsentgelt oder auf zu erstattende Auslagen gezahlt werden. Ein Anspruch hierauf besteht regelmäßig nur, wenn er einzelvertraglich, kollektivrechtlich (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) oder aus § 669 BGB abgeleitet werden kann.

Vorschuss im öffentlichen Recht

Auch im öffentlichen Recht sind Vorschüsse häufig vorgesehen, beispielsweise in Verwaltungsverfahren, bei Gebührenforderungen oder im Steuerrecht. Behörden können in bestimmten Fällen einen Vorschuss auf zu erwartende Verwaltungsgebühren verlangen.

Rückzahlungsanspruch und Abrechnung des Vorschusses

Wird der Zweck, für den der Vorschuss gezahlt wurde, nicht oder nicht vollständig erreicht, besteht ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich des nicht verbrauchten oder nicht gerechtfertigten Vorschussbetrags. Der Empfänger hat eine Abrechnung über die Verwendung vorzulegen, um die tatsächliche Berechtigung des Vorschusses nachzuweisen.

Verjährung von Vorschussansprüchen

Ansprüche auf Vorschuss und auf dessen Rückzahlung unterliegen regelmäßig den allgemeinen zivilrechtlichen Verjährungsfristen (§§ 195 ff. BGB), sofern keine spezialgesetzlichen Regelungen gelten.

Internationale Aspekte von Vorschüssen

In verschiedenen Rechtssystemen finden sich Vorschriften zu Vorschusszahlungen, insbesondere im anglo-amerikanischen Rechtsraum (advance payment), wobei die rechtlichen Rahmenbedingungen stark abweichen können. Im internationalen Zivilprozessrecht ist die Sicherheitsleistung für Prozesskosten vergleichbar mit dem Vorschuss im deutschen Recht.

Fazit

Der Vorschuss ist ein vielseitiges Rechtsinstitut, das zahlreichen Rechtsgebieten zugrunde liegt und unterschiedliche Funktionen erfüllen kann – von der Absicherung wirtschaftlicher Interessen bis zum Risikoausgleich in Vertragsverhältnissen und gerichtlichen Verfahren. Die jeweils maßgeblichen rechtlichen Regelungen und Voraussetzungen ergeben sich aus dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet und dem Zweck des Vorschusses. Die sorgfältige Unterscheidung von Vorschuss, Abschlagszahlung und Vorauszahlung ist für die richtige Anwendung der Vorschriften unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Vorschuss verlangt werden kann?

Die Möglichkeit, einen Vorschuss zu verlangen, ist grundsätzlich von einer vertraglichen oder gesetzlichen Grundlage abhängig. Ein Vorschuss kommt häufig im Rahmen von Werkverträgen (§ 632a BGB), Dienstverträgen oder im Anwaltsrecht (§ 9 RVG) zur Anwendung. Der Gläubiger eines Vorschusses muss in der Regel darlegen können, dass er die geschuldete Leistung erbringen wird oder bereits mit deren Ausführung begonnen hat. Bei gesetzlichen Vorschussansprüchen, wie etwa zwischen Mandant und Rechtsanwalt, ist entscheidend, dass das Mandat bereits erteilt wurde und der Vorschuss zur deckenden Finanzierung der Vergütung oder Auslagen dient. Vertraglich können Vorschüsse zudem individualvertraglich oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden, wobei die dafür geltenden Transparenz- und Kontrollanforderungen beachtet werden müssen. Ohne ausdrückliche Regelung besteht ohne besondere Umstände regelmäßig kein Anspruch auf Vorschuss.

Wie wirkt sich eine Vorschusszahlung auf das Leistungsverhältnis aus?

Die Zahlung eines Vorschusses verändert das Leistungsverhältnis regelmäßig dahingehend, dass der Empfänger zur entsprechenden Verwendung beziehungsweise zur ordnungsgemäßen Verwendung des Vorschusses verpflichtet ist. Rechtlich betrachtet erhält der Leistende im Gegenzug die Sicherheit, dass die versprochene Leistung zumindest teilweise vorfinanziert ist. Kommt es zur Leistungsstörung – etwa weil die geschuldete Hauptleistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht wird – kann der Vorschuss als ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 BGB) zurückgefordert werden. Die Vorschusszahlung bewirkt somit für den Empfänger eine treuhänderische Bindung und erhöht die Haftungsmaßstäbe hinsichtlich der zweckgemäßen Verwendung des Vorschussbetrages.

Was passiert mit dem Vorschuss, wenn das Vertragsverhältnis vorzeitig endet?

Endet das Vertragsverhältnis vorzeitig, bevor die vollständige Leistung erbracht wurde, besteht im Regelfall ein Anspruch auf Rückzahlung des nicht verbrauchten Vorschussbetrages. Der Empfänger des Vorschusses muss abrechnen und nachweisen, in welchem Umfang die erhaltenen Mittel bereits für die geschuldete Leistung verwendet wurden. Nicht verbrauchte Beträge sind ohne schuldhaftes Zögern zurückzuzahlen. Sollte bereits eine Teilleistung erbracht worden sein, ist der Vorschuss mit dem entsprechenden Wert der bislang erbrachten Leistungen zu verrechnen. Die genaue Modalität der Abrechnung sowie die Pflicht zur Rückzahlung orientieren sich stets an den konkreten vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen.

Unter welchen Umständen kann der Vorschuss zurückgefordert werden?

Ein Vorschuss kann rechtlich insbesondere dann zurückgefordert werden, wenn die zugrundeliegende Hauptleistung ganz oder teilweise nicht erbracht wird, das Vertragsverhältnis durch Rücktritt, Kündigung oder aus einem anderen Grund beendet wird oder eine Überzahlung vorliegt. Die Rückforderung stützt sich meist auf das Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB), wobei der Vorschussempfänger oft darlegen und beweisen muss, inwieweit der erhaltene Betrag bereits leistungsgemäß verwendet wurde. Rückforderungstatbestände können weiterhin gegeben sein, wenn der Vorschuss zu Unrecht verlangt oder gezahlt wurde, etwa bei Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung.

Besteht ein Anspruch auf Verzinsung eines gezahlten Vorschusses?

Ob ein Vorschuss zu verzinsen ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Grundsätzlich ist ein Vorschuss nicht automatisch zu verzinsen, solange keine anderslautende Vereinbarung getroffen wurde oder gesetzliche Vorschriften dem nicht entgegenstehen. Wird der Vorschuss nach Beendigung des Vertragsverhältnisses oder nach Abrechnung nicht zeitnah zurückgezahlt, kann jedoch ein Anspruch auf Verzugszinsen entstehen (§§ 286, 288 BGB). Voraussetzung hierfür ist, dass der Vorschussempfänger sich im Zahlungsverzug befindet, also nach Fälligkeit und Mahnung oder nach Ablauf einer klar bestimmten Zahlungsfrist.

Kann ein Vorschuss mit offenen Forderungen verrechnet werden?

Rechtlich ist die Verrechnung (Aufrechnung) eines Vorschusses mit offenen Forderungen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen (§§ 387 ff. BGB) grundsätzlich zulässig. Voraussetzung ist, dass die Forderungen gegenseitig, gleichartig, fällig und durchsetzbar sind. Im Fall eines Vorschusses kann der Empfänger daher eigene Forderungen, etwa aus einer bereits im Rahmen des Vertragsverhältnisses erbrachten Teilleistung, gegen den Rückzahlungsanspruch aufrechnen. Zu beachten sind gegebenenfalls vertragliche Regelungen, die ein Aufrechnungsverbot oder besondere Abrechnungsmodalitäten vorsehen.

Welche Nachweispflichten treffen den Vorschussempfänger?

Den Empfänger eines Vorschusses trifft eine umfassende Nachweispflicht hinsichtlich der Verwendung der erhaltenen Mittel. Er muss dem Vorschussgeber auf Verlangen jederzeit eine detaillierte Abrechnung über die Verwendung des Vorschusses vorlegen (§ 675 BGB etwa beim Geschäftsbesorgungsvertrag; § 666 BGB beim Auftrag). Dazu gehören Belege und Dokumentationen über bereits erbrachte Leistungen sowie eine transparente Darstellung noch nicht verwendeter Beträge. Eine Verletzung dieser Pflicht kann zur sofortigen Rückzahlung und Schadensersatzansprüchen führen. In bestimmten Berufsgruppen (z. B. Anwalt, Steuerberater, Architekt) können zudem berufsrechtliche Vorschriften strengere Dokumentations- und Abrechnungspflichten vorsehen.