Vormietvertrag: Bedeutung, Funktion und Einordnung
Ein Vormietvertrag (auch Mietvorvertrag genannt) ist eine verbindliche Vereinbarung zwischen einer zukünftigen Mietpartei und einer vermietenden Partei, mit der sich beide verpflichten, zu einem späteren Zeitpunkt einen Hauptmietvertrag über ein konkret bezeichnetes Objekt abzuschließen. Er dient dazu, die wesentlichen Konditionen der künftigen Miete vorab festzulegen und den Abschluss des späteren Hauptvertrags abzusichern.
Abgrenzung zu ähnlichen Vereinbarungen
Vom Vormietvertrag zu unterscheiden sind unverbindliche Absichtserklärungen (z. B. Letter of Intent) und reine Reservierungsvereinbarungen ohne Verpflichtung zum späteren Vertragsabschluss. Eine bloße Mietzusage oder Reservierung entfaltet ohne eindeutige Bindung regelmäßig nicht dieselbe Verbindlichkeit wie ein Vormietvertrag.
Rechtsnatur und Bindungswirkung
Der Vormietvertrag begründet die Pflicht beider Seiten, den Hauptmietvertrag zu den vereinbarten Bedingungen abzuschließen. Voraussetzung für eine rechtliche Bindung ist, dass die wesentlichen Vertragsbestandteile der künftigen Miete ausreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sind. Dazu zählen insbesondere die Parteien, das Mietobjekt, der Mietzweck (z. B. Wohnen oder Gewerbe), der Mietzins, der Mietbeginn sowie die Laufzeit, sofern eine feste Dauer vorgesehen ist.
Durchsetzbarkeit
Verweigert eine Seite ohne vertraglichen Grund den Abschluss des Hauptmietvertrags, kann sich daraus ein Anspruch auf Abschluss des Hauptvertrags oder ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens ergeben. Umfang und Art der Rechtsfolgen hängen von der konkreten Ausgestaltung des Vormietvertrags und dem Grad der Bestimmtheit der vereinbarten Konditionen ab.
Nutzung des Objekts
Die tatsächliche Überlassung und Nutzung des Objekts erfolgt grundsätzlich erst auf Grundlage des Hauptmietvertrags und der vereinbarten Übergabe. Der Vormietvertrag regelt den Weg zu diesem Vertrag, nicht dessen praktische Durchführung.
Form und Zustandekommen
Ein Vormietvertrag kann grundsätzlich formfrei geschlossen werden. Schriftliche Dokumentation ist üblich, weil sie den Inhalt und die Bindung klar nachweisbar macht. Wird eine feste Laufzeit des späteren Hauptmietvertrags von mehr als einem Jahr angestrebt, kommt der Einhaltung der Schriftform für den Hauptvertrag besondere Bedeutung zu; dies prägt regelmäßig auch die Gestaltung des Vormietvertrags.
Vertretung und Berechtigung
Bindungswirkung setzt voraus, dass die unterzeichnende Person zum Abschluss berechtigt ist (z. B. Eigentümer, bevollmächtigte Verwaltung oder Vertretung). Die Frage der Vertretungsmacht kann für die Wirksamkeit des Vormietvertrags entscheidend sein.
Elektronische Kommunikation
Vormietverträge können auch über elektronische Kommunikationswege angebahnt und geschlossen werden. Für die Beweisbarkeit sind eindeutige Erklärungen und nachvollziehbare Dokumentation von Inhalt und Identität der Erklärenden maßgeblich.
Typische Inhalte und Klauseln
Wesentliche Vertragsdaten
Regelmäßig umfasst ein Vormietvertrag folgende Punkte: genaue Bezeichnung von Objekt und Parteien, Zwecke der Nutzung, Miethöhe und Nebenkosten, Beginn und Laufzeit, Übergabezustand und Ausbauten, sowie Fristen für den Abschluss des Hauptmietvertrags.
Bedingungen
Häufig werden Bedingungen vereinbart, die den Abschluss des Hauptmietvertrags vorbereiten oder davon abhängig machen. Beispiele sind Bonitätsprüfungen, Zustimmung von Gremien oder Eigentümergemeinschaften, behördliche Genehmigungen, Fertigstellung von Bau- oder Ausbaumaßnahmen oder der Nachweis bestimmter Unterlagen.
Exklusivität und Fristen
Vereinbarungen zu Exklusivität und Reservierungsdauer sollen sicherstellen, dass das Objekt während einer festgelegten Zeit nicht anderweitig vergeben wird und der Abschluss des Hauptmietvertrags innerhalb bestimmter Fristen erfolgt.
Vertragsstrafe, Reservierungsentgelt, Anzahlungen
Mitunter werden Zahlungen vereinbart, die den Bindungswillen unterstreichen oder einen Ausgleich für die Reservierung darstellen. Solche Klauseln unterliegen rechtlichen Grenzen. Ihre Wirksamkeit hängt von Transparenz, Angemessenheit, Zweck und konkreter Ausgestaltung ab.
Kosten und Unterlagen
Üblich sind Regelungen zur Tragung von Vorlaufkosten, zur Bereitstellung von Plänen, Flächenangaben und Dokumentationen sowie zu Vertraulichkeit und Datenschutz im Rahmen der Prüfung personenbezogener und wirtschaftlicher Informationen.
Zahlungen vor Abschluss des Hauptmietvertrags
Vor Abschluss des Hauptmietvertrags eingesetzte Zahlungen können unterschiedliche Funktionen haben. Ein Reservierungsentgelt dient der Sicherung des Objekts für einen begrenzten Zeitraum. Eine Mietkaution ist demgegenüber typischerweise erst mit Abschluss des Hauptmietvertrags fällig und dient der Sicherung von Ansprüchen aus dem Mietverhältnis.
Rechtliche Einordnung von Reservierungsentgelten
Reservierungsentgelte und Vertragsstrafen sind nur unter engen Voraussetzungen wirksam. Fehlt es an einer klaren Leistung der anderen Seite, kann die Wirksamkeit eingeschränkt sein. Scheitert der Abschluss des Hauptmietvertrags aus Gründen, die nicht in der Sphäre der zahlenden Partei liegen, kommt regelmäßig eine Rückzahlung in Betracht. Die Beurteilung hängt von der vertraglichen Struktur und den Umständen ab.
Abgrenzung zur Vermittlungsvergütung
Davon zu unterscheiden ist eine Vergütung für Vermittlungsleistungen. Diese setzt üblicherweise einen wirksam geschlossenen Hauptmietvertrag und die erfolgreiche Vermittlung voraus. Vorlaufentgelte ohne entsprechenden Vertragserfolg sind rechtlich gesondert zu bewerten.
Besonderheiten bei Wohnraummiete
Bei Wohnraum ist die Kontrolle vorformulierter Vertragsbedingungen besonders relevant. Klauseln zu Vertragsstrafen, Reservierungsentgelten oder weitgehenden Bindungen unterliegen strenger Inhaltskontrolle. Bei Fernkommunikation können Informationspflichten eine Rolle spielen; mietrechtliche Verträge über Wohnraum werden im Verbraucherschutz allerdings in bestimmtem Umfang anders behandelt als allgemeine Dienstleistungsverträge.
Besonderheiten bei Gewerberaummiete
In der Gewerberaummiete sind Vormietverträge verbreitet, um komplexe Projekte abzusichern. Häufig werden Flächenmaß, Aus- und Umbau, Übergabestandards, Genehmigungen und Ausbaufristen detailliert geregelt. Die wirtschaftliche Risikoverteilung vor Abschluss des Hauptmietvertrags ist regelmäßig ein Kernpunkt.
Rücktritt, Bedingungsausfall und Scheitern des Vertragsschlusses
Vormietverträge enthalten häufig ausdrückliche Rücktrittsrechte oder Bedingungen. Treten vereinbarte Bedingungen nicht ein, entfällt die Pflicht zum Abschluss des Hauptmietvertrags. Verweigert eine Seite ohne vereinbarten Grund den Abschluss trotz erfüllter Bedingungen, kommen Ansprüche auf Abschluss oder auf Schadensersatz in Betracht. Die Zurechnung von Gründen (Sphärenzugehörigkeit) ist für die rechtliche Bewertung bedeutsam.
Beweis und Dokumentation
Für die Beurteilung eines Vormietvertrags sind klare und vollständige Dokumente maßgeblich. Dazu gehören Vertragsentwürfe, Anlagen (z. B. Grundrisse, Flächenangaben), Protokolle, Korrespondenz und Nachweise über Bedingungen. Eindeutige und konsistente Unterlagen erleichtern die spätere rechtliche Einordnung.
Abgrenzung zu Optionsrechten
Ein Optionsvertrag räumt einer Partei das Recht ein, durch einseitige Erklärung den Hauptmietvertrag zustande zu bringen. Der Vormietvertrag verpflichtet demgegenüber beide Seiten zum Abschluss. Die rechtliche Wirkung unterscheidet sich damit grundlegend.
Risiken und typische Streitpunkte
- Unzureichende Bestimmtheit der wesentlichen Konditionen
- Unklare Bedingungen und Fristen für den Abschluss des Hauptmietvertrags
- Wirksamkeit und Angemessenheit von Reservierungsentgelten oder Vertragsstrafen
- Vertretungsmacht der unterzeichnenden Personen
- Missverständnisse über Übergabezustand, Ausbau und Mietbeginn
- Kollisionen mit bestehenden Belegungs- oder Genehmigungserfordernissen
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Vormietvertrag
Ist ein Vormietvertrag rechtlich bindend?
Ja, ein Vormietvertrag ist bindend, wenn die wesentlichen Punkte des späteren Hauptmietvertrags ausreichend bestimmt sind und Einigkeit über den Abschluss besteht. Er verpflichtet beide Seiten, den Hauptmietvertrag zu den vereinbarten Konditionen zu schließen.
Welche Angaben muss ein Vormietvertrag enthalten, um wirksam zu sein?
Erforderlich sind insbesondere die Vertragsparteien, die genaue Bezeichnung des Mietobjekts, der Mietzweck, der Mietzins, der Mietbeginn sowie gegebenenfalls die Laufzeit. Zusätzlich sind Regelungen zu Bedingungen, Fristen und Übergabezustand üblich.
Darf für eine Reservierung ein Entgelt verlangt werden?
Ein Reservierungsentgelt ist rechtlich nur in engen Grenzen wirksam. Es bedarf eines erkennbaren Gegenwerts, muss transparent vereinbart sein und darf nicht unangemessen benachteiligen. Seine Einbehaltung trotz ausbleibenden Vertragsschlusses ist nur unter bestimmten Voraussetzungen haltbar.
Kann aus einem Vormietvertrag der Abschluss des Hauptmietvertrags erzwungen werden?
Wenn ein verbindlicher Vormietvertrag vorliegt und alle vereinbarten Bedingungen erfüllt sind, kann ein Anspruch auf Abschluss des Hauptmietvertrags bestehen. Alternativ kommen Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen oder Nachteilen in Betracht, wenn der Abschluss ohne berechtigten Grund verweigert wird.
Was passiert, wenn vereinbarte Bedingungen nicht eintreten?
Treten aufschiebende Bedingungen nicht ein, entfällt regelmäßig die Pflicht, den Hauptmietvertrag abzuschließen. Bei von einer Seite zu vertretenden Gründen kann sich die Frage nach Verantwortlichkeit und etwaigen Ausgleichsansprüchen stellen.
Unterscheidet sich der Vormietvertrag bei Wohnraum und Gewerbe?
Ja. Bei Wohnraum unterliegen vorformulierte Klauseln einer strengeren Inhaltskontrolle. Vertragsstrafen und Reservierungsentgelte werden dort besonders kritisch bewertet. In der Gewerberaummiete sind detaillierte Regelungen zu Ausbau, Flächen und Genehmigungen verbreiteter.
Ist eine Kaution schon vor Abschluss des Hauptmietvertrags zulässig?
Die Mietkaution ist üblicherweise an den Hauptmietvertrag gebunden. Eine vorweg geleistete Zahlung ist rechtlich anders zu beurteilen als eine Kaution und bedarf einer eindeutigen vertraglichen Grundlage sowie einer trennscharfen Zweckbestimmung.
Gibt es ein Widerrufsrecht bei online abgeschlossenen Vormietverträgen?
Ein generelles Widerrufsrecht besteht nicht. Ob ein Widerruf in Betracht kommt, hängt von der rechtlichen Einordnung des konkreten Vertrags und der Art des Zustandekommens ab. Verträge über die Vermietung von Wohnraum werden in diesem Zusammenhang teils anders behandelt als allgemeine Dienstleistungsverträge.