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Vorläufige Deckungszusage


Begriff und rechtliche Einordnung der Vorläufigen Deckungszusage

Die vorläufige Deckungszusage ist ein zentrales Instrument im Versicherungsrecht, insbesondere im Schadens- und Haftpflichtversicherungsrecht. Sie bezeichnet die verbindliche Zusage eines Versicherers, für einen bestimmten Schadenfall oder eine rechtliche Auseinandersetzung (zum Beispiel im Bereich der Rechtsschutzversicherung) eine vorläufige Deckung zu gewähren. Diese Zusage erfolgt in der Regel mündlich oder schriftlich, bevor der Versicherer nach eingehender Prüfung abschließend über die Leistungspflicht entscheidet. Die vorläufige Deckungszusage stellt somit ein eigenständiges Rechtsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsunternehmen dar, welches temporären Versicherungsschutz bis zur endgültigen Entscheidung gewährleistet.


Grundlagen und rechtliche Bedeutung

Definition und Abgrenzung

Eine vorläufige Deckungszusage unterscheidet sich von der abschließenden Deckungszusage durch ihre Befristung und Widerruflichkeit. Sie ermöglicht dem Versicherungsnehmer, kurzfristig und in Eilfällen auf Rechtsschutz oder andere Versicherungsleistungen zurückzugreifen, etwa wenn rascher Rechtsrat oder finanzielle Unterstützung zur Klageabwehr oder Geltendmachung von Ansprüchen benötigt wird.

Rechtsgrundlage

Die rechtliche Grundlage der vorläufigen Deckungszusage findet sich in den gesetzlichen Vorschriften zum Versicherungsvertragsrecht, insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Gemäß § 49 VVG schuldet der Versicherer nach Anzeige des Versicherungsfalls innerhalb von zwei Wochen eine Entscheidung über die Deckung. In begründeten Eilfällen kann jedoch bereits vor Prüfung der Sach- und Rechtslage eine vorläufige Deckungszusage erteilt werden. Die Zusage stellt einen einseitig empfangsbedürftigen Verwaltungsakt dar, der für beide Vertragsparteien bindende Wirkung entfaltet, soweit keine Rücknahmeerklärung erfolgt.


Voraussetzungen und Umfang

Voraussetzungen für die Erteilung

Die vorläufige Deckungszusage wird regelmäßig dann erteilt, wenn der Versicherer nach einer ersten Prüfung die grundsätzliche Eintrittspflicht nicht ausschließen kann, aber eine endgültige Klärung längere Zeit beanspruchen würde. Hierbei sind insbesondere folgende Voraussetzungen relevant:

  • Zuständigkeit und Bestehen des Versicherungsvertrages: Der Versicherungsschutz muss dem Grunde nach bestehen und der gemeldete Fall in den versicherten Zeitraum fallen.
  • Anzeige des Versicherungsfalls: Der Versicherungsfall muss dem Versicherer ordnungsgemäß angezeigt worden sein.
  • Prüfungsbedarf: Die Sach- und Rechtslage ist noch nicht abschließend geklärt.

Umfang der vorläufigen Deckungszusage

Die vorläufige Deckungszusage kann sowohl inhaltlich als auch zeitlich begrenzt werden. Sie kann sich auf bestimmte Maßnahmen oder Kosten (zum Beispiel Erstberatung, Kosten für die Einlegung eines Rechtsmittels) beziehen. Stets ist zu beachten, dass der endgültige Leistungsanspruch von der abschließenden Deckungsentscheidung abhängig bleibt. Die vorläufige Deckungszusage bewirkt, dass der Versicherer für im Rahmen der Zusage entstehende Kosten aufkommt, sofern sich im Nachhinein kein Ausschluss der Leistungspflicht ergibt.


Bindungswirkung und Widerruf

Bindungswirkung für den Versicherer

Mit Abgabe der vorläufigen Deckungszusage ist der Versicherer grundsätzlich an diese gebunden. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf alle Maßnahmen, die in der Zusage genannt und genehmigt wurden.

Voraussetzungen und Grenzen des Widerrufs

Ein Widerruf bzw. die Rücknahme der vorläufigen Zusage ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Der Versicherer kann die Zusage widerrufen, wenn später Tatsachen bekannt werden, die den Versicherungsschutz von Anfang an ausschließen oder ein Leistungsausschluss nachweisbar ist. Der Widerruf wirkt aber grundsätzlich nur für die Zukunft. Bereits im Vertrauen auf die Deckungszusage getätigte Maßnahmen und angefallene Kosten sind grundsätzlich weiterhin vom Versicherer zu tragen, sofern kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Versicherungsnehmers vorliegt.


Wirkungen und Haftung

Wirkung für den Versicherungsnehmer

Der Versicherungsnehmer kann sich in dem Zeitraum, in dem eine vorläufige Deckungszusage besteht, darauf verlassen, dass die in der Zusage genannten Maßnahmen und Kosten vorläufig gedeckt sind. Dies verschafft ihm die notwendige Rechtssicherheit, insbesondere um Fristen zu wahren oder zeitkritische Schritte einleiten zu können.

Haftung bei Rücknahme der vorläufigen Deckungszusage

Kommt es nachträglich zur Rücknahme der vorläufigen Deckungszusage, kann der Versicherungsnehmer zumindest Ersatz derjenigen Kosten verlangen, die bis zum Zeitpunkt der Rücknahme im Vertrauen auf die vorläufige Zusage angefallen sind. Ein vollständiger Ausschluss der Leistung kommt nur bei Täuschung, arglistiger Falschangabe oder grober Verletzung der Mitwirkungspflichten durch den Versicherungsnehmer in Betracht.


Rechtsprechung und praktische Bedeutung

Bedeutung in der Versicherungspraxis

Die vorläufige Deckungszusage ist besonders in der Praxis von Bedeutung, wenn schnelle Rechtssicherheit benötigt wird, etwa zur Einlösung von Fristen bei gerichtlichen Verfahren. Sie ist vor allem in der Rechtsschutzversicherung, aber auch in der Kfz-Haftpflichtversicherung (Stichwort „Doppelversicherung“) und anderen Versicherungsarten praxisrelevant.

Rechtsprechung zu vorläufigen Deckungszusagen

Die Gerichte haben wiederholt die Bindungswirkung und deren Grenzen bestätigt. Die Rechtsprechung legt hierbei besonderen Wert auf den Vertrauensschutz des Versicherungsnehmers, der auf die Verbindlichkeit vorläufig erteilter Zusagen angewiesen ist.


Zusammenfassung

Die vorläufige Deckungszusage ist ein wesentliches Element des Versicherungsrechts. Sie gilt als vorübergehender, verbindlicher Versicherungsschutz des Versicherers, der in zeitlich und sachlich begrenztem Umfang zugesichert wird, bevor die endgültige Deckungsentscheidung getroffen wird. Die vorläufige Deckungszusage schützt das berechtigte Interesse des Versicherungsnehmers, bei dringendem Handlungsbedarf nicht schutzlos zu sein, und sorgt gleichzeitig dafür, dass der Versicherer den Anspruch im Nachgang noch eingehend prüfen kann. Sie unterliegt strengen rechtlichen Anforderungen hinsichtlich Bindungswirkung, Widerrufsrechten und haftungsrechtlicher Folgen. Die umfassende Berücksichtigung der vorläufigen Deckungszusage im Versicherungsvertrag und deren genaue Ausgestaltung spielen deshalb in der anwaltlichen und versicherungstechnischen Beratung eine herausragende Rolle.


Siehe auch:

  • Deckungszusage
  • Versicherungsvertrag
  • Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
  • Leistungsfall (Versicherung)
  • Ausschlussklausel

Häufig gestellte Fragen

Ist eine vorläufige Deckungszusage rechtlich bindend?

Eine vorläufige Deckungszusage ist grundsätzlich rechtlich bindend, sobald sie von dem Versicherer gegenüber dem Antragsteller oder versicherten Person erklärt wurde. Sie stellt ein einseitiges Leistungsversprechen des Versicherers dar, das diesen verpflichtet, für einen bestimmten Zeitraum und im Rahmen des vorläufig gewährten Versicherungsschutzes einzutreten, auch wenn der endgültige Versicherungsvertrag noch nicht wirksam zustande gekommen ist. Die rechtliche Bindungswirkung besteht unabhängig davon, ob später der eigentliche Versicherungsvertrag zustande kommt oder ob eine Annahme verweigert wird, sofern kein Ablehnungsgrund nachweisbar ist (z.B. arglistige Täuschung des Antragstellers). In der Regel sind Inhalt und Umfang der Deckungszusage auf die wichtigsten Versicherungsbedingungen und auf einen kurzen Zeitraum beschränkt. Verstöße gegen die gesetzlichen Vorgaben – etwa eine unzulässige Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 8 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) – können zur Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen führen, ohne die grundsätzliche Rechtsverbindlichkeit der Zusage zu beeinträchtigen.

Welche Pflichten treffen den Versicherungsnehmer während der vorläufigen Deckungszusage?

Der Versicherungsnehmer unterliegt während der Dauer der vorläufigen Deckungszusage im Wesentlichen den gleichen Obliegenheiten wie im endgültigen Versicherungsvertrag. Hierzu zählen insbesondere die unverzügliche Anzeige eines Schadensfalls, die Mitteilung wesentlicher Gefahrerhöhungen sowie die wahrheitsgemäße und vollständige Beantwortung aller relevanten Fragen bei Antragstellung. Der Versicherungsnehmer hat ferner eine Anzeigepflicht für Umstände, die Einfluss auf die Risikobewertung haben könnten. Kommt der Versicherungsnehmer diesen Pflichten nicht nach, kann der Versicherer unter Umständen leistungsfrei werden oder den Beginn der Deckung ablehnen. Die genauen Pflichten ergeben sich meist aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, unterliegen jedoch zwingend den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere den §§ 19 ff. VVG.

Welche Rechte und Möglichkeiten zur Kündigung bestehen für beide Vertragsparteien?

Beide Parteien sind während der vorläufigen Deckungszusage grundsätzlich an diese gebunden, bis entweder der endgültige Versicherungsvertrag geschlossen wird oder die vorläufige Deckungszusage endet. Das Recht zur Kündigung der vorläufigen Deckungszusage ergibt sich regelmäßig aus gesetzlichen Grundlagen und den zugrunde liegenden Vertragsbedingungen. Nach § 8 Abs. 3 VVG kann die vorläufige Deckungszusage von beiden Parteien grundsätzlich jederzeit beendet werden. Eine Kündigung wirkt jedoch nur für die Zukunft, der Versicherer bleibt für Versicherungsfälle haftbar, die sich während des aufrechten Bestehens der Zusage ereignen. Zu beachten ist, dass der Versicherer nur dann leistungsfrei wird, wenn die Kündigung dem Versicherungsnehmer nachweislich zugegangen ist, bevor sich der Versicherungsfall ereignet hat.

Welche rechtlichen Folgen hat ein Verstoß gegen Offenbarungspflichten bei der Antragstellung?

Verstoßen Versicherungsnehmer bei der Antragstellung im Zuge der vorläufigen Deckungszusage gegen ihre gesetzlichen Offenbarungspflichten nach § 19 VVG, kann der Versicherer – wie beim endgültigen Vertrag – vom Vertrag zurücktreten oder den Versicherungsschutz verweigern. Maßgeblich ist, ob die Verletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgte und ob sie kausal für den Eintritt oder Umfang des Versicherungsschutzes war. Im Streitfall liegt die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen bei dem Versicherer. Die Rechtsfolgen, insbesondere die Rücktritts- bzw. Anfechtungsrechte oder das Recht zur Vertragsanpassung, entsprechen grundsätzlich vollständig denen eines regulären Versicherungsvertrags.

In welchem Umfang haftet der Versicherer im Rahmen der vorläufigen Deckungszusage?

Der Umfang der Haftung des Versicherers während der vorläufigen Deckungszusage bestimmt sich nach den konkret vereinbarten Bedingungen und den einschlägigen gesetzlichen Regelungen. In aller Regel umfasst die Deckung nur die im Deckungszusage-Dokument ausdrücklich genannten Risiken und ist auf einen Höchstbetrag sowie einen bestimmten Zeitraum (z.B. einen Monat) beschränkt. Gesetzlich nicht zugelassene Begrenzungen – etwa auf die Schadensursache statt -ereignis – sind unwirksam. Bei Eintritt eines Versicherungsfalls innerhalb der Deckungsfrist ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, sofern keine Ausschlussgründe, wie arglistige Täuschung, vorliegen. Die Deckung endet automatisch mit Abschluss des endgültigen Versicherungsvertrags, spätestens nach Ablauf des vereinbarten Zeitraums.

Was geschieht, wenn der endgültige Versicherungsvertrag nicht zustande kommt?

Kommt der endgültige Versicherungsvertrag nach Erteilung der vorläufigen Deckungszusage aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich des Versicherers liegen, nicht zustande, bleibt die vorläufige Deckungszusage für den Zeitraum bis zur Ablehnung bzw. deren Widerruf in Kraft. Der Versicherungsschutz endet, sobald der Versicherer die Annahme des Antrags ausdrücklich ablehnt und diese Ablehnung dem Antragsteller nachweislich zugeht. Für in diesem Zeitraum eingetretene Versicherungsfälle bleibt der Versicherer zur Leistung verpflichtet, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Wurde die vorläufige Deckungszusage vorsätzlich oder grob fahrlässig erschlichen, kann der Versicherer rückwirkend leistungsfrei sein.

Besteht ein Anspruch auf Rückforderung gezahlter Beiträge bei Nichtzustandekommen des Hauptvertrags?

Für die Zeit der vorläufigen Deckungszusage werden üblicherweise gesonderte Beiträge („vorläufige Prämie“) erhoben. Wird der Antrag auf Abschluss des endgültigen Versicherungsvertrags abgelehnt oder nicht angenommen, besteht kein Anspruch auf Rückforderung bereits gezahlter Beiträge für den Zeitraum, in dem Versicherungsschutz bestand. Wurden Prämien bereits für Zeiten nach Ende der Deckungszusage eingezogen, sind diese allerdings zu erstatten. Die Rechtsgrundlage hierfür ergibt sich aus den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 BGB. Im Streitfall trägt der Versicherer die Beweislast, dass Beitrag und Versicherungsdauer korrekt berechnet wurden.