Legal Lexikon

Vorkaufsrecht


Definition und Begriff des Vorkaufsrechts

Das Vorkaufsrecht ist ein im Zivilrecht verankertes Gestaltungsrecht, das es einer Person (dem Vorkaufsberechtigten) ermöglicht, in einen Kaufvertrag einzutreten, sobald der Verpflichtete (etwa der Grundstückseigentümer) einen Vertrag mit einem Dritten über einen bestimmten Gegenstand, meist eine Immobilie oder bewegliche Sache, abschließt. Das Vorkaufsrecht dient insbesondere dem Schutz bestimmter Interessen und kann durch Gesetz oder durch vertragliche Vereinbarung eingeräumt werden.

Rechtliche Grundlagen des Vorkaufsrechts

Gesetzliches Vorkaufsrecht

Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht verschiedene gesetzliche Vorkaufsrechte vor. Ein zentrales Beispiel ist § 577 BGB, welches Mietern bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ein Vorkaufsrecht einräumt. Auch im Grundstücksrecht (§§ 1094 ff. BGB) sowie im Sachenrecht sind gesetzliche Vorkaufsrechte geregelt. Die Ausgestaltung, Voraussetzungen und Folgen gesetzlicher Vorkaufsrechte sind jeweils ausdrücklich normiert und unterliegen bestimmten Formvorschriften.

Vertragliches Vorkaufsrecht

Neben den gesetzlichen Varianten kann das Vorkaufsrecht auch durch eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten begründet werden. Typisch ist dies etwa bei Grundstücksgeschäften oder Unternehmensbeteiligungen. Die vertragliche Vereinbarung legt die Bedingungen und den Gegenstand des Vorkaufsrechts individuell fest. Auch kann das vertragliche Vorkaufsrecht nach den §§ 463 ff. BGB ausgestaltet sein, wobei insbesondere hinsichtlich Form und Eintragung im Grundbuch besondere Anforderungen gelten können.

Wirkungsweise und Ausübung des Vorkaufsrechts

Entstehung des Vorkaufsfalls

Ein Vorkaufsfall tritt ein, sobald der Verpflichtete (Vorkaufsverpflichteter) mit einem Dritten einen rechtlich wirksamen Kaufvertrag über den vom Vorkaufsrecht erfassten Gegenstand abgeschlossen hat. Der Dritte muss vom bestehenden Vorkaufsrecht Kenntnis erhalten; der Vorkaufsberechtigte erhält in der Regel eine Mitteilung über Inhalt und Konditionen des Kaufvertrags.

Ausübung des Vorkaufsrechts

Das Vorkaufsrecht wird durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten ausgeübt, in der Regel binnen einer gesetzlichen Frist, zumeist zwei Monate (§ 469 Abs. 2 BGB). Mit rechtswirksamer Ausübung des Vorkaufsrechts kommt ein Kaufvertrag zu den gleichen Bedingungen zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Verpflichteten zustande wie zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten. Der ursprünglich geschlossene Kaufvertrag mit dem Dritten bleibt wirksam, der Dritte verliert aber seinen Anspruch auf Übereignung.

Rechtsfolgen bei Ausübung

Durch die Ausübung entsteht ein Kaufvertrag zu identischen Bedingungen, wie sie im Hauptvertrag mit dem Dritten vereinbart wurden (§ 464 Abs. 2 BGB). Der Vorkaufsberechtigte erhält einen eigenen Übereignungsanspruch. Bei beweglichen Sachen besteht das Vorkaufsrecht nur, wenn der Kaufvertrag durch Übergabe vollzogen wurde (§ 463 BGB). Für Grundstücke ist das dingliche Vorkaufsrecht im Grundbuch eintragungsfähig und erhöht so die rechtliche Sicherheit.

Einschränkungen und Ausschluss des Vorkaufsrechts

Ausschlussgründe

Das Vorkaufsrecht kann in bestimmten Fällen ausgeschlossen sein; gesetzliche Vorkaufsrechte greifen regelmäßig nicht bei Schenkungen, Tauschgeschäften oder Übertragungen innerhalb der Familie. Auch kann das vertragliche Vorkaufsrecht im Einzelfall ausgeschlossen oder befristet werden.

Grenzen des Vorkaufsrechts

Ein vertraglich eingeräumtes Vorkaufsrecht unterliegt den allgemeinen zivilrechtlichen Schranken, wie Sittenwidrigkeit und Umgehungsverboten. Überdies kann das Vorkaufsrecht durch Verzicht, Ablauf der Befristung oder durch Erfüllung des Vorkaufsfalls (Eintritt ins Geschäft oder endgültiger Verzicht) erlöschen.

Besondere Erscheinungsformen des Vorkaufsrechts

Öffentlich-rechtliches Vorkaufsrecht

Im Bauplanungsrecht besteht gemäß §§ 24 ff. BauGB ein öffentlich-rechtliches Vorkaufsrecht zugunsten der Gemeinde, etwa zur Sicherung städtebaulicher Ziele. Das öffentliche Vorkaufsrecht unterscheidet sich im Verfahren und den Rechtsfolgen grundlegend vom privatrechtlichen Vorkaufsrecht.

Vorkaufsrecht bei Gesellschaften und Unternehmensanteilen

Bei der Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften kann ein Vorkaufsrecht im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden. Es schützt Gesellschafter vor dem unerwünschten Einstieg Dritter.

Verhältnis zu anderen Rechtsinstituten

Das Vorkaufsrecht grenzt sich unter anderem von Vorverkaufsrechten und Rücktrittsrechten ab. Im Unterschied zur Option, bei der der Berechtigte durch einseitige Erklärung einen Kaufvertrag schließen kann, wird das Vorkaufsrecht erst bei Abschluss eines Kaufvertrags mit einem Dritten ausübbar. Das Rückkaufsrecht (§§ 456 ff. BGB) ermöglicht dagegen eine Rückabwicklung unter bestimmten Umständen.

Eintragung und Publizitätswirkung

Bei Grundstücken ist das vertragliche Vorkaufsrecht in Abteilung II des Grundbuchs einzutragen (§ 1095 BGB). Durch die Eintragung erlangt es Publizitätswirkung und ist damit für jedermann ersichtlich. Das schützt den Vorkaufsberechtigten im Falle eines Eigentümerwechsels und sichert seine Rechtsposition gegenüber gutgläubigen Dritten.

Rechtsfolgen bei Verletzung des Vorkaufsrechts

Wird das Vorkaufsrecht missachtet und erfolgt die Veräußerung ohne ordnungsgemäße Einbeziehung des Vorkaufsberechtigten, kann dieser Schadensersatzansprüche oder – bei Grundstücken vor Eigentumsumschreibung – die Zustimmung zur Eigentumsübertragung verweigern. Die genaue Rechtsfolge richtet sich nach der Art des Vorkaufsrechts (gesetzlich oder vertraglich) und den Umständen des Einzelfalls.

Zusammenfassung

Das Vorkaufsrecht stellt ein bedeutsames Rechtsschutzinstrument im deutschen Privatrecht dar, das dem Vorkaufsberechtigten die Möglichkeit gibt, in ein Kaufgeschäft einzutreten und so bestimmte Interessen – etwa den Fortbestand eines Mietverhältnisses oder den Verbleib im Familienbesitz – zu schützen. Die rechtlichen Ausgestaltungen sind vielfältig und reichen von umfassenden gesetzlichen Regelungen bis zur individualvertraglichen Gestaltung. Die Einhaltung der rechtlichen Voraussetzungen und Fristen ist für die Wirksamkeit und Durchsetzung des Vorkaufsrechts von zentraler Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Wann und unter welchen Voraussetzungen entsteht ein gesetzliches Vorkaufsrecht?

Das gesetzliche Vorkaufsrecht entsteht immer dann, wenn das Gesetz ausdrücklich ein solches Recht vorsieht. Im deutschen Recht finden sich die wichtigsten Regelungen hierzu insbesondere in den §§ 463 bis 473 BGB für das schuldrechtliche Vorkaufsrecht sowie in verschiedenen Spezialgesetzen wie dem Grundstücksverkehrsgesetz (insbesondere §§ 24-28 BauGB für das kommunale Vorkaufsrecht). Ein gesetzliches Vorkaufsrecht tritt regelmäßig zum Schutz bestimmter Personengruppen auf, etwa von Mietern (§ 577 BGB), Miterben (§ 2034 BGB) oder von Kommunen im öffentlichen Interesse. Damit das Vorkaufsrecht ausgeübt werden kann, muss regelmäßig ein Verkauf stattfinden, das heißt, mit einem Dritten ein Kaufvertrag über den betreffenden Gegenstand (z.B. Immobilie) wirksam abgeschlossen worden sein. Das Angebot muss dem Vorkaufsberechtigten ordnungsgemäß mitgeteilt werden. Weitere Voraussetzungen können in Spezialgesetzen normiert sein, beispielsweise hinsichtlich der Art des Vertrags oder der betroffenen Sache.

Welche Fristen sind bei der Ausübung des Vorkaufsrechts zu beachten?

Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts ist gesetzlich geregelt und beträgt gemäß § 469 BGB in der Regel zwei Monate ab Zugang der Mitteilung über den Kaufvertrag beim Vorkaufsberechtigten. Wird diese Frist versäumt, so erlischt das Vorkaufsrecht für den konkreten Fall unwiderruflich. Im Rahmen des gesetzlichen kommunalen Vorkaufsrechts (z.B. § 28 BauGB) beträgt die Ausübungsfrist in der Regel zwei Monate nach Eingang der Mitteilung des Kaufvertrags bei der Gemeinde. Es ist zwingend erforderlich, dass die Mitteilung vollständig und ordnungsgemäß erfolgt. Unvollständige Informationen können bewirken, dass die Ausübungsfrist noch nicht zu laufen beginnt. In besonderen Fällen, zum Beispiel beim Insolvenzverfahren oder Zwangsversteigerungen, können sich abweichende Fristen ergeben.

Welche Rechtsfolgen hat die Ausübung des Vorkaufsrechts im Grundstücksrecht?

Wird das Vorkaufsrecht ausgeübt, tritt der Berechtigte an die Stelle des Käufers aus dem bereits geschlossenen Kaufvertrag. Dies geschieht nicht etwa durch einen neuen Kaufvertrag, sondern kraft Gesetzes gemäß § 464 Abs. 2 BGB zu den gleichen Bedingungen, wie sie zwischen Verkäufer und Drittkäufer vereinbart wurden. Der Vorkaufsberechtigte erhält damit das Recht, die Immobilie zu den identischen Konditionen zu erwerben. Bereits geleistete Handlungen des Drittkäufers, wie etwa eine Anzahlung, sind im Verhältnis zum Berechtigten grundsätzlich unwirksam. Der ursprüngliche Käufer verliert in diesem Fall seinen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks, kann jedoch in bestimmten Fällen Schadensersatz fordern. Die Übung des Vorkaufsrechts wird durch notarielle Beurkundung vollzogen, sofern es um Grundstücksverkäufe geht.

Welche Formvorschriften gelten bei der Ausübung des Vorkaufsrechts?

Die Ausübungserklärung des Vorkaufsrechts ist grundsätzlich formfrei möglich, es sei denn, eine besondere Form ist gesetzlich vorgesehen. Im Bereich des Immobilienrechts erfordert der Grundstückskaufvertrag allerdings die notarielle Beurkundung (§ 311b BGB), weshalb auch die Erklärung des Vorkaufsrechts gegenüber dem Verkäufer grundsätzlich der notariellen Form bedarf. In der Praxis wird die Ausübung häufig ebenfalls beim Notar erklärt, insbesondere, um eine wirksame und beweiskräftige Ausübung sicherzustellen. Im Hinblick auf die Fristenwahrung muss die Erklärung dem Verkäufer nachweislich innerhalb der vorgesehenen Frist zugehen. Die schriftliche Form wird daher, auch bei grundsätzlicher Formfreiheit, in fast allen Fällen empfohlen.

Gibt es Beschränkungen oder Ausschlussgründe für das gesetzliche Vorkaufsrecht?

Das gesetzliche Vorkaufsrecht ist in verschiedenen Situationen ausgeschlossen. Zu den typischen Ausschlussgründen zählen insbesondere Verkäufe an nahe Angehörige (§ 577 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Vorkaufsrecht des Mieters), die Veräußerung im Rahmen von Zwangsversteigerungen, sowie der Verkauf von Miteigentumsanteilen unter bestimmten Voraussetzungen. Außerdem kann das Vorkaufsrecht in Einzelfällen einzelvertraglich ausgeschlossen werden, sofern das Gesetz keine zwingende Regelung vorsieht. Spezialvorschriften – etwa im Kommunalrecht – können weitere Ausschlusstatbestände vorsehen, wie zum Beispiel einen Ausschluss bei fehlendem öffentlichen Interesse oder bei Grundstücken, die bebaut und seit langer Zeit als Eigenheim dienen.

Welche Pflichten treffen den Verkäufer bei Bestehen eines gesetzlichen Vorkaufsrechts?

Der Verkäufer ist verpflichtet, den Vorkaufsberechtigten über sämtliche Bedingungen des Kaufvertrags vollständig und unverzüglich zu unterrichten, sobald ein entsprechender Kaufvertrag mit einem Dritten geschlossen wurde. Dies muss in einer Form geschehen, die dem Vorkaufsberechtigten die sachgerechte Ausübung seines Rechts ermöglicht. Insbesondere muss der Verkäufer alle relevanten Vertragsdaten, einschließlich etwaiger Nebenabreden, offenlegen. Kommt der Verkäufer dieser Pflicht nicht oder nur unvollständig nach, beginnt die Ausübungsfrist für den Vorkaufsberechtigten in aller Regel nicht zu laufen. Verletzt der Verkäufer die Anbietungs-/Benachrichtigungspflicht und übereignet das Grundstück dennoch an einen Dritten, kann der Vorkaufsberechtigte unter Umständen Schadensersatz verlangen. In Extremfällen kann eine Rückabwicklung des Verkaufs verlangt werden, sofern das Vorkaufsrecht dinglich gesichert war.

Können Dritte (z.B. Mieter, Gemeinden) das Vorkaufsrecht geltend machen, wenn kein vertragliches Vorkaufsrecht vereinbart wurde?

Dritte wie Mieter oder Gemeinden können das Vorkaufsrecht nur dann geltend machen, wenn ihnen ein solches vom Gesetz ausdrücklich eingeräumt ist. Ein vertragliches Vorkaufsrecht besteht ausschließlich, wenn es explizit zwischen den Parteien vereinbart wurde. Ein gesetzliches Vorkaufsrecht kann unabhängig von einer solchen Vereinbarung existieren und beispielsweise auf den Mieterschutz (etwa bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen) oder das öffentliche Interesse abstellen (wie bei kommunalen Vorkaufsrechten). Fehlt eine entsprechende gesetzliche Grundlage, existiert kein Vorkaufsrecht zugunsten Dritter. Eintragungen im Grundbuch können das schuldrechtliche Vorkaufsrecht im Einzelfall weiter absichern, sind aber für das Bestehen eines gesetzlichen Vorkaufsrechts nicht erforderlich.