Definition: Vordatierter Wechsel
Ein vordatierter Wechsel ist ein Wechsel, der mit einem Ausstellungsdatum versehen ist, welches in der Zukunft liegt. Der vordatierte Wechsel zählt zu den Sonderformen des Wechsels und ist insbesondere im Wechselrecht, das im Wechselgesetz (WG) geregelt ist, von Bedeutung. Die rechtlichen Auswirkungen eines vordatierten Wechsels ergeben sich aus einer spezifischen Betrachtung der Wechselurkunde sowie der im Wechselgesetz normierten Regeln betreffend Ausstellung, Fälligkeit und Übertragbarkeit von Wechseln.
Rechtliche Grundlagen des vordatierten Wechsels
Allgemeines Wechselrecht
Das Wechselrecht ist in Deutschland im Wechselgesetz vom 21. Juni 1933 (RGBl. I S. 437, zuletzt geändert durch Art. 17 Abs. 8 G v. 19. April 2006 BGBl. I S. 866) kodifiziert. Nach § 2 WG sind für die Wirksamkeit eines Wechsels bestimmte Bestandteile zwingend erforderlich, insbesondere das Ausstellungsdatum (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 WG).
Vordatierung und Wechselgesetz
Das Wechselgesetz enthält keine ausdrückliche Regelung zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit vordatierter Wechsel. Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Wissenschaft ist jedoch die Vordatierung eines Wechsels zulässig, solange das Ausstellungsdatum eindeutig bestimmt und nicht rückdatiert ist.
Ausstellungsdatum und Wirksamkeit
Das Ausstellungsdatum ist für die Gültigkeit des Wechsels wesentliche Voraussetzung. Enthält ein Wechsel ein Ausstellungsdatum, das zeitlich nach dem tatsächlichen Tag der Ausstellung liegt, so bleibt die Urkunde als Wechsel grundsätzlich wirksam. Dies folgt aus dem Wortlaut des Wechselgesetzes, das keine Beschränkung hinsichtlich der Zukunftsdatierung enthält (§ 2, § 1 Abs. 4 WG).
Fälligkeit und Vorlegung
Die Fälligkeit eines vordatierten Wechsels richtet sich nach dem im Wechsel angegebenen Fälligkeitsdatum, das unabhängig von der Vordatierung bestimmt wird (§ 34 WG). Die Vorlegung bzw. Präsentation zur Zahlung ist grundsätzlich erst ab dem vereinbarten Fälligkeitstag möglich; eine Einlösung des Wechsels vor dem auf dem Wechsel angegebenen Ausstellungsdatum ist in der Regel ausgeschlossen.
Rechtliche Wirkung und Schutzmechanismen
Schutz des Wechselverkehrs
Vordatierte Wechsel können dazu führen, dass der Wechsel während der Zeit zwischen tatsächlicher Ausstellung und dem eingetragenen Ausstellungsdatum bereits in Umlauf gebracht wird. Dies birgt im Wechselverkehr besondere Risiken für den jeweiligen Inhaber, insbesondere hinsichtlich der gutgläubigen Erwerbarkeit und der Einhaltung der Fristen im Wechselrecht, wie etwa der Protestfrist und der Vorlegungsfrist.
Fristen und Rechte der Wechselbeteiligten
Nach § 78 Abs. 2 Satz 2 WG ist für die Berechnung von Fristen das Ausstellungsdatum auf dem Wechsel maßgeblich, unabhängig davon, wann der Wechsel tatsächlich ausgestellt wurde. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass Rechte und Pflichten der Beteiligten im Wechselverkehr zeitlich abweichend zu den tatsächlichen Willenserklärungen entstehen und verjähren.
Missbrauchsmöglichkeiten und Sanktionen
Die Ausstelldatum-Vordatierung kann mit Täuschungsabsicht oder zur Umgehung gesetzlicher Vorschriften missbraucht werden. Insbesondere bei Insolvenzfällen oder zur Verschleierung von Zahlungsunfähigkeit kann die Vordatierung eines Wechsels eine Rolle spielen. In solchen Fällen besteht unter Umständen die Gefahr der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Wechselurkunde nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, etwa aus § 138 BGB (Sittenwidrigkeit).
Praktische Bedeutung und Anwendung
Typische Anwendungsfälle
Vordatierte Wechsel werden gelegentlich in der Unternehmenspraxis verwendet, um Zahlungsvereinbarungen zu treffen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam werden sollen, dem Aussteller jedoch bereits auf formaler Ebene Absicherung und Flexibilität bieten.
Risiken für Wechselnehmer und Indossanten
Wechselnehmer und Indossanten müssen bei Annahme eines vordatierten Wechsels erhöhte Sorgfalt walten lassen. Die zeitliche Differenz zwischen tatsächlicher Ausstellung und im Wechsel angegebenem Datum kann zu Missverständnissen und Nachteilen bei der Rechteverfolgung führen, z. B. im Hinblick auf Fristenanläufe und gutgläubigen Erwerb.
Steuerrechtliche und strafrechtliche Aspekte
Steuerrecht
Im Steuerrecht können vordatierte Wechsel insbesondere bei der bilanziellen Behandlung eine Rolle spielen. Das Stichtagsprinzip erfordert eine Trennung zwischen Wirtschaftsjahren, weshalb eine Manipulation des Ausstellungsdatums zu unzutreffenden Bilanzierungen und damit zu steuerlichen Konsequenzen führen kann.
Strafrechtliche Bewertung
Wird durch die Vordatierung eines Wechsels die Absicht verfolgt, Gläubiger zu benachteiligen, könnte unter Umständen eine strafrechtliche Relevanz bestehen, etwa wegen Betrugs (§ 263 StGB) oder Urkundenfälschung (§ 267 StGB), wenn mit unrichtigen Ausstellungsdaten gearbeitet wird.
Internationale Rechtslage
Auch im internationalen Kontext, insbesondere nach dem Genfer Wechselrecht, ist die Zulässigkeit des vordatierten Wechsels anerkannt, solange keine Täuschungsabsicht oder Gesetzesumgehung vorliegt. Allerdings können nationale Besonderheiten die Gültigkeit oder Behandlung beeinflussen und sollten daher im Einzelfall geprüft werden.
Zusammenfassung
Der vordatierte Wechsel ist eine zulässige, jedoch durch besondere Risiken und potenzielle Missbrauchsmöglichkeiten gekennzeichnete Form des Wechsels. Rechtliche Grundlage ist das Wechselgesetz, das die Vordatierung nicht explizit verbietet, aber zwingende Vorschriften zur Ausstellung, Fristberechnung und Echtheit der Angaben enthält. Im alltäglichen Rechtsverkehr empfiehlt sich bei der Annahme vordatierter Wechsel besondere Vorsicht, um Nachteile bei Rechtsverfolgung oder im Hinblick auf Missbrauchspotentiale auszuschließen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Risiken bestehen bei der Annahme eines vordatierten Wechsels?
Die Annahme eines vordatierten Wechsels birgt verschiedene rechtliche Risiken, insbesondere im Hinblick auf die Wirksamkeit und Fälligkeit der Wechselverbindlichkeiten. Ein vordatierter Wechsel ist ein Wechsel, der auf ein späteres Ausstellungsdatum lautet, als das tatsächliche Ausgabedatum. Rechtlich gesehen entsteht die Wechselverbindlichkeit bereits mit der tatsächlichen Ausstellung und nicht erst mit dem im Wechselpapier angegebenen Datum. Der Inhaber eines vordatierten Wechsels trägt folglich das Risiko, dass der Aussteller möglicherweise vor dem angegebenen Ausstellungsdatum zahlungsunfähig wird oder den Wechsel anfechten könnte. Zudem darf ein vordatierter Wechsel aufgrund § 2 WG nicht vor dem angegebenen Ausstellungsdatum zur Zahlung vorgelegt werden, was zu Unsicherheiten hinsichtlich der Durchsetzbarkeit und der Einhaltung der Protestfristen führen kann. Die Sicherheit der Wechselinhaberschaft kann im Einzelfall geschwächt sein, falls Dritte den Vordatierungscharakter nachweisen und sich daraus rechtliche Konsequenzen ergeben.
Welche strafrechtlichen Konsequenzen kann die Ausstellung eines vordatierten Wechsels haben?
Das Ausstellen eines vordatierten Wechsels kann strafrechtlich relevant werden, insbesondere wenn die Vordatierung zur Täuschung oder zur Erschleichung eines rechtlichen Vorteils dient. In Deutschland ist die Ausstellung vordatierter Wechsel nach § 2 WG zwar grundsätzlich zulässig, sofern daraus keine betrügerischen Absichten resultieren. Wird jedoch ein vordatierter Wechsel wissentlich eingesetzt, um Gläubiger zu schädigen, den Wechselumlauf zu manipulieren oder eine Zahlungsunfähigkeit zu verschleiern, können Straftatbestände wie Betrug (§ 263 StGB), Untreue (§ 266 StGB) oder Urkundenfälschung (§ 267 StGB) verwirklicht werden. Besonders bei Insolvenzverfahren können vordatierte Wechsel den Verdacht einer Gläubigerbenachteiligung oder eines Bankrottdeliktes erwecken, sodass strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden könnten.
Wie wirkt sich ein vordatierter Wechsel auf die Fristenberechnung insbesondere im Hinblick auf die Wechselverjährung aus?
Für die Berechnung der Verjährungsfristen bei einem vordatierten Wechsel ist das auf dem Wechselpapier angegebene Ausstellungsdatum maßgeblich (§ 77 Abs. 2 WG). Die Wechselverjährung beginnt also nicht bereits mit dem tatsächlichen Tag der Unterzeichnung, sondern erst mit dem im Wechsel genannten Ausstellungsdatum. Dies ist insbesondere bei der Frist für die Ausübung von Rückgriffsansprüchen und der Vorlegungsfrist von Bedeutung. Gleichwohl bleibt das Risiko, dass im Falle einer Streitigkeit der tatsächliche Ausstellungszeitpunkt nachgewiesen wird, was Einfluss auf die Rechtsverteidigung haben kann, insbesondere wenn Verjährungseinwände erhoben werden.
Gibt es Einschränkungen hinsichtlich der Handelbarkeit und Übertragbarkeit eines vordatierten Wechsels?
Ein vordatierter Wechsel ist grundsätzlich voll handelbar und kann wie jeder andere Wechsel durch Indossament übertragen werden. Allerdings kann die Vordatierung die Verkehrsfähigkeit beeinträchtigen, weil spätere Erwerber im Nachhinein mit Anfechtungen, insbesondere aufgrund der verdächtigen Vordatierung, rechnen müssen. Banken und andere Diskontinstitute sind daher häufig zurückhaltend bei der Annahme solcher Wechsel und fordern zusätzliche Nachweise über die tatsächlichen Verhältnisse beim Wechselabschluss. Ein vordatierter Wechsel könnte auch problematisch werden, falls der Schuldner im Zeitraum zwischen tatsächlicher Ausstellung und im Wechsel genanntem Datum in Insolvenz fällt.
Welche Beweisanforderungen bestehen im Streitfall bezüglich des tatsächlichen Ausstellungsdatums?
Im Streitfall muss derjenige, der sich auf eine bestimmte tatsächliche Ausstellung des Wechsels beruft, Beweis für dieses Datum erbringen. Rechtlich ausschlaggebend ist das im Wechseltext festgehaltene Datum, doch im Rahmen von Prozessen, etwa zur Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung oder zur Erhebung von Einwendungen auf Seiten des Ausstellers, kann das tatsächliche Ausgabedatum eine Rolle spielen. Hierfür können Zeugenaussagen, Handelsbriefe, interne Korrespondenz oder Banknachweise als Beweismittel herangezogen werden. Die Beweisanforderungen sind hoch, da grundsätzlich dem Wechseltext Glauben geschenkt wird, um den Wechselverkehr nicht zu gefährden.
Ist der vordatierte Wechsel im Insolvenzverfahren des Ausstellers besonders zu behandeln?
Im Insolvenzverfahren des Ausstellers kann ein vordatierter Wechsel Besonderheiten aufweisen. Maßgeblich ist hier, zu welchem Zeitpunkt der Wechsel tatsächlich ausgehändigt wurde. Ist der Wechsel vor dem Insolvenzantrag, jedoch mit einem späteren Ausstellungsdatum ausgestellt worden, kann dies zur Anfechtung nach Insolvenzordnung (§§ 129 ff. InsO) führen, insbesondere wegen Benachteiligung der Insolvenzgläubiger. Der Insolvenzverwalter kann versuchen, aufgrund der Vordatierung eine Scheinhandlung zu behaupten oder eine Anfechtung nach § 134 InsO geltend zu machen. Zudem kann die Geltendmachung der Wechselverbindlichkeit gegenüber der Masse problematisch sein, wenn der tatsächliche Zeitpunkt nachgewiesen wird.
Können Mängel bei der Formulierung eines vordatierten Wechsels zur Nichtigkeit führen?
Formmängel bei der Ausstellung eines vordatierten Wechsels, wie etwa ungenaue oder widersprüchliche Angaben zum Ausstellungsdatum, können zur Nichtigkeit des Wechsels führen. Nach § 1 WG sind bestimmte Angaben zwingend vorgeschrieben, darunter auch das Datum der Ausstellung. Fehlt dieses oder ist es offensichtlich falsch/vordatiert, kann dies je nach Gerichtsbarkeit zur Annahme der Nichtigkeit oder Ungültigkeit des Wechsels führen, insbesondere wenn dadurch die Sicherheit und die Klarheit im Wechselverkehr gefährdet sind. Eine offensichtliche Vordatierung allein führt jedoch nicht notwendigerweise zur Nichtigkeit, solange das Wechselpapier ansonsten den gesetzlichen Anforderungen genügt und nicht gegen zwingende Vorschriften verstößt.