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Vorausverfügung über Mietzahlungen


Definition und Grundbegriffe zur Vorausverfügung über Mietzahlungen

Die Vorausverfügung über Mietzahlungen bezeichnet im Mietrecht eine vertragliche oder einseitige Regelung, die die Verfügung über zukünftige, noch nicht fällige Mietforderungen betrifft. Sie regelt, inwieweit der Vermieter oder andere Berechtigte bereits im Vorfeld (vor Fälligkeit) über Mietansprüche verfügen oder diese abtreten dürfen. Ein zentrales Thema in diesem Zusammenhang sind sogenannte Abtretungen und Sicherungsübereignungen von Mietforderungen sowie vorweggenommene Anweisungen des Mieters zur Zahlungsverwendung oder -abwicklung.

Rechtsgrundlagen und gesetzliche Regelungen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Die maßgeblichen Vorschriften finden sich hauptsächlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 398 ff. BGB), das die Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Abtretungen regelt. Relevante Bedeutung kommt hier insbesondere § 399 BGB („Abtretung ausgeschlossen“), § 400 BGB („Ausschluss bei unpfändbaren Forderungen“), § 566 BGB („Kauf bricht nicht Miete“) sowie § 1124 BGB („Vorausverfügung über Miet- und Pachtforderungen“) zu.

Besondere Regelungen bei Grundstücksbelastungen

Von besonderer Bedeutung ist § 1124 BGB. Dieser besagt, dass eine Vorausverfügung über künftige Miet- oder Pachtforderungen an einem Grundstück nur wirksam wird, wenn diese Forderungen tatsächlich entstehen. Überdies sieht das Gesetz für Hypothekengläubiger sowie Inhaber von Grundschulden und Rentenschulden besondere Sicherungsmöglichkeiten durch Zession der Mietforderungen vor.

Formen der Vorausverfügung über Mietzahlungen

Sicherungsabtretung zukünftiger Mietforderungen

Eine häufige Ausgestaltung der Vorausverfügung ist die Sicherungsabtretung (Zession) zukünftiger Mietforderungen zugunsten eines Kreditgebers oder finanzierenden Instituts. Dabei tritt der Vermieter seine künftigen Ansprüche auf Mietzahlung bereits im Vorfeld, etwa zur Absicherung eines Darlehens, ab. Voraussetzung für die Wirksamkeit ist, dass die abgetretenen Mietforderungen ausreichend bestimmt oder bestimmbar sind.

Wirksamkeit und rechtliche Voraussetzungen

Die Abtretung wird, auch wenn sie auf noch nicht entstandene Forderungen zielt, erst wirksam, sobald diese Forderungen tatsächlich entstehen (sogenannte antizipierte Abtretung; vgl. § 398, § 1124 BGB). Die vertragliche Vereinbarung setzt voraus, dass keine gesetzliche oder vertragliche Abtretungsverbote entgegenstehen.

Vorausverfügung im Rahmen der Insolvenz

Im Falle einer Insolvenz des Vermieters kann die Vorausverfügung über Mietzahlungen eine zentrale Rolle spielen, insbesondere im Hinblick auf die Insolvenzmasse und die Rechte von Sicherungsnehmern. Bestehende Vorausverfügungen werden nur dann beachtet, wenn sie wirksam vereinbart wurden und keine insolvenzrechtlichen Anfechtungsrechte dagegen bestehen (§§ 129 ff. InsO).

Grenzen und Unzulässigkeiten der Vorausverfügung

Abtretungsverbote

Grundsätzlich können Mietverträge Klauseln enthalten, die eine Vorausverfügung über Mietforderungen untersagen. Solche Abtretungsverbote sind gemäß § 399 BGB wirksam, sofern sie transparent und als individuelle Vertragsabrede vereinbart wurden. In Formularmietverträgen unterliegen Abtretungsverbote der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB.

Pfändbarkeit und Schutz des Mieters

Nach § 400 BGB sind unpfändbare Forderungen (insbesondere solche unter Pfändungsfreigrenzen gemäß § 850c ZPO) nicht abtretbar. Zudem ist die Vorausverfügung über Mietzahlungen insoweit begrenzt, als der Mieter durch Abtretung und Vorausverfügung nicht unangemessen benachteiligt werden darf.

Missbrauchsgefahren und AGB-Kontrolle

Klauseln, die den Mieter zur Vorauszahlung künftiger Mieten verpflichten oder eine uneingeschränkte Verfügung über künftige Mietzinsforderungen regeln, können unter Umständen sittenwidrig oder unwirksam sein, wenn sie den Mieter unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB). Insbesondere vorformulierte Vertragsbedingungen (Allgemeine Geschäftsbedingungen) unterliegen einer strengen Inhaltskontrolle.

Praxisbezug und wirtschaftliche Bedeutung

Anwendung in der Immobilienfinanzierung

Vorausverfügungen über Mietzahlungen spielen eine wichtige Rolle bei Immobilienfinanzierungen. Banken verlangen häufig zur Absicherung von Darlehen die Sicherungsabtretung der laufenden und zukünftigen Mietforderungen. Im Zwangsversteigerungsverfahren ermöglicht es § 1124 BGB, die Mieteinnahmen für Berechtigte (z. B. Banken als Hypothekengläubiger) nutzbar zu machen.

Bedeutung für Mieter und Vermieter

Für den Vermieter stellt die Vorausverfügung ein wichtiges Instrument zur Kapitalbeschaffung und Sicherung dar. Mieter wiederum sollten bei Vertragsabschluss auf entsprechende Regelungen achten, um unzumutbare Zahlungspflichten oder Benachteiligungen zu vermeiden.

Rechtsprechung zur Vorausverfügung über Mietzahlungen

Die Rechtsprechung hat in mehreren Urteilen die Voraussetzungen und Wirkungen vorausverfügter Mietforderungen präzisiert, insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an Bestimmbarkeit, Wirksamkeit und etwaiger Gläubigerrechte im Insolvenzfall sowie beim Eigentümerwechsel am Mietobjekt.

Zusammenfassung

Die Vorausverfügung über Mietzahlungen ist ein zentraler Begriff im Miet- und Sicherungsrecht. Sie regelt, inwieweit über künftige Mietforderungen im Vorfeld verfügt werden kann, insbesondere durch Abtretung oder Sicherungsübereignung. Ihre Wirksamkeit hängt von der Bestimmbarkeit der Forderung, gesetzlichen Vorgaben und vertraglichen Bedingungen ab. Derartige Regelungen sind sowohl für die Finanzierung als auch für den Schutz von Mietern relevant und Bedarf einer genauen rechtlichen Prüfung im Einzelfall.

Häufig gestellte Fragen

Ist eine Vorausverfügung über zukünftige Mietzahlungen rechtlich zulässig?

Eine Vorausverfügung über Mietzahlungen – also die Verfügung über zukünftige Forderungen aus einem bestehenden Mietverhältnis – ist grundsätzlich möglich, unterliegt jedoch wesentlichen rechtlichen Einschränkungen. Nach deutschem Recht handelt es sich bei der künftig fällig werdenden Mietforderung um eine sogenannte künftige Forderung (§ 398 BGB), über die grundsätzlich verfügt werden kann. Allerdings können mietrechtliche Schutzvorschriften, etwa §§ 551, 566a und 577a BGB, Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer solchen Verfügung haben. Die Verfügung kann zum Beispiel unwirksam sein, wenn sie gegen den Grundsatz der Mieterschutzrechte verstößt oder die gesetzliche Kündigungsfrist umgangen werden soll. Außerdem ist die Einwilligung des Schuldners (Mieters) in der Regel nicht notwendig, jedoch kann der Schuldner mit befreiender Wirkung an den ursprünglichen Gläubiger zahlen, sofern er von der Verfügung keine Kenntnis erlangt hat (§ 407 BGB). Für eine wirksame Vorausverfügung bedarf es regelmäßig einer eindeutigen und ausreichenden Bestimmbarkeit der künftigen Forderung, die sich auf einen bestehenden Rechtsgrund – das Mietverhältnis – stützen muss.

In welchen Fällen wird eine Vorausverfügung über Mietzahlungen häufig verwendet?

Vorausverfügungen über Mietzahlungen kommen insbesondere im Rahmen von Sicherungsabtretungen (Sicherungszession) vor, etwa wenn ein Vermieter einem Kreditgeber als Sicherheit für ein Darlehen zukünftige Mietforderungen aus einem bestimmten Mietverhältnis abtritt. Auch in Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzverfahren spielen solche Vereinbarungen eine Rolle, etwa wenn im Rahmen einer Pfändung oder Verwertung künftige Mietforderungen erfasst werden sollen. Die Praxis findet sich damit primär im Zusammenhang mit Kreditabsicherungen zugunsten von Banken oder sonstigen Gläubigern und im Bereich der Forderungsverwertung durch Insolvenzverwalter.

Welche formellen Anforderungen müssen bei einer Vorausverfügung über Mietzahlungen beachtet werden?

Die Verfügung über künftige Mietforderungen bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form, sofern keine besonderen gesetzlichen Anordnungen gelten. Sie kann somit formfrei, also auch mündlich, erfolgen. In der Praxis erfolgt die Abtretung (Zession) jedoch regelmäßig schriftlich, um Beweiszwecken zu genügen (§ 126 BGB analog). Bei Sicherungsabtretungen können Banken oder andere Gläubiger weitergehende Formalitäten, wie etwa eine notarielle Beglaubigung, verlangen, insbesondere im Zusammenhang mit Grundpfandrechten. Ferner sollte die betroffene Mietforderung eindeutig individualisierbar sein, das heißt, die Mietparteien, das Mietobjekt und der Zeitraum müssen bestimmt oder zumindest bestimmbar sein.

Kann eine bereits erfolgte Vorausverfügung durch vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden?

Ja, grundsätzlich steht es den Vertragsparteien – insbesondere Vermieter und Mieter – frei, Vorausverfügungen über künftige Mietforderungen durch entsprechende Vereinbarungen im Mietvertrag oder in Zusatzvereinbarungen auszuschließen. Hierbei muss insbesondere berücksichtigt werden, dass ein solcher Ausschluss durch individuelle Vertragsgestaltung wirksam ist, während in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Vermieter besondere Transparenz-, Klarheits- und Benachteiligungsverbote nach §§ 305 ff. BGB zu beachten sind. Ein generell vereinbarter Ausschluss kann somit der Kontrolle unterfallen und im Zweifel durch ein Gericht als unwirksam eingestuft werden, wenn er eine unangemessene Benachteiligung des Mieters darstellt.

Welche Rechte hat der Mieter bei einer Abtretung von Mietforderungen durch den Vermieter?

Der Mieter hat ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 404 BGB, wenn ihm gegenüber vom Zessionar (neuer Gläubiger) Zahlungsansprüche geltend gemacht werden, die jedoch durch Einreden aus dem ursprünglichen Mietverhältnis, etwa wegen Mängeln der Mietsache oder Aufrechnungen, begegnet werden können. Das bedeutet, der Mieter kann alle ihm aus dem Mietverhältnis zustehenden Rechte und Einwendungen – auch gegen den neuen Gläubiger – geltend machen. Zudem darf der Mieter bis zur Kenntniserlangung von der Abtretung weiterhin schuldbefreiend an den bisherigen Vermieter zahlen (§ 407 BGB). Besondere gesetzliche Vorschriften, wie das Verbot doppelseitiger Verfügungen oder der Schutz vor überraschenden Vertragsänderungen, greifen insbesondere bei Verbraucherverhältnissen.

Welche Risiken bestehen für den Zessionar bei einer Vorausverfügung über Mietforderungen?

Für den Zessionar – meist eine Bank oder ein anderer Gläubiger – besteht das Risiko, dass die abgetretene künftige Forderung nicht entsteht, etwa weil das Mietverhältnis vorzeitig beendet wird, eine Kündigung erfolgt oder der Mieter die Mietzahlung aufgrund von Gegenrechten verweigert. Zudem können gesetzliche Verfügungsverbote, wie Insolvenzbestimmungen oder vertraglich vereinbarte Zessionsverbote, die Wirksamkeit der Vorausverfügung einschränken. Bestehende Einreden und Einwendungen des Mieters aus dem Mietverhältnis wirken auch gegenüber dem Zessionar fort (§ 404 BGB), sodass die tatsächliche Werthaltigkeit der abgetretenen Forderung risikobehaftet ist.

Welche Wirkung hat die Vorausverfügung im Insolvenzfall des Vermieters?

Im Insolvenzfall des Vermieters oder Bestandgebers bleiben rechtswirksam abgetretene Forderungen aus Vorausverfügungen grundsätzlich bestehen, sofern sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam vereinbart wurden. Die Insolvenzordnung sieht in § 91 InsO vor, dass Verfügungen über zur Insolvenzmasse gehörige Gegenstände nach Verfahrenseröffnung unwirksam sind. Vorausverfügungen, die bereits vor Verfahrenseröffnung erfolgt sind, binden jedoch den Insolvenzverwalter, sofern nicht nachgewiesen wird, dass sie der Gläubigerbenachteiligung dienen oder den insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbeständen unterliegen. Die praktische Durchsetzbarkeit hängt daher häufig von der konkreten Ausgestaltung und dem Zeitpunkt der Verfügung ab.