Definition und Grundlagen der Vorausabtretung
Die Vorausabtretung ist ein rechtlicher Begriff, der im deutschen Zivilrecht eine besondere Form der Abtretung (Zession) bezeichnet. Darunter versteht man die vertragliche Übertragung künftiger, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bestehender Forderungen eines Schuldners (Zedenten) auf einen Gläubiger (Zessionar). Zweck und rechtliche Gestaltung der Vorausabtretung sind insbesondere im Kreditwesen und Sicherungsrecht relevant, um Gläubigern bereits vor Entstehen der jeweiligen Forderungen Zugriff auf diese zu verschaffen.
Eine Vorausabtretung ist demnach eine Sicherungsabtretung von „künftigen Forderungen“, beispielsweise im Rahmen von Sicherungsgeschäften zur Kreditbesicherung. Im Unterschied zur Abtretung bestehender Forderungen nach § 398 BGB betrifft die Vorausabtretung solche Forderungen, die erst nach Abschluss des Abtretungsvertrags entstehen werden.
Voraussetzungen und Wirksamkeit der Vorausabtretung
Abtretungsfähigkeit künftiger Forderungen
Grundsätzlich sind auch noch nicht entstandene, aber bestimmbar werdende Forderungen nach deutschem Recht abtretbar (§§ 398, 185 BGB). Die zivilrechtliche Zulässigkeit der Vorausabtretung setzt voraus, dass:
- die abgetretenen Forderungen hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sind,
- keine gesetzlichen Abtretungsverbote (z. B. § 400 BGB, § 399 BGB) entgegenstehen und
- keine individualrechtlichen Vereinbarungen die Abtretung ausschließen.
Die Wirksamkeit der Vorausabtretung erstreckt sich auf alle Forderungen, welche vom Schuldner nach Abschluss der Zessionsvereinbarung aus einem festgelegten Rechtsverhältnis entstehen.
Bestimmbarkeitsgrundsatz
Für die Wirksamkeit einer Vorausabtretung muss nach ständiger Rechtsprechung eine eindeutige Bestimmbarkeit der Forderungen gegeben sein. Es genügt, wenn die Forderungen bei ihrem Entstehen eindeutig individualisierbar sind, etwa durch Bezugnahme auf einen bestimmten Kundenkreis, laufende Vertragsbeziehungen oder bestimmte Warenlieferungen.
Schriftformerfordernis
Ein gesondertes Schriftformerfordernis besteht für die Vorausabtretung grundsätzlich nicht, ausgenommen in Fällen, bei denen gesetzlich Schriftform vorgeschrieben ist (z. B. Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen).
Rechtsnatur und Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten
Die Vorausabtretung ist ein Verfügungsgeschäft. Sie unterscheidet sich von der einfachen Forderungsabtretung dadurch, dass nicht eine bestehende, sondern eine noch zu entstehende Forderung abgetreten wird. Typischerweise ist die Vorausabtretung akzessorisch mit Sicherungszwecken verknüpft und oft Teil von Sicherungsabreden, wie Sicherungsübereignung oder Globalzession.
Eine besondere Form ist die Globalzession, bei welcher sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus einer bestimmten Geschäftsbeziehung abgetreten werden.
Typische Anwendungsbereiche der Vorausabtretung
Kredit- und Sicherungsrecht
Im Bank- und Kreditwesen findet die Vorausabtretung breite Anwendung, beispielsweise bei Betriebs- und Kontokorrentkrediten. Kreditinstitute verlangen häufig zur Besicherung von Forderungen die Vorausabtretung aller künftigen Forderungen des Kreditnehmers gegenüber seinen Abnehmern oder Geschäftspartnern.
Warenverkehr und Factoring
Factoringunternehmen nutzen die Vorausabtretung zur Sicherung von Forderungen, die aus künftigen Lieferungen oder Leistungen entstehen. Im Rahmen des echten oder unechten Factorings wird die Vorausabtretung regelmäßig als Sicherheit gefordert.
Rechtliche Besonderheiten und Probleme
Mehrfachabtretung und Prioritätsgrundsatz
Im Falle mehrfacher Abtretungen derselben Forderung entscheidet gemäß § 398 Satz 2 BGB der Prioritätsgrundsatz: Die zuerst getroffene Abtretung hat Vorrang, sofern die beteiligten Parteien redlich gehandelt und keine abweichende Vereinbarung getroffen haben.
Konflikt mit Abtretungsverboten
Gesetzliche oder vertragliche Abtretungsverbote können die Wirksamkeit einer Vorausabtretung beeinträchtigen. Ein schuldrechtliches Abtretungsverbot macht die Abtretung im Verhältnis zum Drittschuldner grundsätzlich unwirksam, sofern der Drittschuldner nicht zustimmt oder das Abtretungsverbot gesetzlich nichtig ist (§ 399 BGB).
Insolvenzrechtliche Aspekte
Im Insolvenzfall des Zedenten ist zu prüfen, ob die Vorausabtretung insolvenzfester Bestand haben kann. Nach § 91 InsO sind Abtretungen grundsätzlich wirksam, sofern sie wirksam vereinbart und die Forderungen vor Insolvenzeröffnung entstanden sind. Für künftige Forderungen, die erst nach Insolvenzeröffnung entstehen, ist jedoch keine Bindungswirkung mehr gegeben.
Abtretungsanzeige und Offenlegung
Die Wirksamkeit der Vorausabtretung ist im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar mit Vereinbarung gegeben. Für die Durchsetzbarkeit gegenüber Drittschuldnern ist eine Abtretungsanzeige gemäß § 409 BGB sinnvoll, aber nicht zwingend erforderlich. Bis zur Anzeige der Abtretung kann der Drittschuldner weiterhin an den ursprünglichen Gläubiger mit schuldbefreiender Wirkung leisten.
Sonderformen der Vorausabtretung
Mantelzession (Globalzession)
Bei der Mantelzession, auch als Globalzession bekannt, werden alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen eines Unternehmens aus laufenden Geschäftsbeziehungen im Wege der Vorausabtretung auf den Sicherungsnehmer übertragen. Diese Form ist in der Praxis von erheblicher Bedeutung, birgt jedoch besondere Risiken im Hinblick auf den Bestimmbarkeitsgrundsatz und mögliche Kollisionen mit anderen Sicherungsgebern.
Sicherungszession
Als Sicherungszession wird die Vorausabtretung von Forderungen an einen Sicherungsnehmer zur Absicherung eines bestimmten Anspruchs bezeichnet. Die Sicherungszession kann sowohl bestehende als auch künftige Forderungen umfassen, sofern sie hinreichend bestimmbar sind.
Abgrenzung zur Antizipierten Abtretung
Der Begriff „antizipierte Abtretung“ wird synonym zur Vorausabtretung verwendet und meint die Abtretung künftiger Forderungen noch vor deren Entstehung unter der aufschiebenden Bedingung ihres späteren Entstehens.
Zusammenfassung
Die Vorausabtretung ist ein wesentliches Sicherungsmittel im deutschen Schuldrecht und spielt eine bedeutende Rolle im Kredit- und Wirtschaftsverkehr. Sie ermöglicht die Übertragung künftiger, noch nicht entstandener, aber hinreichend bestimmbarer Forderungen zur Absicherung von Ansprüchen. Rechtliche Herausforderungen bestehen insbesondere hinsichtlich der Bestimmbarkeit der abzutretenden Forderungen, kollidierender Abtretungsverbote, sowie insolvenzrechtlicher Auswirkungen. Die sorgfältige vertragliche Gestaltung ist wesentlich, um eine wirksame und durchsetzbare Vorausabtretung sicherzustellen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine wirksame Vorausabtretung erfüllt sein?
Für die Wirksamkeit einer Vorausabtretung müssen verschiedene rechtliche Vorgaben beachtet werden. Nach deutschem Recht, insbesondere nach §§ 398 ff. BGB, ist zunächst erforderlich, dass die abgetretene Forderung hinreichend bestimmbar oder zumindest bestimmbar ist. Die Zustimmung des Schuldners ist grundsätzlich nicht notwendig, jedoch ist vertraglich oftmals ein Abtretungsverbot vorgesehen, welches die Wirksamkeit der Vorausabtretung beeinträchtigen kann (§ 399 BGB). Die Vereinbarung der Vorausabtretung muss einen klar definierten Forderungskreis betreffen, wie zum Beispiel „sämtliche gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen“. Zudem muss die Vorausabtretung auf einen realen Rechtsgrund gestützt sein, wie beispielsweise auf einen Sicherungszweck im Rahmen eines Darlehensvertrags. Nicht zulässig sind pauschale Abtretungen ohne nähere Konkretisierung oder ohne berechtigtes Interesse. Formvorschriften bestehen im Regelfall nicht, es sei denn, besondere Vorschriften – etwa im Immobilienrecht oder bei bestimmten Verbraucherverträgen – sehen eine Schriftform vor. Im Rahmen der Insolvenzsicherung ist zudem zu prüfen, ob die Forderung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits entstanden war und die Massezugehörigkeit nach § 91 InsO berührt wird. Auch der Abtretende muss bei Vornahme der Abtretung verfügungsbefugt sein. Andernfalls ist die Vorausabtretung schwebend unwirksam bis zur Heilung.
Wann wird die Vorausabtretung gegenüber Dritten, insbesondere dem Schuldner, wirksam?
Die Vorausabtretung entfaltet grundsätzlich sofort Rechtswirkung zwischen den Parteien (Zedent und Zessionar). Gegenüber dem Schuldner der abgetretenen Forderung wird die Abtretung nach § 409 Abs. 1 BGB jedoch erst dann wirksam, wenn der Schuldner davon in Kenntnis gesetzt wird (Abtretungsanzeige) oder der Zessionar dem Schuldner gegenüber die Abtretung nachweist. Ohne diese Mitteilung kann der Schuldner weiterhin mit schuldbefreiender Wirkung an den ursprünglichen Gläubiger leisten. Dritten gegenüber, beispielsweise im Fall einer Pfändung durch einen weiteren Gläubiger des Zedenten, kommt es darauf an, wer zuerst wirksam Rechte erworben hat. Steht ein Abtretungsverbot im Vertrag, so kann dies die Wirkung gegenüber Dritten einschränken, sofern diese von dem Verbot Kenntnis hatten. Im Insolvenzfall ist zudem entscheidend, ob die Vorausabtretung insolvenzbeständig erfolgt ist, insbesondere ob die abgetretene Forderung hinreichend bestimmt und der Sicherungszweck klar ist.
Welche Bedeutung hat ein Abtretungsverbot bei der Vorausabtretung?
Ein vertraglich vereinbartes Abtretungsverbot gemäß § 399 BGB hat weitreichende Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer Vorausabtretung. Ist im Grundverhältnis zwischen dem Zedenten und dem Drittschuldner eine Abtretung ausgeschlossen, kann die Vorausabtretung entweder vollständig unwirksam sein oder nur im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar Wirksamkeit entfalten, jedoch nicht gegenüber dem Schuldner Dritter. Ausnahmen bestehen, wenn das Abtretungsverbot lediglich schuldrechtlich, nicht jedoch sachenrechtlich wirkt – dies muss im Einzelfall geprüft werden. Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen ist zu beachten, dass ein allgemeines Abtretungsverbot nach § 354a HGB im Zusammenhang mit Geldforderungen aus Lieferungen und Leistungen eingeschränkt werden kann, sodass die Vorausabtretung trotz eines Abtretungsverbots unter bestimmten Voraussetzungen wirksam bleibt. Dies stärkt die Verkehrsfähigkeit von Forderungen und schützt die Sicherungsinteressen der Banken im Rahmen von Globalzessionen.
Wie wirkt sich die Insolvenz des Zedenten auf eine zuvor vereinbarte Vorausabtretung aus?
Im Falle einer Insolvenz des Zedenten sind die Auswirkungen auf eine zuvor erfolgte Vorausabtretung anhand der Vorschriften der Insolvenzordnung zu beurteilen. Nach § 91 InsO erfasst das Insolvenzbeschlag alle zur Zeit der Insolvenzeröffnung zum Vermögen gehörenden Forderungen. Forderungen, die durch eine insolvenzbeständige Vorausabtretung bereits wirksam an einen Zessionar übertragen wurden, fallen grundsätzlich nicht in die Insolvenzmasse, vorausgesetzt, der Vorausabtretungsvertrag ist rechtlich wirksam zustande gekommen und die abgetretenen Forderungen sind ausreichend bestimmt. Eine Globalzession kann jedoch nach §§ 130, 131 InsO anfechtbar sein, wenn sie bis zu drei Monate vor dem Insolvenzantrag erfolgt und eine Benachteiligung anderer Gläubiger bewirkt. Ferner sind nach § 80 InsO ab Insolvenzeröffnung nur noch der Insolvenzverwalter befugt, über die zur Masse gehörenden Rechte zu verfügen. Forderungen, die erst nach Insolvenzeröffnung entstehen, können der Masse zufallen, wenn die Voraussetzungen einer insolvenzfesten Vorausabtretung nicht eingehalten wurden.
Welche Funktion erfüllt die Vorausabtretung im Rahmen von Sicherungszwecken?
Im Sicherungsrecht dient die Vorausabtretung regelmäßig der Absicherung von Ansprüchen des Zessionars, etwa eines Kreditgebers. Hierbei tritt der Zedent dem Zessionar zur Sicherung eines – oft zukünftigen – Anspruchs, beispielsweise zur Kreditsicherung, künftige Forderungen gegen Dritte ab. Die Vorausabtretung wird insbesondere als Sicherungszession, auch Globalzession genannt, bei Unternehmensfinanzierungen eingesetzt. In diesen Fällen gewährt der Schuldner einer Bank ein umfassendes Forderungspaket zur Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Ansprüche aus dem Kreditverhältnis. Zentral ist, dass der Sicherungszweck ausdrücklich vereinbart und nach Zweckfortfall – etwa durch vollständige Tilgung des gesicherten Darlehens – ein Anspruch des Zedenten auf Rückabtretung besteht. Auch hinsichtlich der Gefahr der Übersicherung und der Ermittlung des realen Sicherungsbedarfs sind rechtliche Vorgaben zu beachten. Die Sicherungsabrede und ihre inhaltliche Ausgestaltung werden durch die Grundsätze zur Sicherungsabrede und die Rechtsprechung des BGH geprägt.
Welche Rechte und Pflichten hat der Zedent nach einer Vorausabtretung weiterhin?
Trotz einer wirksam vereinbarten Vorausabtretung bleibt der Zedent zunächst weiter berechtigt, die abgetretenen Forderungen einzuziehen und über sie zu verfügen, solange der Sicherungsfall nicht eingetreten ist und keine Abtretungsanzeige an den Drittschuldner erfolgt ist. Der Zedent muss dabei jedoch den Sicherungszweck wahren und darf das Sicherungsgut nicht vereiteln oder beeinträchtigen. Im Sicherungsfall, etwa bei Nichtzahlung eines Kredits oder Insolvenz, wird der Zessionar berechtigt, die Abtretung offen zu legen und die Einziehung der Forderungen zu verlangen. Gleichzeitig ist der Zedent verpflichtet, dem Zessionar auf Verlangen Auskünfte über Bestand, Entstehung und Durchsetzbarkeit der abgetretenen Forderungen zu erteilen und erforderliche Unterlagen auszuhändigen. Verstöße gegen diese Nebenpflichten können zum Schadensersatz verpflichten. Darüber hinaus bleibt der Zedent verpflichtet, dem Zessionar eventuelle Einreden oder Störungen anzuzeigen.
Inwiefern unterscheidet sich die Vorausabtretung von der Globalzession?
Die Vorausabtretung bezieht sich grundsätzlich auf künftige Forderungen, während sich die Globalzession auf alle – sowohl gegenwärtige als auch zukünftige, näher bezeichnete – Forderungen des Zedenten erstreckt. Die Globalzession ist eine spezielle Form der Vorausabtretung mit besonders weiter Reichweite, die typischerweise im Rahmen der Kreditsicherung verwendet wird. Im rechtlichen Kontext sind bei der Globalzession erhöhte Anforderungen an die Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderungen zu beachten, um der Gefahr einer Übersicherung und damit einer möglichen Unwirksamkeit oder Unbestimmtheit zu begegnen. Zudem ist die Globalzession im Insolvenzfall stärker anfechtungs- und kontrollanfällig, insbesondere im Hinblick auf Gläubigergleichstellung und Prüfung auf sittenwidrige Übersicherung. Die grundlegende Wirksamkeit und die Anwendbarkeit der klassisch für die Vorausabtretung geltenden Grundsätze bleibt jedoch bestehen.