Legal Lexikon

Vor-GmbH


Begriff und rechtliche Einordnung der Vor-GmbH

Die Vor-GmbH bezeichnet im deutschen Gesellschaftsrecht den Zeitraum und die Rechtsform nach der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) bis zur deren Eintragung in das Handelsregister. Während dieser Gründungsphase besteht eine Sonderrechtsform mit eigener Bezeichnung. Die Vor-GmbH wird auch als „GmbH in Gründung“ (abgekürzt „GmbH i.G.“) oder „Vorgesellschaft“ bezeichnet.

Die Vor-GmbH stellt eine eigenständige rechtliche Einheit dar, die den rechtlichen Status einer GmbH noch nicht vollständig erlangt hat, jedoch mehr als eine bloße Gründungsgesellschaft ist. Ihre genaue Rechtsnatur, Haftungslage sowie Rechte und Pflichten der Beteiligten sind im GmbH-Gesetz (GmbHG) geregelt und wurden durch Grundsatzurteile höchstrichterlich konkretisiert.


Gründungsvorgang und Entstehung der Vor-GmbH

Ablauf der GmbH-Gründung

Der Gründungsvorgang einer GmbH gliedert sich in folgende Abschnitte:

  1. Vorgründungsgesellschaft: Zusammenschluss der Gründer zur Vorbereitung einer GmbH
  2. Vor-GmbH (Vorgesellschaft): Entsteht mit notarieller Beurkundung des Gesellschaftsvertrags
  3. Voll-GmbH: Beginnt mit der Eintragung ins Handelsregister

Mit der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags existiert die Vor-GmbH als Körperschaft des Privatrechts und tritt als solche im Rechtsverkehr auf. Eine Handelsregistereintragung ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgt, weshalb die Vor-GmbH nicht voll geschäftsfähig wie eine eingetragene GmbH ist.

Kennzeichnungspflicht

Im Geschäftsverkehr muss die Vor-GmbH als solche kenntlich gemacht werden, beispielsweise durch Zusatz „i.G.“ oder „in Gründung“. Bis zur Eintragung ist die Haftungslage für Gründer und Gesellschaft sowie das Vermögen rechtlich eigenständig geregelt.


Rechtsfähigkeit und Handlungsbefugnisse der Vor-GmbH

Teilrechtsfähigkeit der Vor-GmbH

Die Vor-GmbH ist als teilrechtsfähige Gesellschaft anzusehen. Sie kann im eigenen Namen Verträge abschließen, klagen und verklagt werden, Eigentum erwerben sowie Verbindlichkeiten eingehen. Die Rechtsprechung bezeichnet sie als „Rechtsgebilde eigener Art“, das zumindest im Innenverhältnis der entstehenden GmbH vergleichbar ist. Im Unterschied zur späteren GmbH ist die Vor-GmbH aber noch nicht vollrechtsfähig.

Organe und Vertretung

Die Organe der Vor-GmbH sind bereits die später vorgesehenen Geschäftsführer und Gesellschafter. Die Geschäftsführer vertreten die Vor-GmbH analog zu den späteren gesetzlichen Regelungen im Außenverhältnis.


Haftungsverhältnisse während der Vor-GmbH

Haftung der Vor-GmbH und ihrer Gesellschafter

Das Haftungsregime der Vor-GmbH unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von dem der eingetragenen GmbH. Insbesondere kann die Vor-GmbH für ihre eingegangenen Verbindlichkeiten grundsätzlich mit ihrem Vermögen haften. Ein Schutz vor persönlicher Inanspruchnahme der Gesellschafter besteht jedoch nicht in gleichem Maße wie nach der Handelsregistereintragung.

Persönliche Gesellschafterhaftung

Vor Registereintragung haftet die Vor-GmbH unbeschränkt mit dem Gründungskapital (§ 11 Abs. 2 GmbHG). Wenn das Stammkapital noch nicht voll aufgebracht wurde oder zurückgezahlt wird, haften die Gründungsgesellschafter persönlich. Dabei handelt es sich um eine sogenannte „Durchgriffshaftung“, die solange gilt, bis das Gesellschaftsvermögen die gesetzliche Mindesthöhe (Stammkapital) aufweist und ordnungsgemäß aufgebracht ist.

Nach der Eintragung in das Handelsregister entfällt diese persönliche Haftung für neue Verbindlichkeiten, der Schutz der „Trennungswirkung“ der GmbH beginnt zu wirken.

Geschäftsführerhaftung

Geschäftsführer können während der Vor-GmbH für fehlerhafte Handlungen haftbar gemacht werden, insbesondere beim Verstoß gegen Kapitalerhaltungspflichten oder sonstige Sorgfaltspflichten.

Insolvenzrechtliche Aspekte

Gerät die Vor-GmbH in die Insolvenz, gelten bereits die Insolvenzvorschriften der GmbH. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist sowohl für die Gesellschaft als auch für Gläubiger möglich.


Vermögensrecht und Kapitalaufbringung

Gesellschaftsvermögen vor Eintragung

Mit der Entstehung der Vor-GmbH steht das eingezahlte Stammkapital zur Verfügung der Gesellschaft und wird als gewidmetes Gesellschaftsvermögen behandelt. Das Kapital ist zur ausschließlichen Verwendung für Zwecke der künftigen GmbH bestimmt. Entnahmen oder Verfügungen der Gründer oder Geschäftsführer, die nicht durch den Gesellschaftszweck gedeckt sind, lösen Rückzahlungs- oder Schadensersatzpflichten aus.

Kapitalbindung und Durchsetzung

Die Einlagen müssen erhalten werden und dürfen bis zur Eintragung ausschließlich zur Begleichung gesellschaftsbezogener Verbindlichkeiten genutzt werden. Eine Vermischung mit privaten Interessen der Gesellschafter muss unterbleiben. Die Kapitalaufbringung ist ein zentrales Schutzelement für Gläubiger und wird streng kontrolliert.


Übergang der Vor-GmbH in die GmbH

Eintragung ins Handelsregister

Mit der Eintragung wird die GmbH voll rechtsfähig (§ 11 Abs. 1 GmbHG). Das bisherige Vermögen und die bestehenden Rechtsverhältnisse der Vor-GmbH gehen als Gesamtheit auf die GmbH über. Die GmbH tritt in alle Verträge und Verpflichtungen der Vor-GmbH ein.

Fortbestand von Verträgen und Schuldverhältnissen

Alle während der Vor-GmbH geschlossenen Verträge bleiben auch nach der Registereintragung in vollem Umfang wirksam. Die Haftung beschränkt sich ab diesem Zeitpunkt auf das Gesellschaftsvermögen; eine persönliche Haftung der Gesellschafter entfällt mit Ausnahme von Altverbindlichkeiten, soweit das GmbH-Stammkapital nicht gedeckt war.


Rechtsprechung und praktische Bedeutung

Leitentscheidungen

Die Wesenszüge und das Haftungsregime der Vor-GmbH wurden durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (insbesondere das „Münchener-Kindl“-Urteil) maßgeblich geprägt. Die Rechtsprechung sichert die Eigenständigkeit der Vor-GmbH und betont den Gläubigerschutz durch Kapitalbindung und die subsidiäre Gesellschafterhaftung bei Verletzung der Kapitalaufbringungspflichten.

Bedeutung im Gründungsprozess

Die Vor-GmbH ist in der Praxis ein wesentliches Element zur Ermöglichung eines flexiblen und rechtssicheren Übergangs von der Gesellschaftsgründung zur vollen Rechtsfähigkeit der GmbH. Durch die klaren Regelungen werden sowohl die Interessen der Gründer als auch der Gläubiger ausgewogen geschützt, was die Rechtsform der GmbH besonders attraktiv macht.


Zusammenfassung

Die Vor-GmbH (GmbH i.G.) ist ein eigenständiges Rechtsgebilde, das zwischen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags und der Handelsregistereintragung besteht. Sie ist teilrechtsfähig, kann eigene Vermögenswerte halten und Rechtsgeschäfte abschließen, wird aber durch besondere Haftungsregelungen und Kapitalbindungsvorschriften geprägt. Die Gesellschafter haften bis zur Registereintragung persönlich für das notwendige Stammkapital und die Kapitalaufbringung. Mit der Eintragung erfolgt ein nahtloser Übergang zur eingetragenen GmbH, bei dem sämtliche Rechte, Pflichten und Verträge übernommen werden. Die klare rechtliche Struktur der Vor-GmbH gewährleistet eine hohe Rechtssicherheit und stärkt das Vertrauen in die Gesellschaftsform der GmbH.

Häufig gestellte Fragen

Welche Haftungsregeln gelten in der Vor-GmbH?

In der Vor-GmbH, auch „GmbH in Gründung“ genannt, gelten spezifische Haftungsregeln, die sich wesentlich von der späteren Haftungsstruktur der eingetragenen GmbH unterscheiden. Grundsätzlich haften die handelnden Gesellschafter und Geschäftsführer bis zur Eintragung der GmbH in das Handelsregister persönlich und gesamtschuldnerisch für Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Dies bedeutet, dass Gläubiger ihre Ansprüche neben dem Gesellschaftsvermögen auch gegen alle Gesellschafter und Geschäftsführer persönlich geltend machen können. Die Haftung erstreckt sich auf sämtliche im Namen der Vor-GmbH eingegangenen Verpflichtungen, unabhängig davon, ob die spätere GmbH diese nach der Eintragung übernehmen würde. Die Haftung kann auch nicht durch gesellschaftsvertragliche Regelungen ausgeschlossen werden. Das bei der Gründung eingezahlte Stammkapital dient bis zur Eintragung als Haftungsmasse; etwaige Lücken zwischen eingezahltem Kapital und Verbindlichkeiten müssen im Insolvenzfall ebenfalls von den Gesellschaftern gedeckt werden. Erst mit der Eintragung im Handelsregister geht die Haftung vollständig auf die GmbH als juristische Person über und die Gesellschafter haften dann grundsätzlich nur noch mit ihrer Einlage.

Welche rechtlichen Verpflichtungen bestehen gegenüber Dritten während der Vor-GmbH-Phase?

Im Rahmen der Vor-GmbH geht jede im Namen der Gesellschaft getätigte Handlung auf Kosten der zu gründenden Gesellschaft, sodass rechtliche Verpflichtungen von Anfang an auf die werdende GmbH lauten. Dennoch ist eine Besonderheit zu beachten: Da die Gesellschaft im rechtlichen Sinne noch nicht existiert, haften die handelnden Personen zusätzlich persönlich für eingegangene Verbindlichkeiten. Verträge, die mit Dritten geschlossen werden, sind voll wirksam, müssen aber spätestens nach Eintragung ins Handelsregister von der neuen GmbH ausdrücklich genehmigt werden, sofern dies im jeweiligen Vertrag so geregelt wurde. Dritte können bis zu diesem Zeitpunkt Leistungen sowohl von der werdenden Gesellschaft wie auch von den Gesellschaftern beanspruchen; ein Ausweichmanöver auf die Haftungsbeschränkung der GmbH ist vor der Eintragung nicht möglich. Die Sozialpflichten, etwa gegenüber dem Finanzamt, den Sozialversicherungsträgern oder Mitarbeitern, gelten ebenfalls uneingeschränkt. Kommt es zu einem Scheitern der Eintragung, müssen die Gesellschafter für bereits entstandene Verpflichtungen weiterhin persönlich einstehen.

Welche Rolle spielt das Stammkapital im Zeitraum der Vor-GmbH?

Das bei Gründung eingezahlte Stammkapital dient im Zeitraum der Vor-GmbH als Haftungsmasse für Verbindlichkeiten, die in dieser Phase begründet werden. Die Summe muss auf ein eigens für die Gesellschaft eingerichtetes Geschäftskonto eingezahlt werden. Ebenso ist gewährleistet, dass die Mittel des Stammkapitals bis zur Eintragung nicht an Gesellschafter ausgeschüttet oder zweckentfremdet werden dürfen, da ansonsten eine Haftung nach den Grundsätzen der Unterbilanzhaftung droht. Wird das Stammkapital teilweise für Gründungskosten oder bereits auflaufende Verbindlichkeiten verwendet, müssen die Gesellschafter im Zweifel den fehlenden Betrag ausgleichen, um den Gläubigerschutz nicht zu gefährden. Die genaue Höhe des eingebrachten Stammkapitals sowie der Zeitpunkt und die Modalitäten der Einzahlung sind beim Handelsregisterantrag offenzulegen; eine Falschangabe kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Wie unterscheidet sich die Geschäftsführungsbefugnis während der Vor-GmbH-Phase?

Schon in der Vor-GmbH können die im Gesellschaftsvertrag bestellten Geschäftsführer umfassende Leistungs- und Vertretungsbefugnisse für die werdende Gesellschaft ausüben. Rechtlich treten sie jedoch nicht im Namen einer bereits existierenden juristischen Person auf, sondern für eine Gesellschaft in Gründung. Die Vertretung der Gesellschaft muss daher stets mit dem Zusatz „in Gründung“ oder „i.G.“ erfolgen, um für Dritte die Haftungssituation transparenter zu machen. Die Geschäftsführung ist auf die Tätigkeiten beschränkt, die zur Vorbereitung der Eintragung und zum Erreichen des Gesellschaftszwecks erforderlich sind. Eine Überschreitung dieser Befugnisse kann zu einer persönlichen Haftung führen. Im Innenverhältnis können die Gesellschafter Weisungen erteilen oder einen Geschäftsführungsbeschluss fassen, jedoch bleiben die externen Haftungsverhältnisse davon unberührt.

Inwieweit kann die Vor-GmbH bereits Eigentum oder Rechte erwerben?

Bereits vor der endgültigen Eintragung ins Handelsregister kann die Vor-GmbH im Rechtsverkehr auftreten und eigenständig Rechte und Pflichten erwerben. Sie gilt als sog. teilrechtsfähige Personengesellschaft, die im eigenen Namen Verträge abschließen und z.B. Grundstücke erwerben oder Arbeitsverhältnisse begründen kann. Erworbene Vermögenswerte werden schon jetzt dem Gesellschaftsvermögen zugerechnet und gehen nach der Eintragung automatisch auf die GmbH über. Auch der Erwerb von Schutzrechten wie Marken, Patenten oder Lizenzen ist möglich. Beachte: Bis zur Eintragung besteht für die Gesellschafter eine persönliche Haftung, was bei risikobehafteten Transaktionen besonders zu berücksichtigen ist.

Wie wird eine Vor-GmbH aufgelöst, wenn keine Eintragung erfolgt?

Kommt die GmbH-Eintragung nicht zustande oder entscheiden sich die Gründer, die Gründungsabsicht aufzugeben, wird die Vor-GmbH faktisch aufgelöst. In diesem Fall ist eine Liquidation des eingebrachten Gesellschaftsvermögens und eine Auseinandersetzung im Innenverhältnis erforderlich. Gesellschafter sind verpflichtet, im Rahmen der sog. Rückabwicklung sämtliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten vollständig zu klären. Noch offene Forderungen von Gläubigern müssen bedient werden. Fehlt das Gesellschaftsvermögen, haften die Gesellschafter persönlich mit ihrem Privatvermögen. Die geordnete Rückabwicklung erfolgt im Grundsatz nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen vorsieht. Die eingezahlten Kapitaleinlagen sind nach Abzug der Verbindlichkeiten an die Gesellschafter zurückzuzahlen, sofern dies rechtlich zulässig ist. Alle offenen Rechtsbeziehungen müssen beendet oder übertragen werden. Rückwirkende Erstattungsansprüche wegen Vorleistungen Dritter oder einzelner Gesellschafter ergeben sich nur, wenn entsprechendes Gesellschaftsvermögen vorhanden ist.