Vollmacht – Begriff und Grundlagen
Eine Vollmacht ist die rechtliche Befugnis, für eine andere Person oder ein anderes Rechtssubjekt Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen sowie Handlungen vorzunehmen, die unmittelbar für und gegen die vertretene Person wirken. Sie ermöglicht es, Rechtsgeschäfte nicht persönlich, sondern durch eine bevollmächtigte Person abzuwickeln.
Wesen und Funktion
Die Vollmacht dient der Stellvertretung. Der bevollmächtigte Vertreter tritt im Außenverhältnis gegenüber Dritten auf, während die Rechtsfolgen beim Vollmachtgeber eintreten. Durch die wirksame Bevollmächtigung wird das Handeln des Vertreters dem Vollmachtgeber zugerechnet.
Beteiligte Personen und Rollen
Im Regelfall sind drei Rollen beteiligt: der Vollmachtgeber (die vertretene Person), der Bevollmächtigte (die handelnde Person) und der Geschäftspartner im Außenverhältnis. Der Geschäftspartner verlässt sich auf den Umfang der mitgeteilten oder erkennbaren Vollmacht.
Innen- und Außenverhältnis
Zu unterscheiden ist das Innenverhältnis (Grundverhältnis, z. B. Auftrag, Dienst- oder Arbeitsverhältnis) vom Außenverhältnis (die Vertretungsmacht gegenüber Dritten). Das Innenverhältnis regelt Pflichten, Weisungen und Vergütung; das Außenverhältnis bestimmt, wie weit der Bevollmächtigte Dritten gegenüber handeln darf. Beschränkungen im Innenverhältnis wirken gegenüber Dritten nur, wenn sie im Außenverhältnis erkennbar sind oder mitgeteilt wurden.
Arten der Vollmacht
Einzel-, Gattungs- und Generalvollmacht
Die Vollmacht kann inhaltlich unterschiedlich weit reichen. Eine Einzelvollmacht ist auf ein bestimmtes Rechtsgeschäft gerichtet. Eine Gattungsvollmacht erfasst wiederkehrende oder gleichartige Geschäfte (z. B. Einkäufe bestimmter Art). Eine Generalvollmacht deckt eine sehr weite Bandbreite von Geschäften ab; sie wird typischerweise eng ausgelegt, um Missbrauch zu verhindern.
Einzelvertretung und Gesamtvertretung
Bei der Einzelvertretung kann der Bevollmächtigte allein handeln. Bei der Gesamtvertretung ist das Zusammenwirken mehrerer Bevollmächtigter erforderlich; Erklärungen werden dann nur wirksam, wenn alle gemeinsam handeln.
Besondere Vollmachten im Geschäftsverkehr
Im kaufmännischen Bereich existieren besondere Formen wie umfassende oder auf bestimmte Geschäftskreise beschränkte Handlungsvollmachten. Sie sind auf den Betrieb eines Handelsgewerbes zugeschnitten und haben eine typisierte Reichweite, die sich nach der Art des Unternehmens und üblichen Geschäften richtet.
Sonderformen nach Zweck
Eine Vorsorgevollmacht soll der Vertretung in persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten dienen, wenn der Vollmachtgeber nicht mehr eigenverantwortlich handeln kann. Prozessvollmachten betreffen das Auftreten vor Behörden oder Gerichten. Transaktionsbezogene Vollmachten (z. B. für Immobilien- oder Unternehmensgeschäfte) sind auf einzelne, besonders bedeutsame Rechtsgeschäfte ausgerichtet.
Erteilung, Form und Nachweis
Erteilung
Die Vollmacht entsteht durch Erklärung des Vollmachtgebers gegenüber dem Bevollmächtigten oder gegenüber dem Dritten, der vom Vertreter auftritt. Die Erteilung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen, etwa durch tatsächliches Dulden wiederholter Vertretungshandlungen.
Form
Grundsätzlich ist die Vollmacht formfrei möglich. Erfordert das zugrunde liegende Geschäft eine besondere Form, kann sich dies auf die Vollmacht auswirken. Bei Geschäften mit erhöhten Anforderungen werden Vollmachten häufig schriftlich, öffentlich beglaubigt oder beurkundet erteilt, um den Nachweis zu erleichtern und Akzeptanz zu sichern. Elektronische Erteilungen sind möglich, soweit der Empfänger sie akzeptiert und keine strengere Form vorausgesetzt wird.
Nachweis im Rechtsverkehr
Im Rechtsverkehr wird häufig eine Vollmachtsurkunde verlangt. Der Geschäftspartner darf bei begründeten Zweifeln den Nachweis verlangen und Erklärungen bis dahin zurückweisen. Wird eine Originalurkunde vorgelegt, gilt dies regelmäßig als starker Legitimationsnachweis; bei Kopien oder elektronischen Nachweisen kann eine sorgfältige Prüfung erfolgen.
Umfang und Auslegung der Vollmacht
Ausdrücklicher und konkludenter Umfang
Der Umfang bestimmt sich in erster Linie nach dem Wortlaut der Vollmacht und dem erkennbaren Zweck. Konkludente Elemente, die sich aus Verhalten, Gepflogenheiten oder Branchenüblichkeit ergeben, können die Reichweite erweitern oder konkretisieren.
Duldungs- und Anscheinsvollmacht
Handelt jemand regelmäßig im Namen eines anderen und duldet der Vertretene dies, kann eine Duldungsvollmacht vorliegen. Entsteht beim Dritten ein schutzwürdiger Eindruck bestehender Vollmacht durch wiederholtes, vom Vertretenen erkennbares Verhalten, kann eine Anscheinsvollmacht angenommen werden. In beiden Fällen wird das Handeln dem Vertretenen zugerechnet, um den Vertrauensschutz des Dritten zu wahren.
Offenkundigkeit
Für die wirksame Vertretung ist im Regelfall erforderlich, dass der Vertreter im Namen des Vollmachtgebers handelt und dies nach außen erkennbar ist. Bleibt dies unklar, kann das Geschäft dem Handelnden selbst zugerechnet werden.
Grenzen der Vertretungsmacht
Rechtsgeschäfte höchstpersönlicher Art
Bei höchstpersönlichen Handlungen ist Vertretung ausgeschlossen. Dazu zählen insbesondere Erklärungen, die unvertretbar eng an die Person gebunden sind oder für die das Gesetz persönliche Vornahme voraussetzt.
Interessenkollision und Selbstkontrahieren
Trifft der Vertreter Entscheidungen, die eigene und fremde Interessen betreffen, besteht das Risiko eines Interessenkonflikts. Verträge des Vertreters mit sich selbst oder als Vertreter beider Seiten sind nur zulässig, wenn der Vollmachtgeber dies erlaubt hat oder wenn die Gefahr einer Benachteiligung ausgeschlossen ist.
Überschreitung des Umfangs
Wird der Umfang der Vollmacht überschritten, wirkt das Geschäft grundsätzlich nicht für den Vollmachtgeber. Ausnahmen ergeben sich aus Anschein-, Duldungs- oder Rechtsscheintatbeständen, wenn der Dritte auf eine Vertretungsmacht vertrauen durfte.
Handeln ohne Vertretungsmacht
Rechtslage bei fehlender Vollmacht
Wer ohne Vollmacht oder außerhalb ihres Umfangs handelt, begründet für den Vertretenen zunächst keine Bindung. Das Geschäft ist schwebend unwirksam und kann durch nachträgliche Genehmigung des vermeintlich Vertretenen wirksam werden. Bleibt die Genehmigung aus, entstehen Bindungen grundsätzlich nur beim Handelnden selbst.
Schutz des Vertragspartners
Der Geschäftspartner kann bis zur Klarstellung die Erfüllung verweigern und die Vorlage einer Vollmachtsurkunde verlangen. Wird eine fehlende oder unzureichende Vertretungsmacht nachgewiesen, kann der Geschäftspartner sich vom Geschäft lösen, wenn keine Genehmigung erteilt wird.
Erlöschen, Widerruf und Fortwirkung
Erlöschensgründe
Vollmachten erlöschen durch Zeitablauf, Erfüllung des Zwecks, Widerruf oder den Eintritt vereinbarter Bedingungen. Auch Änderungen im Grundverhältnis können das Erlöschen nach sich ziehen, wenn die Vollmacht daran anknüpft.
Widerruf
Vollmachten sind im Grundsatz widerruflich, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist oder sich aus der Art des Geschäfts eine Bindung ergibt. Der Widerruf wirkt im Außenverhältnis regelmäßig erst, wenn er dem Bevollmächtigten oder dem Dritten erkennbar geworden ist. Aus Legitimationspapieren kann sich eine fortdauernde Rechtsscheinswirkung ergeben, solange diese nicht eingezogen oder für erledigt erklärt wurden.
Tod oder Handlungsunfähigkeit
Der Tod oder die Handlungsunfähigkeit des Vollmachtgebers führen nicht in jedem Fall automatisch zum Erlöschen im Außenverhältnis. Häufig ist geregelt oder dem Zweck zu entnehmen, dass die Vollmacht fortwirkt, um laufende Angelegenheiten abzuwickeln. Maßgeblich sind der Vollmachtstext, der Zweck und das schutzwürdige Vertrauen Dritter.
Abgrenzungen zu verwandten Rechtsinstituten
Vollmacht und Grundverhältnis
Die Vollmacht erlaubt das Außenhandeln, während das Grundverhältnis die internen Rechte und Pflichten regelt. Das Innenverhältnis kann enger oder weiter sein als die Vollmacht; Verstöße wirken primär intern.
Vollmacht und Botenschaft
Ein Bote überbringt lediglich eine fremde Erklärung ohne eigene Entscheidungsbefugnis. Der Vertreter gibt eine eigene Erklärung im Namen des Vertretenen ab und benötigt dafür Vertretungsmacht.
Vollmacht und gesetzliche Vertretung
Die Vollmacht ist eine rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht. Demgegenüber entsteht gesetzliche Vertretung kraft Gesetzes, etwa bei Eltern für minderjährige Kinder oder bei bestimmten Organen für juristische Personen.
Vollmacht im Unternehmens- und Behördenverkehr
Organvertretung
Organe juristischer Personen handeln aufgrund Organstellung. Daneben können Mitarbeitende mit Vollmachten ausgestattet werden, um Geschäftsvorgänge eigenständig durchzuführen.
Behördengänge und Verfahren
Für Erklärungen und Handlungen gegenüber Behörden und Gerichten werden regelmäßig Prozess- oder Verfahrensvollmachten verwendet. Der Umfang richtet sich nach dem Verfahrenstyp und der ausdrücklich erteilten Befugnis, etwa Empfangsberechtigung für Zustellungen.
Internationale und formale Besonderheiten
Grenzüberschreitende Verwendung
Bei Verwendung einer Vollmacht im Ausland können Beglaubigung, Überbeglaubigung oder eine Apostille sowie beglaubigte Übersetzungen verlangt werden. Maßgeblich sind die Anforderungen des Staates, in dem die Vollmacht verwendet wird, und die Art des Rechtsgeschäfts.
Sprache und Auslegung
Bei mehrsprachigen Vollmachten ist die eindeutige Zuordnung von Rechten und Pflichten wesentlich. Abweichungen zwischen Sprachfassungen werden durch Auslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck aufgelöst.
Rechte und Pflichten im Innenverhältnis
Weisungen und Rechenschaft
Der Bevollmächtigte hat Weisungen zu beachten und im Rahmen des Grundverhältnisses Rechenschaft abzulegen. Überschreitungen können zu Ersatzansprüchen führen. Umgekehrt besteht Anspruch auf Auslagenersatz und vereinbarte Vergütung, soweit vorgesehen.
Haftung
Verletzt der Bevollmächtigte Pflichten im Innenverhältnis, kommt eine Haftung gegenüber dem Vollmachtgeber in Betracht. Im Außenverhältnis haftet er insbesondere dann, wenn er ohne ausreichende Vertretungsmacht handelt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Vollmacht
Wodurch unterscheidet sich eine Vollmacht vom zugrunde liegenden Auftrag?
Die Vollmacht regelt die Befugnis, im Außenverhältnis für den Vollmachtgeber zu handeln. Der Auftrag oder ein anderes Grundverhältnis ordnet die internen Pflichten, etwa Weisungen, Vergütung und Rechenschaft. Die Vollmacht kann enger oder weiter sein als das Innenverhältnis; Verletzungen treffen zunächst das Innenverhältnis.
Wann ist für eine Vollmacht eine besondere Form erforderlich?
Die Vollmacht ist grundsätzlich formfrei. Erfordert das zugrunde liegende Geschäft eine bestimmte Form oder bestehen erhöhte Nachweisanforderungen, kann eine schriftliche, beglaubigte oder beurkundete Vollmacht notwendig oder üblich sein. Maßgeblich ist die Art des Geschäfts und die Akzeptanz durch den jeweiligen Empfänger.
Welche Folgen hat Handeln ohne oder außerhalb der Vertretungsmacht?
Ein ohne Vertretungsmacht geschlossenes Geschäft entfaltet zunächst keine Bindung für den vermeintlich Vertretenen. Es kann durch nachträgliche Genehmigung wirksam werden. Bleibt sie aus, ist grundsätzlich der Handelnde betroffen und kann im Außenverhältnis in Anspruch genommen werden.
Wie weit reicht eine Generalvollmacht?
Eine Generalvollmacht umfasst typischerweise eine sehr breite Vertretungsbefugnis in Vermögensangelegenheiten. Sie wird eng ausgelegt, wenn Reichweite und Zweck unklar sind. Grenzen ergeben sich aus gesetzlich unvertretbaren höchstpersönlichen Geschäften, Interessenkollisionen und erkennbaren Beschränkungen im Außenverhältnis.
Erlischt eine Vollmacht automatisch mit dem Tod des Vollmachtgebers?
Das Erlöschen hängt von Inhalt und Zweck der Vollmacht ab. Eine Vollmacht kann fortwirken, wenn sie darauf angelegt ist, Angelegenheiten auch nach dem Tod oder bei Handlungsunfähigkeit abzuwickeln. Entscheidend sind Wortlaut, erkennbarer Zweck und das Vertrauen Dritter.
Kann eine Vollmacht widerrufen werden?
Vollmachten sind im Regelfall widerruflich. Der Widerruf wirkt gegenüber Dritten jedoch erst, wenn er erkennbar geworden ist. Besteht eine Vollmachtsurkunde, kann sie im Verkehr weiterhin einen Rechtsschein begründen, solange sie nicht eingezogen oder für erledigt erklärt wurde.
Was bedeutet Duldungs- oder Anscheinsvollmacht?
Bei Duldungsvollmacht lässt der Vertretene wiederholte Vertretungshandlungen zu, sodass der Dritte auf eine bestehende Vertretungsmacht vertrauen darf. Bei Anscheinsvollmacht entsteht aufgrund erkennbarer Umstände der Anschein einer Vollmacht, den der Vertretene hätte verhindern können. In beiden Fällen wird das Handeln zugerechnet, um den Vertrauensschutz zu wahren.
Muss eine Vollmacht stets im Original vorgelegt werden?
Der Nachweis kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Im Rechtsverkehr wird das Original häufig verlangt, insbesondere bei bedeutsamen Geschäften. Kopien oder elektronische Nachweise können genügen, wenn der Empfänger sie akzeptiert und keine höheren Anforderungen bestehen.