Legal Lexikon

Vollmacht


Begriff und Bedeutung der Vollmacht

Die Vollmacht ist eine rechtliche Erklärung, durch die eine Person (der sogenannte Vollmachtgeber) einer anderen Person (dem sogenannten Bevollmächtigten) die Befugnis erteilt, in ihrem Namen rechtsgeschäftlich tätig zu werden. Vollmachten dienen in vielen Rechtsbereichen der Stellvertretung und ermöglichen, dass Rechtsgeschäfte für und gegen den Vollmachtgeber wirksam geschlossen werden können. Die Vollmacht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, insbesondere in den §§ 164 ff. BGB. Sie ist ein zentrales Element des deutschen Zivilrechts und findet in zahlreichen Lebensbereichen Anwendung.


Arten und Formen der Vollmacht

Innenvollmacht und Außenvollmacht

Die Unterscheidung zwischen Innenvollmacht und Außenvollmacht betrifft den Adressaten der Vollmacht:

  • Innenvollmacht (§ 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB): Die Bevollmächtigung erfolgt gegenüber dem Bevollmächtigten.
  • Außenvollmacht (§ 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB): Die Bevollmächtigung wird direkt gegenüber dem Dritten ausgesprochen, mit dem das Rechtsgeschäft vorgenommen werden soll.

Beide Formen sind rechtlich gleichwertig und unterliegen denselben Voraussetzungen, unterscheiden sich aber in ihrer Kommunikation und Wirksamkeit gegenüber Dritten.

Einzelvollmacht und Generalvollmacht

  • Einzelvollmacht: Sie berechtigt den Bevollmächtigten zur Vornahme genau umschriebener Geschäfte oder Handlungen.
  • Generallvollmacht: Sie erstreckt sich auf alle oder einen weitreichenden Kreis möglicher Geschäfte und Handlungen des Vollmachtgebers. Einschränkungen können individuell vertraglich festgelegt werden.

Spezialvollmacht und Artvollmacht

  • Spezialvollmacht: Bezieht sich auf ein konkretes, genau bezeichnetes Rechtsgeschäft.
  • Artvollmacht: Ermächtigt den Bevollmächtigten zu einer bestimmten Art von Geschäften, etwa zur Verwaltung eines Grundstücks oder Kontos.

Einzel- und Gesamtvertretung

Die Vollmacht kann mehreren Personen gemeinsam (sogenannte Gesamtvertretung) oder einzeln (Einzelvertretung) erteilt werden. Bei der Gesamtvertretung ist das Zusammenwirken mehrere Bevollmächtigter Voraussetzung für die Wirksamkeit der Vertretung eines Rechtsgeschäfts.


Erteilung und Form der Vollmacht

Formfreiheit und Formvorschriften

Grundsätzlich ist die Erteilung der Vollmacht formfrei möglich (§ 167 Abs. 2 BGB). Sie kann schriftlich, mündlich oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) erfolgen. Eine Ausnahme besteht, wenn das zugrunde liegende Rechtsgeschäft einer bestimmten Form unterliegt, etwa beim Erwerb eines Grundstücks (§ 311b Abs. 1 BGB) oder bei Verbraucherkreditverträgen. In solchen Fällen ist auch für die Vollmacht die gleiche Form erforderlich wie für das Hauptgeschäft.

Bekanntgabe und Nachweis der Vollmacht

Die Vollmacht entfaltet ihre Wirkung erst mit der Bekanntgabe gegenüber dem Dritten. Für Alltagsgeschäfte genügt oft die mündliche Erklärung, in anderen Fällen kann ein schriftlicher Vollmachtsnachweis verlangt werden. Dieser Nachweis ist insbesondere im kaufmännischen Verkehr üblich.


Umfang und Wirkungen der Vollmacht

Reichweite der Bevollmächtigung

Der Umfang der Vollmacht bestimmt sich nach dem Inhalt der Vollmachtserklärung. Er kann individuell beschränkt oder auf sämtliche Rechtsgeschäfte bezogen sein, für die eine Vertretung rechtlich zulässig ist. Im Streitfall erfolgt die Auslegung nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB.

Vertretungsmacht und Rechtsfolgen

Handelt der Bevollmächtigte im Rahmen der ihm eingeräumten Vollmacht und unter Offenlegung des Vertretungsverhältnisses, so treten sämtliche rechtlichen Wirkungen, die aus dem Geschäft entstehen, unmittelbar für und gegen den Vollmachtgeber ein (§ 164 Abs. 1 BGB).

Missbrauch der Vertretungsmacht

Überschreitet der Bevollmächtigte den ihm eingeräumten Handlungsspielraum oder handelt ohne entsprechende Offenlegung für den Vollmachtgeber, können die Rechtsgeschäfte unwirksam oder anfechtbar sein. Dritte können unter Umständen Schutz nach den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb genießen (§ 173 BGB).


Erlöschen der Vollmacht

Gründe für das Erlöschen

Eine Vollmacht erlischt, wenn

  • das Rechtsgeschäft oder der Zweck, zu dem sie erteilt wurde, erledigt ist,
  • sie vom Vollmachtgeber widerrufen wird (Widerruf ist grundsätzlich jederzeit möglich, § 168 Satz 2 BGB),
  • der Bevollmächtigte stirbt oder geschäftsunfähig wird,
  • der Vollmachtgeber stirbt (sofern nichts anderes vereinbart ist, § 168 Satz 1 BGB),
  • der Bevollmächtigte die ihm erteilte Vollmacht zurückgibt.

Auswirkungen des Erlöschens auf Dritte

Nach § 170 BGB wirkt die Vollmacht gegenüber Dritten fort, bis das Erlöschen ihnen angezeigt wird. Dies soll Dritte vor unerwartetem Rechtsverlust schützen. Eine sogenannte „unwiderrufliche“ Vollmacht kann grundsätzlich dennoch jederzeit widerrufen werden, es sei denn, sie wurde aus einem besonderen Rechtsgrund (z. B. im Rahmen eines Treuhandverhältnisses) erteilt und dies wurde im Vertrag festgelegt.


Sonderformen der Vollmacht

Prozessvollmacht

Die Prozessvollmacht berechtigt zur Vornahme von Prozesshandlungen und ist in der Zivilprozessordnung geregelt (§§ 80 ff. ZPO). Sie kann ausdrücklich oder stillschweigend erteilt werden und bleibt grundsätzlich bis zum Abschluss des Rechtsstreits bestehen.

Handlungsvollmacht und Prokura

Im Handelsrecht gibt es die Handlungsvollmacht (§ 54 Handelsgesetzbuch – HGB), die für typische Geschäfte eines Handelsgewerbes gilt. Die Prokura (§§ 48 ff. HGB) ist eine besonders weitreichende handelsrechtliche Vollmacht, deren Erteilung und Widerruf ins Handelsregister einzutragen sind.

Vollmachten im Familienrecht und Erbrecht

Im Familienrecht sind Vollmachten für die Vertretung im Rahmen von Sorgerechts- oder Betreuungsangelegenheiten sowie für Vorsorgevollmachten ein wichtiger Anwendungsfall. Im Erbrecht ermöglichen Testamentsvollmachten den Widerruf oder die Umsetzung erbrechtlicher Verfügungen.


Missbrauch und Missbrauchsschutz

Missbrauchte Vollmachten können im Einzelfall Schadensersatzpflichten gegenüber dem Vollmachtgeber oder Dritten begründen. Der Schutz gegen Missbrauch wird insbesondere durch die Möglichkeit zum jederzeitigen Widerruf und durch spezielle Mitteilungspflichten gegenüber Dritten verstärkt.


Abgrenzung zur Anscheins- und Duldungsvollmacht

Von der echten Vollmacht zu unterscheiden sind die Anscheins- und Duldungsvollmacht. Dabei handelt es sich um rechtliche Konstruktionen, bei denen dem Handelnden keine explizite Vollmacht erteilt wurde, aber der Vollmachtgeber nach Treu und Glauben das Verhalten stillschweigend genehmigte oder die Handlung des „Vertreters“ duldet (§§ 171-173 BGB). In diesen Fällen sind Dritte bei bestehendem Vertrauensschutz geschützt.


Bedeutung in der Praxis

Die Vollmacht ist aus dem modernen Rechtsverkehr nicht wegzudenken. Sie ermöglicht flexible und effektive Gestaltungsmöglichkeiten bei der Durchführung von Rechtsgeschäften und Prozessen. Ob im Unternehmen, im privaten Alltag oder in Behörden – Vollmachten sichern die rechtsgeschäftliche Handlungsfähigkeit Dritter im Namen des Vollmachtgebers.


Literaturhinweis und weiterführende Normen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 164 ff., 167-176 BGB
  • Handelsgesetzbuch (HGB), §§ 48 ff., 54 HGB
  • Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 80 ff.
  • Gimenéz, Vertretungsrecht, in: Münchener Kommentar zum BGB
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, aktuelle Auflage

Diese umfassende Darstellung der Vollmacht berücksichtigt die wichtigsten Aspekte im deutschen Zivil- und Handelsrecht sowie die wesentlichen Praxisfragen, die bei der Erteilung, dem Umfang und der Beendigung von Vollmachten auftreten können.

Häufig gestellte Fragen

Welche Formerfordernisse gelten bei der Erteilung einer Vollmacht?

Die Formerfordernisse für die Erteilung einer Vollmacht richten sich grundsätzlich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Nach § 167 Absatz 1 BGB kann die Erteilung einer Vollmacht grundsätzlich formlos erfolgen, das heißt, sie kann mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) erteilt werden. Es existieren jedoch Ausnahmen, wenn das zugrunde liegende Rechtsgeschäft einer besonderen Form bedarf. Ist etwa für das Grundgeschäft die notarielle Beurkundung vorgeschrieben, so muss auch die Vollmacht entsprechend ebenso formgerecht erteilt werden (§ 167 Abs. 2 BGB). Das betrifft beispielsweise die Vollmacht zur Grundstücksveräußerung, die notariell beurkundet sein muss (§ 311b BGB). Im Übrigen empfiehlt sich zur Rechtssicherheit stets die Schriftform, insbesondere bei umfangreichen und risikoreichen Geschäften. Auch Dritte, die auf den Vertreter treffen, verlangen oft zumindest eine schriftliche Vollmacht als Nachweis der Vertretungsbefugnis.

Wann erlischt eine Vollmacht und welche Regelungen sind hierbei zu beachten?

Eine Vollmacht erlischt regelmäßig durch Widerruf, Zeitablauf, mit Eintritt einer auflösenden Bedingung oder durch Erledigung des zugrundeliegenden Geschäfts. Die Erteilung der Vollmacht ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das jederzeit widerruflich ist, sofern keine abweichende Regelung vereinbart wurde (§ 168 Satz 2 BGB). Der Widerruf kann, wie die Erteilung, formfrei erfolgen, muss dem Bevollmächtigten aber zugehen. Weiterhin erlischt die Vollmacht automatisch, wenn das Grundgeschäft abgeschlossen ist („Zweckvollmacht“) oder wenn der Vollmachtgeber oder -nehmer verstirbt, soweit nicht ausdrücklich eine Fortdauer über den Tod hinaus festgelegt wurde (§ 672, §§ 168, 167 BGB). Bei unwiderruflichen Vollmachten, zum Beispiel aus Sicherungsgründen, können strengere Voraussetzungen für den Widerruf bestehen, rechtlich bleibt ein Widerruf aber häufig dennoch möglich. Erforderlich ist zudem, dass Dritte, die von der Vertretungsmacht Kenntnis hatten, zuverlässig über die Beendigung informiert werden, um Missbrauch zu vermeiden (§ 170 ff. BGB).

Welche rechtlichen Wirkungen hat die Erteilung einer Vollmacht gegenüber Dritten?

Die wichtigste rechtliche Folge ist, dass das Verhalten des Bevollmächtigten unmittelbar für und gegen den Vollmachtgeber wirkt (§ 164 Abs. 1 BGB). Rechtsgeschäfte, die der Vertreter im Namen des Vertretenen vornimmt, entfalten somit ihre direkten Wirkungen gegenüber dem Vollmachtgeber, als hätte dieser selbst gehandelt. Die Wirksamkeit der Vertretung gegenüber Dritten setzt voraus, dass der Vertreter offenkundig im Namen des Vollmachtgebers handelt („Offenkundigkeitsprinzip“) und im Rahmen der ihm erteilten Vollmacht agiert. Ist eine Außenvollmacht erteilt worden (also explizit für den Rechtsverkehr bestimmt), bleibt sie für den Rechtsverkehr solange wirksam, bis ihr Widerruf den Dritten bekanntgegeben wird (§ 170 BGB). Handelt der Vertreter ohne oder mit Überschreitung der Vollmacht, ist das Geschäft schwebend unwirksam und bedarf der Genehmigung durch den Vertretenen (§ 177 BGB).

Welche Unterschiede bestehen zwischen Innenvollmacht und Außenvollmacht?

Die Innenvollmacht wird dem Bevollmächtigten direkt gegenüber erklärt (§ 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB), das heißt, der Vollmachtgeber gibt ihm die Vertretungsmacht unmittelbar bekannt. Die Außenvollmacht hingegen wird dem Geschäftspartner oder einem Dritten erklärt (§ 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Der wesentliche Unterschied besteht in der Adressierung: Die Innenvollmacht zielt auf die Beziehung zwischen Vollmachtgeber und -nehmer ab, die Außenvollmacht auf die Beziehung zum Rechtsverkehr. Für den Geschäftspartner ist die Außenvollmacht eindeutig nachprüfbar, während er bei der Innenvollmacht gegebenenfalls auf das Wort des Vertreters angewiesen ist. Rechtswirkungen und die Beendigung (Widerruf/Mitteilung) entfalten sich auch unterschiedlich: So bleibt eine Außenvollmacht Dritten gegenüber wirksam, bis ihr Widerruf ihnen angezeigt wird (§ 170 BGB).

Können mehrere Personen gemeinsam bevollmächtigt werden und was ist hierbei zu beachten?

Ja, es ist rechtlich möglich, mehreren Personen gemeinsam eine Vollmacht zu erteilen. Dabei unterscheidet man zwischen Einzel- und Gesamtvollmacht. Bei der Einzelvollmacht kann jede bevollmächtigte Person unabhängig handeln, während bei der Gesamtvollmacht die Vertretungsbefugnis nur gemeinschaftlich ausgeübt werden kann. Die konkrete Ausgestaltung ergibt sich aus dem Inhalt der Vollmacht. Wird eine Gesamtvollmacht gewährt, müssen sich die Bevollmächtigten bei jedem Rechtsgeschäft absprechen und gemeinsam handeln, wodurch das Risiko von Missbrauch verringert, aber die Flexibilität eingeschränkt wird. Bei mehreren Bevollmächtigten empfiehlt sich eine detaillierte vertragliche Regelung, um mögliche Streitigkeiten und Unklarheiten in der Vertretung nach außen zu vermeiden.

Was passiert, wenn der Vertreter im eigenen Namen und nicht im Namen des Vertretenen handelt?

Wenn der Vertreter im eigenen Namen auftritt, obwohl er entsprechend bevollmächtigt ist, kommt das Geschäft grundsätzlich nur zwischen dem Vertreter und dem Dritten zustande, nicht zwischen dem Vertretenen und dem Dritten (§ 164 Abs. 2 BGB). Das sogenannte Offenkundigkeitsprinzip besagt, dass der Vertreter seine Vertreterstellung zumindest deutlich machen muss. Unterlässt er dies, ist das Geschäft im Zweifel als Eigengeschäft zu behandeln. Nur in Ausnahmefällen – etwa bei bargeldlosen Geschäften des täglichen Lebens („unternehmensbezogenes Geschäft“), bei denen der Dritte erkennt, dass nicht der Handelnde, sondern ein dahinterstehendes Unternehmen Vertragspartei werden soll – kann eine andere Bewertung erfolgen. Dies betrifft u. a. Einkäufe im Supermarkt, die typischerweise für das Unternehmen geschlossen werden, auch wenn niemand explizit für dieses auftritt.