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Virtual


Begriff „Virtual“ im rechtlichen Kontext

Definition und rechtliche Einordnung

Der Begriff „Virtual“ (deutsch: „virtuell“) bezeichnet im rechtlichen Zusammenhang Phänomene, Zustände oder Gegenstände, die nicht physisch existieren, sondern durch digitale Technologien simuliert oder bereitgestellt werden. Im Kontext des Rechts weist „Virtual“ regelmäßig auf Sachverhalte hin, die in digitalen Umgebungen entstehen, etwa in Computernetzwerken, im Internet, durch Software oder innerhalb neuer digitaler Technologien wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR).

Die rechtliche Einordnung virtueller Gegebenheiten ist maßgeblich von deren technischer Ausgestaltung, dem Schutzbedarf und der gesellschaftlichen Bedeutung geprägt. Von besonderer Relevanz sind virtuelle Güter, virtuelle Identitäten und virtuelle Handlungen.

Virtuelle Güter und Vermögenswerte

Begriff und Erscheinungsformen

Virtuelle Güter sind digitale Gegenstände oder Rechte, die ausschließlich in digitalen Umgebungen existieren. Typische Beispiele sind virtuelle Währungen (z.B. Bitcoin), digitale Spielfiguren, Avatare, digitale Kunstwerke („NFTs“) oder digitale Nutzungsrechte (z.B. Zugangslizenzen zu Software oder Online-Datenbanken).

Eigentum und Besitz an virtuellen Gütern

Im deutschen Recht orientiert sich die Rechtslage zu Eigentum und Besitz an Sachen am Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das in § 90 BGB ausschließlich körperliche Gegenstände als Sachen behandelt. Virtuelle Güter, die nicht körperlich existieren, erfüllen diese Voraussetzung grundsätzlich nicht und werden daher als Rechte, Forderungen oder immaterielle Güter eingeordnet. Rechtliche Ansprüche an virtuellen Gütern richten sich somit regelmäßig nach schuldrechtlichen oder urheberrechtlichen Vorschriften oder als geschützte Rechtspositionen im Sinne des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Übertragbarkeit und Handel mit virtuellen Gütern

Der Handel mit virtuellen Gütern fällt unter die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften über Rechtsgeschäfte. Soweit virtuelle Güter einer Individualisierung und Abgrenzbarkeit unterliegen, können sie Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen, insbesondere Kauf-, Tausch- und Leasingverträgen sein. Speziell im Bereich von Onlinespielen oder digitalen Marktplätzen regeln häufig Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) der Anbieter die Rechte und Pflichten der Nutzer im Umgang mit virtuellen Gütern.

Steuerliche Aspekte virtueller Güter

Virtuelle Güter können Einkünfte und Umsatzsteuerpflichten im Sinne der nationalen Steuerrechtsordnungen auslösen. Die steuerliche Behandlung hängt von der Art des virtuellen Gutes und der Nutzung ab. Beispielsweise gelten Gewinne aus dem Handel mit Kryptowährungen in Deutschland als sonstige Einkünfte gemäß § 23 EStG. Der Umsatz mit virtuellen Gütern kann zudem umsatzsteuerpflichtig sein.

Virtuelle Identität und digitale Persönlichkeitsrechte

Schutz digitaler Identitäten

Virtuelle Identitäten, etwa Benutzerkonten oder Avatare, sind untrennbar mit den personenbezogenen Daten eines Individuums verknüpft. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) regeln umfassend den Umgang mit personenbezogenen Informationen in digitalen Räumen und sichern Rechte auf Auskunft, Löschung und Berichtigung. Die unbefugte Nutzung oder Übernahme einer virtuellen Identität kann strafrechtliche und zivilrechtliche Folgen gemäß den einschlägigen Datenschutzgesetzen und Persönlichkeitsrechten nach sich ziehen.

Recht am eigenen Bild und Namensrechte im virtuellen Raum

Die Verwendung von Bildnissen oder Namen in virtuellen Umgebungen unterliegt den Regelungen des Kunsturhebergesetzes (KUG) und des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 12 BGB). Insbesondere in virtuellen Welten oder sozialen Netzwerken gilt der Schutz des eigenen Namens und Bildes auch für digitale Darstellungen, Simulationen und Avatare.

Virtual Reality, Augmented Reality und rechtliche Herausforderungen

Haftung für Inhalte und Handlungen in virtuellen Welten

In virtuellen Umgebungen können reale Rechtsgüter verletzt werden, etwa durch Beleidigungen, Urheberrechtsverstöße oder das unbefugte Verbreiten von Daten. Die Verantwortlichkeit für Handlungen in virtuellen Räumen beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Straf- und Zivilrechts. Insbesondere Plattformbetreiber können unter Umständen als Mitstörer oder mittelbare Störer haften, wenn sie rechtswidrige Inhalte nicht entfernen.

Vertragsabschluss und Willenserklärungen in virtuellen Realitäten

Virtuelle Räume bieten die Möglichkeit, Verträge durch digitale Kommunikation oder Interaktionen mittels Avataren zu schließen. Für die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen gelten die allgemeinen Vorschriften zu Angebot und Annahme. Besondere Herausforderungen ergeben sich bei der Beweisführung und Authentifikation der handelnden digitalen Identitäten, sodass ergänzende technische Maßnahmen (z.B. digitale Signaturen) zum Einsatz gelangen können.

Internationale und europäische Regelungen zu virtuellen Gegenständen

Europarechtliche Rahmenbedingungen

Das Europäische Parlament und der Rat haben verschiedene Verordnungen und Richtlinien zur Regulierung digitaler Inhalte und Dienstleistungen erlassen. Zu nennen sind hier insbesondere die Richtlinie über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen (Richtlinie (EU) 2019/770) sowie die Märkte für Krypto-Assets (MiCA, Verordnung (EU) 2023/1114). Diese Regelwerke schaffen harmonisierte Standards für die rechtliche Behandlung virtueller Güter und Dienstleistungen in der Europäischen Union.

Internationale Abkommen und Prinzipien

Internationale Prinzipien zum Schutz digitaler Rechte lassen sich aus Abkommen wie dem WIPO-Urheberrechtsvertrag oder dem Übereinkommen über Computerkriminalität (Budapester Konvention) herleiten. Die rechtliche Einordnung und Schutzwürdigkeit virtueller Phänomene kann jedoch länderspezifisch variieren und ist von der nationalen Rechtsordnung abhängig.

Strafrechtliche Aspekte virtuellen Handelns

Cybercrime und virtuelle Straftaten

Straftaten im virtuellen Raum unterliegen den allgemeinen Strafnormen, sofern reale oder digitale Rechtsgüter verletzt werden. Beispiele sind Datendiebstahl, Betrug oder Cybermobbing. Das Strafgesetzbuch (StGB) und das Gesetz über den Datenschutz bei Telediensten (TDDSG) enthalten hierzu einschlägige Bestimmungen. Die Ermittlung und Verfolgung solcher Delikte ist häufig mit komplexen technischen und internationalen Fragestellungen verbunden.

Sanktionierung und Rechtsdurchsetzung

Die Durchsetzung von Rechten und die Sanktionierung von Straftaten im virtuellen Raum können besondere Schwierigkeiten bereiten. Herausforderungen bestehen vor allem bei der Ermittlung von Täteridentitäten und der internationalen Rechtsverfolgung, da virtuelle Handlungen häufig über nationale Grenzen hinweg stattfinden.

Zusammenfassung

„Virtual“ beschreibt im rechtlichen Kontext alle Erscheinungsformen, die innerhalb digitaler oder simulierter Umgebungen existieren oder gestaltet werden. Die rechtliche Behandlung virtueller Güter, Handlungen und Identitäten stellt Rechtsordnungen vor neue Herausforderungen und führt zu fortlaufender Anpassung bestehender Normen an die Besonderheiten digitaler Technologien. Die Einordnung virtueller Phänomene betrifft eine Vielzahl von Rechtsgebieten wie Zivilrecht, Datenschutzrecht, Urheberrecht, Strafrecht und Steuerrecht. Die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und technischer Innovation erfordern eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung rechtlicher Konzepte an die digitale Realität.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Durchführung von virtuellen Veranstaltungen erfüllt sein?

Virtuelle Veranstaltungen unterliegen einer Vielzahl rechtlicher Rahmenbedingungen. Zunächst ist datenschutzrechtlich vor allem die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beachten, insbesondere wenn personenbezogene Daten von Teilnehmern verarbeitet werden. Hier müssen Veranstalter unter anderem über die Erhebung, Verarbeitung und Speicherung der Daten transparent aufklären und gegebenenfalls Einwilligungen einholen. Ein weiteres Kriterium sind urheberrechtliche Fragen: Präsentationen, Videos oder Musikstücke, die im Rahmen einer virtuellen Veranstaltung gezeigt werden, bedürfen ggf. einer Lizenzierung oder Freigabe der Urheber. Auch Vertragsrecht ist relevant: Zwischen Veranstalter und Teilnehmer kommt regelmäßig ein Vertragsverhältnis zustande, das durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) konkretisiert werden kann. Diese müssen wirksam einbezogen werden und den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Darüber hinaus ist bei internationalen Teilnehmern das jeweilige anwendbare Recht zu prüfen. Schließlich sind bei kostenpflichtigen Veranstaltungen steuerrechtliche Bestimmungen und, bei bestimmte Berufsgruppen und Themen, etwaige berufsrechtliche Vorgaben zu beachten.

Wie ist die Haftung bei technischen Störungen während einer virtuellen Veranstaltung geregelt?

Die Haftung für technische Störungen wird vorrangig durch das Vertragsverhältnis zwischen Veranstalter und Teilnehmer bestimmt. Gibt es AGB, sollten diese Regelungen zu solchen Fällen enthalten. Kommt es zu Ausfällen oder Unterbrechungen, kann der Teilnehmer, abhängig von der Schwere und Dauer der Störung, gegebenenfalls einen Anspruch auf Minderung der Teilnahmegebühr oder eine (teilweise) Rückerstattung haben. Für Folgeschäden oder entgangenen Gewinn haften Veranstalter jedoch in der Regel nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, sofern dies nicht durch zwingende gesetzliche Vorschriften anders geregelt ist. Besonders relevante Rechtsgrundlagen sind hierbei das Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 280 ff. BGB) sowie das Telekommunikations- und Telemediengesetz. Es empfiehlt sich für Veranstalter, technische Mindestanforderungen und Verhaltenspflichten der Teilnehmer vertraglich festzulegen, um Risiken proaktiv zu minimieren.

Welche besonderen Datenschutzanforderungen gelten bei der Nutzung von Videokonferenz-Tools?

Bei der Nutzung von Videokonferenz-Tools im Rahmen virtueller Veranstaltungen sind Veranstalter verpflichtet, die Anforderungen der DSGVO einzuhalten. Zentrale Punkte sind die Auswahl eines datenschutzkonformen Anbieters, idealerweise mit Sitz oder Niederlassung in der EU, die ordnungsgemäße Auftragsverarbeitung (Art. 28 DSGVO), und die Information der Teilnehmer über Art, Umfang, Zwecke der Datenverarbeitung sowie deren Rechte (Art. 13 ff. DSGVO). Bei der Speicherung oder Aufzeichnung von Videoinhalten ist zudem eine zusätzliche Einwilligung erforderlich. Veranstalter müssen auch Maßnahmen zur Datensicherheit gewährleisten, wie beispielsweise Zugangskontrollen, verschlüsselte Übertragungen und sichere Authentifizierungsverfahren. Eine regelmäßige Überprüfung und Dokumentation der Datenschutzmaßnahmen (Datenschutz-Folgenabschätzung) kann je nach Risikograd verpflichtend sein.

Was ist bei der Einbindung Dritter (z. B. externe Referenten oder Sponsoren) rechtlich zu beachten?

Die Einbindung Dritter, wie etwa externe Referenten oder Sponsoren, erfordert klare vertragliche Absprachen hinsichtlich der jeweiligen Rechte und Pflichten. Dazu gehören unter anderem die Klärung der Nutzungsrechte an bereitgestellten Inhalten (Urheberrecht), Vereinbarungen zur Vertraulichkeit und zum Umgang mit Teilnehmerdaten (Datenschutzrecht), wie auch vertragliche Regelungen über Honorare und Haftung. Werden Dritte im Namen des Veranstalters tätig, handelt es sich regelmäßig um ein Auftragsverhältnis, das auch steuerrechtliche Konsequenzen haben kann. Bei Sponsoren ist zudem das Wettbewerbsrecht zu berücksichtigen, insbesondere hinsichtlich der Werbekennzeichnung und der Transparenz für die Teilnehmer gemäß dem Telemediengesetz und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Werden personenbezogene Daten an Dritte weitergegeben, ist dies nur auf Basis einer informierten Einwilligung oder einer gesetzlichen Erlaubnis zulässig.

Welche Besonderheiten sind bei der Aufzeichnung und Veröffentlichung von virtuellen Veranstaltungen zu beachten?

Eine Aufzeichnung und spätere Veröffentlichung eines virtuellen Events stellt sowohl aus datenschutz- als auch aus urheberrechtlicher Sicht einen erheblichen Eingriff dar. Die Rechtsgrundlage für die Aufzeichnung muss klar definiert und kommuniziert werden; in der Regel ist hierfür eine ausdrückliche Einwilligung aller betroffenen Personen erforderlich (Art. 7 DSGVO). Die Einwilligung muss freiwillig, informiert, nachvollziehbar und jederzeit widerruflich sein. Aus urheberrechtlicher Perspektive ist bei der Veröffentlichung sicherzustellen, dass keine Rechte Dritter (z.B. an Präsentationen, Bildern, Musikstücken) verletzt werden. Bei einer späteren Verbreitung im Internet können je nach Zielgruppe zusätzlich jugendschutz- oder medienrechtliche Vorgaben relevant werden. Arbeitgeber müssen zudem bei der Mitwirkung von Beschäftigten die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen prüfen und berücksichtigen.

Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen rechtliche Vorgaben im Kontext virtueller Veranstaltungen?

Verstöße gegen rechtliche Vorgaben, insbesondere im Datenschutz (DSGVO), können empfindliche Bußgelder nach sich ziehen, die je nach Schwere des Verstoßes bis zu 20 Millionen Euro oder 4 % des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen können. Auch Schadensersatzansprüche von Betroffenen sind möglich. Im Bereich Urheberrecht kann es zu Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen der Rechteinhaber kommen, zudem können kostenpflichtige Abmahnungen ausgesprochen werden. Wettbewerbs- und medienrechtliche Verstöße können Auflagen, Rufschäden und wettbewerbsrechtliche Klagen nach sich ziehen. Im Steuerrecht drohen bei Fehlern im Abrechnungswesen Nachzahlungen und gegebenenfalls Strafverfahren. Die sorgfältige rechtliche Prüfung und Umsetzung der Vorgaben ist daher unerlässlich.

Welche Anforderungen gelten für die Barrierefreiheit virtueller Veranstaltungen nach deutschem Recht?

Auch für virtuelle Veranstaltungen gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie spezielle Vorgaben zur Barrierefreiheit, unter anderem aus dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0). Öffentliche Veranstalter sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Angebote auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen. Dazu zählen beispielsweise Untertitel für Videos, die Bereitstellung von Live-Transkriptionen, eine barrierefreie Gestaltung der digitalen Plattform und alternative Zugangsmöglichkeiten für blinde und sehbehinderte Teilnehmer. Private Anbieter sind zwar weniger stark verpflichtet, dennoch können auch hier Benachteiligungen rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die konsequente Einhaltung einschlägiger DIN-Normen und Empfehlungen der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) minimiert das rechtliche Risiko und fördert die soziale Teilhabe.