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Videokonferenztechnik


Begriff und Gegenstand der Videokonferenztechnik

Videokonferenztechnik bezeichnet die Gesamtheit der technischen Einrichtungen, Softwarelösungen und Protokolle, die eine audiovisuelle Kommunikation zweier oder mehrerer Parteien über entfernte Standorte hinweg ermöglichen. Der Einsatz reicht von geschäftlichen Besprechungen und Gerichtsverhandlungen bis hin zu behördlichen Anhörungen und privaten Anwendungen. Im rechtlichen Kontext spielt Videokonferenztechnik eine herausragende Rolle bei der Digitalisierung von Verwaltungs-, Gerichts- und Geschäftsprozessen. Dabei müssen zahlreiche gesetzliche Vorgaben berücksichtigt werden, um Datensicherheit, Verfahrensgerechtigkeit und Datenschutz zu wahren.


Rechtliche Rahmenbedingungen der Videokonferenztechnik

Datenschutz und Datensicherheit bei Videokonferenzen

Gesetzliche Grundlagen

Der Einsatz von Videokonferenztechnik unterliegt in Deutschland und der EU strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben. Maßgebliche Rechtsgrundlagen sind insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). So gelten personenbezogene Daten, die während einer Videokonferenz verarbeitet werden, als schutzbedürftig. Anbieter und Nutzer müssen sicherstellen, dass die Übertragung und Speicherung entsprechend verschlüsselt und vor dem Zugriff Dritter geschützt sind.

Auftragsverarbeitung und Verantwortlichkeit

Die Anbieter von Videokonferenzdiensten agieren in der Regel als Auftragsverarbeiter gemäß Art. 28 DSGVO. Vor dem Einsatz ist regelmäßig eine Vereinbarung zur Auftragsverarbeitung zu schließen. Die Verantwortung für die Auswahl eines den rechtlichen Anforderungen genügenden Dienstes obliegt stets der einsetzenden Organisation. Zudem sind die Informations- und Löschpflichten sorgfältig einzuhalten.

Erforderlichkeit von Einwilligungen

Bei der Aufzeichnung von Videokonferenzen ist die Einwilligung der Teilnehmenden erforderlich, sofern keine gesetzliche Grundlage die Aufzeichnung gestattet. Auch das Übertragen von Bild- und Tonaufnahmen zur Identitätsfeststellung oder für Authentifizierungszwecke bedarf besonderer Rechtsgrundlagen.


Einsatz von Videokonferenztechnik im Zivil- und Strafverfahren

Gesetzliche Regelungen

Das Gerichtsverfassungsgesetz (§ 128a ZPO), die Strafprozessordnung (StPO) und das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) regeln den Einsatz audiovisueller Verbindungen in gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Verfahren. Die Nutzung von Videokonferenztechnik ermöglicht insbesondere die Durchführung von Anhörungen, Beweisaufnahmen oder mündlichen Verhandlungen bei räumlicher Trennung der Beteiligten.

Voraussetzungen und Durchführung

Voraussetzung für den Einsatz ist eine gerichtliche Anordnung oder Zustimmung der Verfahrensbeteiligten. Das Gericht hat darauf zu achten, dass die Rechte aller Parteien, insbesondere das Recht auf rechtliches Gehör und eine ordnungsgemäße Verfahrensführung, gewahrt werden. Die Technik muss eine unmittelbare Wahrnehmung von Aussagen und Reaktionen der Beteiligten ermöglichen.

Dokumentation und Protokollierung

Die Durchführung einer gerichtlichen oder behördlichen Verhandlung mittels Videokonferenz ist ordnungsgemäß zu protokollieren. Dabei sind sowohl die Identität der zugeschalteten Personen als auch der Verlauf der Sitzung zu dokumentieren. Werden Sitzungen aufgezeichnet, ist dies in der Regel gesondert zu protokollieren und datenschutzrechtlich abzusichern.


Arbeitsrechtliche Implikationen

Mitbestimmungsrechte und Datenschutz im Unternehmen

In Unternehmen bedarf der Einsatz von Videokonferenztechnik mitunter einer Ausgestaltung durch Betriebs- oder Personalräte, insbesondere wenn es um Kontrollmöglichkeiten und Leistungsüberwachung der Beschäftigten geht. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) besteht ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Einführung technischer Einrichtungen, die zur Überwachung geeignet sind. Datenschutzrechtliche Aspekte, insbesondere die Vermeidung einer Leistungs- und Verhaltenskontrolle, stehen hierbei im Mittelpunkt.

Arbeitsrechtliche Weisungen und Vertraulichkeit

Arbeitgebende können den Einsatz von Videokonferenztechnik regelmäßig durch Weisung anordnen, soweit keine entgegenstehenden vertraglichen oder kollektivrechtlichen Regelungen vorliegen. Vertraulichkeitspflichten – etwa das Unterlassen von Mitschnitten ohne Zustimmung oder das Wahren von Betriebsgeheimnissen – müssen angewendet werden.


Technische und organisatorische Anforderungen

Verschlüsselung und Zugangskontrollen

Für die rechtssichere Anwendung von Videokonferenztechnik ist ein angemessenes Schutzniveau für Datenübertragungen erforderlich. Dies umfasst vor allem Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sowie den Schutz gegen unbefugte Zugriffe durch Zugangskontrollen und Authentifizierungsmethoden. Zudem sind Sicherheitsvorkehrungen gegen sogenannte „Zoombombing“-Angriffe einzurichten.

Serverstandort und Datenübertragung

Beim Einsatz von Videokonferenzlösungen sollten Anbieter mit Serverstandorten innerhalb der EU bevorzugt werden, um den strengen europäischen Datenschutzanforderungen zu genügen. Eine Datenübermittlung in Drittländer bedarf besonderer rechtlicher Prüfung und kann zusätzlich an die Vorgaben des Art. 44 ff. DSGVO gebunden sein.


Weitere rechtliche Besonderheiten

Urheberrecht und Persönlichkeitsrechte

Die Übertragung, Aufzeichnung und Speicherung von Videoinhalten kann Urheber- und Persönlichkeitsrechte tangieren. Insbesondere dürfen Bild- und Tonaufnahmen ohne ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Personen nicht verbreitet oder gespeichert werden. Verletzungen können Schadensersatzansprüche sowie Abmahnungen nach sich ziehen.

Beweiskraft und Zulässigkeit von Videokonferenzen

Im Zivilprozess können nach deutschem Recht Videokonferenzprotokolle und Aufzeichnungen als Beweismittel in Betracht kommen, sofern sie ordnungsgemäß angefertigt wurden und keine Verfahrensrechte verletzt wurden. Die Rechtsprechung verlangt, dass durch den Einsatz neuer Kommunikationstechnologien Prinzipien wie Unmittelbarkeit, Mündlichkeit und Öffentlichkeit gewahrt bleiben.


Zusammenfassung und Ausblick

Videokonferenztechnik ermöglicht die Überwindung räumlicher Distanzen durch audiovisuelle Kommunikation und ist mittlerweile ein bedeutendes Instrument in Wirtschaft, Verwaltung und Justiz. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind von zahlreichen Gesetzen und Vorgaben geprägt, darunter Datenschutzrecht, Verfahrensrecht, Arbeitsrecht und Urheberrecht. Die ordnungsgemäße Verwendung setzt die Einhaltung umfassender technischer und organisatorischer Maßnahmen voraus. Bedingt durch die fortschreitende Digitalisierung wird die Bedeutung der rechtskonformen Nutzung von Videokonferenztechnik weiter zunehmen und künftig noch stärker Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen sowie gesetzlicher Anpassungen sein.

Häufig gestellte Fragen

Welche datenschutzrechtlichen Anforderungen müssen bei der Nutzung von Videokonferenztechnik erfüllt werden?

Bei der Nutzung von Videokonferenztechnik sind insbesondere die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beachten. Zunächst muss eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten vorliegen, wie etwa eine Einwilligung der Teilnehmer oder die Erforderlichkeit zur Durchführung eines Vertrags. Zudem muss der Anbieter der Videokonferenzlösung sorgfältig geprüft werden: Es sollte ein Vertrag zur Auftragsverarbeitung gemäß Art. 28 DSGVO abgeschlossen werden, falls der Dienstleister personenbezogene Daten im Auftrag verarbeitet. Eine Datenverarbeitung außerhalb der EU (insbesondere in den USA) erfordert zusätzliche Schutzmaßnahmen, etwa Standardvertragsklauseln oder besondere Garantien. Weiterhin muss ein Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten geführt werden, und es sind technische und organisatorische Maßnahmen zum Datenschutz zu ergreifen, um Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit der Daten zu gewährleisten. Schließlich sind die Betroffenen umfassend über die Datenverarbeitungsvorgänge, Speicherfristen und ihre Rechte, z. B. Auskunft, Löschung und Widerspruch, transparent zu informieren.

Welche rechtlichen Vorgaben gelten für die Aufzeichnung von Videokonferenzen?

Die Aufzeichnung von Videokonferenzen ist nur unter strengen rechtlichen Voraussetzungen zulässig. Zunächst ist die ausdrückliche und informierte Einwilligung aller Teilnehmer erforderlich, bevor eine Aufzeichnung erfolgt. Die Teilnehmer müssen klar und deutlich vor Beginn der Aufzeichnung über deren Zweck, Umfang, Rechtsgrundlage, Empfänger und geplante Aufbewahrungsdauer informiert werden. Bei einer Aufzeichnung werden neben Bild und Ton häufig auch Metadaten (z. B. Datum, Teilnehmerliste, Chatprotokolle) verarbeitet, deren Schutz sicherzustellen ist. Unternehmen oder Veranstalter müssen prüfen, ob die beabsichtigte Aufzeichnung notwendig und verhältnismäßig ist und gegebenenfalls eine Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO durchführen. Unzulässige Aufnahmen können zudem strafrechtlich relevant sein, insbesondere nach § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes). Bei Minderjährigen oder besonders schützenswerten Daten sind zusätzliche Schutzmaßnahmen und ggf. Einwilligungen der Erziehungsberechtigten einzuholen.

Wie ist der Einsatz von Videokonferenztechnik im Arbeitsrecht geregelt?

Im arbeitsrechtlichen Kontext müssen Arbeitgeber beim Einsatz von Videokonferenztechnik die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG beachten, sofern ein solcher besteht. Vor der Einführung entsprechender Software ist der Betriebsrat also zwingend zu beteiligen, insbesondere, wenn durch die Technik Leistung und Verhalten der Mitarbeiter überwacht oder ausgewertet werden können. Es empfiehlt sich, klare interne Regelungen zum Umgang mit Videokonferenzen zu erstellen, zum Beispiel zu Teilnahmezeiten, Kamera- und Mikrofonpflicht sowie Fragen der Dokumentation. Datenschutzrechtliche Anforderungen umfassen auch hier die Information der Beschäftigten über die stattfindenden Datenverarbeitungen und ihre Rechte. Der Grundsatz der Erforderlichkeit gilt ebenfalls: Es dürfen nur so viele Daten erhoben werden, wie für die jeweilige Arbeitsaufgabe nötig sind.

Welche Pflichten bestehen bezüglich Informationssicherheit bei Videokonferenzen?

Verantwortliche müssen gemäß Art. 32 DSGVO geeignete technische und organisatorische Maßnahmen umsetzen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau der personenbezogenen Daten sicherzustellen. Hierzu gehört insbesondere die Auswahl eines datenschutzkonformen Anbieters, die Verwendung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bzw. starker Transportverschlüsselung sowie der Schutz vor unbefugtem Zugriff durch Passwortschutz oder Zugangsbeschränkungen. Sensible Daten, z. B. aus dem Gesundheitsbereich, erfordern noch höhere Schutzmaßnahmen (Verschlüsselung, Zugriffsmanagement, Logging, Beschränkung von Mitschnitten). Zudem sind regelmäßige Schulungen und Sensibilisierungen der Nutzer zur Erkennung von Risiken und zum sicheren Umgang mit der Technik durchzuführen. Auch die Umsetzung eines Löschkonzepts für aufgezeichnete oder protokollierte Daten ist erforderlich.

Was ist bei der Weitergabe von Zugangsdaten zu Videokonferenzen rechtlich zu beachten?

Die Zugangsdaten zu Videokonferenzen stellen schützenswerte Informationen dar, da sie unbefugtem Zugriff auf persönliche und vertrauliche Inhalte ermöglichen. Rechtlich ist sicherzustellen, dass Zugangsdaten nur an berechtigte Personen weitergegeben werden und diese zur Vertraulichkeit verpflichtet sind. Die Kommunikation der Zugangsdaten sollte auf sicheren Wegen (z. B. verschlüsselte E-Mail, interne Kommunikationskanäle) erfolgen und nicht öffentlich oder für Dritte zugänglich gemacht werden. Ein Verstoß gegen diese Sorgfaltspflichten kann nicht nur datenschutzrechtliche, sondern auch haftungsrechtliche Konsequenzen haben, etwa bei einer Datenschutzverletzung oder einem Informationsabfluss. Verantwortliche sind zudem gehalten, regelmäßig zu überprüfen, ob Zugangsdaten gewechselt werden müssen (z. B. nach dem Ausscheiden von Teilnehmern).

Müssen Videokonferenzsysteme barrierefrei gestaltet sein?

Nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sowie der EU-Richtlinie (EU) 2016/2102 zur Barrierefreiheit sind öffentliche Stellen verpflichtet, ihre digitalen Angebote, wozu auch Videokonferenzsysteme zählen können, barrierefrei zu gestalten. Dies betrifft zum Beispiel die Bereitstellung von Untertiteln, Gebärdensprachdolmetschern oder die Bedienbarkeit für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen. Private Unternehmen sind im Rahmen ihrer zumutbaren Möglichkeiten ebenfalls gehalten, Barrierefreiheit zu ermöglichen, insbesondere bei Angeboten, die sich an die Allgemeinheit richten. Ein Mangel an Barrierefreiheit kann Benachteiligungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auslösen und zu Schadensersatzforderungen führen.

Welche Meldepflichten bestehen bei Datenschutzverletzungen im Zusammenhang mit Videokonferenzen?

Kommt es im Zusammenhang mit Videokonferenzen zu Datenschutzverletzungen, wie etwa dem unbefugten Zugang zu Aufzeichnungen oder der versehentlichen Preisgabe von Teilnehmerdaten, besteht nach Art. 33 DSGVO die Pflicht, diese Verletzung unverzüglich und möglichst binnen 72 Stunden nach Bekanntwerden an die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde zu melden. Betroffene Personen müssen zudem informiert werden, wenn ein hohes Risiko für ihre Rechte und Freiheiten besteht (Art. 34 DSGVO). Die Meldung muss Angaben zum Sachverhalt, den potentiellen Folgen sowie zu ergriffenen oder geplanten Abhilfemaßnahmen enthalten. Unternehmen sind außerdem verpflichtet, ein internes Verfahren zur Erfassung und Bewertung von Datenschutzvorfällen einzurichten und zu dokumentieren. Ein Verstoß gegen die Meldepflichten kann mit Bußgeldern geahndet werden.