Begriff und Definition der Verzugszinsen
Verzugszinsen bezeichnen den gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Zinsanspruch, der Gläubigern zusteht, wenn ein Schuldner eine fällige Geldschuld nicht rechtzeitig begleicht und sich dadurch im Verzug befindet. Der Zweck der Verzugszinsen liegt in der finanziellen Kompensation für die verspätete Zahlung, insbesondere für die dem Gläubiger entgangene Nutzung des geschuldeten Kapitals.
Rechtliche Grundlagen
Allgemeine Vorschriften
Die gesetzlichen Regelungen zu Verzugszinsen finden sich im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den §§ 286 ff. BGB:
- § 286 BGB: Regelt die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs.
- § 288 BGB: Bestimmt den Zinssatz und die Modalitäten für Verzugszinsen bei Geldschulden.
Verzugszinsen sind ein typischer Fall des sogenannten Verzugsschadens. Sie entstehen unabhängig von einem tatsächlichen Schaden, sondern kraft Gesetzes, sobald der Schuldner in Verzug gerät.
Entstehung des Verzugs
Ein Schuldner gerät nach § 286 BGB in Verzug, wenn er trotz Mahnung eine fällige Geldschuld nicht erfüllt. In bestimmten Fällen ist keine Mahnung erforderlich, etwa wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (§ 286 Abs. 2 BGB) oder der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert.
Sobald der Verzug eintritt, entsteht der Anspruch auf Verzugszinsen automatisch, sofern keine abweichende Vereinbarung zwischen den Parteien besteht.
Höhe der Verzugszinsen
Gesetzliche Zinssätze nach § 288 BGB
Die Höhe der Verzugszinsen unterscheidet sich danach, ob Verbraucher oder Unternehmen beteiligt sind:
- Verbrauchergeschäfte (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB)
Der Verzugszinssatz beträgt fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank.
- Handelsgeschäfte zwischen Unternehmen (§ 288 Abs. 2 BGB)
Hier erhöht sich der Verzugszinssatz auf neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
Der Basiszinssatz wird zweimal jährlich von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht und kann auf deren Internetseite eingesehen werden.
Vertragliche Vereinbarungen
Die Parteien können im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehungen abweichende Regelungen über Verzugszinsen treffen. Dabei sind jedoch die gesetzlichen Grenzen, insbesondere zum Schutz von Verbrauchern (§ 288 Abs. 5 BGB) und das Verbot von sittenwidrigen Vereinbarungen nach § 138 BGB, zu beachten.
Berechnung und Geltendmachung von Verzugszinsen
Beginn und Ende der Verzinsung
Der Anspruch auf Verzugszinsen beginnt mit dem Tag des Verzugs (in der Regel der Tag nach Eintritt der Fälligkeit plus Mahnung bzw. Ablauf der im Vertrag bestimmten Leistungsfrist).
Der Verzugszinsanspruch endet, sobald die Geldschuld beglichen ist oder der Gläubiger anderweitig befriedigt wurde, beispielsweise durch Aufrechnung oder Zahlung an einen Dritten mit Gläubigerberechtigung.
Berechnungsbeispiel
Die Berechnung erfolgt üblicherweise auf Basis des offenstehenden Rechnungsbetrags, multipliziert mit dem anwendbaren Verzugszinssatz und der Anzahl der Verzugstage geteilt durch 365 Tage.
Formel:
Verzugszinsen = (Forderungsbetrag) × (Verzugszinssatz in %) × (Anzahl der Verzugstage / 365)
Geltendmachung in gerichtlichen Verfahren
Verzugszinsen können neben der Hauptforderung im gerichtlichen Mahnverfahren und im Klageverfahren gesondert geltend gemacht werden. Sie erhöhen regelmäßig die einzufordernde Gesamtforderung des Gläubigers und werden vom Gericht im Urteil ggf. zusätzlich zur Hauptsumme zugesprochen.
Besonderheiten und Abgrenzungen
Differenzierung zu anderen Zinsschulden
Verzugszinsen sind von anderen Zinsarten, beispielsweise Vertragszinsen oder Prozesszinsen, zu unterscheiden. Vertragszinsen entstehen vor Eintritt des Verzugs aufgrund vertraglicher Abrede, während Prozesszinsen gemäß § 291 BGB für den Zeitraum ab Rechtshängigkeit einer Klage bis zur Zahlung anfallen.
Anwendungsbereich bei Verbrauchern und Unternehmern
Für Geschäfte zwischen Unternehmen gelten strengere Regelungen hinsichtlich der Zinshöhe, um Zahlungsverspätungen im unternehmerischen Verkehr einzudämmen und Liquiditätsnachteile für Gläubigerunternehmen zu mindern. Im Verbraucherverkehr überwiegt der Gedanke des Schuldnerschutzes, weshalb hier niedrigere Zinssätze gelten.
Schadensersatz neben Verzugszinsen
Gemäß § 288 Abs. 5 BGB kann ein Gläubiger neben Verzugszinsen einen pauschalen Schadensersatz von 40 Euro verlangen, wenn der Schuldner kein Verbraucher ist. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben hiervon unberührt, sofern ein höherer Schaden nachgewiesen werden kann.
Verjährung von Verzugszinsansprüchen
Der Anspruch auf Verzugszinsen unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Diese beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Internationales Privatrecht
Bei grenzüberschreitenden Verträgen kann das Recht des Staates maßgeblich sein, dessen Rechtsordnung auf die Hauptforderung anwendbar ist. In der Europäischen Union gelten zudem Besonderheiten durch die Richtlinie über Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Richtlinie 2011/7/EU). Diese Vorschriften schaffen einen Mindeststandard zum Gläubigerschutz beim Zahlungsverzug.
Zusammenfassung
Verzugszinsen stellen ein zentrales Instrument im Schuldrecht dar, um die Einhaltung von Zahlungsfristen zu sichern und Gläubiger für den Verlust der Kapitalnutzung zu entschädigen. Die gesetzlichen Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch bieten einen umfassenden Rahmen, der insbesondere zwischen Verbraucher- und Unternehmergeschäften differenziert und zusätzliche Gläubigerschutzinstrumente bereitstellt. Die korrekte Berechnung und Geltendmachung sind für die rechtssichere Durchsetzung finanzieller Ansprüche von erheblicher Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Wie werden Verzugszinsen im deutschen Recht berechnet?
Verzugszinsen werden im deutschen Recht gemäß §§ 288, 247 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) berechnet. Der gesetzliche Verzugszinssatz beträgt bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher beteiligt ist, 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Bei Rechtsgeschäften zwischen Unternehmern (z. B. bei Lieferungen zwischen Firmen) beträgt der Zinssatz 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Der Basiszinssatz wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres von der Deutschen Bundesbank neu festgelegt und veröffentlicht. Die Berechnung der Zinsen erfolgt meist tagesgenau: Man berechnet die Tageszinsen, indem man den jährlichen Zinssatz mit dem offenen Betrag multipliziert, diese Summe durch 365 Tage teilt und dann mit der Anzahl der Verzugstage multipliziert. Bei Ratenzahlungen ist die Zinsberechnung jeweils auf den noch offenen Teilbetrag zum Zeitpunkt des Verzugseintritts zu beziehen.
Wann beginnt der Verzug und wie wirkt er sich auf die Verzugszinsforderung aus?
Der Verzug tritt ein, wenn der Schuldner auf eine fällige und mahnbare Forderung trotz einer Mahnung nicht leistet (§ 286 BGB). Eine Mahnung ist nicht erforderlich, wenn für die Leistung eine kalendermäßig bestimmte Zeit vereinbart wurde und der Schuldner zu diesem Termin nicht zahlt. Bei Geldforderungen beginnt der Verzug grundsätzlich automatisch 30 Tage nach Zugang einer Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung, sofern der Schuldner Verbraucher ist und auf diese Frist hingewiesen wurde. Ab diesem Zeitpunkt darf der Gläubiger Verzugszinsen verlangen. Für Unternehmer schuldet der Schuldner auch ohne den expliziten Hinweis Verzugszinsen nach Ablauf von 30 Tagen. Der Zinsschuldner muss darüber hinaus auch für den Verzögerungsschaden (Schadensersatz wegen Verzugs) aufkommen, der dem Gläubiger entsteht.
Dürfen vertragliche Verzugszinsen vom gesetzlichen Verzugszinssatz abweichen?
Im deutschen Recht ist es grundsätzlich zulässig, von den gesetzlichen Verzugszinssätzen abzuweichen, sofern es sich nicht um eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB handelt (z. B. durch zu hohe Verzugszinsen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen). Vertraglich vereinbarte Zinssätze gelten jedoch nur, wenn sie zuvor ausdrücklich und wirksam vereinbart wurden. Unwirksam sind Zinssätze, die gegen das Wucher- oder Sittenwidrigkeitsverbot (§§ 138, 291 BGB) verstoßen, also ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung enthalten. Die gesetzliche Regelung bleibt als Auffangregelung bestehen und ist dann anzuwenden, wenn keine gültige anderweitige Vereinbarung existiert.
Welche Ansprüche bestehen neben den Verzugszinsen bei Zahlungsverzug?
Neben den Verzugszinsen hat der Gläubiger im Falle des Zahlungsverzugs auch Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens (§ 288 Abs. 4 BGB). Dazu zählen insbesondere Mahnkosten, Rechtsanwaltsgebühren oder Inkassokosten, die im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Forderung entstehen. Bei Rechtsgeschäften zwischen Unternehmern fällt zudem eine einmalige Pauschale von 40 Euro nach § 288 Abs. 5 BGB an, die unabhängig vom tatsächlichen Schaden verlangt werden kann (sog. Verzugspauschale). Weiterhin können gegebenenfalls weitere Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, wenn durch den Verzug zusätzliche Schäden entstanden sind.
Kann auf die Geltendmachung von Verzugszinsen verzichtet werden?
Der Gläubiger hat das Recht, ganz oder teilweise auf die Geltendmachung von Verzugszinsen zu verzichten. Ein solcher Verzicht kann ausdrücklich oder stillschweigend (konkludent) durch das Verhalten des Gläubigers erfolgen, etwa indem er trotz bestehender Verzugszinsforderung wiederholt auf Zinsforderungen verzichtet oder diese nicht einfordert. Ein späterer Verzicht kann auch nach Eintritt des Verzugs erfolgen, beispielsweise im Rahmen eines Vergleichs oder bei Einräumung von Teilzahlungen. Ein solcher Verzicht sollte aus Gründen der Rechtssicherheit stets dokumentiert werden. Liegt kein Verzicht vor, bleiben die gesetzlichen Ansprüche auf Verzugszinsen unabhängig von weiteren Maßnahmen bestehen.
Wie lange können Verzugszinsen rückwirkend verlangt werden und wann verjähren sie?
Ansprüche auf Verzugszinsen unterliegen in Deutschland der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren, die gemäß § 195 BGB gilt. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 BGB). Dies gilt sowohl für die Hauptforderung als auch für die Nebenforderung der Verzugszinsen. Nach Ablauf der Verjährungsfrist können Verzugszinsen nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden, auch wenn der Verzug tatsächlich bestand.
Wie sind Verzugszinsen im Falle von Teilzahlungen oder mehreren Forderungen zu handhaben?
Bei Teilzahlungen ist zunächst gemäß § 367 BGB zu bestimmen, wie die Zahlung auf die verschiedenen Forderungen anzurechnen ist. Grundsätzlich wird eine Zahlung zunächst auf die entstandenen Kosten (z. B. Mahngebühren), dann auf die Zinsen (insbesondere Verzugszinsen) und erst zuletzt auf die Hauptforderung angerechnet, sofern der Schuldner keine andere Bestimmung trifft. Dies bedeutet, dass durch Teilzahlungen in erster Linie die Nebenforderungen (wie Verzugszinsen) beglichen werden. Erst mit vollständiger Zahlung aller fälligen Zinsen und Kosten wird die Hauptforderung getilgt. Bestehen mehrere Forderungen, kann der Schuldner bestimmen, auf welche er zahlt; trifft er keine Bestimmung, wird gemäß §§ 366, 367 BGB zuerst auf die fälligere Schuld angerechnet.