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Verzugsschaden


Definition und Grundlagen des Verzugsschadens

Ein Verzugsschaden bezeichnet im deutschen Zivilrecht den Schaden, der einer Partei infolge des Verzugs einer anderen Partei mit der Erfüllung einer fälligen und durchsetzbaren Leistungspflicht entsteht. Der Begriff „Verzug” ist dabei rechtlich fest definiert und tritt ein, wenn ein Schuldner seine Hauptleistungspflicht nicht nach Fälligkeit und Mahnung oder automatisch nach Ablauf einer bestimmten Frist, wie sie das Gesetz regelt, erfüllt. Die Schadensersatzpflicht wegen Verzugs ist ein zentrales Instrument des Zivilrechts, um den Gläubiger vor den Folgen einer verspäteten Leistung zu schützen.


Rechtliche Einordnung

Gesetzliche Grundlagen

Der Verzugsschaden ist in §§ 280 Abs. 1, 280 Abs. 2, 286 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Während § 280 BGB die allgemeine Haftung für Pflichtverletzungen behandelt, spezifiziert § 286 BGB die Voraussetzungen für den Verzug.

Wichtige Normen:

  • § 280 BGB: Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
  • § 286 BGB: Verzug des Schuldners
  • § 288 BGB: Verzugszinsen und weitere Rechtsfolgen

Voraussetzungen für den Verzugsschaden

Damit ein Verzugsschaden geltend gemacht werden kann, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Fälligkeit der Leistung: Die geschuldete Leistung muss einredefrei und fällig sein.
  2. Mahnung oder entbehrliche Mahnung: Der Gläubiger muss den Schuldner im Regelfall gemahnt haben, es sei denn, die Mahnung ist nach dem Gesetz entbehrlich (§ 286 Abs. 2 BGB).
  3. Vertretenmüssen: Der Schuldner muss den Verzug zu vertreten haben, es sei denn, er kann sich entlasten (§ 286 Abs. 4 BGB).
  4. Schadenseintritt: Ein tatsächlicher Vermögensnachteil des Gläubigers muss infolge des Verzugs entstanden sein.

Arten des Verzugsschadens

Verzugszinsen

Eine der bekanntesten Erscheinungsformen des Verzugsschadens sind die Verzugszinsen. Nach § 288 BGB werden dem Gläubiger bei Geldforderungen Zinsen in gesetzlich festgelegter Höhe zugesprochen. Bei Verbrauchergeschäften beträgt der Zinssatz 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB), bei Rechtsgeschäften ohne Verbraucherbeteiligung sogar 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 2 BGB).

Erstattung weitergehender Verzugsschäden

Über die Verzugszinsen hinaus kann der Gläubiger nach § 280 Abs. 1 und 2 BGB auch weiteren, durch den Verzug entstandenen Schaden ersetzt verlangen. Dazu zählen insbesondere:

  • Mehraufwendungen (z. B. Kosten für Rechtsverfolgung, Inkassogebühren)
  • Schadensersatz für Folgeschäden, die auf die verspätete Leistung zurückzuführen sind (z. B. entgangener Gewinn, zusätzlicher Aufwand durch Ersatzbeschaffung)
  • Kostenerstattung für erfolglose Mahnungen

Besonderheiten und Einschränkungen

Haftungsausschluss und Haftungsbegrenzung

Das Gesetz sieht Regelungen vor, nach denen die Haftung für Verzugsschäden in bestimmten Fällen eingeschränkt oder ausgeschlossen sein kann. Insbesondere nach § 286 Abs. 4 BGB haftet der Schuldner dann nicht, wenn er die Verzögerung nicht zu vertreten hat, beispielsweise bei höherer Gewalt oder unverschuldeten Leistungsstörungen.

Kausalität und Nachweis

Der Gläubiger trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihm infolge des Verzuges ein kausaler Schaden entstanden ist. Er muss den Zusammenhang zwischen Verzug und Schaden konkret nachweisen.


Verzugsschaden im Kontext unterschiedlicher Schuldverhältnisse

Kaufrechtlicher Verzugsschaden

Im Kaufrecht entstehen Verzugsschäden häufig, wenn der Käufer den Kaufpreis nicht rechtzeitig bezahlt oder der Verkäufer die Ware verspätet liefert. Neben Verzugszinsen können hier insbesondere Kosten für Ersatzkäufe oder Mehraufwendungen für Zwischenlagerung u. ä. als Verzugsschaden geltend gemacht werden.

Werkvertragsrechtlicher Verzugsschaden

Beim Werkvertrag betrifft der Verzugsschaden Verzögerungen bei der Herbeiführung des (Werk-)Erfolgs. Auch hier sind neben Verzugszinsen oft Kosten für die Zwischenlösung oder die Inanspruchnahme eines anderen Unternehmers zu ersetzen.

Mietrechtlicher Verzugsschaden

Im Mietrecht entstehen Verzugsschäden regelmäßig bei verspäteter Mietzahlung, insbesondere durch das Anfallen gesetzlicher Verzugszinsen, aber auch bei Nichträumung der Mietsache über das Vertragsende hinaus.


Geltendmachung und Durchsetzung des Verzugsschadens

Anspruchsstellung

Die Geltendmachung eines Verzugsschadens erfolgt durch außergerichtliche und gegebenenfalls gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs. Grundsätzlich empfiehlt sich zur Beweissicherung eine schriftliche Dokumentation sämtlicher Schäden und Aufwendungen.

Verjährung

Der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens unterliegt der regelmäßigen Verjährung gemäß §§ 195, 199 BGB. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.


Abgrenzung zu anderen Schadensersatzansprüchen

Ein Verzugsschaden ist von anderen Schadensersatzansprüchen, etwa wegen Nichterfüllung (§ 281 BGB) oder wegen Unmöglichkeit (§ 283 BGB), abzugrenzen. Während der Verzugsschaden typische Folgen der Verzögerung abdeckt, knüpfen diese anderen Ansprüche an die endgültige Nichterbringung oder Unmöglichkeit der Leistung an.


Zusammenfassung

Der Verzugsschaden stellt einen wichtigen Bestandteil des deutschen Zivilrechts zum Zwecke des Gläubigerschutzes dar. Er umfasst alle Schäden, die aufgrund der verspäteten Erfüllung durch den Schuldner entstehen, einschließlich Verzugszinsen und weiterer Folgeschäden. Die gesetzlichen Grundlagen, insbesondere die Vorschriften der §§ 280, 286 ff. BGB, regeln die Voraussetzungen und Rechtsfolgen umfassend. Die korrekte Anspruchsdurchsetzung setzt voraus, dass alle Voraussetzungen – Fälligkeit, Nachweis des Schadens und gegebenenfalls Mahnung – erfüllt sind.


Quellen und weiterführende Informationen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 280, 286, 288
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, aktuelle Auflage
  • Münchener Kommentar zum BGB, aktuelle Auflage
  • Beck’scher Online-Kommentar BGB
  • Einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für einen Verzugsschaden vorliegen?

Ein Verzugsschaden kann nur geltend gemacht werden, wenn bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind. Zunächst muss eine wirksame fällige Forderung bestehen, das heißt, der Gläubiger muss einen Anspruch auf eine Leistung haben, und die vereinbarte Leistungszeit ist abgelaufen, ohne dass der Schuldner geleistet hat. Des Weiteren muss der Schuldner in Verzug geraten sein. Hierzu bedarf es grundsätzlich einer Mahnung durch den Gläubiger, es sei denn, der Verzug tritt kraft Gesetzes ohne Mahnung ein (zum Beispiel bei kalendermäßig bestimmter Leistungszeit, § 286 Abs. 2 BGB). Der Verzug darf zudem nicht durch Umstände verursacht werden, die der Schuldner nicht zu vertreten hat, wie beispielsweise höhere Gewalt oder unverschuldete Unkenntnis. Schließlich muss dem Gläubiger aufgrund des Verzugs tatsächlich ein kausaler Schaden entstanden sein, der im Wege des Schadensersatzes geltend gemacht werden kann.

Welche Schäden können als Verzugsschaden geltend gemacht werden?

Im Rahmen des Verzugsschadens können grundsätzlich alle kausal und adäquat durch den Verzug verursachten Vermögensnachteile geltend gemacht werden. Hierzu zählen beispielsweise zusätzlich entstehende Finanzierungskosten, Zinsverluste, Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung des Anspruchs, Auslagen für Mahnschreiben sowie Mehrkosten für Ersatzbeschaffungen. Bei Geldforderungen kann der Gläubiger gemäß § 288 BGB Verzugszinsen beanspruchen. Soweit durch den Verzug ein tatsächlicher Schaden entstanden ist, sind auch Folgeschäden ersatzfähig, sofern sie in adäquatem Zusammenhang zum Verzug stehen. Nicht ersatzfähig sind hingegen Schäden, die unabhängig vom Verzug entstanden wären oder nur sehr entfernt ursächlich mit diesem im Zusammenhang stehen.

Wie berechnen sich die Verzugszinsen bei Geldforderungen?

Die Höhe der Verzugszinsen richtet sich nach § 288 BGB. Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist (also im unternehmerischen Geschäftsverkehr), beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Bei Beteiligung eines Verbrauchers liegt der Zinssatz bei fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Der jeweils aktuelle Basiszinssatz wird halbjährlich von der Deutschen Bundesbank festgelegt und veröffentlicht. Der Zinsanspruch besteht unabhängig von einem tatsächlich entstandenen Schaden und beginnt mit dem Eintritt des Verzugs.

Ist eine Mahnung zwingend erforderlich, um den Verzugsschaden zu verlangen?

Eine Mahnung ist grundsätzlich erforderlich, um den Schuldner in Verzug zu setzen und einen darauf gestützten Verzugsschaden geltend machen zu können. Ausnahmen bestehen gemäß § 286 Abs. 2 BGB, etwa wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, die Leistung an ein bestimmtes Ereignis gebunden ist, oder der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. In diesen Fällen tritt der Verzug automatisch ein, ohne dass es einer Mahnung bedarf. Die Mahnung selbst ist eine eindeutige und bestimmte Aufforderung zur Leistung an den Schuldner; sie ist formlos möglich, es sei denn, aus vertraglichen oder gesetzlichen Gründen ist eine Form vorgeschrieben.

In welchem Umfang haftet der Schuldner für den Verzugsschaden?

Der Schuldner haftet für alle durch den Verzug verursachten Schäden, die dem Gläubiger nachweisbar entstanden sind und die bei objektiver Betrachtung im Zusammenhang mit dem Verzug stehen. Dies umfasst den sogenannten Verzögerungsschaden, der aus dem Zeitraum zwischen Eintritt des Verzugs und endgültiger Leistung entsteht. Der Schuldner haftet jedoch nur für solche Schäden, die er zu vertreten hat. Dabei wird grundsätzlich vermutet, dass der Schuldner das Ausbleiben seiner Leistung zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB). Er kann sich jedoch durch den Nachweis entlasten, dass er kein Verschulden trifft (Beweislastumkehr). Die Haftung erstreckt sich nicht auf entfernte oder völlig unvorhersehbare Folgeschäden, sondern auf den typischerweise zu erwartenden Schaden. Außerdem ist ein Mitverschulden des Gläubigers zu berücksichtigen (§ 254 BGB).

Wie und wann verjährt der Anspruch auf Ersatz eines Verzugsschadens?

Die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz eines Verzugsschadens richtet sich nach den allgemeinen vertraglichen Verjährungsvorschriften, insbesondere § 195 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre beträgt. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt (§ 199 Abs. 1 BGB). Der Anspruch auf Ersatz der Verzugszinsen besteht unabhängig vom Ersatz weitergehender materieller Schäden und verjährt zu denselben Fristen. Zu beachten ist, dass durch rechtzeitige Geltendmachung, Anerkennung oder Klageerhebung die Verjährung gehemmt oder unterbrochen werden kann.