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Verwaltungsvertrag


Definition und Grundlagen des Verwaltungsvertrags

Ein Verwaltungsvertrag ist ein im öffentlichen Recht verankerter Vertrag, der zwischen einer Verwaltungsbehörde und einer oder mehreren natürlichen oder juristischen Personen geschlossen wird, um ein bestimmtes Verwaltungsziel zu erreichen. Im Gegensatz zum einseitigen Verwaltungsakt stellt der Verwaltungsvertrag eine zweiseitige, häufig auch mehrseitige Willenserklärung dar. Der Verwaltungsvertrag wird insbesondere dann genutzt, wenn komplexe, auf Kooperation angewiesene oder individuell gestaltete Rechtsverhältnisse nicht durch einen Verwaltungsakt angemessen geregelt werden können.

Rechtsgrundlagen des Verwaltungsvertrags

Gesetzliche Grundlagen

Die zentrale Regelung des Verwaltungsvertrags findet sich im deutschen Recht in §§ 54 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Diese Vorschriften normieren die Zulässigkeit, den Abschluss, die Wirksamkeit und die Grenzen von Verwaltungsverträgen. Landesrechtliche Regelungen bestehen weitgehend in Anlehnung an das VwVfG. Darüber hinaus ergibt sich die Anwendbarkeit des Vertragsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) insoweit, als nicht zwingende speziellere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen.

Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten

Der Verwaltungsvertrag steht im Gegensatz zum Verwaltungsakt, der eine hoheitliche, einseitige Regelung eines Einzelfalls durch eine Behörde ist. Verwaltungsverträge setzen wechselseitiges Einverständnis voraus und sind damit Ausdruck des Grundsatzes der Konsensualität. Gegenüber zivilrechtlichen Verträgen zeichnet sich der Verwaltungsvertrag durch seine unmittelbare Bindung an öffentlich-rechtliche Vorschriften, Zwecke und Grenzen aus.

Arten und Typen von Verwaltungsverträgen

Koordinationsvertrag und subordinationsrechtlicher Vertrag

Das Gesetz unterscheidet zwischen zwei Typen des Verwaltungsvertrags:

  • Koordinationsvertrag (§ 54 Satz 2 VwVfG): Parteien stehen sich gleichgeordnet gegenüber. Beispiele sind Zweckvereinbarungen zwischen Kommunen oder öffentlich-rechtliche Arbeitsgemeinschaften.
  • Subordinationsvertrag (§ 54 Satz 2 VwVfG): Es besteht ein Über-/Unterordnungsverhältnis, das an die Stellung der Parteien im Verwaltungsverfahren anknüpft. Hier räumt häufig eine Partei (in der Regel eine Behörde) der anderen Rechte ein oder verpflichtet sie zu einem bestimmten Verhalten.

Weitere Arten

Neben den gesetzlichen Typen bestehen zahlreiche Erscheinungsformen, etwa der Vergleich (§ 55 VwVfG), der Austauschvertrag, der öffentlich-rechtliche Erschließungsvertrag oder der öffentlich-rechtliche Vertrag zur Fördermittelgewährung.

Zustandekommen und Wirksamkeit

Vertragsschluss

Das Zustandekommen eines Verwaltungsvertrags folgt – soweit keine spezialgesetzlichen Vorschriften eingreifen – den allgemeinen Bedingungen des § 62 VwVfG sowie, subsidiär, §§ 145 ff. BGB. Der Vertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande und bedarf grundsätzlich der Schriftform (§ 57 VwVfG), sofern nicht ausnahmsweise die Schriftform entbehrlich ist.

Form und Wirksamkeitsvoraussetzungen

Der Verwaltungsvertrag bedarf zur Gültigkeit der Schriftform. Dies betrifft sowohl Hauptabreden als auch Nebenregelungen. Die Vertretung durch Dritte und behördeninterne Zuständigkeiten richten sich nach den jeweils anzuwendenden Vorschriften. Die Wirksamkeit setzt ferner voraus, dass die handelnde Behörde sachlich und örtlich zuständig sowie geschäftsfähig handelt.

Grenzen der Zulässigkeit

Verwaltungsverträge dürfen nicht gegen gesetzliche Verbote, die guten Sitten oder das öffentliche Interesse verstoßen. Die vertraglichen Regelungen sind insbesondere an die Schranken des Verwaltungsrechts, wie etwa an das Gesetzmäßigkeitsprinzip und das Übermaßverbot, gebunden (§ 56 VwVfG).

Inhalt und Gestaltung

Vertragsinhalt

Der Inhalt des Verwaltungsvertrags ist grundsätzlich frei gestaltbar, soweit zwingende öffentliche Vorschriften (insbesondere aus dem Bau-, Umwelt-, Kommunal- oder Sozialrecht) keine abschließende hoheitliche Regelung vorsehen. Zulässig sind Regelungen zu Haupt- und Nebenpflichten, Leistungsaustausch, Verhaltensweisen, Bedingungen, Befristungen und auflösenden sowie aufschiebenden Bedingungen.

Typische Vertragsklauseln

Zu den häufig vorkommenden Bestimmungen zählen Bestimmungen über Leistungsmodalitäten, Fristen, Nachweispflichten, Sanktionen bei Pflichtverstößen, Rücktrittsklauseln sowie besondere Regelungen zu Haftung, Gerichtsstand und Rechtsfolgen nichtiger Vertragsbestandteile (salvatorische Klausel).

Beendigung und Aufhebung

Ordentliche und außerordentliche Beendigung

Die Beendigung eines Verwaltungsvertrags erfolgt regelmäßig durch Erfüllung oder Ablauf der vereinbarten Frist. Daneben bestehen Rücktritts-, Widerrufs- und Kündigungsrechte, die sich aus dem Vertrag selbst, aus dem Gesetz oder aus dem VwVfG ergeben. § 59 VwVfG regelt die Voraussetzungen und Folgen des Rücktritts sowie besondere Widerrufsmöglichkeiten.

Anfechtung und Nichtigkeit

Ein Verwaltungsvertrag kann unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 58 VwVfG oder nach Maßgabe der Vorschriften des BGB angefochten werden. Nichtigkeitsgründe liegen insbesondere vor bei Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder bei Sittenwidrigkeit. Für die Rechtsfolgen der Nichtigkeit enthält § 59 VwVfG eine eigenständige öffentlich-rechtliche Regelung.

Rechtsschutz, Kontrolle und gerichtliche Überprüfung

Rechtsweg

Rechtsstreitigkeiten aus Verwaltungsverträgen unterliegen regelmäßig der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (§ 40 VwGO), sofern der Vertrag öffentlich-rechtlicher Natur ist. In Mischfällen, etwa bei gemischt öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Inhalten, erfolgt eine gesonderte Prüfung unter Anwendung der Zwei-Stufen-Theorie.

Kontrolle der Ausübung vertraglicher Rechte

Die gerichtliche Kontrolle erstreckt sich auf die Wirksamkeit, Auslegung, Durchführung und Beendigung von Verwaltungsverträgen. Maßgeblich sind die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsprozessrechts, ergänzt durch besondere Regelungen zu einstweiligem Rechtsschutz und Verpflichtungsklagen.

Bedeutung, Funktion und Entwicklung

Funktion im Verwaltungshandeln

Verwaltungsverträge haben vor allem in komplexen Verwaltungsverfahren, etwa bei der Realisierung von Infrastrukturvorhaben, dem Städtebau oder bei öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP), zentrale Bedeutung. Sie ermöglichen flexible, interessengerechte und kooperative Lösungen, wo starre hoheitliche Regelungen an ihre Grenzen stoßen.

Entwicklung und Tendenzen

Seit der Einführung offenerer Verwaltungshandlungsformen im Zuge der Verwaltungsmodernisierung hat der Verwaltungsvertrag an Bedeutung gewonnen. Insbesondere in Bereichen wie Umweltrecht, Baurecht, Sozialrecht, öffentlicher Daseinsvorsorge und internationalen Verwaltungshandlungen kommt dem Verwaltungsvertrag wachsende Bedeutung zu.

Zusammenfassung

Der Verwaltungsvertrag ist ein öffentlich-rechtliches Rechtsinstrument zur flexiblen und kooperativen Regelung von Verwaltungsbeziehungen. Seine gesetzliche Ausgestaltung bietet ein Höchstmaß an Rechtssicherheit, Ausgestaltungsspielraum und Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Vielschichtigkeit des Vertrags und die Reichweite seiner Anwendung machen den Verwaltungsvertrag zum bedeutenden Baustein moderner Verwaltungspraxis.

Häufig gestellte Fragen

Welche Formerfordernisse gelten für einen Verwaltungsvertrag im deutschen Verwaltungsrecht?

Ein Verwaltungsvertrag gemäß § 54 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form, soweit nicht durch Rechtsvorschrift etwas anderes bestimmt ist. Allerdings sieht § 57 VwVfG vor, dass Verwaltungsverträge schriftlich abzuschließen sind, wenn sie einen Verwaltungsakt ersetzen sollen oder wenn dies zur Klarstellung der getroffenen Vereinbarungen erforderlich erscheint. In besonders geregelten Bereichen, etwa im Bauplanungsrecht oder Sozialrecht, ergeben sich zum Teil ausdrücklichere oder strengere Formerfordernisse aus Spezialgesetzen oder Verordnungen. Ein Verstoß gegen gesetzlich vorgeschriebene Formvorschriften kann zur Nichtigkeit des Vertrags führen (§ 59 Abs. 1 VwVfG). Daneben ist zu beachten, dass bestimmte Inhalte, wie datenschutzrelevante Aspekte oder sicherheitsrelevante Vereinbarungen, zusätzliche materielle Voraussetzungen an die Vertragsgestaltung knüpfen können, etwa im Hinblick auf Informationspflichten oder die Dokumentationspflicht. Die Einhaltung der Formvorschriften ist daher integraler Bestandteil eines wirksamen und rechtssicheren Verwaltungsvertrags.

Welche Möglichkeiten der Anfechtung oder Rückabwicklung eines Verwaltungsvertrags bestehen?

Die Anfechtung oder Rückabwicklung eines Verwaltungsvertrags richtet sich im Wesentlichen nach den §§ 58 ff. VwVfG. Eine Partei kann sich gemäß § 59 Abs. 1 VwVfG auf die Nichtigkeit des Verwaltungsvertrages berufen, wenn der Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, die erforderliche Form nicht eingehalten wurde oder ein anderes schwerwiegendes rechtliches Manko vorliegt (z.B. Sittenwidrigkeit). Daneben besteht die Möglichkeit der Anfechtung wegen Irrtums, arglistiger Täuschung oder Drohung, wobei in diesem Fall das Verwaltungsverfahrensgesetz in Verbindung mit den zivilrechtlichen Regelungen der §§ 119 ff., 123 BGB zur Anwendung kommt. Die Rückabwicklung eines nichtigen oder wirksam angefochtenen Vertrages erfolgt nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen; gemäß § 59 Abs. 2 VwVfG kann jede Partei Ersatz für bereits erbrachte Leistungen fordern. Hier kommt zudem die Rücknahme eines Verwaltungsaktes, der durch oder infolge des Vertrags erlassen wurde, in Betracht, wobei die Regelungen der §§ 48, 49 VwVfG zu beachten sind.

Welche Bindungswirkung hat ein Verwaltungsvertrag für die beteiligten Parteien?

Ein wirksam abgeschlossener Verwaltungsvertrag entfaltet grundsätzlich eine beiderseitige Bindungswirkung – die Verpflichtungen und Rechte, die die Parteien vereinbart haben, sind rechtlich durchsetzbar. Anders als ein einseitiger Verwaltungsakt, der auf einer Hoheitsentscheidung beruht, beruht der Verwaltungsvertrag auf dem Prinzip der Gleichordnung der Parteien. Dies bedeutet, dass beide Seiten, also Verwaltung und Vertragspartner, an den Vertragsinhalt gebunden sind, soweit keine Nichtigkeitsgründe oder Anfechtungstatbestände vorliegen. Es besteht eine Verpflichtung zur Vertragserfüllung und gegebenenfalls auch zur Leistung von Schadensersatz bei Vertragsverletzungen. Die Verwaltung kann ihre Vertragspflichten nicht einseitig durch Verwaltungshandeln ändern oder aufheben; vielmehr bedarf es zur Änderung grundsätzlich der Zustimmung der anderen Vertragspartei oder eines gesetzlichen Rücktrittsrechts, etwa im Falle nachträglich eingetretener Unmöglichkeit (§ 60 VwVfG).

Welche Besonderheiten ergeben sich bei der Beendigung eines Verwaltungsvertrags?

Die Beendigung eines Verwaltungsvertrags folgt eigenen Regeln, die dem öffentlichen Charakter des Vertrags Rechnung tragen. Neben den zivilrechtlichen Beendigungsformen – Erfüllung, Rücktritt oder Kündigung – gelten besondere öffentlich-rechtliche Vorschriften. Gemäß § 60 VwVfG kann beispielsweise jede Partei vom Vertrag zurücktreten, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, insbesondere wenn grundlegende Vertragsvoraussetzungen nach Vertragsschluss wegfallen, wie etwa der Entfall der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Darüber hinaus kann der Vertrag unter Umständen auch durch Aufhebungsvertrag (öffentlich-rechtlicher Vergleich) beendet werden. In bestimmten Fällen ermöglichen Spezialgesetze weitere Beendigungsformen, etwa § 642 BGB zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, soweit keine spezielleren Bestimmungen greifbar sind. Im Unterschied zum einseitigen Verwaltungsakt muss die Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsvertrags grundsätzlich einvernehmlich erfolgen, sofern nicht gesetzlich etwas anderes geregelt ist.

Welche Kontrolle und Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen bei Streitigkeiten aus einem Verwaltungsvertrag?

Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien aus Verwaltungsverträgen unterliegen grundsätzlich der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Bei Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Wirksamkeit oder Auslegung des Vertrags, bei Erfüllungsfragen oder bei Schadensersatzforderungen besteht die Möglichkeit, Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben. Das Gericht prüft, ob der Vertrag rechtmäßig zustande gekommen und durchgeführt worden ist und ob Pflichten und Rechte aus dem Vertrag ordnungsgemäß wahrgenommen wurden. In Ausnahmefällen, etwa bei gemischt verwaltungsrechtlich-zivilrechtlichen Verträgen, kann auch der Weg zu den Zivilgerichten eröffnet sein, was aber im Einzelfall einer sorgfältigen Prüfung bedarf. Weiterhin besteht die Möglichkeit, rechtswidrige Vereinbarungen durch die zuständige Aufsichtsbehörde überprüfen und gegebenenfalls beanstanden oder für nichtig erklären zu lassen.

Welche Rolle spielt das Einvernehmen der Parteien im Verwaltungsvertragsrecht?

Das Einvernehmen der Vertragsparteien ist das tragende Element des Verwaltungsvertrags. Anders als beim Verwaltungsakt, der auf der (einseitigen) hoheitlichen Entscheidung der Verwaltung beruht, ist der Verwaltungsvertrag eine konsensuale Einigung im Sinne des öffentlichen Rechts, bei der die Verwaltung dem Vertragspartner auf Augenhöhe und in freier Willensübereinstimmung entgegentritt. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit ist jedoch durch das Legalitätsprinzip und die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz eingeschränkt. Die Verwaltung kann also nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Ermächtigungen Verträge schließen und ist an zwingende Normen gebunden. Gleichwohl müssen alle wesentlichen Vertragsinhalte – insbesondere solche, die Rechte und Pflichten der Parteien betreffen – von beiden Seiten ausdrücklich gebilligt werden. Das Erfordernis des beiderseitigen Einvernehmens erstreckt sich auch auf Vertragsänderungen oder -aufhebungen, sofern kein einseitiges Lösungsrecht gesetzlich eingeräumt wurde.