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Verwaltungsvereinbarung


Begriff und rechtliche Einordnung der Verwaltungsvereinbarung

Eine Verwaltungsvereinbarung ist eine besondere Form der rechtsverbindlichen Zusammenarbeit zwischen verschiedenen öffentlichen Verwaltungseinheiten, in der Regel zwischen Behörden unterschiedlicher Hoheitsträger. Sie dient der Regelung gemeinsamer Verwaltungsangelegenheiten und ist im deutschen Verwaltungsrecht von hoher praktischer Bedeutung. Verwaltungsvereinbarungen werden oftmals zwischen Bund und Ländern, zwischen verschiedenen Ländern (Länderverwaltungsvereinbarungen) oder zwischen Bund, Ländern und Kommunen geschlossen. Im Gegensatz zu verwaltungsrechtlichen Verträgen, die sich auf das Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie der Verwaltung beziehen, regeln Verwaltungsvereinbarungen ausschließlich das Verhältnis zwischen Verwaltungsträgern.

Rechtsgrundlagen der Verwaltungsvereinbarung

Gesetzliche Grundlagen

Verwaltungsvereinbarungen finden ihre rechtlichen Grundlagen insbesondere in den Artikeln 83 bis 85 sowie 91a ff. des Grundgesetzes (GG), die sich mit der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder und mit Formen der Verwaltungszusammenarbeit beschäftigen. Ferner sind landesrechtliche Vorschriften und Einzelgesetze maßgeblich, sofern es um den Abschluss von Verwaltungsvereinbarungen auf Landes- oder kommunaler Ebene geht.

Abgrenzung zu anderen rechtlichen Instrumenten

Verwaltungsvereinbarungen sind von Verwaltungsakten, Verwaltungsvorschriften und öffentlich-rechtlichen Verträgen zu unterscheiden:

  • Verwaltungsakte sind einseitige hoheitliche Maßnahmen gegenüber außenstehenden Rechtssubjekten (vgl. § 35 VwVfG).
  • Verwaltungsvorschriften regeln das Innenverhältnis innerhalb einer Behörde und binden an Weisungen, entfalten jedoch keine unmittelbare Außenwirkung.
  • Öffentlich-rechtliche Verträge gestalten das Rechtsverhältnis zwischen Verwaltung und Bürger oder zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit Außenwirkung.

Im Gegensatz dazu betrifft die Verwaltungsvereinbarung das Innenverhältnis zwischen Verwaltungseinheiten auf gegenseitiger Basis und regelt Zusammenarbeit und Durchführung gemeinsamer Aufgaben.

Arten und Anwendungsbeispiele

Unterschiede nach Beteiligten

  1. Zwischen Bund und Ländern: Häufig, etwa bei der Durchführung von Förderprogrammen, der Organisation gemeinsamer IT-Infrastruktur oder bei Fragen des Katastrophenschutzes.
  2. Zwischen Ländern: Etwa bei länderübergreifenden Infrastrukturprojekten oder im Bereich des Umweltschutzes.
  3. Zwischen Ländern und Kommunen: Oft bei gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung oder zur Regelung von Zuständigkeiten.
  4. Innerhalb eines Landes oder zwischen Kommunen: Bei gemeinsamer Finanzierung oder Verwaltung öffentlicher Dienstleistungen.

Beispiele

  • Verwaltungsvereinbarungen über die Zusammenarbeit im Rahmen der Amtshilfe.
  • Länderverwaltungsvereinbarungen zur Organisation gemeinsamer Datenbanken (z.B. Polizei-Informationssysteme).
  • Verwaltungsvereinbarungen zum Aufbau und Betrieb gemeinsamer Einrichtungen wie Zweckverbände.

Form und Inhalt

Formerfordernisse

Für Verwaltungsvereinbarungen besteht grundsätzlich keine gesetzlich vorgeschriebene Form, sie werden jedoch meist schriftlich fixiert, um Rechtssicherheit für die beteiligten Verwaltungen zu gewährleisten. In bestimmten Fällen – etwa, wenn eine Verwaltungsvereinbarung in Gesetzesrecht eingreift, Zuständigkeiten neu ordnet oder Finanzierungsfragen mit haushaltsrechtlicher Relevanz behandelt – kann ein Parlamentsvorbehalt oder Zustimmungserfordernis bestehen.

Typische Inhalte

Verwaltungsvereinbarungen regeln insbesondere:

  • Organisation und Durchführung gemeinsamer Aufgaben
  • Verteilung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten
  • Finanzierungsbeiträge und Kostenteilung
  • Informationsaustausch und Datenschutz
  • Befristung und Kündigungsmöglichkeiten
  • Streitbeilegungsmechanismen

Rechtswirkung und Bindungswirkung

Verwaltungsvereinbarungen begründen Verpflichtungen zwischen den beteiligten Verwaltungseinheiten. Sie sind grundsätzlich nicht nach außen – gegenüber Bürgerinnen und Bürgern – wirksam, sondern wirken nur im Innenverhältnis. Die Einhaltung von Verwaltungsvereinbarungen kann verwaltungsintern – etwa durch Aufsichtsbehörden – überwacht werden. Im Falle von Streitigkeiten ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt eröffnet, da Verwaltungsvereinbarungen meist den Charakter öffentlich-internen Handelns haben und nicht dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder den Vorschriften über den öffentlich-rechtlichen Vertrag (§§ 54 ff. VwVfG) unterfallen.

Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Vertrag

Verwaltungsvereinbarungen unterscheiden sich von öffentlich-rechtlichen Verträgen vor allem durch ihren Adressatenkreis und ihre Rechtswirkung. Während öffentlich-rechtliche Verträge das Verhältnis zwischen Behörde und Bürger oder einzelnen Verwaltungsträgern mit rechtlicher Außenwirkung regeln, handelt es sich bei der Verwaltungsvereinbarung stets um eine Regelung ausschließlich im Innenverhältnis zwischen Verwaltungseinheiten. Eine Verwaltungsvereinbarung entfaltet keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber Dritten.

Beendigung, Änderung und Kündigung

Die Verwaltungsvereinbarung endet grundsätzlich durch

  • Zweckerreichung,
  • Ablauf einer vereinbarten Befristung,
  • Kündigung durch eine oder mehrere Parteien sofern vereinbart, oder
  • Aufhebung im gegenseitigen Einvernehmen.

Die Modalitäten hierzu werden regelmäßig im Vertragstext festgelegt. Zudem kann eine Verwaltungsvereinbarung durch Gesetz oder aufgrund höherrangigen Rechts unwirksam werden.

Bedeutung und praktische Relevanz

Verwaltungsvereinbarungen sind aus der öffentlichen Verwaltungspraxis nicht mehr wegzudenken. Sie ermöglichen föderalismusgerechte, flexible sowie effiziente Regelungen gemeinsamer Verwaltungsaufgaben und tragen dazu bei, Verwaltungsabläufe an Komplexität und Vielschichtigkeit moderner Aufgabenstellung anzupassen. Besonders bei länderübergreifenden oder bundesweiten Aufgaben, deren Erfüllung die Mitwirkung mehrerer Verwaltungsträger erforderlich macht, sind Verwaltungsvereinbarungen ein zentrales Kooperationsinstrument.

Literatur und weiterführende Informationen

  • Maurer, Hartmut: Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Auflage, 2020
  • Detterbeck, Steffen: Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Auflage, 2023
  • Battis, Klaus et al.: Grundgesetz Kommentar, 13. Auflage, 2024
  • Sachs, Michael (Hrsg.): Grundgesetz Kommentar, 10. Auflage, 2023

Hinweis: Die Darstellung orientiert sich an den rechtlichen Gegebenheiten des deutschen Verwaltungsrechts und erläutert den Begriff der Verwaltungsvereinbarung ausschließlich im öffentlichen Recht.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die rechtliche Bindung der Parteien an eine Verwaltungsvereinbarung?

Die rechtliche Bindung der Parteien an eine Verwaltungsvereinbarung erfolgt grundsätzlich durch den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gemäß §§ 54 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) bzw. den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen. Hierbei müssen die Parteien, meist Gebietskörperschaften oder sonstige Träger öffentlicher Verwaltung, die gesetzlichen Formerfordernisse einhalten, insbesondere die Schriftform (§ 57 VwVfG) und gegebenenfalls weitere spezifische gesetzliche Zustimmungserfordernisse (z.B. kommunalrechtliche Genehmigungen). Die Vereinbarung tritt regelmäßig mit Unterzeichnung durch die Vertragsparteien in Kraft, sofern nicht ein späterer Zeitpunkt oder zusätzliche Bedingungen vereinbart wurden. Sie entfaltet nach außen Bindungswirkung nur im Rahmen der durch Gesetz erlaubten Übertragung oder Zusammenarbeit, eine unzulässige Kompetenzverlagerung ist unzulässig und könnte zur Nichtigkeit der Vereinbarung führen (§ 59 Abs. 1 VwVfG).

Welche Rechtsfolgen ergeben sich bei einer Verletzung der Verwaltungsvereinbarung?

Im Falle der Verletzung einer Verwaltungsvereinbarung greifen die im Vertrag selbst geregelten Sanktionen oder – subsidiär – die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie allgemeine Grundsätze des öffentlichen Vertragsrechts. Häufig werden in Verwaltungsvereinbarungen spezifische Regelungen zu Vertragsstrafen, Rücktritts- oder Kündigungsrechten sowie zur Schadensersatzpflicht nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften aufgenommen. Eine Besonderheit gegenüber privatrechtlichen Verträgen besteht darin, dass Ansprüche auf Erfüllung oder Schadensersatz grundsätzlich dem Verwaltungsrechtsweg unterliegen und nicht pauschal mit privatrechtlichen Mitteln durchgesetzt werden können. Auch besteht im Einzelfall die Möglichkeit der Anfechtung oder Feststellung der Nichtigkeit nach den §§ 58, 59 VwVfG, wenn zum Beispiel gegen zwingende gesetzliche Vorschriften oder das Gemeinwohl verstoßen wurde.

Inwieweit unterliegt die Verwaltungsvereinbarung der Kontrolle durch Aufsichtsbehörden?

Verwaltungsvereinbarungen unterliegen regelmäßig der rechtlichen Kontrolle durch die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde, insbesondere im Hinblick auf die Gesetz- und Rechtskonformität (sog. Legalitätskontrolle) sowie die Wahrung übergeordneter öffentlicher Interessen. Im Kommunalrecht ist etwa die Genehmigungsbedürftigkeit vieler Vereinbarungen durch die Kommunalaufsicht vorgeschrieben (§ 58 Abs. 2 GO NW, § 72 Abs. 2 BbgKVerf u.ä.). Die Prüfung umfasst regelmäßig die Frage, ob die vereinbarte Zusammenarbeit oder Aufgabenwahrnehmung im gesetzlichen Rahmen erfolgt, Hoheitsrechte ordnungsgemäß übertragen wurden und keine unzulässige Einflussnahme oder Kompetenzverschiebung stattfindet. Sollte die Aufsichtsbehörde Verstöße feststellen, kann sie die Vereinbarung beanstanden oder ihre Wirksamkeit untersagen.

Welche Bedeutung hat die Abgrenzung zur Beleihung und zum öffentlich-rechtlichen Vertrag?

Die genaue Abgrenzung der Verwaltungsvereinbarung zu anderen Kooperationsformen ist von erheblicher rechtlicher Relevanz. Die Verwaltungsvereinbarung zeichnet sich durch eine gleichgeordnete Zusammenarbeit zweier oder mehrerer Verwaltungsträger aus, wohingegen bei der Beleihung einem Beliehenen hoheitliche Befugnisse zur eigenständigen Wahrnehmung übertragen werden (§ 9 VwVfG). Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im engeren Sinne (§ 54 VwVfG) kann auch ein Subordinationsverhältnis (z.B. Vergleich) begründen, während die Verwaltungsvereinbarung auf Koordination und Kooperation angelegt ist. Die falsche Einordnung kann zu Wirksamkeitsproblemen, insbesondere zur Nichtigkeit wegen Kompetenzüberschreitungen führen. Die Unterscheidung ist zudem relevant für die Rechtswegezuordnung (Verwaltungsrechtsweg oder ordentlicher Rechtsweg) und die Frage von Genehmigungspflichten.

Sind Dritte an Verwaltungsvereinbarungen gebunden oder können daraus Ansprüche ableiten?

Grundsätzlich entfalten Verwaltungsvereinbarungen, wie andere öffentlich-rechtliche Verträge, Bindungswirkung nur zwischen den beteiligten Verwaltungsträgern. Dritte haben daraus idR keine unmittelbaren Ansprüche oder Rechte, es sei denn, dies ist ausdrücklich vereinbart oder gesetzlich vorgesehen. Es können sich jedoch mittelbare Rechtswirkungen ergeben, etwa wenn aufgrund der Vereinbarung Verwaltungsakte gegenüber Bürgern ergehen. Hierbei sind die Grundsätze des Verwaltungsrechts, insbesondere das Legalitätsprinzip und der Vertrauensschutz, zu beachten. In seltenen Ausnahmefällen kann über eine Drittbegünstigungsklausel im Vertrag Dritten ein Anspruch eingeräumt werden, dies bedarf jedoch klarer Regelung und ist rechtlich nur im Rahmen des gegebenen Kompetenzrahmens zulässig.

Welche Formerfordernisse bestehen bei Verwaltungsvereinbarungen?

Für Verwaltungsvereinbarungen gilt grundsätzlich die Schriftform (§ 57 VwVfG), sofern nicht spezialgesetzlich strengere Vorschriften, etwa öffentliche Beglaubigung oder notarielle Beurkundung, verlangt werden. Darüber hinaus kann das interne Recht eines Verwaltungsträgers (z.B. Hauptsatzung einer Kommune) weitergehende Anforderungen – etwa die Beschlussfassung in bestimmten Gremien oder die Zustimmung von Aufsichtsorganen – aufstellen. Die Nichteinhaltung solcher Formerfordernisse kann zur Nichtigkeit der Vereinbarung führen, § 59 VwVfG, sofern die Formvorschrift dem Schutz öffentlicher Interessen oder der Vertragspartner dient. Eine elektronische Form genügt nur, soweit dies ausdrücklich geregelt ist.

Welche Besonderheiten gelten bei der Beendigung von Verwaltungsvereinbarungen?

Die Beendigung von Verwaltungsvereinbarungen richtet sich in erster Linie nach den zwischen den Parteien getroffenen Regelungen, typischerweise sind ordentliche oder außerordentliche Kündigungsmöglichkeiten vorgesehen. Daneben kann eine Beendigung auch durch Zeitablauf oder aufhebenden Vertrag erfolgen. Aus wichtigem Grund ist jederzeit eine außerordentliche Kündigung möglich, etwa wenn durch die weitere Durchführung gesetzliche Pflichten verletzt würden (§ 60 VwVfG analog). Besonderheiten bestehen regelmäßig hinsichtlich der Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen und der Wahrung des Vertrauensschutzes beteiligter Dritter. Abschließend ist zu beachten, dass die Beendigung einer Verwaltungsvereinbarung nicht zwingend zur Unwirksamkeit vorangegangener Verwaltungsakte oder anderer Rechtswirkungen führen muss; dies ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen.