Begriff und Grundlagen des Verwaltungsprivatrechts
Das Verwaltungsprivatrecht bezeichnet den Rechtsbereich, in dem die öffentliche Verwaltung als Rechtssubjekt privatrechtlich handelt und dabei den allgemeinen Regeln des Zivilrechts unterworfen ist. Trotz der öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung nimmt die Verwaltung in bestimmten Fällen am Rechtsverkehr nach den gleichen Vorschriften teil wie Private. Verwaltungsprivatrecht steht damit im Gegensatz zum Verwaltungsrecht im engeren Sinn, das durch öffentlich-rechtliche Sonderregelungen gekennzeichnet ist.
Das Verwaltungsprivatrecht ist ein Teilbereich des öffentlichen Rechts, der jedoch auf dem Boden des Privatrechts agiert und dabei wesentliche Querschnittszusammenhänge zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht aufzeigt.
Abgrenzung zum Öffentlichen Recht und Öffentliches Handeln
Das Verwaltungsprivatrecht grenzt sich einerseits vom „klassischen“ Verwaltungsrecht (Verwaltungsrecht im engeren Sinne) und andererseits vom allgemeinen Privatrecht ab. Während die Verwaltung bei Erfüllung ihrer Aufgaben regelmäßig mit öffentlich-rechtlichen Instrumenten (z. B. Verwaltungsakt) eingreift, handelt sie im Anwendungsbereich des Verwaltungsprivatrechts nach den Regeln des Privatrechts – etwa durch Abschluss von Kauf-, Miet- oder Arbeitsverträgen.
Entscheidend ist dabei, ob die Verwaltung im Rahmen eines Rechtsverhältnisses als Subjekt des öffentlichen oder des Privatrechts tätig wird („privatrechtliche Handlungsform“). Dies ist nach der Theorie der Sonderrechtssubjekte regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Verwaltung keine öffentlich-rechtlichen Sonderbefugnisse („Imperium“) ausübt, sondern rechtlich gleichgestellt wie ein Privater handelt.
Rechtsquellen des Verwaltungsprivatrechts
Das Verwaltungsprivatrecht ist nicht in einem eigenen Gesetz geregelt, sondern ergibt sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Rechtsquellen:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Als zentrales Regelwerk für privatrechtliche Geschäfte gelten die Vorschriften des BGB grundsätzlich auch für die Verwaltung im privatrechtlichen Handeln.
- Spezialgesetze: Daneben finden diverse besondere Gesetze Anwendung, beispielsweise das Handelsgesetzbuch (HGB), das Arbeitsrecht oder das Mietrecht, soweit die Verwaltung entsprechende Verträge schließt.
- Öffentlich-rechtliche Vorschriften: Bestimmte öffentlich-rechtliche Normen können das Handeln der Verwaltung im Privatrecht modifizieren oder ergänzen, etwa haushaltsrechtliche Beschränkungen, Vergaberecht oder zwingende Grundsätze der Ministerialverwaltung.
Anwendungsbereiche des Verwaltungsprivatrechts
Das Verwaltungsprivatrecht durchdringt zahlreiche Lebens- und Rechtsbereiche. Typische Anwendungsfelder sind:
1. Vermögensverwaltung und Fiskalverwaltung
Wenn Bund, Länder oder Gemeinden als Grundstückseigentümer, Vermieter, Pächter oder Käufer auftreten, handeln sie privatrechtlich und unterliegen den einschlägigen Vorschriften des BGB und anderer Zivilgesetze. Die Verwaltung ist in diesen Fällen „Fiskus“ im Rechtssinne.
2. Öffentlich-rechtliche Unternehmen und Beteiligungen
Beim Betrieb eigenbetriebsähnlicher Einrichtungen, Stadtwerken oder Beteiligung an juristischen Personen des Privatrechts wirkt die Verwaltung als Gesellschafter, Anteilseigner, Vertragspartner oder Arbeitgeber ebenfalls privatrechtlich.
3. Öffentliche Auftragsvergabe und Vertragsschluss
Die Verwaltung schließt im Rahmen der Daseinsvorsorge sowie bei Verwaltungsorganisation privatrechtliche Verträge (z. B. Werk-, Dienst- oder Lieferverträge). Für die Anbahnung und Durchführung solcher Verträge kommen zusätzlich vergaberechtliche und wettbewerbsbeschränkende Besonderheiten (z. B. GWB, VgV) hinzu.
4. Staatliches Arbeitsrecht
Gehört das Beschäftigungsverhältnis von Arbeitnehmern der öffentlichen Hand (z. B. Angestellte, Arbeiter) zum Bereich des Privatrechts, gilt das allgemeine Arbeitsrecht mit den entsprechenden kollektivarbeitsrechtlichen Vorschriften (§ 611a BGB und folgende).
Rechtsfolgen und Besonderheiten
Das Verwaltungsprivatrecht zeichnet sich dadurch aus, dass die Verwaltung trotz der Anwendung privatrechtlicher Normen weiterhin den Schranken des öffentlichen Rechts unterliegt. Daraus ergeben sich spezifische Besonderheiten:
1. Bindung an Grundrechte und Haushaltsgrundsätze
Auch beim Handeln im Privatrecht ist die Verwaltung an die Grundrechte gebunden (Art. 1 Abs. 3 GG). Haushaltspolitische Vorschriften (z. B. Haushaltsgrundsätze, Vergabevorschriften) finden ergänzende Anwendung.
2. Rechtsweg und Zuständigkeit der Gerichte
Für Rechtsstreitigkeiten aus privatrechtlichem Verwaltungshandeln sind grundsätzlich die ordentlichen Gerichte (insbesondere Zivilgerichte) zuständig (§ 13 GVG). Ausnahmen gelten nur, wenn Spezialgesetze etwas anderes bestimmen.
3. Anwendung privatrechtlicher Vorschriften
Das Verhalten der Verwaltung unterliegt im Verwaltungsprivatrecht denselben Haftungs- und Vertragspflichten wie jeder andere Rechtsträger. Zivilrechtliche Delikts- und Vertragshaftung kommen daher uneingeschränkt zur Anwendung (§§ 280 ff., 823 ff. BGB).
4. Einfluss des öffentlichen Rechts
In bestimmten Fällen modifizieren öffentlich-rechtliche Normen (z. B. haushaltsrechtliche oder vergaberechtliche Vorschriften) die privatrechtlichen Befugnisse und Pflichten. Auch das Gebot der Gleichbehandlung, das Willkürverbot und der Grundsatz von Treu und Glauben gehören dazu.
Theoretische und praktische Bedeutung
Das Verwaltungsprivatrecht kommt insbesondere dort zur Anwendung, wo die klassische Trennung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht im rechtsgeschäftlichen Handeln der Verwaltung durchbrochen oder modifiziert wird. Es zeigt beispielhaft die Durchlässigkeit und Komplementarität beider Rechtsbereiche und ist für die Organisierung komplexer staatlicher Aufgaben unerlässlich.
Im Hinblick auf Effizienz und Gleichbehandlung fördert das Verwaltungsprivatrecht eine rechtsstaatliche, transparente Verwaltungspraxis, sichert aber zugleich, dass öffentliche Interessen im Rahmen privatrechtlichen Handelns gewahrt bleiben.
Zusammenfassung
Das Verwaltungsprivatrecht umfasst alle Rechtsverhältnisse, in denen die öffentliche Verwaltung privatrechtlich handelt. Die Verwaltung agiert hierbei als gleichberechtigter Teilnehmer am Rechtsverkehr, unterliegt dabei aber weiterhin spezifischen öffentlich-rechtlichen Vorgaben und Bindungen. Das Verwaltungsprivatrecht bildet somit eine wichtige Schnittstelle zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht und ist wesentlicher Bestandteil des modernen Verwaltungsrechts.
Häufig gestellte Fragen
Wann und warum findet Verwaltungsprivatrecht Anwendung?
Das Verwaltungsprivatrecht findet immer dann Anwendung, wenn eine Behörde nicht im Rahmen ihrer typischen hoheitlichen Tätigkeit, sondern nach den Regeln des Privatrechts handelt. Dies liegt beispielsweise vor, wenn der Staat zivilrechtliche Verträge abschließt, etwa beim Anmieten von Büroräumen, dem Kauf von Materialien oder dem Abschluss von Arbeitsverträgen in öffentlicher Verwaltung. Der Grund für die Anwendung des Verwaltungsprivatrechts ist, dass der Staat auch am allgemeinen Rechtsverkehr teilnimmt und dabei nicht mit einseitigen hoheitlichen Befugnissen, sondern wie eine Privatperson handelt. Die rechtliche Folge ist, dass grundsätzlich die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) einschlägig sind, jedoch aufgrund der Beteiligung eines Trägers öffentlicher Verwaltung gewisse Besonderheiten beachtet werden müssen. Beispielsweise kann das öffentliche Haushaltsrecht oder das Vergaberecht bestimmte Schranken oder zusätzliche Voraussetzungen setzen.
Welche besonderen Rechtsgrundlagen können das Verwaltungsprivatrecht beeinflussen?
Obwohl im Verwaltungsprivatrecht primär das Zivilrecht zur Anwendung kommt, können verschiedene spezialgesetzliche Regelungen aus dem Öffentlichen Recht das Handeln der Verwaltung modifizieren oder ergänzen. Zu nennen sind hier insbesondere das Haushaltsrecht, das Vergaberecht, das Tarifrecht und spezielle Vorschriften wie etwa Methoden der Mittelverwendung im Sondervermögensrecht. Diese Normen begrenzen oft die Gestaltungsfreiheit der Behörde und können beispielsweise Anforderungen an Vertragsabschluss, -inhalt oder -form stellen. Auch können bestimmte verwaltungsrechtliche Grundsätze wie das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eine Rolle spielen.
Wie unterscheidet sich das Verwaltungsprivatrecht vom Verwaltungsrecht im engeren Sinne?
Während das Verwaltungsrecht im engeren Sinne (auch „öffentlich-rechtliches Verwaltungsrecht“) typischerweise die einseitige hoheitliche Betätigung einer Verwaltung umfasst – etwa in Form von Verwaltungsakten, Realakten oder öffentlich-rechtlichen Verträgen -, ist das Verwaltungsprivatrecht durch eine Gleichordnung zwischen Verwaltung und Privaten gekennzeichnet. Die Verwaltung tritt im Verwaltungsprivatrecht als sogenannte fiskalische Verwaltung (auch: „privatrechtliche Wirtschaftsverwaltung“) auf, das heißt ohne gesetzliche Befehls- und Zwangsgewalt. Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist in der Regel eröffnet, es sei denn, es handelt sich um einen Fall öffentlich-rechtlicher Streitigkeit.
Welche Gerichtsbarkeit ist für Streitigkeiten aus dem Verwaltungsprivatrecht zuständig?
Streitigkeiten aus dem Verwaltungsprivatrecht unterliegen grundsätzlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, d.h. der Zuständigkeit der Zivilgerichte (§ 13 GVG). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörde auf der Grundlage privatrechtlicher Normen Verträge abschließt oder sonstige Rechtsgeschäfte tätigt. Lediglich bei Vorliegen besonderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die etwa durch Vergabekammern überprüft werden müssen, kann sich die sachliche Zuständigkeit verschieben. In Abgrenzungsfragen spielt die sogenannte „Subjektstheorie“ (wer ist Beteiligter?) und „modifizierte Subjektstheorie“ (aufgrund welcher Rechtsgrundlage wird gehandelt?) eine maßgebliche Rolle.
Können auf das Verwaltungsprivatrecht auch verwaltungsrechtliche Grundsätze angewandt werden?
Ja, auf das Verwaltungsprivatrecht können in bestimmten Konstellationen auch verwaltungsrechtliche Grundsätze zur Anwendung kommen. Dies geschieht vor allem dann, wenn im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Abwicklung eines privatrechtlichen Geschäfts öffentliche Interessen tangiert werden oder die Verwaltung einer besonderen Bindung unterliegt. Beispielsweise ist das Transparenzgebot oder das Gebot der Gleichbehandlung von potentiellen Vertragspartnern zu wahren, insbesondere bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Auch können Anforderungen des Haushaltsrechts – etwa die Pflicht zur sparsamen Mittelverwendung – die Vertragsgestaltung beeinflussen.
Welche Bedeutung hat das Verwaltungsprivatrecht im Bereich der Daseinsvorsorge?
Im Bereich der Daseinsvorsorge nimmt das Verwaltungsprivatrecht eine zentrale Bedeutung ein, weil viele staatliche Aufgaben – etwa im Bereich der Versorgung mit Wasser, Energie, Abfallentsorgung oder im öffentlichen Nahverkehr – zunehmend in privatrechtlichen Organisationsformen ausgeübt werden, beispielsweise in Form von GmbHs oder Aktiengesellschaften mit öffentlicher Beteiligung. Die öffentliche Hand ist bei solchen Aktivitäten in der Regel an dieselben privatrechtlichen Vertragsformen gebunden wie private Unternehmen, bleibt aber dennoch an besondere Standards und Kontrolle durch maßgebliches spezifisches Öffentliches Recht, insbesondere das Haushalts- und Vergaberecht, gebunden. Die Funktion des Verwaltungsprivatrechts liegt somit darin, die Schnittstelle zwischen Staatsaufgaben und marktwirtschaftlichem Wettbewerb auszugestalten.