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Verwahrungsvertrag


Allgemeines zum Verwahrungsvertrag

Der Verwahrungsvertrag ist ein zentrales Institut des Schuldrechts und regelt die entgeltliche oder unentgeltliche Aufbewahrung von beweglichen Sachen durch einen Verwahrer für einen Hinterleger. Rechtsgrundlage für den Verwahrungsvertrag bildet im deutschen Recht das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), insbesondere die §§ 688 bis 700 BGB. Der Vertrag ist ein typischer Realvertrag, bei dem neben der Einigung über die Verwahrung auch die tatsächliche Übergabe der verwahrten Sache erforderlich ist.

Begriff und Rechtsnatur

Definition

Ein Verwahrungsvertrag ist ein schuldrechtliches Vertragsverhältnis, durch das sich der Verwahrer verpflichtet, eine ihm übergebene bewegliche Sache für den Hinterleger aufzubewahren und nach Beendigung des Vertragsverhältnisses wieder herauszugeben (§ 688 Abs. 1 BGB). Der Vertrag unterscheidet sich von anderen ähnlichen Vertragstypen – wie Leihe, Mietvertrag oder Dienstvertrag – durch die spezifische Hauptleistungspflicht der sicheren und ordnungsgemäßen Aufbewahrung.

Rechtsnatur und Einordnung

Der Verwahrungsvertrag zählt zu den Schuldverhältnissen und stellt einen Realvertrag dar, das heißt, er kommt erst mit Übergabe der Verwahrungssache zustande. In der Praxis sind sowohl entgeltliche als auch unentgeltliche Verwahrungsverhältnisse verbreitet. Eine Besonderheit ist die sogenannte notwendige Verwahrung (§ 691 BGB), welche vorliegt, wenn jemand infolge zufälliger Umstände zur Verwahrung gezwungen wird (Notverwahrung).

Vertragsschluss und Wirksamkeit

Zustandekommen des Vertrags

Für das Zustandekommen eines Verwahrungsvertrags bedarf es einer Einigung über die Aufbewahrung sowie der tatsächlichen Übergabe der zu verwahrenden beweglichen Sache. Die Einigung allein reicht nicht aus – die Vertragswirkung tritt erst mit der physischen Überlassung der Sache an den Verwahrer ein.

Formfreiheit

Der Verwahrungsvertrag unterliegt grundsätzlich keiner Formvorschrift und kann sowohl schriftlich, mündlich als auch konkludent (durch schlüssiges Handeln) geschlossen werden. Für bestimmte Verwahrungsverhältnisse (z. B. Bankverwahrung) können jedoch besondere Formerfordernisse gelten.

Pflichten des Verwahrers

Hauptpflichten

Die wesentliche Pflicht des Verwahrers besteht in der ordnungsgemäßen und sicheren Aufbewahrung der überlassenen Sache. Die Anforderungen an die Aufbewahrung orientieren sich an den Umständen des Einzelfalls sowie dem Willen der Parteien (§ 690 BGB). Der Verwahrer ist verpflichtet, die Sache mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt aufzubewahren. Bei einer entgeltlichen Verwahrung ist ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab anzulegen.

Herausgabepflicht

Nach Beendigung des Verwahrungsvertrags hat der Verwahrer die überlassene Sache an den Hinterleger herauszugeben (§ 695 BGB). Die Pflicht zur Herausgabe besteht auch gegenüber dem Rechtsnachfolger des Hinterlegers.

Benachrichtigungspflichten

Der Verwahrer hat den Hinterleger unverzüglich zu benachrichtigen, wenn unvorhergesehene Umstände die Aufbewahrung gefährden oder unmöglich machen (§ 696 BGB). Bei eigenmächtiger Benutzung oder Zurückbehaltung der Sache haftet der Verwahrer gegebenenfalls auf Schadensersatz.

Rechte und Pflichten des Hinterlegers

Der Hinterleger ist verpflichtet, das vereinbarte Verwahrungsentgelt zu zahlen, sofern eine entgeltliche Verwahrung vereinbart wurde (§ 693 BGB). Weiterhin muss er Auslagen des Verwahrers erstatten, die dieser notwendig für die ordnungsgemäße Aufbewahrung aufgewendet hat (§ 700 BGB). Der Hinterleger kann die Herausgabe der Sache grundsätzlich jederzeit verlangen, sofern nichts Abweichendes vereinbart wurde (§ 695 BGB).

Haftung und Risiken

Haftungsmaßstab

Der Verwahrer haftet grundsätzlich für Sorgfaltspflichtverletzungen, die auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruhen (§ 690 BGB). Bei unentgeltlicher Verwahrung ist die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt. Im Schadensfall muss der Verwahrer nachweisen, sämtliche zumutbaren Sicherungsmaßnahmen eingehalten zu haben.

Ausschluss und Begrenzung der Haftung

Eine individuelle Begrenzung oder ein Ausschluss der Haftung ist vertraglich möglich, sofern hierbei nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften oder allgemeine Geschäftsbedingungen verstoßen wird.

Besondere Formen des Verwahrungsvertrags

Unregelmäßiger Verwahrungsvertrag

Beim sogenannten unregelmäßigen Verwahrungsvertrag (auch Sachdarlehen, §§ 700 ff. BGB) wird keine individuelle Sache, sondern eine vertretbare Sache (z. B. Geld, Getreide) verwahrt, wobei Eigentum auf den Verwahrer übergeht. Der Verwahrer ist zur Rückgabe von Sachen gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet.

Notverwahrung

Die Notverwahrung ist eine besondere Form der Verwahrung, bei der sich der Verwahrer nicht freiwillig, sondern durch unvorhergesehene Umstände zur Verwahrung verpflichtet sieht (§ 691 BGB).

Sonderformen und Anwendungsbeispiele

Zu den Sonderformen zählen etwa die Hotelverwahrung, Bankverwahrung (Wertschließfach, Depot) und die Verwahrung von Wertpapieren oder Gepäckaufbewahrung. Speziellere gesetzliche Bestimmungen und Haftungsregeln gelten für diese Fälle, etwa nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) oder besonderen Regelungen des BGB.

Beendigung des Vertrages

Der Verwahrungsvertrag endet regelmäßig durch Herausgabe der verwahrten Sache, Zeitablauf, Kündigung oder Tod einer Vertragspartei. Eine ordentliche Kündigung ist jederzeit möglich, sofern nicht ausdrücklich ein abweichender Zeitraum vereinbart wurde (§ 695 BGB).

Abgrenzung zu anderen Vertragstypen

Der Verwahrungsvertrag unterscheidet sich von verwandten Vertragstypen insbesondere durch die Hauptpflicht der bloßen Aufbewahrung. Während beim Mietvertrag der Gebrauch, bei der Leihe die unentgeltliche Nutzung, beim Dienstvertrag die Verrichtung von Diensten und beim Werkvertrag die Herstellung eines Erfolges im Vordergrund stehen, ist die bloße sichere Verwahrung charakteristisch für den Verwahrungsvertrag.

Literatur und Weblinks

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 688-700
Handelsgesetzbuch (HGB)
Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch
Münchener Kommentar zum BGB
* BeckOK BGB


Siehe auch

  • Leihe
  • Mietvertrag
  • Dienstvertrag
  • Sachdarlehen
  • Hinterlegung

Dieser Beitrag stellt einen umfassenden Überblick über den rechtlichen Begriff des Verwahrungsvertrags dar. Für weitergehende Informationsbedarfe empfiehlt sich die Konsultation der jeweiligen Gesetzestexte und einschlägiger Kommentare.

Häufig gestellte Fragen

Wie kann ein Verwahrungsvertrag rechtlich wirksam abgeschlossen werden?

Ein Verwahrungsvertrag kann formfrei abgeschlossen werden, das heißt, es bedarf grundsätzlich keiner bestimmten Schriftform oder eines speziellen Vertrages, solange sich die Parteien über die wesentlichen Vertragsbestandteile, nämlich die Übergabe einer beweglichen Sache zur Aufbewahrung durch den Verwahrer, einig sind (§ 688 Abs. 1 BGB). Der Vertrag kann somit sowohl mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) zustande kommen. Für spezielle Verwahrungsarten, wie beispielsweise die Hinterlegung bei einer amtlichen Stelle, können jedoch besondere Formvorschriften gelten. Oft werden Verwahrungsverträge im geschäftlichen Bereich dennoch schriftlich fixiert, um Beweisprobleme zu vermeiden. Entscheidend ist, dass der Verwahrer die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache übernimmt und sich verpflichtet, diese sicher zu verwahren und herauszugeben. Ein Wirksamkeitsmangel kann entstehen, wenn einer der Vertragspartner geschäftsunfähig ist oder das Rechtsgeschäft gegen gesetzliche Vorschriften oder die guten Sitten verstößt.

Welche Pflichten treffen den Verwahrer nach Abschluss eines Verwahrungsvertrages?

Nach Abschluss des Verwahrungsvertrages ergeben sich für den Verwahrer zahlreiche Pflichten aus den §§ 688 ff. BGB. Hauptpflicht des Verwahrers ist die sorgfältige Aufbewahrung der ihm anvertrauten Sache. Er hat die Sache auf eigene Kosten in dem Zustand zu erhalten, in dem sie übergeben wurde, und sie nach Vertragsende an den Hinterleger zurückzugeben. Die Sorgfalt, die vom Verwahrer erwartet wird, richtet sich grundsätzlich nach § 690 BGB. Handelt der Verwahrer unentgeltlich, haftet er jedoch lediglich für die Sorgfalt, die er in eigenen Angelegenheiten walten lässt (diligentia quam in suis). Kommt es zu einer Beschädigung oder zum Verlust der Sache, trägt grundsätzlich der Verwahrer die Beweislast dafür, dass ihn kein Verschulden trifft. Neben der Obhutspflicht kann eine Informationspflicht bestehen, sofern Gefahren für die Sache oder andere Umstände auftreten, die den Vertrag beeinträchtigen könnten. Der Verwahrer darf die Sache grundsätzlich nicht gebrauchen oder Dritten überlassen, es sei denn, der Hinterleger hat hierzu ausdrücklich eingewilligt.

Welche Rechte stehen dem Verwahrer im Verwahrungsvertrag zu?

Im Rahmen des Verwahrungsvertrages stehen dem Verwahrer insbesondere zwei wesentliche Rechte zu: das Recht auf Vergütung und das Zurückbehaltungsrecht. Ist der Vertrag gegen Entgelt geschlossen, so kann der Verwahrer eine angemessene Vergütung verlangen (§ 691 BGB). Die Höhe richtet sich nach der vertraglichen Vereinbarung, mangels Vereinbarung nach den Umständen, insbesondere nach der Verkehrssitte. Für Ersatz von Aufwendungen, die für die Erhaltung oder ordnungsgemäße Aufbewahrung der Sache notwendig waren, kann der Verwahrer nach § 693 BGB einen Ersatzanspruch geltend machen. Außerdem steht ihm nach § 695 BGB ein Zurückbehaltungsrecht an der verwahrten Sache zu, bis er die Vergütung und Auslagen ersetzt bekommt. Der Verwahrer hat im Zweifel kein Recht zum Gebrauch oder zur Verwertung der Sache, es sei denn, eine besondere Vereinbarung sieht dies vor.

Wie ist die Haftung des Verwahrers geregelt?

Die Haftung des Verwahrers richtet sich nach dem Verschuldensprinzip. Bei entgeltlicher Verwahrung haftet der Verwahrer für jede Fahrlässigkeit und Vorsatz (§ 276 BGB), während bei unentgeltlicher Verwahrung die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt sein kann, sofern nichts anderes vereinbart ist (§ 690 BGB). Kommt es zum Verlust oder zur Beschädigung der verwahrten Sache, hat der Verwahrer nachzuweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. Bei einem Verstoß gegen Pflichten, etwa unsachgemäßer Lagerung oder unerlaubtem Gebrauch, haftet der Verwahrer vollumfänglich auf Schadensersatz (§§ 280, 281 BGB). Die Parteien können eine Haftungsbegrenzung vereinbaren, sofern dies nicht gegen zwingendes Recht oder die guten Sitten verstößt. Der Verwahrer haftet auch für das Verschulden von Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen bedient (§ 278 BGB).

Unter welchen Voraussetzungen kann der Verwahrervertrag gekündigt werden?

Der Verwahrungsvertrag ist ein Schuldverhältnis, das grundsätzlich durch Rückgabe der Sache endet. Dennoch sieht das Gesetz eine jederzeitige Kündigung durch beide Vertragsparteien vor (§ 696 BGB). Der Hinterleger kann die Rückgabe der Sache jederzeit verlangen, der Verwahrer darf sie grundsätzlich jederzeit zurückgeben. Lediglich wenn berechtigte Interessen des Verwahrers oder eine bestimmte Vertragslaufzeit vereinbart wurde, kann hiervon abgewichen werden. Bei Zweckverbindung des Vertrages oder besonderer Vereinbarung (zum Beispiel Mietdauer, Fristverwahrung) können andere Kündigungsmodalitäten gelten. Wird der Vertrag durch Kündigung beendet, ist der Verwahrer zur sofortigen Rückgabe der Sache verpflichtet und kann bei berechtigtem Interesse dem Hinterleger eine angemessene Frist zur Abholung setzen.

Welche Besonderheiten gelten für die Haftung bei höherer Gewalt oder zufälligem Untergang?

Gemäß § 691 Satz 2 BGB haftet der Verwahrer im Regelfall nicht für den zufälligen Untergang oder die zufällige Verschlechterung der Sache, sofern ihn kein Verschulden trifft. Kommt jedoch eine höhere Gewalt (beispielsweise Naturkatastrophe, Brand ohne Fremdverschulden) zum Tragen, trifft den Verwahrer keine Ersatzpflicht. Völlige Exkulpation ist aber nur möglich, wenn er nachweisen kann, alle erforderlichen Sorgfaltsmaßnahmen ergriffen zu haben. Erleichtert ist die Haftung, wenn der Verwahrer beweist, dass der Schaden auch bei Anwendung der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt eingetreten wäre. Bei Gefahren, die offenkundig und vorhersehbar sind, kann dem Verwahrer dennoch ein Organisationsverschulden angelastet werden. Vertragliche Vereinbarungen bezüglich Risikoverteilung im Falle höherer Gewalt sind zulässig, solange sie nicht wesentliche Vertragspflichten aushöhlen.

Welche Ansprüche bestehen nach Vertragsbeendigung?

Nach Beendigung des Verwahrungsvertrages ist der Verwahrer zur Herausgabe der Sache gemäß § 695 BGB verpflichtet. Der Herausgabeanspruch wird durch ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht wegen Vergütungs-, Zins- oder Aufwendungsersatzansprüchen beschränkt. Die Sache muss im Zustand der Übernahme zurückgegeben werden, einschließlich eventueller Zubehörteile oder Dokumente. Ist die Sache beschädigt oder verloren gegangen, kann der Hinterleger Schadensersatzansprüche geltend machen. Erhält der Verwahrer die Sache nicht heraus oder nur mangelhaft, bestehen neben dem Anspruch auf Schadensersatz gegebenenfalls Ansprüche auf Nutzungsherausgabe und Wertersatz gem. §§ 687 ff. BGB. Wurde die Sache durch öffentlichen Zwang eingezogen oder ist sie aus rechtlichen Gründen nicht herauszugeben, trifft den Verwahrer eine Mitteilungspflicht.