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Vertragsübernahme (Assignment)


Definition und Rechtsgrundlagen der Vertragsübernahme (Assignment)

Die Vertragsübernahme, im englischen Rechtskreis häufig als „Assignment“ bezeichnet, ist ein zentraler Begriff des Vertragsrechts, der die Übertragung der Rechte und/oder Pflichten aus einem bestehenden Vertrag von einer Partei auf eine andere beschreibt. Sie ermöglicht es, in einen bestehenden Vertrag in der Weise einzutreten, dass der neue Vertragspartner an die Stelle des bisherigen Vertragspartners tritt. Die Vertragsübernahme stellt damit ein Instrument der Vertragsfortsetzung bei wechselnden Parteien dar.

Im deutschen Recht wird zwischen der Abtretung (Zession) von Forderungen, der Schuldübernahme und der sogenannten Vertragsübernahme unterschieden. Während das englische Recht unter „Assignment“ häufig auch die Übertragung gesamter Vertragsverhältnisse versteht, entspricht dies im deutschen Recht der Vertragsübernahme im engeren Sinne. Entscheidungserheblich für die Wirksamkeit und Reichweite einer Vertragsübernahme sind insbesondere die Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien sowie die jeweiligen gesetzlichen Regelungen.

Arten der Vertragsübernahme

Einzelne Forderungsabtretung (Zession)

Die Abtretung (Zession) ist nach deutschem Recht in den §§ 398 ff. BGB geregelt. Hierbei wird lediglich ein Anspruch (Forderung) vom bisherigen Gläubiger (Zedent) auf einen neuen Gläubiger (Zessionar) übertragen. Die übrigen Vertragsbeziehungen bleiben hiervon regelmäßig unberührt.

Schuldübernahme

Die Schuldübernahme ist in den §§ 414 ff. BGB geregelt und beschreibt die Übertragung der Verpflichtung zur Leistungserfüllung vom bisherigen Schuldner auf einen neuen Schuldner. Es wird zwischen der befreienden Schuldübernahme und der kumulativen Schuldübernahme unterschieden. Die Zustimmung des Gläubigers ist hierbei generell erforderlich.

Die Vertragsübernahme im engeren Sinne

Eine umfassende Vertragsübernahme liegt vor, wenn sämtliche Rechte und Pflichten aus einem Vertrag auf einen Dritten übertragen werden. Diese kann durch dreiseitige (Altpartei, Übernehmer, verbleibende Partei) oder in besonderen Fällen auch durch zweiseitige Vereinbarung zustande kommen, wenn dies im ursprünglichen Vertrag oder durch Gesetz vorgesehen ist. Unternehmen verwenden die Vertragsübernahme häufig im Rahmen von Umstrukturierungen wie Unternehmensverkäufen, Spaltungen oder Verschmelzungen.

Voraussetzungen und Ablauf der Vertragsübernahme

Zustimmungserfordernisse

Im Unterschied zur bloßen Forderungsabtretung oder Schuldübernahme ist bei der Vertragsübernahme in der Regel die Zustimmung aller beteiligten Parteien erforderlich. Der Grund besteht darin, dass sich die gesamtvertragliche Interessenlage durch den Wechsel eines Vertragspartners grundlegend ändern kann.

Ausnahme: Einseitige Übertragung durch vertragliche Ermächtigung

Gelegentlich kann eine Vertragsübernahme ohne Zustimmung aller Parteien erfolgen, wenn im ursprünglichen Vertrag eine entsprechende Ermächtigung (Ersetzungsbefugnis oder Übertragbarkeitsklausel) enthalten ist. Solche Klauseln finden sich oft in langfristigen Miet-, Liefer- oder Lizenzverträgen.

Formerfordernisse

Grundsätzlich sind für die Vertragsübernahme keine besonderen Formvorschriften vorgesehen, es sei denn, der Vertrag selbst oder das Gesetz sieht eine bestimmte Form – wie Schriftform oder notarielle Beurkundung – vor, beispielsweise bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen oder Immobilien.

Öffentlich-rechtliche Besonderheiten

Bei öffentlich-rechtlichen Verträgen, wie Konzessionsverträgen oder Verwaltungsakten mit schuldrechtlicher Komponente, bestehen häufig abweichende Vorgaben hinsichtlich der Übertragbarkeit und der Zustimmungserfordernisse.

Rechtswirkungen der Vertragsübernahme

Eintritt des neuen Vertragspartners

Durch die Vertragsübernahme tritt der neue Vertragspartner an die Stelle des bisherigen und übernimmt dessen Rechte und Pflichten. Die Vertragsübernahme kann rückwirkend oder ab einem bestimmten Zeitpunkt wirksam werden, sofern dies vereinbart ist.

Haftungsfragen

Mit der Vertragsübernahme geht die Leistungspflicht auf den neuen Vertragspartner über. In der Praxis wird durch individuelle Vertragsbestimmungen geregelt, ob der vorherige Vertragspartner nach der Übernahme weiterhin haftet (Akzessorietät), oder ob eine vollumfängliche Befreiung eintritt.

Schutz der verbleibenden Vertragspartei

Die verbleibende Vertragspartei (z. B. der Vertragspartner des übergebenden Teils) ist durch die allgemeinen Prinzipien des Vertragsrechts geschützt. Sie kann insbesondere verlangen, dass der neue Vertragspartner die geschuldete Leistung in gleicher Weise wie der ursprüngliche Vertragspartner erbringt.

Grenzen und Risiken der Vertragsübernahme

Unübertragbarkeit

Einige Verträge enthalten Übertragbarkeitsbeschränkungen oder sind nach gesetzlichen Vorgaben durch Natur der Leistung nicht übertragbar (§ 399 BGB). Hierzu zählen etwa höchstpersönliche Verpflichtungen (z. B. Arbeitsverträge, Dienstleistungsverträge mit besonderem Vertrauensverhältnis).

Insolvenzrechtliche Aspekte

Im Insolvenzfall kann die Übertragung oder Fortführung vertraglicher Verpflichtungen unter bestimmten Umständen eingeschränkt sein. Hier greifen die speziellen Regelungen der InsO (Insolvenzordnung).

Steuerrechtliche Implikationen

Die Vertragsübernahme kann steuerliche Folgen auslösen, insbesondere wenn ein Entgelt gezahlt wird oder es sich um Geschäftsübertragungen im Rahmen von Unternehmen handelt.

Verwechslungsgefahren und Abgrenzungen

Abgrenzung zur Abtretung und Schuldübernahme

Die Vertragsübernahme (Assignment) ist von der isolierten Abtretung einzelner Rechte (Forderungsabtretung) sowie der reinen Übernahme von Schuldverhältnissen abzugrenzen. Nur bei der echten Vertragsübernahme erfolgt ein vollständiger Parteiwechsel.

Unterschied zum Subrogationsmodell nach anglo-amerikanischem Recht

Im anglo-amerikanischen Rechtskreis wird häufig eine Unterscheidung zwischen Assignment (Übertragung von Rechten), Novation (vollständiger Parteiwechsel) und Delegation (Übertragung von Pflichten) getroffen. Im deutschen Recht bezeichnet die Vertragsübernahme die Novation, während das Assignment im Regelfall nur die Forderungsabtretung meint.

Anwendungsbereiche in der Praxis

Vertragsübernahmen finden in zahlreichen rechtlichen und wirtschaftlichen Bereichen Anwendung, unter anderem:

Unternehmensveräußerungen und -umstrukturierungen
Änderung bei Miet-, Leasing- und Lizenzverträgen
Bankwesen und Kreditverträge
Outsourcing-Vereinbarungen
Erb- und Nachfolgegestaltungen

Fazit

Die Vertragsübernahme (Assignment) ist ein zentraler Mechanismus im Vertragsrecht zur Flexibilisierung und Fortführung von Vertragsverhältnissen bei wechselnden Parteien. Ihre rechtlichen Voraussetzungen, Wirkungen und Grenzen richten sich maßgeblich nach den Regelungen des jeweiligen Vertragsrechts und den individuellen Vereinbarungen. Sie ist abzugrenzen von der Forderungsabtretung und der Schuldübernahme und bedarf in der Regel der Zustimmung aller Vertragsparteien. Aufgrund teils komplexer rechtlicher, wirtschaftlicher und steuerlicher Auswirkungen sollte der Vorgang sorgfältig strukturiert und dokumentiert werden.


Quellen/Weiterführende Literatur:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Insolvenzordnung (InsO)
  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Lehrbücher zum Vertragsrecht
  • Kommentierungen und Rechtsprechung zur Vertragsübernahme

(Bitte beachten: Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder individuelle rechtliche Beratung.)*

Häufig gestellte Fragen

Welche Zustimmungserfordernisse bestehen bei einer Vertragsübernahme?

Eine Vertragsübernahme (Assignment) bedarf grundsätzlich der Zustimmung aller am Vertrag beteiligten Parteien. Während die bloße Forderungsabtretung in vielen Fällen ohne Mitwirkung des Schuldners erfolgen kann, sieht die Vertragsübernahme im deutschen Zivilrecht gemäß § 415 BGB zwingend vor, dass der sogenannte übernommene Vertragspartner (in der Regel der ursprüngliche Vertragspartner des Übernehmers) ausdrücklich zustimmen muss. Die Zustimmung kann vor, bei oder nach dem Vertragsschluss erfolgen, allerdings entfaltet die Übernahme erst mit Zugang der Zustimmung ihre volle Rechtswirkung. Wird die Vertragsübernahme ohne Zustimmung durchgeführt, bleibt sie grundsätzlich schwebend unwirksam, bis die erforderliche Zustimmung vorliegt. In bestimmten Konstellationen können Allgemeine Geschäftsbedingungen oder der ursprüngliche Vertrag spezielle Zustimmungserfordernisse oder -verzichte regeln, diese sind im Einzelfall sorgfältig zu prüfen.

In welchen Fällen ist eine Vertragsübernahme gesetzlich ausgeschlossen oder beschränkt?

Es gibt bestimmte rechtliche Grenzen und gesetzliche Ausschlussgründe für eine Vertragsübernahme. Verträge mit höchstpersönlichem Charakter, wie etwa Arbeitsverträge, Eheverträge oder sogenannte intuitu personae Verträge, können nicht ohne Weiteres übernommen werden, da sie auf die spezifischen Fähigkeiten, Eigenschaften oder das besondere Vertrauensverhältnis der ursprünglichen Vertragsparteien abstellen. Auch gesetzliche Verbote – zum Beispiel bei bestimmten mietrechtlichen Regelungen, im Familien- oder Erbrecht – schließen eine Vertragsübernahme aus oder setzen enge Grenzen. Darüber hinaus können spezielle gesetzliche Regelungen, etwa im öffentlichen Vergaberecht oder im Versicherungsvertragsrecht, besondere Anforderungen oder Ausschlüsse begründen. Letztlich sind auch gesetzlich vorgesehene Formerfordernisse, wie Schriftform oder notarielle Beurkundung, zu beachten.

Welche Rechtsfolgen hat eine wirksame Vertragsübernahme für die Beteiligten?

Mit der wirksamen Vertragsübernahme tritt der neue Vertragspartner (Übernehmer) in sämtliche Rechte und Pflichten des bisherigen Vertragspartners ein. Damit geht die gesamte Vertragstellung im Hinblick auf Ansprüche und Leistungsverpflichtungen auf den Übernehmer über, es sei denn, im Vertrag oder Gesetz ist etwas Anderes bestimmt. Der ursprüngliche Vertragspartner wird aus dem Vertrag entlassen, sofern keine anderweitige Vereinbarung (z.B. Fortbestehen einer Bürgschaft oder Mithaftung) getroffen wurde. Eventuell bestehende Sicherheiten – wie Bürgschaften, Hypotheken oder Pfandrechte – bleiben, sofern nichts anderes vereinbart ist, auch nach der Übernahme bestehen. Der übernommene Vertragspartner behält sämtliche Einwendungen, die ihm bereits zum Zeitpunkt der Übernahme zustanden.

Welche formalen Anforderungen und Formerfordernisse sind bei einer Vertragsübernahme zu beachten?

Das Gesetz schreibt für die Vertragsübernahme grundsätzlich keine besondere Form vor, es sei denn, der ursprüngliche Vertrag unterliegt einer gesetzlich vorgeschriebenen Form (z. B. Schriftform, notarielle Beurkundung gemäß § 311b BGB bei Immobiliengeschäften). In diesen Fällen muss auch die Vertragsübernahme entsprechend formgerecht erfolgen. In der Praxis empfiehlt sich zur Rechtssicherheit immer die schriftliche Fixierung inklusive eindeutiger Zustimmungserklärungen aller Beteiligten. Zudem sollten genaue Angaben zum übernommenen Vertrag sowie zum Zeitpunkt des Übergangs enthalten sein. Insbesondere im Unternehmensbereich und bei größeren Rechtsgeschäften ist eine anwaltliche Beratung zur Einhaltung aller Formerfordernisse dringend anzuraten.

Können Ansprüche und Gegenrechte durch eine Vertragsübernahme modifiziert werden?

Grundsätzlich übernimmt der neue Vertragspartner sämtliche Rechte und Pflichten unverändert, sofern Vertrag oder Gesetz keine abweichenden Regelungen treffen. Ansprüche und Gegenrechte, wie Aufrechnungsbefugnisse oder Einreden, bleiben auch nach der Übernahme bestehen. Eine Modifikation ist nur zulässig, wenn sämtliche Vertragsparteien einschließlich des übernommenen Partners der Änderung ausdrücklich zustimmen. Soll beispielsweise nur ein Teil der Rechte oder Pflichten übertragen werden, handelt es sich nicht mehr um eine Vertragsübernahme im klassischen, gesetzlichen Sinn, sondern um eine Vertragsänderung oder Teilabtretung, für die spezielle rechtliche Anforderungen gelten.

Welche Besonderheiten gelten bei der Vertragsübernahme im internationalen Recht?

Im internationalen Kontext sind zusätzlich die jeweiligen nationalen Gesetzgebungen und etwaige Kollisionsnormen zu berücksichtigen. Maßgeblich ist in der Regel das auf den Vertrag anwendbare Recht, welches entweder durch eine Rechtswahl der Parteien bestimmt wurde oder sich nach den internationalen Regeln des internationalen Privatrechts ergibt (z. B. Rom I-Verordnung in der EU). Vertragliche Übernahmen können insbesondere durch abweichende Zustimmungserfordernisse, Formerfordernisse oder Beschränkungen in anderen Jurisdiktionen erschwert werden. Zudem sollten steuerrechtliche und eventuell mit der Übernahme verbundene registerrechtliche Meldepflichten (z. B. bei Immobilien oder Gesellschaftsanteilen) beachtet werden. In grenzüberschreitenden Fällen ist häufig anwaltliche Beratung in beiden betroffenen Rechtsordnungen angezeigt.

Welche Auswirkungen hat eine Vertragsübernahme auf bestehende Sicherheiten und Nebenabreden?

Mit der Übernahme eines Vertrags werden grundsätzlich auch die damit verbundenen Sicherheiten und Nebenabreden übernommen, sofern diese im Verhältnis zum übernommenen Vertrag stehen und nicht rein personengebunden sind. Bürgschaften, Sicherungsabtretungen oder Pfandrechte bestehen weiter, es sei denn, sie sind ausdrücklich an die Person des ursprünglichen Vertragspartners gebunden oder die Parteien verfügen anders. Falls beispielsweise eine Bürgschaft nur für den ursprünglichen Vertragspartner gilt, erlischt sie mit dessen Ausscheiden, es sei denn, der Bürge erklärt sich mit einer Ausweitung auf den neuen Vertragspartner einverstanden. Hilfsweise wird empfohlen, sämtliche Sicherheiten und Nebenabreden im Zuge der Übernahme rechtlich zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu vereinbaren.