Begriff und Bedeutung des Vertragsschlusses
Der Begriff Vertragsschluss bezeichnet den rechtlich maßgeblichen Vorgang, durch den mindestens zwei Parteien eine übereinstimmende Willenserklärung abgeben, um ein rechtsverbindliches Schuldverhältnis zu begründen. Der Vertragsschluss bildet das Fundament nahezu aller schuldrechtlichen Beziehungen im Zivilrecht und regelt das Zustandekommen rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen. Im Mittelpunkt steht das verbindliche und in der Praxis vielfältige Wechselspiel von Angebot und Annahme, das in den einschlägigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und zahlreicher Nebengesetze detailliert geregelt ist.
Voraussetzungen des Vertragsschlusses
Wirksame Willenserklärungen
Ein Vertrag kommt durch das Angebot (auch Antrag genannt) und die Annahme zustande, § 145 ff. BGB. Beide Willenserklärungen müssen inhaltlich übereinstimmen und auf die Herbeiführung einer rechtlichen Bindung gerichtet sein. Die Willenserklärungen können ausdrücklich, konkludent oder – in seltenen Ausnahmefällen – sogar stillschweigend abgegeben werden.
Angebot
Das Angebot ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die so bestimmt ist, dass der Vertrag durch ein bloßes „Ja“ der Gegenseite zustande kommen kann. Es muss alle wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii), etwa bei einem Kaufvertrag die Vertragsparteien, den Kaufgegenstand und den Preis, enthalten.
Annahme
Die Annahme ist die uneingeschränkte Zustimmung zum Angebot. Sie wird ebenfalls als empfangsbedürftige Willenserklärung eingeordnet. Änderungen oder Erweiterungen des Angebots durch die Annahme gelten als neues Angebot.
Formvorschriften und Wirksamkeit
Ein Vertrag ist grundsätzlich formfrei wirksam, sofern im Gesetz oder durch individuelle Vereinbarung keine besondere Form vorgeschrieben ist. Typische gesetzliche Schriftformerfordernisse bestehen etwa bei Grundstücksgeschäften (§ 311b BGB), Bürgschaften (§ 766 BGB) oder beim Verbraucherdarlehensvertrag (§ 492 BGB). Wird eine gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten, ist der Vertrag nichtig.
Sonderfälle des Vertragsschlusses
Vertragsschluss durch Schweigen
Im Grundsatz gilt, dass Schweigen im Rechtsverkehr nicht als Zustimmung zu deuten ist. Es bestehen jedoch Ausnahmen, insbesondere im unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 362 HGB) oder aufgrund besonderer Vereinbarungen, etwa bei kaufmännischen Bestätigungsschreiben.
Vertragsschluss durch Vertreter
Ein Vertrag kann auch durch einen Vertreter abgeschlossen werden. Voraussetzung ist eine wirksame Vertretungsmacht, entweder kraft Gesetzes (z. B. § 1629 BGB bei Eltern) oder aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht (§ 164 ff. BGB). Der Vertrag wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen.
Vertragsschluss unter Abwesenden
Im Fall des Vertragsschlusses unter Abwesenden gelten spezielle Zugangsvorschriften. Das Angebot wird mit Zugang beim Empfänger wirksam (§ 130 Abs. 1 BGB). Die Annahmefristen können individuell festgelegt sein oder ergeben sich aus den Umständen, andernfalls ist nach § 147 BGB „eine Annahme nur bis zu dem Zeitpunkt möglich, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf.“
Digitale und elektronische Vertragsschlüsse
Der elektronische Rechtsverkehr ist zunehmend bedeutsam. Nach § 126a BGB ist die qualifizierte elektronische Signatur der Schriftform gleichgestellt. Für Fernabsatzverträge, insbesondere im Online-Handel, gelten ergänzende Bestimmungen nach § 312c BGB und Art. 246a EGBGB. Spezielle Informations- und Bestätigungspflichten dienen dort dem Verbraucherschutz.
Fehlerquellen und Wirksamkeitshemmnisse
Anfechtung
Ein zunächst wirksamer Vertrag kann durch Anfechtung beseitigt werden, etwa bei Irrtum (§ 119 BGB), falscher Übermittlung (§ 120 BGB) oder arglistiger Täuschung (§ 123 BGB). Die Anfechtung wirkt ex tunc und lässt den Vertrag als von Anfang an nichtig erscheinen.
Sittenwidrigkeit und Gesetzwidrigkeit
Verstöße gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) oder die guten Sitten (§ 138 BGB) führen zur Nichtigkeit des Vertragsschlusses. Betroffen sind etwa wucherische Verträge oder solche mit sittenwidrigem Inhalt.
Praktische Bedeutung des Vertragsschlusses
Der Vertragsschluss steht im Mittelpunkt jeglicher privatrechtlicher Austauschbeziehungen. Im Wirtschaftsleben wird er bei Verträgen über Warenlieferungen, Dienstleistungen, Mietverhältnissen, Versicherungen oder Arbeitsverhältnissen zum Regelfall. Die genaue Beachtung der Voraussetzungen für Angebot und Annahme, Formvorschriften, Zugangsregelungen und möglichen Willensmängeln ist für die Wirksamkeit und spätere Durchsetzbarkeit von Vertragsansprüchen essenziell.
Zusammenfassung
Der Vertragsschluss ist das rechtsverbindliche Zusammentreffen mindestens zweier übereinstimmender Willenserklärungen mit dem Ziel, eine Rechtsfolge zu erzielen. Er bildet das Fundament zahlreicher Rechtsverhältnisse und ist entsprechend detailliert im Bürgerlichen Gesetzbuch und verschiedenen Spezialgesetzen geregelt. Neben den allgemeinen Grundsätzen existieren besondere Vorschriften für Vertreter, elektronische Vertragsschlüsse, Unternehmergeschäfte sowie für Schutzmechanismen gegen rechtswidrige oder irrtümliche Vereinbarungen. Die sichere Handhabung des Vertragsschlusses ist zentrale Voraussetzung für stabile und rechtssichere Geschäftsbeziehungen.
Häufig gestellte Fragen
Wie kommt ein Vertrag im rechtlichen Sinne zustande?
Ein Vertrag kommt im rechtlichen Sinne zustande, wenn mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen – Angebot und Annahme – vorliegen. Das Angebot muss so bestimmt sein, dass die Annahme nur noch „Ja“ sagen muss, um den Vertrag zu schließen. Die Annahme muss inhaltlich mit dem Angebot übereinstimmen und dem Anbietenden innerhalb einer bestimmten Frist zugehen. Schweigen gilt grundsätzlich nicht als Annahme, es sei denn, dies ist gesetzlich festgelegt oder im Handelsverkehr üblich. Ein Vertrag ist dann abgeschlossen, wenn sich beide Parteien willentlich über sämtliche wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) einig sind, beispielsweise bei einem Kaufvertrag über die Kaufsache und den Kaufpreis. Der Vertragsschluss kann mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) erfolgen, sofern keine spezielle Formvorschrift besteht.
Kann ein Angebot widerrufen werden und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
Ein Angebot kann grundsätzlich bis zum Zugang der Annahmeerklärung beim Anbietenden frei widerrufen werden (§ 130 Abs. 1 BGB). Der Widerruf ist jedoch nur wirksam, wenn er vor oder gleichzeitig mit dem Eingang des Angebots beim Empfänger zugeht. Nach Zugang des Angebots beim Empfänger gilt es als bindend, es sei denn, im Angebot wurde eine Bindungsfrist genannt oder ausdrücklich ein Widerrufsvorbehalt erklärt. Im elektronischen Geschäftsverkehr und bei Fernkommunikationsmitteln gelten ergänzende Vorschriften, insbesondere hinsichtlich des Zugangs von Erklärungen. Nach Zugang der Annahmeerklärung kann das Angebot nicht mehr widerrufen werden; es kommt dann zum Vertragsschluss.
Welche Formvorschriften sind beim Vertragsschluss zu beachten?
Grundsätzlich ist der Vertragsschluss formfrei möglich, das heißt, ein Vertrag kann schriftlich, mündlich oder durch schlüssiges Verhalten geschlossen werden. Allerdings sieht das Gesetz für bestimmte Vertragstypen Formvorschriften vor. Beispielsweise bedarf ein Grundstückskaufvertrag nach § 311b BGB der notariellen Beurkundung, Bürgschaften benötigen nach § 766 BGB die Schriftform und Verbraucherdarlehensverträge nach § 492 BGB ebenfalls. Wird die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten, ist der Vertrag in der Regel nichtig (§ 125 BGB), es sei denn, es liegt eine Heilungsvorschrift vor. Elektronische Signaturen können je nach Rechtsgeschäft als gleichwertig zur Schriftform anerkannt sein. Das Einhalten von Formvorschriften dient vor allem dem Schutz der Parteien vor Übereilung oder Beweisproblemen.
Können Verträge auch durch Schweigen zustande kommen?
Im deutschen Recht gilt der Grundsatz, dass Schweigen grundsätzlich keine Annahme darstellt. Es gibt jedoch Ausnahmen, etwa im Handelsrecht: Kaufleute, die bereits in Geschäftsbeziehungen stehen, müssen einem ihnen gemachten Angebot auf Abschluss eines Geschäfts widersprechen, wenn sie den Vertrag verhindern möchten (§ 362 HGB). Auch bei der Zusendung unbestellter Waren an Verbraucher gilt Schweigen rechtlich nicht als Annahme einer vertraglichen Verpflichtung (§ 241a BGB). In speziellen Konstellationen, wie etwa bei der Änderung von Arbeitsverträgen nach Anhörung, kann dem Schweigen Bedeutung zukommen, wenn dies vertraglich oder gesetzlich geregelt ist.
Was ist unter „Annahme unter Änderung“ und „verzögerte Annahme“ zu verstehen?
Eine Annahme unter Änderung stellt ein neues Angebot dar (§ 150 Abs. 2 BGB). Das bedeutet, wenn ein Empfänger das ursprüngliche Angebot nicht vorbehaltlos annimmt, sondern Änderungen oder Ergänzungen vorschlägt, kommt kein Vertrag über das ursprüngliche Angebot zustande. Stattdessen wird dem ursprünglichen Anbietenden ein modifiziertes Angebot gemacht, das dieser wiederum annehmen oder ablehnen kann. Bei einer verzögerten Annahme (also nach Ablauf einer im Angebot genannten oder gesetzlichen Annahmefrist) gilt diese ebenfalls als neues Angebot (§ 150 Abs. 1 BGB). In beiden Fällen kommt ein Vertrag erst zustande, wenn das neue Angebot wiederum angenommen wird.
Welche Rolle spielen Geschäftsfähigkeit und Willensmängel für den Vertragsschluss?
Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte wirksam abzuschließen. Bei fehlender oder beschränkter Geschäftsfähigkeit (z. B. bei Minderjährigen oder Geschäftsunfähigen) sind Vertragsschlüsse entweder nichtig oder schwebend unwirksam, bis sie von einem gesetzlichen Vertreter genehmigt werden (§§ 104 ff. BGB). Willensmängel, wie Irrtum, Täuschung oder Drohung (§§ 119 ff. BGB), können zur Anfechtung des Vertrags führen. Wird der Vertrag erfolgreich angefochten, gilt er als von Anfang an nichtig, wodurch die ursprünglich entstandenen Pflichten rückabgewickelt werden müssen. Deshalb ist es für die rechtliche Wirksamkeit eines Vertrags entscheidend, dass die Parteien geschäftsfähig sind und ihre Willenserklärungen frei von solchen Mängeln abgegeben wurden.
Welche Bedeutung haben Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) beim Vertragsschluss?
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Partei einer anderen bei Vertragsschluss stellt. Ihre Einbeziehung in einen Vertrag setzt voraus, dass die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss ausdrücklich oder durch deutlichen Hinweis Kenntnis von ihnen nehmen konnte und mit deren Geltung einverstanden ist (§ 305 BGB). Überraschende oder mehrdeutige Klauseln sind unwirksam (§ 305c BGB), ebenso wie solche, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB). AGB gelten erst, wenn sie wirksam in den Vertrag einbezogen wurden und den gesetzlichen Anforderungen bezüglich Transparenz und Zumutbarkeit entsprechen.