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Versicherung, anwaltliche


Begriff und rechtliche Einordnung der anwaltlichen Versicherung

Die anwaltliche Versicherung ist ein zentraler Begriff im deutschen Rechtssystem, der insbesondere im Rahmen von Gerichtsverfahren, eidesstattlichen Versicherungen und bestimmten Verfahrensabläufen eine bedeutende Rolle einnimmt. Sie bezeichnet die verbindliche und eigenhändige Erklärung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts über die Wahrheit bestimmter Tatsachen gegenüber Gerichten, Behörden oder anderen Stellen. Die anwaltliche Versicherung dient dabei als Beweismittel und genießt in zahlreichen rechtlichen Zusammenhängen eine erhöhte Glaubwürdigkeit, weil sie mit besonderer Sorgfaltspflicht und unter Haftung abgegeben wird.

Gesetzliche Grundlagen der anwaltlichen Versicherung

Zivilprozessrecht

Im deutschen Zivilprozessrecht ist die anwaltliche Versicherung häufig als sogenanntes „Versichern an Eides statt“ bekannt und in diversen Prozessordnungen anerkannt. Insbesondere die Zivilprozessordnung (ZPO) enthält Regelungen, nach denen Tatsachen entweder unmittelbar durch anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht werden können oder von Parteien im Rahmen prozessualer Handlungen vorgelegt werden.

§ 294 ZPO – Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versicherung

Nach § 294 ZPO kann die Glaubhaftmachung von Tatsachen durch Vorlage einer anwaltlichen Versicherung erfolgen, sofern das Gericht dies zulässt. Die anwaltliche Versicherung ersetzt in vielen Fällen die eidesstattliche Versicherung der Partei selbst. Das Ziel der Norm ist die Vereinfachung und Beschleunigung von Gerichtsverfahren, insbesondere im einstweiligen Rechtsschutz (z. B. einstweilige Verfügung, Arrest).

Weitere gesetzliche Regelungen

Eine vergleichbare Regelung findet sich auch in anderen Rechtsgebieten:

  • Im Arbeitsgerichtsgesetz (§ 82 ArbGG)
  • In der Insolvenzordnung (§ 6 Abs. 2 InsO)
  • In der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 123 Abs. 1, 2 VwGO)

Unterscheidung: Anwaltliche Versicherung und eidesstattliche Versicherung

Die anwaltliche Versicherung unterscheidet sich grundlegend von der eidesstattlichen Versicherung. Während Letztere von der betroffenen Partei persönlich und unter Androhung strafrechtlicher Konsequenzen abgegeben werden muss, erfolgt die anwaltliche Versicherung durch den Rechtsbeistand. Sie ist keine Abgabe eines Eides, sondern eine verantwortliche Erklärung, deren Inhalt und Wahrheitsgehalt der Sachbearbeiter aus eigenem Wissen und nach sorgfältiger Prüfung versichert.

Bedeutung und Praxis der anwaltlichen Versicherung

Funktion im Prozessrecht

Die anwaltliche Versicherung hat im Verfahrensrecht eine erhebliche Beweisfunktion. Sie wird insbesondere dann genutzt, wenn eine Partei kurzfristig bestimmte, schwer objektiv belegbare Tatsachen glaubhaft machen muss. Zu den typischen Anwendungsfällen gehören:

  • Glaubhaftmachung von Zustellungen und Fristen
  • Nachweis für die erfolgte anwaltliche Beratung bei ordnungsgemäßer Prozessführung
  • Darstellung von Tatsachen bei Anträgen auf Prozesskostenhilfe, einstweilige Verfügungen oder vorläufigen Rechtsschutz

Eine anwaltliche Versicherung besitzt dabei nicht die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde, wird aber im Prozessalltag regelmäßig als ausreichendes Mittel der Glaubhaftmachung angesehen.

Voraussetzungen und Form

Eine anwaltliche Versicherung muss schriftlich und eigenhändig unterzeichnet sein. Sie unterliegt einer strengen Verantwortungspflicht: Die oder der Unterzeichnende muss Tatsachen nach bestem Wissen und Gewissen versichern und haftet für vorsätzliche oder fahrlässige Falschangaben. Die Erklärung ist in der Regel etwa wie folgt formuliert:

„Hiermit versichere ich an Eides statt, dass…“

Obwohl keine eidesstattliche Erklärung im engeren Sinne abgegeben wird, erkennen Gerichte eine vergleichbare Bedeutung und ziehen bei vorsätzlicher Falschangabe disziplinar- und zivilrechtliche Konsequenzen in Erwägung.

Haftungs- und Strafrechtliche Folgen

Die Abgabe einer objektiv unwahren anwaltlichen Versicherung kann sowohl berufsrechtliche als auch strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Zwar steht die anwaltliche Versicherung unter keinem unmittelbar strafbewehrten Eidesgebot wie die „Versicherung an Eides statt“ gemäß § 156 StGB, jedoch könnte eine falsche anwaltliche Versicherung als versuchter Prozessbetrug gemäß § 263 StGB oder als mittelbare Falschbeurkundung gemäß § 271 StGB geahndet werden. Darüber hinaus drohen zivilrechtliche Schadensersatzansprüche und Maßnahmen nach der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA).

Abgrenzung zu anderen Rechtsbegriffen

Die anwaltliche Versicherung ist von anderen Beweismitteln abzugrenzen, insbesondere von:

  • Parteivernehmung: Hier sagt die Partei selbst im Prozess aus.
  • Eidesstattliche Versicherung der Partei: Persönliche und ggf. strafbewehrte Versicherung der Partei.
  • Zeugenaussage: Dritte Partei berichtet unter Eid.

Sie nimmt eine Zwischenstellung ein und soll die Glaubwürdigkeit anwaltlicher Angaben unterstreichen, ohne die formelle Strenge eines gerichtlichen Eides oder Zeugenaussage zu erreichen.

Bedeutung in der anwaltlichen Praxis

In der täglichen Praxis deutscher Anwaltskanzleien spielt die anwaltliche Versicherung eine wesentliche Rolle bei der schnellen und formell wirksamen Glaubhaftmachung von Tatsachen. Sie entlastet Mandantinnen und Mandanten, beschleunigt Verfahrensabläufe und ist in zahlreichen kurzfristigen gerichtlichen Maßnahmen unerlässlich.

Überblick: Kernaussagen zur anwaltlichen Versicherung

  1. Begriff: Verbindliche Erklärung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts zur Wahrheit bestimmter Tatsachen.
  2. Funktion: Glaubhaftmachung vor Gericht und Behörden, insbesondere im Zusammenhang mit einstweiligen Rechtsschutzverfahren.
  3. Rechtliche Grundlage: Geregelt u.a. in der Zivilprozessordnung und weiteren Verfahrensordnungen.
  4. Form, Haftung und Verantwortung: Schriftlich, eigenhändig, nach bestem Wissen und Gewissen, haftungsbewehrt.
  5. Konsequenzen: Zivilrechtliche, strafrechtliche und berufsrechtliche Folgen bei Falschangabe.
  6. Abgrenzung: Unterscheidet sich von Partei- und Zeugenaussage sowie von der eidesstattlichen Versicherung.

Literatur und weiterführende Hinweise

Umfangreiche Informationen und wissenschaftliche Ausarbeitungen finden sich in den jeweiligen Kommentaren zur Zivilprozessordnung, in Fachveröffentlichungen zum Prozessrecht sowie in Leitfäden zum Umgang mit Beweismitteln im deutschen Rechtssystem.


Dieser Artikel bietet eine umfassende, rechtlich differenzierte Darstellung der anwaltlichen Versicherung als Begriff des deutschen Prozessrechts, deren Bedeutung, Voraussetzungen und praxisrelevante Einsatzmöglichkeiten. Damit liefert er eine fundierte Informationsquelle sowohl für rechtliche Laien als auch für im Rechtswesen tätige Personen, die Wert auf eine präzise und verständliche Aufbereitung des Themas legen.

Häufig gestellte Fragen

In welchen Fällen besteht Anspruch auf Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung?

Ein Anspruch auf Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung besteht grundsätzlich immer dann, wenn der Versicherungsnehmer in einen rechtlichen Konflikt gerät, der von seinem abgeschlossenen Versicherungsvertrag erfasst ist. Die Versicherung übernimmt in diesem Fall, unter Berücksichtigung etwaiger Wartezeiten und Ausschlussklauseln, die Kosten für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, wie beispielsweise Anwalts-, Gerichts-, Zeugengelder oder Gutachterkosten. Typische versicherte Bereiche umfassen unter anderem Verkehrsrecht, Arbeitsrecht, Mietrecht oder Vertragsrecht. Entscheidend für die Leistungsübernahme ist dabei meist, dass der Streitfall erst nach Abschluss der Versicherung und nach Ablauf der jeweiligen Wartezeiten entsteht. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass keine vorsätzlichen oder bereits bekannten Streitigkeiten versichert werden können, und dass keine der im Vertrag genannten Ausschlussfälle, wie etwa Streitigkeiten im Bau- oder Familienrecht, vorliegen.

Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer im Leistungsfall gegenüber der Rechtsschutzversicherung?

Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, der Rechtsschutzversicherung den Eintritt eines Versicherungsfalles unverzüglich zu melden und wahrheitsgemäß sowie vollständig über den Sachverhalt zu informieren. Zudem muss er der Versicherung alle zur Prüfung der Leistungspflicht erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung stellen. Dazu gehören beispielsweise Anwaltsschreiben, behördliche Bescheide oder gerichtliche Ladungen. Weiterhin hat der Versicherungsnehmer eine sogenannte Schadenminderungspflicht. Das bedeutet, er muss alles Zumutbare unternehmen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten und unnötige Kosten zu vermeiden. Außerdem ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, Anweisungen der Versicherung zu befolgen, etwa wenn diese einen bestimmten Anwalt empfiehlt oder bestimmte Verfahrensschritte vorgibt. Verstößt der Versicherungsnehmer gegen diese Obliegenheiten, kann die Versicherung ihre Leistungen teilweise oder sogar ganz verweigern.

Welche Kosten werden von der Rechtsschutzversicherung übernommen?

Die Rechtsschutzversicherung übernimmt regelmäßig die gesetzlichen Anwaltsgebühren gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), Gerichtskosten, Zeugengelder, Kosten von gerichtlich bestellten Sachverständigen sowie Kosten der Gegenseite, sofern der Versicherungsnehmer dazu durch rechtskräftiges Urteil verpflichtet wurde. Je nach Tarif und Deckungsumfang werden zudem außergerichtliche Kosten sowie manchmal auch Kosten einer Mediation erstattet. Nicht übernommen werden dagegen in der Regel Strafzahlungen, Geldbußen, Vertragsstrafen sowie Kosten, die aus vorsätzlich begangenen Straftaten resultieren. Auch Kosten, die durch bewusst wahrheitswidrige Angaben oder durch bei Vertragsschluss bereits absehbare Rechtstreitigkeiten entstehen, sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Ebenfalls können Selbstbeteiligungen und Höchstgrenzen für die Kostenübernahme vertraglich festgelegt sein.

Wie funktioniert das sog. „Deckungsschutzverfahren“ im Bereich der Rechtsschutzversicherung?

Das Deckungsschutzverfahren bezeichnet das interne Prüfungsverfahren der Rechtsschutzversicherung, in welchem geklärt wird, ob und in welchem Umfang Versicherungsschutz für einen gemeldeten Rechtsstreit besteht. Nach der Meldung eines Versicherungsfalls wird durch die Versicherung geprüft, ob die Voraussetzungen aus dem Versicherungsvertrag vorliegen: Dazu zählen, dass der Streitgegenstand versichert ist, keine Ausschlussgründe vorliegen und der Anspruch innerhalb der Vertragslaufzeit sowie nach etwaigen Wartezeiten entstanden ist. Stellt die Versicherung fest, dass Versicherungsschutz besteht, erteilt sie dem Versicherungsnehmer in der Regel eine sogenannte Deckungszusage. Oft verlangt die Versicherung ergänzende Unterlagen und Nachweise. Wird der Deckungsschutz ganz oder teilweise abgelehnt, muss die Versicherung dies schriftlich und unter Angabe der Gründe mitteilen. Der Versicherungsnehmer kann im Weigerungsfall mit einem Ombudsmannverfahren oder gerichtlichen Schritten auf die Deckungszusage hinwirken.

Was ist bei der Auswahl eines Rechtsanwalts unter einer bestehenden Rechtsschutzversicherung zu beachten?

Grundsätzlich steht dem Versicherungsnehmer nach § 127 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) die freie Anwaltswahl zu. Die Rechtsschutzversicherung darf die Auswahl des Rechtsanwalts nicht beschränken oder auf bestimmte Vertragsanwälte beschränken. Dennoch bieten viele Versicherer Netzwerkanwälte an, die aufgrund von Rahmenverträgen zu günstigeren Konditionen abrechnen. Dies kann den Vorteil haben, dass der Versicherungsnehmer nicht auf einer möglichen Selbstbeteiligung sitzen bleibt oder besondere Beratungsdienste erhält. Dennoch ist der Versicherungsnehmer nicht verpflichtet, diese zu beauftragen. Es empfiehlt sich, vor Mandatserteilung mit der Versicherung Kontakt aufzunehmen, um die formelle Deckungszusage abzuwarten und sicherzustellen, dass alle Kosten übernommen werden. Wird ein nicht empfohlener Anwalt beauftragt, sollte der Versicherungsnehmer darauf achten, dass dieser nach dem RVG abrechnet und die Versicherung die Kosten im vertraglichen Umfang deckt.

Welche Ansprüche hat ein Versicherungsnehmer, wenn die Rechtsschutzversicherung zu Unrecht die Deckung verweigert?

Verweigert die Rechtsschutzversicherung die Deckungszusage zu Unrecht, kann der Versicherungsnehmer zunächst den internen Beschwerdeweg der Versicherung nutzen. Bleibt dieser erfolglos, stehen ihm außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren wie das Ombudsmannverfahren oder eine Beschwerde bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) offen. Führt auch dies nicht zum Erfolg, hat der Versicherungsnehmer die Möglichkeit, im Wege der Klage vor den Zivilgerichten (oft Landgericht, wegen des wirtschaftlichen Interesses) den Anspruch auf Deckungsschutz geltend zu machen. Im Rahmen des Prozesses prüft das Gericht, ob die Voraussetzungen aus dem Vertrag tatsächlich erfüllt sind. Bestätigt das Gericht den Anspruch, muss die Versicherung sämtliche verfahrensrelevanten und dem Vertrag entsprechenden Kosten sowohl rückwirkend als auch für das laufende Verfahren übernehmen. Eventuell durch die Falschverweigerung entstandene Verzugsschäden kann der Versicherungsnehmer ebenfalls geltend machen.

Welche vertraglichen Ausschlussgründe kommen bei Rechtsschutzversicherungen typischerweise vor?

Vertragliche Ausschlussgründe regeln, welche Fälle trotz bestehender Rechtsschutzversicherung nicht unter den Versicherungsschutz fallen. Typischerweise ausgeschlossen sind vorsätzlich begangene Straftaten, Streitigkeiten im Bereich Scheidungs- und Familienrecht (mit Ausnahme bestimmter Unterhalts- oder Sorgerechtsverfahren), Streitigkeiten im Grundstücks-, Bau- und Erbrecht, Auseinandersetzungen rund um Spiel- und Wettverträge, sowie solche wegen Spekulationsgeschäften. Auch unternehmerische oder freiberufliche Tätigkeiten sind je nach Police oft nicht oder nur eingeschränkt abgedeckt. Daneben gibt es häufig Wartezeiten, innerhalb derer bestimmte Streitfälle nach Vertragsabschluss zunächst nicht versichert sind. Im Detail sind die Ausschlüsse in den Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB) des jeweiligen Versicherers abschließend geregelt. Der genaue Umfang solcher Ausschlüsse kann von Versicherer zu Versicherer variieren und sollte vor Abschluss der Versicherung sorgfältig geprüft werden.