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Versendungskauf

Begriff und Einordnung des Versendungskaufs

Der Versendungskauf ist eine Form des Warenkaufs, bei der die Sache auf Verlangen des Käufers an einen anderen Ort als den Sitz oder die Niederlassung des Verkäufers verschickt wird. Typisch ist die Beauftragung eines Transporteurs wie Paketdienst, Spedition oder Frachtführer. Der Schwerpunkt liegt darauf, wann das Risiko für Verlust oder Beschädigung der Ware vom Verkäufer auf den Käufer übergeht und welche Pflichten die Parteien während des Transports treffen.

Kernelemente

  • Der Verkäufer schuldet die Übergabe und Übereignung einer beweglichen Sache.
  • Die Sache wird auf Verlangen des Käufers an einen anderen Ort versendet (Schickschuld).
  • Der Transport erfolgt regelmäßig durch einen selbstständigen Transporteur.
  • Die Verteilung von Transport-, Risiko- und Kostenfragen folgt besonderen Regeln, die je nach Beteiligtenkreis unterschiedlich sind.

Abgrenzung zu anderen Kaufarten

  • Platzkauf: Übergabe am Ort des Verkäufers; kein Transporteur erforderlich.
  • Bringschuld: Verkäufer muss die Sache selbst an den Bestimmungsort bringen; beim Versendungskauf organisiert er den Transport, schuldet aber grundsätzlich nur die ordnungsgemäße Absendung.
  • Fernabsatz: Häufig Kombination mit Versendungskauf, aber nicht identisch. Fernabsatz betrifft die Art des Vertragsschlusses (z. B. online), nicht die Risiko- und Transportverteilung als solche.

Vertragsinhalt und Leistungspflichten

Ort der Leistung und Erfüllung

Beim Versendungskauf erfolgt die Erfüllung regelmäßig dadurch, dass der Verkäufer die Ware ordnungsgemäß verpackt, an den Transporteur übergibt und die Versendung zum vereinbarten Bestimmungsort veranlasst. Der Bestimmungsort ist der Ort, an den die Ware geliefert werden soll; der Leistungsort, an dem der Verkäufer seine Leistung erbringt, kann davon abweichen.

Gefahrübergang und Preisgefahr

Der Gefahrübergang bezeichnet den Zeitpunkt, ab dem das Risiko zufälligen Untergangs oder zufälliger Verschlechterung der Ware nicht mehr der Verkäufer, sondern der Käufer trägt. Mit diesem Zeitpunkt verknüpft ist die Preisgefahr, also die Frage, wer trotz Verlust oder Beschädigung den Kaufpreis schuldet.

Geschäfte zwischen Unternehmen

Bei Geschäften zwischen Unternehmen geht die Gefahr typischerweise mit der Übergabe an den Transporteur auf den Käufer über, sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Wird die Ware nach dieser Übergabe unterwegs beschädigt oder geht sie verloren, trägt grundsätzlich der Käufer das Risiko. Der Verkäufer muss jedoch die ordnungsgemäße und rechtzeitige Absendung samt geeigneter Verpackung sicherstellen.

Verbrauchsgüterkauf

Bei Käufen durch Verbraucher gilt ein gestärkter Schutz: Die Gefahr geht regelmäßig erst mit tatsächlicher Übergabe der Ware an den Verbraucher über. Wählt der Verbraucher allerdings selbst einen Transporteur, den der Verkäufer nicht angeboten hat, kann die Gefahr bereits mit Übergabe an diesen Transporteur übergehen. Unabhängig davon bleiben Ansprüche wegen anfänglicher Mängel unberührt.

Transport, Verpackung und Kosten

Auswahl des Transportmittels und der Transportperson

Der Verkäufer hat eine sorgfältige Auswahl des Transporteurs zu treffen. Er muss einen Transportweg und ein Transportmittel wählen, die Art und Wert der Ware berücksichtigen. Dazu zählt auch die Beachtung üblicher Sicherheits- und Kennzeichnungspflichten.

Verpackungs- und Sicherungspflichten

Die Ware ist so zu verpacken und zu sichern, dass sie den gewöhnlichen Belastungen des gewählten Transports standhält. Dazu gehören geeignete Polsterung, Umverpackung, Kennzeichnung, gegebenenfalls die Beachtung besonderer Anforderungen für empfindliche, gefährliche oder verderbliche Güter und die Beifügung notwendiger Dokumente.

Fracht-, Versand- und Nebenkosten

Wer die Transportkosten trägt, richtet sich nach der Vereinbarung. Fehlt eine ausdrückliche Regelung, gilt die übliche Verteilung nach der Art des Geschäfts und den Verkehrssitten. Neben der reinen Fracht können Kosten für Verpackung, Versicherung, Zölle und Steuern anfallen. Handelsklauseln können die Kosten- und Risikoverteilung konkretisieren.

Leistungsstörungen im Versendungskauf

Lieferverzug

Kommt die Ware nicht rechtzeitig beim Käufer an, ist zu unterscheiden, ob der Verkäufer die Verzögerung zu vertreten hat. Maßgeblich ist, ob er ordnungsgemäß und rechtzeitig versendet sowie einen geeigneten Transporteur ausgewählt hat. Vereinbarte Lieferfristen und -termine sind Auslegungskriterien.

Annahmeverzug

Nimmt der Käufer die ihm ordnungsgemäß angebotene Ware am Bestimmungsort nicht an, kann Annahmeverzug eintreten. Dies hat Auswirkungen auf Haftung, Verwahrung, weitere Kosten und gegebenenfalls die Vergütungspflicht für Mehraufwendungen, etwa Lager- oder Rücksendekosten.

Unmöglichkeit und Verlust auf dem Transportweg

Geht die Ware auf dem Transportweg unter oder wird sie beschädigt, hängt die Zurechnung davon ab, ob der Gefahrübergang bereits stattgefunden hat. Vor Gefahrübergang trägt der Verkäufer, danach der Käufer die Preisgefahr. Unabhängig davon bleiben Rechte wegen bereits bei Gefahrübergang vorhandener Mängel bestehen.

Eigentum, Besitz und Dokumente

Eigentumsübergang

Der Eigentumsübergang an beweglichen Sachen setzt eine Einigung und eine Besitzverschaffung voraus. Im Versendungskauf kann die Besitzverschaffung mittelbar über Transportdokumente und die tatsächliche Auslieferung erfolgen. Häufig wird ein Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vereinbart.

Versand- und Eigentumsdokumente

Relevante Unterlagen sind etwa Frachtbriefe, Übergabe- und Zustellnachweise, Einlieferungsbelege, Tracking-Informationen und bei internationalen Transporten Zoll- und Ausfuhrdokumente. Sie dienen als Belege für Absendung, Transportweg und Lieferung.

Beweisfragen und Risikoaufteilung

Wer welche Tatsache beweisen muss, richtet sich nach dem Vertragsinhalt und dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs. Regelmäßig muss der Verkäufer die ordnungsgemäße und rechtzeitige Absendung sowie die geeignete Verpackung nachweisen. Im Verbrauchsgüterkauf gewinnen Zustellnachweise besondere Bedeutung, weil die Gefahr grundsätzlich erst mit Übergabe an den Verbraucher übergeht.

Internationale Bezüge und Handelsbräuche

UN-Kaufrecht und grenzüberschreitende Lieferketten

Bei grenzüberschreitenden Verkäufen beweglicher Waren kann das UN-Kaufrecht zur Anwendung kommen, sofern es nicht ausgeschlossen wurde. Es enthält eigene Regelungen zur Gefahrtragung und Lieferung, die sich von nationalen Grundsätzen unterscheiden können.

Handelsklauseln (Incoterms)

Handelsklauseln wie EXW, FCA, FOB, CIF oder DDP sind weltweit verbreitete Standardformulierungen. Sie legen fest, an welchem Punkt Kosten, Risiken und Pflichten übergehen, wer die Aus- und Einfuhrformalitäten erledigt und ob eine Transportversicherung einzuschließen ist. Sie ergänzen den Kaufvertrag und können gesetzliche Auffangregeln modifizieren.

Verhältnis zum Fernabsatz und Widerruf

Der Versendungskauf sagt nichts über ein Widerrufsrecht aus. Ein Widerrufsrecht kann bei Fernabsatzverträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern bestehen. Es beeinflusst den Bestand des Vertrags, nicht jedoch die technischen Regeln der Gefahrtragung während des Transports, solange der Vertrag wirksam ist.

Abgrenzung: Digitale Inhalte und Dienstleistungen

Digitale Inhalte, die nicht auf körperlichen Datenträgern geliefert werden, unterliegen anderen Regeln als der Versand körperlicher Sachen. Dienstleistungen sind keine Versendungskäufe, auch wenn Unterlagen per Post verschickt werden. Maßgeblich ist die körperliche Ware als Leistungsgegenstand.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist ein Versendungskauf?

Ein Versendungskauf liegt vor, wenn der Verkäufer auf Wunsch des Käufers die Ware an einen anderen Ort als seinen eigenen Geschäftssitz verschickt und hierfür regelmäßig einen Transporteur einsetzt. Kennzeichnend ist die besondere Verteilung von Transport- und Risikofragen.

Worin unterscheidet sich der Versendungskauf vom Platzkauf?

Beim Platzkauf erfolgt die Übergabe am Ort des Verkäufers; ein Transporteur ist nicht erforderlich. Beim Versendungskauf organisiert der Verkäufer den Versand an einen anderen Ort. Dadurch verschieben sich Leistungsort, Gefahrübergang und häufig auch die Kostenverteilung.

Wann geht beim Versendungskauf die Gefahr auf den Käufer über?

Der Zeitpunkt hängt von den Beteiligten ab. Zwischen Unternehmen geht die Gefahr typischerweise mit Übergabe an den Transporteur über, sofern nichts anderes vereinbart ist. Beim Kauf durch Verbraucher geht die Gefahr regelmäßig erst mit tatsächlicher Übergabe der Ware an den Verbraucher über.

Wer trägt die Transportkosten beim Versendungskauf?

Das richtet sich in erster Linie nach der vertraglichen Vereinbarung, etwa auch durch Handelsklauseln. Fehlt eine ausdrückliche Regelung, gilt die übliche Verteilung nach Art des Geschäfts und den Verkehrssitten. Neben der Fracht können Kosten für Verpackung, Versicherung und Abgaben anfallen.

Welche Pflichten hat der Verkäufer beim Verpacken und Versenden?

Er muss eine Verpackung wählen, die den üblichen Transportbelastungen standhält, erforderliche Kennzeichnungen anbringen, einen geeigneten Transporteur auswählen und die Versendung ordnungsgemäß veranlassen. Zudem hat er erforderliche Begleitdokumente beizufügen.

Was gilt, wenn die Ware auf dem Transportweg verloren geht?

Maßgeblich ist, ob der Gefahrübergang bereits erfolgt ist. Vor Gefahrübergang trägt der Verkäufer, danach der Käufer das Risiko des zufälligen Untergangs. Rechte wegen bereits bei Gefahrübergang vorhandener Mängel bleiben unabhängig davon bestehen.

Spielt es eine Rolle, ob der Vertrag im Fernabsatz geschlossen wurde?

Fernabsatz betrifft den Weg des Vertragsschlusses, nicht die Transport- und Gefahrverteilung. Im Fernabsatz zwischen Unternehmer und Verbraucher können zusätzlich besondere Schutzrechte bestehen, die neben den Regeln des Versendungskaufs wirken.