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Verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr


Begriff und rechtliche Einordnung der verfassungsfeindlichen Einwirkung auf die Bundeswehr

Unter der verfassungsfeindlichen Einwirkung auf die Bundeswehr wird eine Vielzahl von Handlungen verstanden, die darauf abzielen, die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland aus dem Bereich der Streitkräfte heraus zu beeinträchtigen, zu untergraben oder zu beseitigen. Dies betrifft sowohl äußere als auch innere Angriffe auf die Wert- und Rechtsordnung, wie sie im Grundgesetz festgelegt ist, und stellt ein wesentliches Element im Spannungsfeld zwischen militärischer Sicherheit und freiheitlicher Demokratie dar. Rechtsgrundlagen und Maßnahmen gegen verfassungsfeindliche Aktivitäten in der Bundeswehr sind wesentliche Bestandteile des deutschen Wehrverfassungsrechts sowie des öffentlichen Dienstrechts.


Rechtlicher Rahmen

Grundgesetzliche Vorgaben

Die Verankerung der Bundeswehr und ihrer Verfassungstreue ergibt sich aus Art. 87a des Grundgesetzes (GG) sowie aus dem Grundsatz der freiheitlich demokratischen Grundordnung, dem insbesondere Angehörige des öffentlichen Dienstes verpflichtet sind (vgl. Art. 33 Abs. 5 GG). Darüber hinaus verpflichtet Art. 20 Abs. 3 GG alle Staatsgewalt an die verfassungsmäßige Ordnung.

Spezielle Gesetzliche Regelungen

Soldatengesetz (SG)

Das Soldatengesetz bildet die zentrale rechtliche Grundlage für die Pflichten der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr:

  • § 8 SG – Verfassungstreuepflicht: Soldatinnen und Soldaten müssen für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten.
  • § 7 SG – Politische Zurückhaltung: Die politische Betätigung innerhalb der Bundeswehr ist untersagt, sofern sie den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik oder die Ordnung innerhalb der Streitkräfte gefährdet.

Weitere einschlägige Regelungen

Verfassungsfeindliche Handlungen können daneben auch Straftatbestände wie

  • Hochverrat (§§ 81 ff. StGB),
  • Landesverrat (§§ 94 ff. StGB),
  • Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 84 ff. StGB)

erfüllen und disziplinarrechtliche Konsequenzen zur Folge haben.


Erscheinungsformen verfassungsfeindlicher Einwirkung

Innerorganisatorische Einwirkung

Hierzu zählen Aktivitäten von Soldatinnen und Soldaten, die gegen die demokratische Grundordnung gerichtet sind, beispielsweise:

  • Gründung oder Unterstützung extremistischer Strukturen innerhalb der Streitkräfte,
  • Verbreitung von Propagandamaterial mit verfassungsfeindlichem Inhalt,
  • Planung oder Durchführung staatsfeindlicher Handlungen im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit.

Externe Einflussnahme

  • Versuche von außen: Dritte Akteure, wie extremistische Organisationen oder fremde Nachrichtendienste, versuchen, durch gezielte Werbung, Beeinflussung, Bestechung oder Erpressung Angehörige der Bundeswehr für verfassungsfeindliche Ziele zu gewinnen oder auszunutzen.

Rechtliche Maßnahmen gegen verfassungsfeindliche Einwirkung

Disziplinarrechtliche Maßnahmen

Verstöße gegen die Verfassungstreuepflicht nach dem Soldatengesetz können mit Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst geahndet werden (§ 16 WDO – Wehrdisziplinarordnung).

Strafrechtliche Sanktionen

Wer durch Taten im Sinne der §§ 81 ff. StGB die Bundesrepublik Deutschland gefährdet, muss neben der Disziplinarverfolgung mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen.

Sicherheitsüberprüfungen

Zur Prävention werden nach §§ 1 ff. SÜG (Sicherheitsüberprüfungsgesetz) bei besonders sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt, um extremistische Bestrebungen im Vorfeld zu erkennen.

Maßnahmen der Gefahrenabwehr

Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) ist verantwortlich für die Aufklärung und Abwehr verfassungsfeindlicher Bestrebungen und unterstützt die Bundeswehr bei der frühzeitigen Erkennung und Bekämpfung entsprechender Aktivitäten.


Verfassungsfeindliche Einwirkung im Kontext der Meinungsfreiheit

Das Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) wird durch die Verpflichtung zur Verfassungstreue begrenzt. Meinungsäußerungen, die die FDGO (Freiheitliche Demokratische Grundordnung) aktiv bekämpfen oder beseitigen wollen, fallen nicht mehr unter den Schutzbereich des Art. 5 GG, sondern können Grund für die Einleitung dienst-, straf- und sicherheitsrechtlicher Maßnahmen sein.


Präventive Maßnahmen und Sensibilisierung

Zur Verhinderung verfassungsfeindlicher Einwirkungen auf die Bundeswehr werden verschiedene Präventionsmaßnahmen durchgeführt:

  • Politische Bildung: Vermittlung demokratischer Werte im Rahmen der Ausbildung,
  • Sensibilisierung: Aufklärung über extremistische Bestrebungen, Erkennung von Gefährdungslagen,
  • Meldewege: Niedrigschwellige Anzeige- und Meldeverfahren zur frühzeitigen Intervention.

Bedeutung und Folgen für die Bundeswehr und die Gesellschaft

Die Wehrverfassung des Grundgesetzes verlangt Loyalität und Verfassungstreue von allen Soldatinnen und Soldaten. Verfassungsfeindliche Einwirkung auf die Bundeswehr kann die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte, das Vertrauen der Bevölkerung in die Institution Bundeswehr und die Sicherheit Deutschlands insgesamt erheblich beeinträchtigen. Staatliche Maßnahmen dienen daher nicht nur dem Schutz der individuellen Rechte, sondern der Verteidigung der freiheitlichen und demokratischen Staatsordnung als Grundvoraussetzung für die Sicherheit und Stabilität der Bundesrepublik Deutschland.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)
  • Soldatengesetz (SG)
  • Wehrdisziplinarordnung (WDO)
  • Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG)
  • Strafgesetzbuch (StGB)
  • BAMAD – Bundesministerium der Verteidigung (Verfassungsschutz in der Bundeswehr)
  • Bundeszentrale für politische Bildung: Politische Extremismen in Deutschland

Fazit

Die verfassungsfeindliche Einwirkung auf die Bundeswehr stellt eine gravierende Bedrohung für die demokratische Ordnung und die innere Sicherheit dar. Das bestehende rechtliche Instrumentarium zielt umfassend darauf ab, die Bundeswehr als Garant der Verfassungsmäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit zu schützen und jede Form extremistischer oder staatsgefährdender Bestrebungen konsequent zu bekämpfen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Maßnahmen stehen zur Verfügung, wenn Hinweise auf eine verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehrangehörige vorliegen?

Liegt der Verdacht vor, dass Bundeswehrangehörige verfassungsfeindlichen Einflussnahmen ausgesetzt sind, greifen verschiedene rechtliche Instrumente zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gemäß Art. 20 Abs. 3 und Art. 87a Abs. 1 Grundgesetz. Zunächst richten sich interne Ermittlungen nach dem Soldatengesetz (SG), insbesondere § 8 SG, der Soldaten zur Verfassungstreue verpflichtet. Weiterhin greift das Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG), das regelmäßige und anlassbezogene Überprüfungen bei sensiblen Tätigkeiten in der Bundeswehr vorsieht. Wird ein Anfangsverdacht festgestellt, ist die Einleitung dienstrechtlicher Disziplinarverfahren gemäß Wehrdisziplinarordnung (WDO) möglich, die in schweren Fällen zur Entfernung aus dem Dienst führen kann. Zugleich besteht die Pflicht zur Anzeige gemäß § 22 WDO und § 45 Soldatengesetz sowie gegebenenfalls nach allgemeinen Strafgesetzen, etwa bei Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat (§ 89a StGB) oder Bildung verfassungsfeindlicher Vereinigungen (§§ 129, 129a StGB). Die Staatsanwaltschaften und gegebenenfalls das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) werden involviert, sodass neben dienst- auch strafrechtliche Sanktionen verhängt werden können.

Wer ist innerhalb der Bundeswehr zur Meldung und Prüfung verdächtiger Aktivitäten verpflichtet?

Innerhalb der Bundeswehr besteht eine generelle Pflicht aller Soldaten und zivilen Mitarbeiter, Hinweise auf verfassungsfeindliche Umtriebe oder Einflussnahmen unverzüglich zu melden. Diese Pflicht ergibt sich aus § 17 Abs. 2 SG (Pflicht zur Wahrheit und Loyalität) und wird durch spezifische Vorschriften des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SÜG) ergänzt. Vorgesetzte sind nach § 10 SG und § 31, 32 SÜG besonders in der Verantwortung, geeignete Maßnahmen zur Klärung des Sachverhalts zu ergreifen und die zuständigen Stellen (z. B. BAMAD, Disziplinarvorgesetzte, Staatsanwaltschaft) einzuschalten. Unterbleibt eine Meldung trotz entsprechender Kenntnis, so kann dies selbst dienstrechtliche und unter Umständen auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Welche Rolle spielt der Militärische Abschirmdienst (MAD) bei der Aufklärung solcher Fälle?

Der Militärische Abschirmdienst (MAD) nimmt nach § 1 des Gesetzes über den Militärischen Abschirmdienst (MADG) die Aufgabe wahr, verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Bundeswehr zu erkennen und abzuwehren. Der MAD ist zur Sammlung, Auswertung und Weitergabe von Erkenntnissen über tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Aktivitäten berechtigt und verpflichtet. Im Rahmen seiner Tätigkeit kooperiert er mit anderen Sicherheitsbehörden (z. B. Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesämter, Polizei und Staatsanwaltschaft) und kann präventive und repressive Maßnahmen anregen. In Disziplinar- und Strafverfahren übernimmt der MAD die Rolle des Nachrichtendienstes, jedoch ohne eigene exekutive Eingriffsbefugnisse.

Inwieweit erfolgt eine disziplinarische oder strafrechtliche Verfolgung verfassungsfeindlicher Umtriebe in der Bundeswehr?

Die Sanktionierung erfolgt je nach Schweregrad des Verstoßes disziplinarisch nach der Wehrdisziplinarordnung (WDO) und/oder strafrechtlich gemäß den dafür einschlägigen Vorschriften des Strafgesetzbuches. Ein Soldat kann im Rahmen eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens aus der Bundeswehr entfernt werden, wenn eine schuldhafte Verletzung der Verfassungstreuepflicht festgestellt wird. Strafrechtlich kommen insbesondere die §§ 84, 85, 89a, 91, 129, 129a, 129b StGB in Betracht, die staatsgefährdende Vergehen und die Beteiligung an verfassungsfeindlichen Vereinigungen unter Strafe stellen. Die Einleitung disziplinarischer und strafrechtlicher Ermittlungen kann parallel erfolgen, wobei die Disziplinargerichte nicht an das Ergebnis der strafrechtlichen Beurteilung gebunden sind (§ 84 WDO).

Wie werden die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen während der Ermittlungen gewahrt?

Während aller dienst- und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sind die grundrechtlichen Schutzpflichten nach GG, die Datenschutzbestimmungen der DSGVO und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), sowie spezielle Vorschriften des SÜG und der WDO zu beachten. Ermittlungen müssen stets unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen; personenbezogene Daten sind nur bei Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage und unter Berücksichtigung des Gebots der Zweckbindung und Datenminimierung zu verarbeiten. Betroffene haben, vorbehaltlich sicherheitsdienstlicher Erfordernisse, ein Recht auf Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten und können Rechtsmittel gegen Maßnahmen der Behörden (Beschwerde, Einspruch, Klage) ergreifen.

Welche besonderen rechtlichen Anforderungen gelten für die Überprüfung von Reservistinnen und Reservisten?

Reservistinnen und Reservisten unterliegen gem. § 2 Abs. 2 SG und in Verbindung mit § 1 Abs. 1 SÜG denselben verfassungsrechtlichen Treuepflichten und werden ebenfalls sicherheitsüberprüft, sofern eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausgeübt wird oder besondere Erkenntnisse dies erfordern. Die Überprüfung bei Reservistendienstleistenden ist jedoch in Umfang und Tiefe anlassbezogen zu wählen, wobei das Prinzip der Verhältnismäßigkeit stets zu berücksichtigen ist. Disziplinarmaßnahmen können jedoch nur während des Reservistendienstes ergriffen werden; außerhalb dieser Zeiten greifen grundsätzlich die Vorschriften des allgemeinen Beamten- und Strafrechts. Einzig Verstöße bei der Werbung, Ausbildung oder Mobilmachung sind mit Blick auf das Wehrstrafgesetz zusätzlich relevant.

Welche Rechtsmittel stehen Betroffenen gegen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Verdacht auf verfassungsfeindliche Einwirkung offen?

Betroffene haben gegen jede behördliche oder gerichtliche Maßnahme im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen verfassungsfeindlicher Einwirkungen die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Im Disziplinarverfahren kann dies der Einspruch, die Beschwerde sowie im gerichtlichen Verfahren die Berufung und Revision sein (vgl. WDO). Gegen Sicherheitsüberprüfungsmaßnahmen besteht die Möglichkeit des Widerspruchs nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), ggf. in Verbindung mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht. Strafrechtliche Maßnahmen unterliegen der Überprüfung durch ordentliche Gerichte unter Zugrundelegung der Strafprozessordnung (StPO). Zudem können Betroffene sich gemäß § 17 Abs. 3 SG und § 23 Abs. 1 GG an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages wenden.