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Verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr

Begriff und Einordnung

Verfassungsfeindliche Einwirkung auf die Bundeswehr bezeichnet Handlungen, die darauf gerichtet sind, Soldatinnen und Soldaten, Reservistinnen und Reservisten, Bewerberinnen und Bewerber oder die Organisation der Bundeswehr insgesamt in einer Weise zu beeinflussen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist. Erfasst sind insbesondere Versuche, die Funktionsfähigkeit, Einsatzbereitschaft, Loyalität oder innere Verfassung der Streitkräfte zu untergraben. Der Begriff ist dem Staatsschutzstrafrecht zuzuordnen und dient dem Schutz der äußeren Sicherheit sowie der Funktionsfähigkeit der verfassungsmäßigen Institutionen.

Was bedeutet „verfassungsfeindliche Einwirkung“?

Von verfassungsfeindlicher Einwirkung ist die Rede, wenn Einflussnahmen darauf abzielen, die Bundeswehr oder ihre Angehörigen gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufzubringen, sie von der rechtmäßigen Aufgabenerfüllung abzuhalten oder die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik zu schwächen. Es geht nicht um jede Kritik an der Bundeswehr, sondern um zielgerichtete, gegen die Ordnung gerichtete Maßnahmen mit politisch-extremistischer oder staatsfeindlicher Zielrichtung.

Geschütztes Rechtsgut

Geschützt wird die äußere Sicherheit des Staates, die Integrität und Einsatzfähigkeit der Bundeswehr sowie die Bindung der Streitkräfte an die verfassungsmäßige Ordnung. Damit verbunden ist der Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in eine verfassungstreue, funktionsfähige Armee.

Tatbestandliche Merkmale

Tathandlungen

Erfasst sind vielfältige Handlungen, sofern sie auf eine verfassungsfeindliche Beeinflussung der Bundeswehr zielen und hierfür geeignet sind. Typische Erscheinungsformen sind:

Propaganda und Einflussnahme

Gezielte Verbreitung von Botschaften, Materialien oder Kampagnen, die Soldatinnen und Soldaten zu verfassungswidrigen Haltungen oder Handlungen bewegen sollen, etwa durch systematische Agitation, die die Bindung an die freiheitliche demokratische Grundordnung angreift.

Aufruf zu Pflichtverletzungen

Einwirkung auf Angehörige der Bundeswehr, rechtmäßige Befehle nicht zu befolgen, den Dienst zu verweigern oder Abläufe zu stören, sofern dies auf eine gegen die Ordnung gerichtete Zielsetzung gerichtet ist.

Unterwanderung und Anwerbung

Versuche, Angehörige der Bundeswehr für verfassungsfeindliche Bestrebungen zu gewinnen oder Strukturen der Bundeswehr im Sinne solcher Bestrebungen zu beeinflussen, etwa durch Organisationstätigkeit, Netzwerkbildung oder gezielte Ansprache von Schlüsselpersonen.

Digitale Einflussoperationen

Online-Kampagnen, Desinformation, verdeckte Kommunikationsstrategien oder koordinierte Aktionen in sozialen Medien, die Soldatinnen und Soldaten adressieren, um verfassungsfeindliche Zielsetzungen zu fördern oder das Vertrauen in die verfassungsmäßige Führung der Streitkräfte zu unterminieren.

Erforderlicher Vorsatz und Zielrichtung

Vorausgesetzt ist grundsätzlich vorsätzliches Handeln. Die Einwirkung muss auf eine verfassungsfeindliche Zielsetzung gerichtet sein. Bloßes Äußern missliebiger Meinungen genügt nicht. Entscheidend ist, ob der Zweck in der Beeinträchtigung verfassungsmäßiger Strukturen oder der Verteidigungsfähigkeit liegt und die Handlung hierfür objektiv geeignet erscheint.

Täterkreis und Adressaten

Täterinnen und Täter können alle Personen sein, die aktiv Einfluss nehmen. Adressaten sind primär Angehörige der Bundeswehr sowie Personen im Bewerbungs- oder Reservistenstatus. Handlungen gegenüber zivilen Beschäftigten können erfasst sein, wenn sie auf den militärischen Kernbereich und dessen verfassungsfeindliche Beeinflussung zielen.

Abgrenzungen und Überschneidungen

Abgrenzung zu zulässiger Kritik

Geschützt ist die Meinungsfreiheit. Kritik an Verteidigungspolitik oder am Handeln der Bundeswehr ist grundsätzlich zulässig. Unzulässig und strafbar kann es erst werden, wenn die Einwirkung auf Angehörige der Bundeswehr konkret und zielgerichtet gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist und dazu bestimmt ist, die Streitkräfte als verfassungsmäßige Institution zu schwächen.

Verhältnis zu anderen staatsschutzrechtlichen Delikten

Verfassungsfeindliche Einwirkung kann mit anderen Deliktsbereichen zusammentreffen, etwa mit Sabotage, Spionage, geheimdienstlicher Agententätigkeit, Volksverhetzung oder Verstößen gegen das Versammlungs- und Vereinsrecht. Die Einordnung richtet sich nach der konkreten Handlung und Zielrichtung; parallele oder vorrangige Strafbarkeit ist möglich.

Strafrahmen und Rechtsfolgen

Grundtatbestand und Qualifikationen

Verfassungsfeindliche Einwirkung auf die Bundeswehr ist eine Straftat. Der Strafrahmen umfasst regelmäßig Geldstrafe oder Freiheitsstrafe; bei erschwerenden Umständen können höhere Strafen vorgesehen sein. Solche Umstände können etwa vorliegen, wenn die Einwirkung durch Organisationsstrukturen getragen wird, im Ausland gesteuert erfolgt, in größerem Umfang betrieben wird oder in Zeiten besonderer äußerer Spannung erfolgt.

Versuch, Vorbereitung und Teilnahme

Der Versuch kann strafbar sein, wenn das Gesetz dies vorsieht. Auch Teilnahmehandlungen wie Anstiftung und Beihilfe sind erfasst. Vorbereitungshandlungen – etwa die Herstellung und Vorratshaltung einschlägiger Propagandamaterialien – können besonders geregelt sein, wenn sie die spätere Tat fördern sollen.

Nebenfolgen

Neben der Strafe kommen Einziehung von Tatmitteln und Tatprodukten, die Abschöpfung von Taterträgen und weitere Nebenfolgen in Betracht. Bei Soldatinnen und Soldaten können zusätzlich dienstrechtliche oder disziplinarische Maßnahmen stehen, die unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung geprüft werden.

Verfahrensbesonderheiten

Zuständigkeiten und Ermittlungsbehörden

Fälle mit besonderer Bedeutung für die staatliche Sicherheit werden häufig von spezialisierten Staatsschutzabteilungen bearbeitet. Je nach Fallkonstellation können neben den allgemeinen Strafverfolgungsbehörden auch dienstliche Stellen der Bundeswehr und der militärische Abschirmdienst im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben beteiligt sein.

Beweisanforderungen und Besonderheiten bei Online-Inhalten

Bei digitaler Einwirkung sind die Authentizität, Reichweite, Zielgruppenadressierung und Einwirkungsabsicht zentrale Beweisfragen. Erfasst werden können offene und verdeckte Kommunikationswege. Die Sicherung und Auswertung von Daten, die Zuordnung zu Personen sowie die Abgrenzung zulässiger Meinungsäußerung von strafbarer Einwirkung erfordern eine sorgfältige Würdigung des Einzelfalls.

Verfassungsrechtliche Bezüge

Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit gelten auch im sicherheitsrelevanten Bereich. Grenzen bestehen dort, wo gezielt verfassungsfeindliche Einwirkung auf verfassungsmäßige Institutionen betrieben wird. Die Gesetze versuchen, einen fairen Ausgleich zwischen individueller Freiheit und dem Schutz der demokratischen Ordnung herzustellen.

Prinzip der wehrhaften Demokratie

Die Bundesrepublik versteht sich als wehrhafte Demokratie. Dazu gehört, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu erkennen und zu unterbinden, bevor sie die Funktionsfähigkeit staatlicher Kernbereiche – wie der Bundeswehr – beeinträchtigen. Das Strafrecht dient hierbei als präventives und repressives Instrument.

Praktische Erscheinungsformen

Historische und aktuelle Kontexte

Die rechtliche Kategorie reagiert auf Erfahrungen mit gezielten Einflussnahmen auf Streitkräfte, etwa durch extremistische Organisationen, transnationale Netzwerke oder ausländische Akteure. Im digitalen Zeitalter treten zu klassischen Formen der Agitation komplexe Online-Kampagnen, Desinformation und psychologische Einflussstrategien hinzu.

Typische Fallkonstellationen

  • Systematische Ansprache von Soldatinnen und Soldaten mit dem Ziel, verfassungsfeindliche Ideologien in die Truppe zu tragen.
  • Koordinierte Kampagnen, die zur Missachtung rechtmäßiger Befehle oder zur Untergrabung der militärischen Ordnung auffordern.
  • Verdeckte Einflussnahme im Auftrag ausländischer Stellen, um die Verteidigungsfähigkeit zu schwächen.
  • Gezielte Online-Desinformation, die die verfassungsmäßige Führung der Streitkräfte delegitimieren soll.

Internationale Dimensionen

Einfluss fremder Staaten und transnationale Netzwerke

Verfassungsfeindliche Einwirkung kann grenzüberschreitend organisiert sein. Dies betrifft etwa Einflussoperationen, die von außerhalb gesteuert werden oder in internationale Strukturen eingebettet sind. Strafrechtliche Verantwortlichkeit kann auch bei Auslandsbezug bestehen, wenn Sicherheitsinteressen Deutschlands betroffen sind.

Häufige Missverständnisse

Nicht jede scharfe Kritik an der Bundeswehr erfüllt den Tatbestand. Erforderlich ist eine auf die Beeinflussung der Truppe gerichtete, gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung. Ebenso wenig genügt eine rein abstrakte, entfernte Eignung; es muss ein Bezug zur Beeinflussung von Angehörigen der Bundeswehr bestehen. Umgekehrt ist nicht erforderlich, dass eine Beeinflussung tatsächlich gelingt; maßgeblich ist die Zielrichtung und Eignung der Handlung.

Häufig gestellte Fragen

Was ist unter verfassungsfeindlicher Einwirkung auf die Bundeswehr zu verstehen?

Gemeint sind Handlungen, die gezielt darauf ausgerichtet sind, Angehörige der Bundeswehr oder ihre Strukturen gegen die verfassungsmäßige Ordnung zu beeinflussen und dadurch die Funktions- und Verteidigungsfähigkeit zu schwächen. Es geht nicht um allgemeine Kritik, sondern um eine auf die Streitkräfte gerichtete, verfassungsfeindliche Zielsetzung.

Wer kann Täterin oder Täter sein?

Grundsätzlich jede Person, die eine entsprechende Einwirkung vornimmt. Das kann einzeln oder in Gruppen geschehen, offen oder verdeckt, im Inland oder mit Auslandsbezug. Angehörige der Bundeswehr selbst können bei verfassungsfeindlicher Einflussnahme ebenso strafrechtlich verantwortlich sein und zusätzlich dienstrechtliche Konsequenzen haben.

Ist schon der Versuch strafbar?

Der Versuch kann strafbar sein, wenn das Gesetz dies vorsieht. Maßgeblich ist, ob bereits Handlungen vorgenommen wurden, die unmittelbar zur verfassungsfeindlichen Einwirkung ansetzen. Eine vollendete Beeinflussung ist nicht erforderlich, sofern das Delikt bereits das Versuchsstadium erfasst.

Wie wird zulässige Kritik von strafbarer Einwirkung abgegrenzt?

Zulässig ist die sachliche und politische Kritik an der Bundeswehr oder der Verteidigungspolitik. Strafbar können Handlungen werden, wenn sie spezifisch auf Angehörige der Bundeswehr zielen, objektiv zur Unterminierung der verfassungsmäßigen Ordnung geeignet sind und eine entsprechende verfassungsfeindliche Zielrichtung erkennen lassen.

Welche Rolle spielt die digitale Kommunikation?

Digitale Kanäle ermöglichen zielgerichtete und verdeckte Einflussnahmen, etwa durch Desinformation, koordiniertes Verhalten in sozialen Medien oder verdeckte Ansprache von Soldatinnen und Soldaten. Solche Handlungen können den Tatbestand erfüllen, wenn sie die beschriebenen Voraussetzungen aufweisen.

Welche Konsequenzen drohen?

Vorgesehen sind Strafandrohungen von Geld- bis Freiheitsstrafe, abhängig von Art, Umfang und Schwere der Tat. Hinzukommen können Nebenfolgen wie die Einziehung von Propagandamaterialien. Für Angehörige der Bundeswehr sind zusätzlich dienst- oder disziplinarrechtliche Maßnahmen möglich.

Wer ermittelt bei entsprechenden Verdachtsfällen?

Zuständig sind die Strafverfolgungsbehörden, häufig in spezialisierten Staatsschutzabteilungen. Je nach Lage können Sicherheits- und Nachrichtendienste sowie militärische Stellen im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten einbezogen sein.

Reicht die Verbreitung einer extremen politischen Meinung aus?

Allein das Äußern einer extremen Meinung erfüllt den Tatbestand nicht. Erforderlich ist eine konkrete, auf die Bundeswehr gerichtete Einwirkung mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung und Eignung, die verfassungsmäßige Ordnung oder Verteidigungsfähigkeit zu beeinträchtigen.