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Vereinbarung


Begriff und Wesen der Vereinbarung im Recht

Die Vereinbarung stellt einen grundlegenden Begriff im deutschen Recht dar und bezeichnet eine gemeinsam getroffene Willenserklärung mehrerer Parteien, die eine rechtliche Regelung eines bestimmten Sachverhalts anstreben. Sie bildet die Basis vieler Rechtsgeschäfte und Vertragsarten. In der rechtlichen Praxis ist die Vereinbarung sowohl im Zivilrecht als auch im öffentlichen Recht von zentraler Bedeutung.

Vereinbarung im Zivilrecht

Definition und Abgrenzung

Im zivilrechtlichen Sinne ist eine Vereinbarung das Ergebnis übereinstimmender Willenserklärungen (Konsens) mindestens zweier Parteien, mit dem Inhalt, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen oder zu unterlassen. Vereinbarungen können sowohl verpflichtenden als auch gestaltenden Charakter haben und sind von einseitigen Rechtsgeschäften abzugrenzen, bei denen nur eine Partei eine rechtserhebliche Willenserklärung abgibt.

Formen der Vereinbarung

Vertrag als Unterfall der Vereinbarung

Die gängigste und bedeutendste Form der Vereinbarung ist der Vertrag (§ 311 BGB). Neben Verträgen gibt es weitere Vereinbarungen, wie beispielsweise Vergleiche (§ 779 BGB), Aufhebungs- oder Änderungsvereinbarungen.

Einseitig verpflichtende und zweiseitig verpflichtende Vereinbarungen

Vereinbarungen können einseitig oder zweiseitig verpflichtend ausgestaltet werden, je nachdem, ob nur eine oder beide Parteien Verpflichtungen eingehen.

Konsensualvereinbarungen und Realvereinbarungen

Eine Vereinbarung kann bereits mit dem bloßen Konsens (Willenserklärungen) wirksam werden (Konsensualvereinbarung) oder aber erst mit tatsächlicher Ausführung, z. B. durch Übergabe einer Sache (Realvereinbarung).

Voraussetzungen und Wirksamkeit

Wirksame Willenserklärungen

Die Wirksamkeit einer Vereinbarung setzt voraus, dass alle Parteien voll geschäftsfähig und einig über den wesentlichen Inhalt sind. Fehlt ein rechtlicher Konsens, liegt keine Vereinbarung vor.

Formvorschriften

Je nach Regelungsgegenstand können besondere Formerfordernisse bestehen, z. B. Schriftform (§ 126 BGB) oder notarielle Beurkundung (§ 311b BGB), deren Nichtbeachtung zur Nichtigkeit führen kann.

Zulässigkeit und Inhaltskontrolle

Eine Vereinbarung muss sich im rechtlich zulässigen Rahmen bewegen (Verbotenes, Sittenwidriges nach § 134, § 138 BGB sind nichtig). Im Bürgerlichen Gesetzbuch bestehen zudem Vorschriften zur Inhaltskontrolle, insbesondere im Bereich der AGB (§§ 305 ff. BGB).

Typische Anwendungsfälle

  • Vergleich: Beendigung eines Streits durch gegenseitiges Nachgeben (§ 779 BGB)
  • Schuldumschaffung (Novation): Ersetzung einer bestehenden durch eine neue Verpflichtung
  • Auflösungsvereinbarung: Beendigung bestehender vertraglicher Beziehungen durch einvernehmliche Vereinbarung
  • Dauerschuldverhältnisse: Änderungen bedürfen regelmäßig einer Vereinbarung beider Parteien

Vereinbarung im öffentlichen Recht

Verwaltungsvertrag

Im öffentlichen Recht können Vereinbarungen in Form sogenannter öffentlich-rechtlicher Verträge (§ 54 VwVfG) geschlossen werden. Sie dienen der Gestaltung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses und können in Form des Austauschvertrags (§ 55 VwVfG), des subordinationsrechtlichen Vertrags (§ 56 VwVfG) oder als Kooperationsvereinbarung ausgestaltet sein.

Grenzen öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen

Öffentlich-rechtliche Vereinbarungen unterliegen dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dürfen nicht gegen zwingendes Recht verstoßen. Eine Übertragung hoheitlicher Rechte auf private Dritte ist innerhalb strenger Grenzen möglich.

Unterschied zu einseitigen Rechtsgeschäften

Eine Vereinbarung setzt zwingend übereinstimmende Erklärungen mehrerer Parteien voraus. Sie ist daher abzugrenzen von einseitigen Rechtsgeschäften, wie Testament, Kündigung oder Auslobung, bei denen nur eine Partei handelt.

Vereinbarung und Schweigen

Grundsätzlich gilt Schweigen im Rechtsverkehr nicht als Zustimmung zu einer Vereinbarung. Nur in bestimmten gesetzlich geregelten Fällen oder bei entsprechenden Verkehrsgewohnheiten kann Schweigen rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommen.

Beendigung und Änderung von Vereinbarungen

Die Änderung oder Aufhebung einer Vereinbarung ist in der Regel nur im gegenseitigen Einvernehmen möglich. Gesetzliche Ausnahmen wie Rücktritt, Anfechtung oder Kündigung bestehen bei Störungen des Vertragsverhältnisses.

Vereinbarung mit aufschiebender oder auflösender Bedingung

Die Parteien können vereinbaren, dass die Wirksamkeit ihrer Regelung von dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhängig gemacht wird (Bedingung, § 158 BGB). Dadurch kann die Vereinbarung aufschiebend oder auflösend gestaltet sein.

Internationale Vereinbarungen

Im internationalen Kontext meint der Begriff Vereinbarung häufig ein Abkommen zwischen Staaten (Völkerrecht), das bestimmte rechtliche oder politische Beziehungen regelt.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, aktuelle Auflage
  • MüKoBGB, Großkommentar zum BGB

Der Begriff der Vereinbarung ist vielseitig und prägt die rechtliche Vertragsgestaltung in vielfältiger Weise. Die genaue Einordnung und Gestaltung einer Vereinbarung hängt maßgeblich von ihrem Regelungsgegenstand, dem Parteiwillen und den rechtlichen Vorgaben ab.

Häufig gestellte Fragen

Welche Formerfordernisse gelten bei der Vereinbarung zwischen Vertragsparteien?

Ob und welche Form eine Vereinbarung einhalten muss, richtet sich im deutschen Recht grundsätzlich nach dem jeweiligen gesetzlichen Kontext. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) besteht der Grundsatz der Formfreiheit (§ 125 BGB): Eine Vereinbarung ist demnach auch mündlich oder durch schlüssiges Handeln (konkludent) möglich, sofern das Gesetz oder die Parteien nicht eine besondere Form (z. B. Schriftform, notarielle Beurkundung) verlangen. Bestimmte Arten von Vereinbarungen, wie etwa Grundstückskaufverträge (§ 311b BGB) oder Eheverträge (§ 1410 BGB), sind aus Gründen des Schutzes oder der Beweissicherung zwingend formbedürftig und müssen vor einem Notar beurkundet werden. Wird eine gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten, ist die Vereinbarung grundsätzlich nichtig (§ 125 Satz 1 BGB). Die Parteien können auch freiwillig eine Form (z. B. schriftlich) vereinbaren, wobei in diesem Fall bei Nichteinhaltung keine gesetzliche, sondern nur eine vertragliche Unwirksamkeit droht. Im Geschäftsverkehr empfiehlt es sich aus Gründen der Beweisführung allerdings stets, Abreden zumindest schriftlich zu fixieren.

Wann ist eine Vereinbarung rechtlich bindend?

Eine Vereinbarung ist rechtlich bindend, sobald die wesentlichen Voraussetzungen eines Vertrages, nämlich Angebot (Antrag) und Annahme (§§ 145 ff. BGB), sowie die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten (§§ 104 ff. BGB) vorliegen. Dazu müssen sich die Parteien über die wesentlichen Vertragsinhalte („essentialia negotii“) einig sein, z.B. beim Kaufvertrag über Kaufgegenstand und Preis. In der Regel gilt eine Vereinbarung als abgeschlossen, wenn beide Seiten sich über das Zustandekommen einig sind, was im Einzelfall auch konkludent geschehen kann. Rechtlich relevante Hindernisse wie Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) oder Gesetzesverstöße (§ 134 BGB) können eine Vereinbarung jedoch nichtig werden lassen. Von besonderer Bedeutung ist, dass unverbindliche Absichtserklärungen („Letter of Intent“) rechtlich nicht bindend sind, sofern aus dem Wortlaut und dem Willen der Parteien keine Bindungswirkung hervorgeht.

Welche rechtlichen Folgen hat eine unwirksame Vereinbarung?

Eine unwirksame Vereinbarung entfaltet grundsätzlich keine rechtlichen Wirkungen, d.h. die vereinbarten Rechte und Pflichten entstehen nicht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn gesetzliche Formerfordernisse missachtet werden (§ 125 BGB), ein gesetzliches Verbot verletzt wird (§ 134 BGB), oder der Vereinbarungsinhalt sittenwidrig ist (§ 138 BGB). Hat eine Leistung bereits aufgrund einer unwirksamen Vereinbarung stattgefunden, kann unter Umständen ein sogenannter Rückgewähranspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) bestehen, sofern keine andere spezielle Regelung greift. In Ausnahmen kann eine sogenannte „Umdeutung“ (§ 140 BGB) in einen wirksamen Vertrag möglich sein, wenn die Parteien dies gewollt hätten und dies nach dem Sinn und Zweck der Regeln zulässig ist.

Wie unterscheidet sich eine Individualvertragliche Vereinbarung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen?

Eine individualvertragliche Vereinbarung wird im Gegensatz zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zwischen den Vertragsparteien im Einzelfall individuell ausgehandelt. AGB sind dagegen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Partei zur Verwendung für eine Vielzahl von Verträgen stellt (§ 305 BGB) und die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurden. Aus rechtlicher Sicht unterliegen AGB einer speziellen Inhaltskontrolle (§§ 307-309 BGB), die unangemessene Benachteiligungen verbietet. Individualvereinbarungen haben grundsätzlich Vorrang vor AGB (§ 305b BGB), sie können also AGB ergänzen oder ihnen widersprechen. In Streitfällen ist entscheidend, ob tatsächlich eine Individualabrede getroffen wurde; dies muss im Zweifel bewiesen werden.

Inwieweit ist eine mündliche Vereinbarung gerichtlich durchsetzbar?

Mündliche Vereinbarungen sind, sofern kein Formerfordernis besteht, grundsätzlich ebenso rechtsverbindlich wie schriftliche Vereinbarungen. Ihre gerichtliche Durchsetzbarkeit ist jedoch häufig mit Beweisschwierigkeiten verbunden, da im Streitfall die Existenz und der Inhalt der Abrede vom Kläger zu beweisen sind. Der Beweis kann durch Zeugen, Sachverständige oder andere Indizien geführt werden, wobei es keinen Vorrang schriftlicher Dokumente gibt, diese jedoch regelmäßig die beweissicherste Form darstellen. Fehlt der Beweis, kann der Prozess auch bei tatsächlich getroffener Vereinbarung erfolglos bleiben. Es empfiehlt sich daher stets, wesentliche Vereinbarungen schriftlich zu fixieren.

Können Vereinbarungen einvernehmlich geändert oder aufgehoben werden?

Vereinbarungen können jederzeit durch übereinstimmenden Willen der beteiligten Parteien – also durch eine weitere Vereinbarung – geändert („Abänderungsvereinbarung“, „Nachtrag“) oder aufgehoben werden („Aufhebungsvertrag“). Auch für diese vertraglichen Abreden gelten die gleichen Formerfordernisse wie für die ursprüngliche Vereinbarung: Ist diese formgebunden, muss auch die Änderung oder Aufhebung in der vorgeschriebenen Form erfolgen (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB, „Formzwang“). Ohne Einhaltung dieser Form sind Änderungen oder die Aufhebung unwirksam. Im Arbeitsrecht und Mietrecht existieren zudem spezielle Vorschriften über Änderungen und Aufhebungen von Verträgen, die zu beachten sind.

Welche Bedeutung hat der „Vertragszweck“ bei der Auslegung von Vereinbarungen?

Bei der Auslegung von Vereinbarungen ist der Vertragszweck von zentraler rechtlicher Bedeutung. Nach §§ 133, 157 BGB sind bei der Interpretation von Vereinbarungen primär der wirkliche Wille der Parteien und der Vertragszweck zu berücksichtigen, nicht allein der buchstäbliche Wortlaut. Steht der Vertragszweck eindeutig fest, sind Vereinbarungen so auszulegen, wie treue Vertragspartner sie nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen müssen. Im Streitfall entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Insbesondere wenn Regelungslücken bestehen, hilft die Orientierung am Vertragszweck, die tatsächlichen Interessen der Parteien zu ermitteln und gegebenenfalls ergänzende Auslegungen vorzunehmen.