Begriff und Definition der falschen Verdächtigung
Die falsche Verdächtigung ist ein Straftatbestand im deutschen Strafrecht und bezeichnet das schuldhafte Behaupten oder Verbreiten unwahrer Tatsachen über eine Person, durch das diese verdächtigt wird, eine rechtswidrige Tat begangen zu haben oder einer behördlichen Maßnahme unterworfen zu werden. Ziel und Wirkung der falschen Verdächtigung ist die Herbeiführung eines behördlichen Verfahrens gegen eine unschuldige Person.
Die falsche Verdächtigung ist in Deutschland insbesondere durch § 164 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Dieser Paragraph dient dem Schutz des Einzelnen vor ungerechtfertigten strafrechtlichen, ordnungswidrigkeitsrechtlichen oder disziplinarrechtlichen Nachteilen.
Gesetzliche Regelung und Merkmale
Tatbestand gemäß § 164 StGB
Nach § 164 Absatz 1 StGB macht sich strafbar, wer:
„… wider besseres Wissen einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung von Dienstpflichten verdächtigt oder eine solche Verdächtigung wider besseres Wissen behauptet oder verbreitet, sofern dadurch behördliche Maßnahmen oder andere einschneidende Folgen für den Betroffenen ausgelöst werden können.“
Objektive Tatbestandsmerkmale
1. Verdächtigung
Verdächtigung im juristischen Sinne bedeutet, dass jemand durch eine Tatsachenmitteilung oder -behauptung die Aufmerksamkeit der Ermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden auf eine andere Person lenkt, so dass gegen diese Ermittlungen eingeleitet werden könnten.
2. Falsche Tatsache
Ausgangspunkt ist die Unwahrheit der behaupteten oder verbreiteten Tatsache. Die Tatsache muss objektiv falsch sein. Die bloße Meinungsäußerung genügt nicht.
3. Behördenbezug
Die Verdächtigung muss gegenüber einer Behörde (wie Polizei, Staatsanwaltschaft, Verwaltungsbehörde) oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen befugten Amtsträger (zum Beispiel Polizist im Außendienst) erfolgen.
4. Verdächtigung schwerer Art
Die falsche Verdächtigung bezieht sich auf:
- Eine rechtswidrige Straftat
- Eine Ordnungswidrigkeit
- Einen Dienstverstoß, der disziplinarrechtlich verfolgt werden kann
Subjektive Tatbestandsmerkmale
1. Vorsatz und Wissentlichkeit
Die handelnde Person muss wider besseres Wissen, das heißt bewusst wahrheitswidrig, handeln. Fahrlässigkeit reicht zur Strafbarkeit nicht aus. Täter muss also genau wissen, dass die von ihm angezeigte oder verbreitete Tatsache nicht der Wahrheit entspricht.
2. Absicht einer behördlichen Reaktion
Es ist nicht erforderlich, dass die Anzeige tatsächlich zu einer Maßnahme (zum Beispiel Strafverfahren) führt. Der Zweck des Gesetzes ist bereits dann berührt, wenn es möglich ist, dass ein behördliches Verfahren eingeleitet wird.
Abgrenzung zu anderen Strafdelikten
Unterschied: Vortäuschung einer Straftat (§ 145d StGB)
Die Vortäuschung einer Straftat und die falsche Verdächtigung sind eng verwandt, unterscheiden sich jedoch deutlich. Während bei der Vortäuschung einer Straftat ein nicht existierendes Delikt insgesamt angezeigt wird, wird bei der falschen Verdächtigung eine tatsächlich vorhandene oder auch gar nicht begangene Straftat einem Unbeteiligten fälschlich untergeschoben.
Unterschied: Verleumdung (§ 187 StGB)
Verleumdung betrifft das Herabsetzen des Rufs einer Person durch wissentlich falsche Tatsachen. Bei der falschen Verdächtigung steht jedoch die behördliche Reaktion beziehungsweise das Auslösen eines Verfahrens im Mittelpunkt, nicht die bloße öffentliche Diffamierung.
Strafrahmen und Rechtsfolgen
Strafandrohung (§ 164 StGB)
Die falsche Verdächtigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen – beispielsweise wenn durch die Anzeige jemand tatsächlich rechtswidrig inhaftiert wird – kann die Strafe höher ausfallen.
Versuch
Der Versuch der falschen Verdächtigung ist ebenfalls nach deutschem Recht strafbar.
Mögliche Tathandlungen und Beispiele
Tathandlungen im Sinne des § 164 StGB können verschiedene Formen annehmen. Beispiele sind:
- Die Anzeige eines Diebstahls bei der Polizei, von dem man weiß, dass er nicht stattgefunden hat, und dabei eine andere Person als Täter benennt.
- Die schriftliche Beschuldigung eines Kollegen beim Arbeitgeber, er habe betriebliche Vorschriften absichtlich verletzt, obwohl dies nicht zutrifft.
- Die Behauptung bei der Kfz-Zulassungsstelle, dass ein Bekannter einen Autounfall mit Fahrerflucht begangen habe, wider besseren Wissens.
Prozessuale Besonderheiten
Anzeige und Strafverfolgung
Die Strafverfolgung der falschen Verdächtigung erfolgt von Amts wegen (Offizialdelikt). Eine Anzeige durch den Geschädigten ist nicht erforderlich, jedoch häufig Ausgangspunkt entsprechender Verfahren.
Beweisproblematik
In Gerichtsverfahren zur falschen Verdächtigung spielt die Rekonstruktion des wahren Sachverhaltes eine erhebliche Rolle. Die Staatsanwaltschaft muss nachweisen, dass der Täter vorsätzlich und wider besseren Wissens gehandelt und eine objektiv falsche Tatsache behauptet oder verbreitet hat.
Deliktsschutz und Rechtsgüter
Die falsche Verdächtigung schützt in erster Linie das Interesse des Einzelnen, nicht zu Unrecht in einen behördlichen Prozess oder ein Strafverfahren verwickelt zu werden. Daneben wird das Funktionieren der Strafjustiz und anderer behördlicher Verfahren vor Falschinformationen geschützt.
Verhältnis zur zivilrechtlichen Verantwortlichkeit
Neben den strafrechtlichen Folgen kann eine falsche Verdächtigung auch zivilrechtliche Ansprüche, insbesondere auf Schadensersatz und Unterlassung, auslösen. Der zu Unrecht Verdächtigte kann etwa für entstandene Vermögensschäden oder für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen Ersatz verlangen.
Praktische Bedeutung und Prävention
Falsche Verdächtigungen kommen in unterschiedlichen Lebensbereichen vor, etwa im privaten, beruflichen oder öffentlichen Zusammenhang. Solche Behauptungen können das Leben der zu Unrecht beschuldigten Person erheblich beeinträchtigen.
Die Rechtsordnung sieht bewusst strenge Voraussetzungen und hohe Strafen für die falsche Verdächtigung vor, um Missbrauch und Denunziantentum zu verhindern.
Fazit
Die falsche Verdächtigung ist ein gewichtiger Straftatbestand im deutschen Recht, der sowohl das Freiheitsinteresse des Individuums als auch die Integrität staatlicher Verfahren schützt. Die strenge Sanktionierung soll verhindern, dass unschuldige Menschen zu Unrecht in das Visier von Behörden geraten oder strafrechtlich verfolgt werden. Wer wider besseren Wissens Anzeige erstattet oder fälschlich Vorwürfe erhebt, macht sich unter Umständen strafbar und muss mit empfindlichen rechtlichen Konsequenzen rechnen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Folgen kann eine falsche Verdächtigung für die beschuldigte Person haben?
Bei einer falschen Verdächtigung kann die beschuldigte Person erheblichen rechtlichen und persönlichen Schaden erleiden. Rechtlich gesehen kann bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu Belastungen führen, selbst wenn die Ermittlungen später eingestellt werden. Die Person muss unter Umständen polizeiliche Maßnahmen wie Vernehmungen, Hausdurchsuchungen oder sogar Untersuchungshaft erdulden. Es besteht zudem die Gefahr, dass bei einer Anklageerhebung ein Strafverfahren durchgeführt wird, was mit finanziellen Belastungen, Stigmatisierung und weiteren Nachteilen – etwa für den Beruf – verbunden ist. Wird die falsche Verdächtigung nicht aufgedeckt, droht im schlimmsten Fall eine Verurteilung zu einer Strafe, obwohl die beschuldigte Person unschuldig ist.
Wie kann sich jemand gegen eine falsche Verdächtigung rechtlich zur Wehr setzen?
Wer zu Unrecht verdächtigt oder angezeigt wird, hat diverse rechtliche Möglichkeiten, sich zu schützen und gegen die falsche Verdächtigung vorzugehen. Zunächst besteht das Recht, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen, der Akteneinsicht beantragen und geeignete Verteidigungsstrategien entwickeln kann. Es ist ratsam, schweigen zu dürfen und keine Angaben zur Sache zu machen, bevor keine anwaltliche Beratung erfolgte. Kann belegt werden, dass die Angaben des Verdächtigenden unwahr sind, kann Anzeige wegen falscher Verdächtigung (§ 164 StGB) bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft erstattet werden. Nach Abschluss des Strafverfahrens steht auch ein Weg über zivilrechtliche Ansprüche, beispielsweise auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, offen.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Falsche Verdächtigung strafbar ist?
Eine strafbare falsche Verdächtigung setzt nach § 164 StGB voraus, dass jemand einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger bewusst und wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder einer Ordnungswidrigkeit beschuldigt, obwohl dieser unschuldig ist. Der Täter muss dabei vorsätzlich handeln, also wissen, dass der Verdächtigte die betreffende Tat nicht begangen hat. Es reicht nicht aus, wenn lediglich ein vager Verdacht geäußert oder versehentlich eine falsche Aussage gemacht wird, sofern keine Absicht zur Verleumdung besteht. Auch bleibt die Strafbarkeit unabhängig davon bestehen, ob tatsächlich ein Strafverfahren eingeleitet wird.
Was unterscheidet die falsche Verdächtigung von der üblen Nachrede oder Verleumdung?
Im Unterschied zur falschen Verdächtigung, bei der eine Information gezielt an Behörden weitergegeben wird, richten sich üble Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) an Dritte und müssen nicht behördlich geäußert werden. Die falsche Verdächtigung ist ausschließlich dann relevant, wenn eine staatliche Stelle bewusst mit falschen Tatsachen belastet wird. Für die Verleumdung wiederum ist erforderlich, dass ehrenrührige Tatsachen verbreitet werden, die nachweislich unwahr sind, unabhängig davon, ob Behörden beteiligt sind. So kann eine falsche Verdächtigung gleichzeitig auch eine Verleumdung darstellen, wenn die Tathandlung öffentlich erfolgt.
Welche Strafen drohen im Falle einer falschen Verdächtigung?
Wird jemand wegen einer falschen Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 1 StGB verurteilt, droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. In besonders schweren Fällen, beispielsweise wenn die falsche Verdächtigung zu einer Freiheitsstrafe gegen den zu Unrecht Beschuldigten führt, kann das Strafmaß erhöht werden. Die Gerichte berücksichtigen bei der Strafzumessung insbesondere das Ausmaß des verursachten Schadens, die Beweggründe des Täters und ob der Täter geständig ist oder Reue zeigt.
Kann eine falsche Verdächtigung auch zivilrechtliche Konsequenzen haben?
Neben den strafrechtlichen Folgen kann eine falsche Verdächtigung auch weitreichende zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die zu Unrecht beschuldigte Person hat die Möglichkeit, vor Zivilgerichten auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens zu klagen. Dazu können Kosten für die Verteidigung, Verdienstausfall, Schäden durch Rufschädigung oder Schmerzensgeld zählen. Die Durchsetzung solcher Ansprüche setzt einen belegbaren Schaden und das Verschulden des Täters voraus. Das Zivilgericht prüft unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens, ob die Anspruchsvoraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind.
Unter welchen Umständen verjähren Ansprüche aus falscher Verdächtigung?
Strafansprüche wegen falscher Verdächtigung verjähren grundsätzlich gemäß dem einschlägigen Strafrahmen, in der Regel nach fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB), solange nicht besondere Hemmungs- oder Unterbrechungstatbestände vorliegen. Zivilrechtlich richtet sich die Verjährung nach § 195 BGB meist auf drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, wobei auch hier Unterbrechungen durch Rechtsverfolgung möglich sind. Es empfiehlt sich, frühzeitig rechtliche Schritte einzuleiten, da eine Verjährung den Anspruch auf Strafverfolgung oder Schadensersatz vollständig ausschließen kann.