Begriff und Wesen der Verbriefung
Verbriefung (englisch: Securitization) bezeichnet in Wirtschafts- und Finanzrecht die Umwandlung von nicht handelbaren Vermögenswerten oder Zahlungsansprüchen in handelbare Wertpapiere. Ziel der Verbriefung ist es, durch die Bündelung und Strukturierung von Zahlungsströmen Liquidität zu generieren sowie Risiken zu transferieren. Typische Ausgangsaktiva für Verbriefungstransaktionen sind Forderungen aus Kreditvergaben, Leasingverträgen, Hypotheken oder ähnlichen Zahlungsansprüchen.
Durch die Schaffung handelbarer Wertpapiere wird Kapital für Kreditinstitute, Versicherungen oder Unternehmen freigesetzt und das Risiko auf Investoren am Kapitalmarkt übertragen. In Deutschland und auf europäischer Ebene regeln vor allem aufsichtsrechtliche sowie kapitalmarktrechtliche Normen die Durchführung der Verbriefung.
Rechtliche Grundlagen
Zivilrechtliche Struktur
Zivilrechtlich wird der Prozess der Verbriefung in mehreren Schritten organisiert:
- Ursprünglicher Forderungsinhaber (Originator): Ein Unternehmen oder ein Kreditinstitut bringt Forderungen (z. B. aus Kreditverträgen) in den Verbriefungsprozess ein.
- Spezialgesellschaft (Special Purpose Vehicle, SPV): Die Forderungen werden auf eine eigens zu diesem Zweck gegründete Zweckgesellschaft übertragen.
- Emission von Wertpapieren: Die Spezialgesellschaft finanziert den Erwerb der Forderungen durch die Ausgabe von Wertpapieren (z. B. Asset-Backed Securities, kurz ABS), welche am Kapitalmarkt platziert werden.
Im deutschen Recht erfolgt die Übertragung der Forderungen meist durch eine Forderungsabtretung (§§ 398 ff. BGB). Die Zweckgesellschaft tritt als neues wirtschaftliches Bindeglied zwischen Originator und Investor auf.
Gesellschafts- und steuerrechtliche Einflüsse
Die Wahl und Ausgestaltung der Zweckgesellschaft ist wesentlich von gesellschafts- und steuerrechtlichen Überlegungen geprägt. Die Zweckgesellschaft dient der Insolvenzferne („true sale“) sowie der Abschirmung der übertragenen Forderungen von der Insolvenzmasse des Originators.
In steuerlicher Hinsicht ist darauf zu achten, dass keine steuerliche Organschaft oder Betriebsstätte im Inland begründet wird, sofern dies nachteilige steuerliche Konsequenzen auslösen könnte.
Aufsichtsrechtliche Regelungen
Europäische Rahmenbedingungen
Im Bereich der Verbriefung gelten in der Europäischen Union insbesondere die Verbriefungsverordnung (VO (EU) 2017/2402) sowie Regelungen aus dem Bankenaufsichtsrecht (u.a. CRR, Capital Requirements Regulation). Diese Normen schreiben Anforderungen für Struktur, Transparenz und Risikobetrachtung von Verbriefungstransaktionen vor.
Transparenzanforderungen
Die Verbriefungsverordnung sieht weitreichende Verpflichtungen zu Offenlegung und Transparenz vor. Emittenten müssen detaillierte Informationen über die Portfoliostruktur, die Forderungen, Risiken und die dahinter liegenden Prozesse bereitstellen. Zudem existieren spezifische Vorgaben zur laufenden Berichterstattung gegenüber Investoren und Aufsichtsbehörden.
Risikobeibehaltung („Risk Retention“)
Nach geltendem EU-Recht muss der Originator oder ein anderer definierter Akteur einen bestimmten Anteil des Kreditrisikos (mindestens fünf Prozent) an der Verbriefungsstruktur dauerhaft behalten. Dies soll Interessenskonflikte vermeiden und Anreize zu verantwortungsvoller Vergabepraxis fördern.
Weitere aufsichtsrechtliche Pflichten
Finanzdienstleister, die in Verbriefungstransaktionen involviert sind oder entsprechende Wertpapiere erwerben, unterliegen umfangreichen Prüfungs- und Kontrollpflichten. Sie müssen im Rahmen ihrer Risikosteuerung sicherstellen, dass sie die Komplexität und Risiken der erworbenen verbrieften Papiere angemessen verstehen und berücksichtigen.
Kapitalmarktrechtliche Aspekte
Prospekt- und Mitteilungspflichten
Die Emission von Wertpapieren im Rahmen einer Verbriefung unterliegt grundsätzlich den Regelungen des Wertpapierprospektgesetzes sowie der Prospektverordnung der EU. Emittenten müssen einheitliche und umfangreiche Informationen zur Verfügung stellen, damit Anleger fundierte Investitionsentscheidungen treffen können.
Handelbarkeit und Zulassung
Verbriefte Wertpapiere müssen häufig bestimmten Voraussetzungen genügen, um zum Handel an regulierten Märkten zugelassen zu werden. Zudem regelt das Wertpapierhandelsgesetz Melde- und Transparenzpflichten bezüglich der Emission und des Handels mit verbrieften Wertpapieren.
Insolvenzrechtliche Implikationen der Verbriefung
Die Strukturierung der Verbriefung zielt gezielt darauf ab, eine „echte“ Forderungsübertragung (true sale) zu gewährleisten. So werden die übertragenen Forderungen im Insolvenzfall des Originators nicht dessen Insolvenzmasse zugerechnet, sondern stehen ausschließlich der Zweckgesellschaft und damit den Wertpapiergläubigern zur Verfügung. Misslingt diese Abgrenzung, spricht man von „unechter“ Verbriefung, mit nachteiligen Folgen für Gläubiger.
Datenschutzrechtliche Anforderungen
Insbesondere bei der Übertragung von Konsumentenforderungen sind die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einzuhalten. Dabei ist sicherzustellen, dass die Weitergabe personenbezogener Daten im Rahmen der Verbriefung stets auf einer zureichenden rechtlichen Grundlage erfolgt und der Datenschutz nicht verletzt wird.
Risiken und Rechtsschutz
Typische Risiken
- Kreditrisiko: Das Ausfallrisiko der unterliegenden Vermögenswerte bleibt wirtschaftlich bestehen.
- Trennungsrisiko: Fehlerhafte rechtliche und tatsächliche Abgrenzung der Forderungen im Insolvenzfall des Originators.
- Marktrisiko: Schwankungen in den Märkten können den Wert der verbrieften Wertpapiere beeinflussen.
- Rechtsrisiko: Unklare oder uneinheitliche rechtliche Rahmenbedingungen können zu Unsicherheiten führen.
Rechtsschutzmöglichkeiten
Investoren und Beteiligte können im Streitfall zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz, Rückabwicklung oder andere Rechtsbehelfe geltend machen. Die im Prospekt gemachten Angaben sind insoweit maßgeblich für eine Haftung im Schadensfall nach Prospektrecht.
Bedeutung und Zusammenfassung
Verbriefung ist ein bedeutendes Instrument für die Kapitalbeschaffung und Risikosteuerung am Finanzmarkt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa sind vielschichtig und verbinden Zivil-, Gesellschafts-, Steuer-, Aufsichts- und Kapitalmarktrecht zu einem umfassenden Regelwerk. Die ordnungsgemäße Strukturierung, Einhaltung aller Informations- und Transparenzpflichten sowie Beachtung insolvenz- und datenschutzrechtlicher Vorgaben sind zentrale Erfolgsfaktoren für rechtssichere Verbriefungstransaktionen.
Häufig gestellte Fragen
Inwieweit unterliegt die Verbriefung der aufsichtsrechtlichen Regulierung?
Die Verbriefung unterliegt in Deutschland und der Europäischen Union umfassenden aufsichtsrechtlichen Regelungen. Maßgeblich sind insbesondere die Verordnung (EU) 2017/2402 („Securitisation Regulation“) sowie spezifische Vorgaben nach dem Kreditwesengesetz (KWG) und der Kapitaladäquanzverordnung (CRR). Die Verordnung sieht strenge Anforderungen hinsichtlich Transparenz, Risikoverbleib und Due-Diligence-Prüfungen vor. Originatoren und Sponsoren müssen unter anderem bestimmte Risikorückbehalte (mindestens 5 %) nachweisen und umfangreiche Informationen über Struktur, Underlyings und Risiken offenlegen. Auch institutionelle Investoren sind verpflichtet, eigene Prüfungen hinsichtlich der Einhaltung dieser Pflichten durchzuführen. Zudem besteht Meldepflicht gegenüber Aufsichtsbehörden wie der BaFin oder der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Verstöße gegen diese aufsichtsrechtlichen Anforderungen können zu Sanktionen, etwa Bußgeldern oder Vertriebsbeschränkungen, führen.
Welche zivilrechtlichen Verträge werden bei einer Verbriefung abgeschlossen?
Im Rahmen einer Verbriefung kommt es zur Strukturierung und zum Abschluss mehrerer zivilrechtlicher Verträge. Zunächst wird zwischen dem sogenannten Originator, also dem ursprünglichen Forderungsinhaber, und einem speziell gegründeten Zweckvehikel (Special Purpose Vehicle, SPV) ein Forderungskaufvertrag abgeschlossen, durch den die zu verbrieften Forderungen auf das SPV übertragen werden. Ergänzend dazu wird vielfach ein Servicing Agreement errichtet, in dem geregelt wird, dass der Originator oder ein Dritter weiterhin das Forderungsmanagement (Einzug, Verwaltung, Inkasso) übernimmt. Darüber hinaus sind Treuhandverträge, Garantieverträge, Sicherheitenverträge (beispielsweise Übertragungen von Sicherheiten an das SPV oder einen Treuhänder) sowie Emissionsverträge zwischen dem SPV und Investoren, Banken oder arrangierenden Konsortien üblich. Jede dieser Vertragsarten ist rechtlich fundiert auszugestalten, um zum Beispiel etwaige Anfechtungs- und Rückabwicklungsrisiken zu minimieren und die Anforderungen an die True-Sale-Bedingungen zu erfüllen.
Welche insolvenzrechtlichen Risiken bestehen bei der Verbriefung und wie werden sie minimiert?
Ein zentrales Ziel der Verbriefung ist die Insolvenzferne des Zweckvehikels (SPV) und die Abschirmung der verbrieften Vermögenswerte von einer Insolvenz des Originators. Dazu müssen die Forderungen im Rahmen eines sogenannten True Sale wirksam und endgültig auf das SPV übertragen werden. Nur so scheiden sie aus der Insolvenzmasse des Originators aus. Es ist rechtlich entscheidend, dass keine wirtschaftliche Rückbindung der Forderungen an den Originator besteht (kein wirtschaftliches Eigentum oder faktische Kontrolle). Im Zuge der Vertragsgestaltung sind Anfechtungs- und Rückgewährrechte auszuschließen. Zur Minimierung der Insolvenzrisiken des SPV wird dieses als eigenständige Gesellschaft ohne operative Tätigkeit gegründet, häufig in einer für Insolvenzschutz ausgelegten Rechtsform (z. B. GmbH, GmbH & Co. KG mit besonderen Gesellschafterstrukturen). Zudem sind im Gesellschaftsvertrag Klauseln zur Einschränkung der Aufnahme neuer Verbindlichkeiten üblich.
Welche Pflichten zur Offenlegung und Transparenz bestehen im Rahmen einer Verbriefung?
Gemäß der Securitisation Regulation und ergänzenden nationalen Vorschriften bestehen umfassende Offenlegungs- und Transparenzpflichten. Diese richten sich an Originatoren, Sponsoren und das SPV. Zu den Pflichten gehören unter anderem die Bereitstellung umfangreicher Daten zu den Underlyings, zur Transaktionsstruktur und zu bestehenden Risiken an Investoren und Aufsichtsbehörden, und zwar vor, während und nach der Emission der Wertpapiere. Es müssen standardisierte Templates der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) verwendet und regelmäßig aktualisiert werden. Die Informationen sind auf zugänglichen Plattformen (z. B. Verbriefungsregister) zu veröffentlichen. Verstöße können zivilrechtliche Haftungsfolgen sowie aufsichtsrechtliche Sanktionen auslösen.
Welche Bedeutung kommt der Risikorückbehaltverpflichtung (Risk Retention) rechtlich zu?
Die Risikorückbehaltverpflichtung gem. Art. 6 Securitisation Regulation verlangt, dass Originator, Sponsor oder ursprünglicher Kreditgeber mindestens 5 % der Nettoverluste der verbrieften Position dauerhaft und ununterbrochen behalten. Ziel ist es, Interessenkonflikte und moral hazard zu vermeiden. Rechtlich sind zulässige Rückbehaltsmethoden exakt normiert (linearer, vertikaler oder erster Verlusttranche-Rückbehalt etc.) und müssen ausführlich dokumentiert werden. Auch nach Übertragung der Forderungen sind laufende Nachweise und Meldungen erforderlich. Ein Verstoß führt zu Vertriebsverboten und kann zivilrechtliche Haftungsansprüche begründen.
Inwiefern greifen Verbraucherschutzvorschriften bei der Verbriefung?
Die ordnungsrechtliche Beachtung des Verbraucherschutzes spielt vor allem dann eine Rolle, wenn verbrieften Forderungen Verbraucherkredite oder sonstige konsumentenschutzrechtlich relevante Ansprüche zugrunde liegen. Für die Abtretung solcher Forderungen gelten besondere Voraussetzungen, etwa nach § 404 BGB, die Einwände und Einreden des Schuldners sichern. Zudem ist sicherzustellen, dass die Übertragung an das SPV keine negativen Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zwischen ursprünglichem Gläubiger und Verbraucher hat. Informationspflichten und die DSGVO-konforme Übertragung persönlicher Daten sind einzuhalten, was technisch meist durch Pseudonymisierung oder entsprechende Einwilligungslösungen erfolgt. Abschließend können nationale Vorschriften zum Schutz von Sicherheiten (z. B. bei Wohnimmobilien) besondere Beachtung erfordern.
Wie beeinflussen steuerrechtliche Aspekte die rechtliche Struktur der Verbriefung?
Steuerliche Erwägungen sind oft für die Ausgestaltung der rechtlichen Struktur maßgeblich. Die Übertragung der Forderungen vom Originator auf das SPV kann der Umsatzsteuer oder Grunderwerbsteuer (bei Immobilienverbriefungen) unterliegen. Die steuerliche Behandlung der SPV-Erträge, insbesondere in Bezug auf Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, erfordert eine rechtliche Konstruktion, die keine unerwünschten steuerlichen Nebenwirkungen auslöst. In Deutschland wurden hierfür SPVs häufig im Ausland (z. B. Luxemburg, Irland) etabliert; seit Inkrafttreten der deutschen Verbriefungsgesetzgebung sind auch inländische Modelle möglich, mit steuerlicher Transparenz und Begrenzung der Besteuerung nur auf das wirtschaftlich Gebotene. In jedem Fall ist eine enge steuerrechtliche und rechtliche Abstimmung unerlässlich, um steuerliche Risiken, etwa im Bereich der Verlustverrechnung, zu vermeiden.