Definition und rechtliche Einordnung der Verbreitung jugendgefährdender oder pornographischer Schriften
Die Verbreitung jugendgefährdender oder pornographischer Schriften bezeichnet im deutschen Recht die unerlaubte Weitergabe, Überlassung, Zugänglichmachung oder das Verbreiten von Medieninhalten, die geeignet sind, die Entwicklung Jugendlicher zu gefährden oder pornographischen Charakter aufweisen. Die einschlägigen Verbots- und Strafnormen dieses Begriffskomplexes dienen dem Schutz der Jugend vor sittlicher oder seelischer Gefährdung und sind vor allem im Strafgesetzbuch (StGB) sowie im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) geregelt.
Historische Entwicklung
Die gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Minderjährigen vor jugendgefährdenden sowie pornographischen Inhalten haben eine lange Entwicklung durchlaufen. Ursprünglich stellten die §§ 184 ff. StGB lediglich pornographische Schriften unter Strafe. Durch gesellschaftliche Debatten und den technischen Fortschritt, insbesondere im Bereich der digitalen Medien, wurde der Jugendschutz sukzessive ausgeweitet. Die Einführung des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GjS) und später des JMStV trug dieser Entwicklung Rechnung und führte zu einer umfassenderen Regelung und Kontrolle der Medienlandschaft in Bezug auf schädliche Inhalte.
Gesetzliche Grundlagen
Strafgesetzbuch (StGB)
Das StGB enthält in § 184 folgende Regelungen:
- § 184 StGB Verbreitung pornographischer Schriften: Stellt das Verbreiten, Zugänglichmachen und Bewerben von pornographischen Inhalten unter Strafe, sofern diese nicht ausschließlich Erwachsenen zugänglich gemacht werden.
- § 184a StGB Verbreitung gewalt- oder tierpornographischer Schriften: Verstärkt den Schutz vor besonders gravierenden Ausprägungen der Pornographie.
- § 184b und 184c StGB Kinder- und Jugendpornographie: Behandelt spezielle Straftaten im Zusammenhang mit der Herstellung, Verbreitung und dem Besitz von kinderpornographischem und jugendpornographischem Material.
Zum Tatbestand gehören unter anderem Handlungen wie das öffentliche Zugänglichmachen, das Anbieten, Überlassen, das Einführen oder Vorrätighalten zur Verbreitung, aber auch das Verbreiten an eine größere Zahl von Personen.
Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV)
Der JMStV bildet den Rahmengesetzgeber für Medieninhalte, die über elektronische Informations- und Kommunikationsdienste verbreitet werden (z.B. Fernsehen, Internet). Ziel ist die Gewährleistung eines umfassenden Schutzes der Jugend, insbesondere vor entwicklungsbeeinträchtigenden, jugendgefährdenden oder pornographischen Inhalten. Der JMStV enthält Vorschriften zur Alterskennzeichnung, Zugangsbeschränkung und Überwachung jugendgefährdender beziehungsweise pornographischer Medieninhalte.
Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjSM)
Das GjSM ist grundsätzlich durch das Jugendschutzgesetz (JuSchG) und das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) ersetzt worden. Dennoch findet man wortgleiche oder ähnliche Formulierungen weiterhin im Gesetzestext wieder.
Weitere einschlägige Normen
- Jugendschutzgesetz (JuSchG): Regelt die Abgabe und das Zugänglichmachen von Trägermedien (z.B. Bücher, DVDs), die als jugendgefährdend oder pornographisch eingestuft sind.
- Telemediengesetz (TMG): Enthält Regelungen für Diensteanbieter im Hinblick auf den Umgang mit gesetzeswidrigen Inhalten.
Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen
Begriff der „Schrift“
Rechtlich wird „Schrift“ im Sinne der §§ 11 Abs. 3 StGB weit ausgelegt und umfasst alle Darstellungsformen, einschließlich Bild- und Tonträger, Datenspeicher und digitale Medien. Somit fallen sowohl klassische Printmedien als auch digitale Formate und Computerdateien unter die Verbotsnormen.
Handlungen der Verbreitung
Verbreitung meint das einem größeren Personenkreis Zugänglichmachen der betreffenden Schriften. Bereits das öffentliche Anbieten, Versenden, Verkaufen oder sonstige Überlassen kann den Tatbestand erfüllen. Auch das Einführen aus dem Ausland, das Bewerben oder das Zugänglichmachen in digitalen Netzwerken ist umfasst.
Abgrenzung jugendgefährdender und pornographischer Inhalte
- Jugendgefährdende Schriften/Medien: Inhalte, die geeignet sind, die Entwicklung oder Erziehung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden. Die Liste der jugendgefährdenden Medien wird von der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) geführt („Indizierung“).
- Pornographische Schriften/Medien: Darstellungen sexueller Handlungen, die in einer Weise geschildert werden, dass das Sexualleben im Vordergrund steht und andere Inhalte weitgehend in den Hintergrund treten. Für härtere Formen (Gewalt- und Tierpornographie, Kinder- und Jugendpornographie) gibt es eigene, verschärfte Strafbestimmungen.
Strafbarkeit und Sanktionen
Die unbefugte Verbreitung jugendgefährdender oder pornographischer Schriften und Medieninhalte ist in der Regel mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Die Verbreitung von kinderpornographischem oder jugendpornographischem Material wird noch deutlich strenger sanktioniert und kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünfzehn Jahren geahndet werden.
Altersgrenzen und Ausnahmen
Die Strafbarkeit der Verbreitung einschlägiger Inhalte ist oftmals an das Alter der betroffenen Personen gebunden. Zwar ist die Verbreitung an Personen unter 18 Jahren grundsätzlich verboten, jedoch gibt es im Bereich der Erwachsenenkommunikation (beispielsweise zwischen volljährigen Privatpersonen) unter bestimmten Umständen Ausnahmen. Zudem gibt es eine Reihe von Ausnahmen bei wissenschaftlicher oder staatlich genehmigter Forschung, bei Berichterstattung im öffentlichen Interesse sowie im Rahmen kriminalpolizeilicher Ermittlungen.
Schutzmechanismen und Regulierung
Indizierungsverfahren
Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) indiziert jugendgefährdende Medien. Nach Indizierung unterliegen diese Medien weitreichenden Vertriebs- und Werbebeschränkungen. Beispielsweise dürfen solche Inhalte nicht an Kinder oder Jugendliche abgegeben oder öffentlich ausgestellt, beworben oder vertrieben werden.
Technische Schutzmaßnahmen
Im digitalen Bereich werden technische Systeme wie Altersverifikationssysteme, Jugendschutzfilter und Zugangsbeschränkungen eingesetzt, um Minderjährigen den Zugang zu einschlägigen Inhalten zu verwehren. Betreiber von Internetdiensten und Plattformen sind verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu implementieren.
Bedeutung für Anbieter und Plattformen
Diensteanbieter und Betreiber von Medienplattformen sind aufgrund der komplexen Rechtslage verpflichtet, proaktiv gegen die Verbreitung gesetzeswidriger Inhalte vorzugehen. Bei Verstößen drohen empfindliche Sanktionen, Sperrungen und zivilrechtliche sowie strafrechtliche Haftung. Die Umsetzung der gesetzlichen Bewertung und rechtssicheren Altersprüfung im digitalen Raum stellt dabei eine große Herausforderung dar.
Internationale Aspekte
Pornographie und der Schutz Minderjähriger vor schädlichen Inhalten sind auch Gegenstand internationaler Konventionen, etwa der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen und der Cybercrime-Konvention des Europarates. In der Europäischen Union bestehen zusätzliche harmonisierte Vorgaben zum Jugendschutz und zur Bekämpfung illegaler Internetinhalte.
Fazit
Die gesetzlichen Vorschriften zur Verbreitung jugendgefährdender oder pornographischer Schriften und Medien bilden einen zentralen Bestandteil des Jugend- und Persönlichkeitsschutzes im deutschen und europäischen Rechtssystem. Neben strafrechtlichen und medienrechtlichen Verboten spielen technische Maßnahmen, präventive Jugendschutzstrukturen und internationale Kooperationen eine wesentliche Rolle. Anbieter, Plattformen und Medienvertreiber sind verpflichtet, die komplexen Vorgaben zu beachten, Missbrauch zu verhindern und Minderjährige wirksam zu schützen.
Häufig gestellte Fragen
Wann liegt eine strafbare Verbreitung jugendgefährdender oder pornografischer Schriften gemäß deutschem Recht vor?
Eine strafbare Verbreitung jugendgefährdender oder pornografischer Schriften liegt nach deutschem Recht insbesondere dann vor, wenn diese Inhalte öffentlich, einer Person unter 18 Jahren oder in anderer Weise einer Vielzahl von Personen zugänglich gemacht werden. Maßgebend sind hier insbesondere die §§ 184 ff. StGB (Strafgesetzbuch), die detailliert regeln, welche Handlungen – wie das Zugänglichmachen, Überlassen, Verbreiten, Vorführen oder das Anbieten dieser Schriften – strafbar sind. Zu beachten ist, dass bereits der Versuch oder das Anbieten und Ankündigen solcher Schriften unter Strafe steht, unabhängig davon, ob tatsächlich ein Jugendlicher Zugang erhält. Die Strafbarkeit setzt allerdings die Erkennbarkeit des Inhalts als jugendgefährdend oder pornografisch voraus, wobei der Gesetzgeber eine strenge Trennung zwischen Pornografie (insbesondere bei Darstellungen von sexuellen Handlungen) und sonstigen jugendgefährdenden Inhalten (z. B. Gewaltverherrlichung, menschenverachtende Darstellungen) vornimmt.
Welche Strafen drohen bei der Verbreitung jugendgefährdender oder pornografischer Schriften?
Die Strafandrohungen variieren je nach Schwere der Tat und betroffenem Personenkreis. Für die Verbreitung pornografischer Schriften an Erwachsene sieht § 184 Abs. 1 StGB grundsätzlich eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor. Werden solche Schriften jedoch an Minderjährige verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht (z. B. im Internet), kann die Freiheitsstrafe gravierender ausfallen und beträgt bis zu drei Jahre oder Geldstrafe (§ 184 Abs. 3 StGB). Ist die Schrift besonders schwer jugendgefährdend oder handelt es sich um kinderpornografische Inhalte (§ 184b StGB), erhöhen sich die Strafrahmen erheblich; hier drohen Freiheitsstrafen im Regelfall nicht unter einem Jahr, teilweise bis zu zehn Jahren. Neben der Freiheitsstrafe kann auch auf Nebenstrafen wie Berufsverbote oder die Einziehung von Tatmitteln erkannt werden.
Welche Rolle spielt das subjektive Tatmerkmal „Vorsatz“ bei der Strafbarkeit?
Für eine strafbare Handlung ist nach § 15 StGB grundsätzlich der Vorsatz erforderlich, das heißt, der Täter muss wissen und wollen, jugendgefährdende oder pornografische Schriften zu verbreiten. Ein bloßes fahrlässiges Handeln reicht im Regelfall nicht aus, es sei denn, das Gesetz ordnet ausdrücklich die Fahrlässigkeit als strafbar an (was beispielsweise im Bereich der kinderpornografischen Schriften nach § 184b Abs. 5 StGB der Fall sein kann). Die Rechtsprechung fordert für den Vorsatz Kenntnisse über die jugendgefährdende oder pornografische Natur des Materials, die Verbreitungsform sowie den Adressatenkreis (z. B. Kenntnis, dass Minderjährige Zugang erhalten könnten). Liegt nur ein Irrtum über diese Umstände vor, kann dies im Einzelfall zur Straflosigkeit führen (Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB).
Sind auch digitale Inhalte und Online-Plattformen von den Regelungen betroffen?
Ja, die gesetzlichen Vorschriften zur Verbreitung jugendgefährdender oder pornografischer Schriften gelten ausdrücklich auch für digitale Inhalte und sind auf Online-Plattformen, Webseiten sowie andere elektronische Verbreitungswege anwendbar. Dies umfasst sowohl das Angebot als auch das Bereithalten solcher Inhalte zum Abruf durch Dritte, das Versenden per E-Mail oder Messenger sowie Uploads in soziale Netzwerke und Cloud-Dienste. Seit der Digitalisierung und mit der Ausweitung von Online-Angeboten hat der Gesetzgeber mehrfach nachjustiert und die Verantwortung der Plattformbetreiber und Diensteanbieter gesetzlich verankert, beispielsweise durch das NetzDG, den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) und spezifische Berichtspflichten nach TMG und MStV. Auch das bloße Zugänglich-Machen im Wege des Hostings oder der Verlinkung kann strafbar sein.
Gibt es Ausnahmen oder privilegierte Fälle, in denen die Verbreitung erlaubt ist?
Es existieren bestimmte gesetzliche Ausnahmeregelungen, vor allem für wissenschaftliche, kunstbezogene, journalistische oder beruflich bedingte Zwecke. So ist gemäß § 184 Abs. 5 StGB eine Verbreitung von pornografischen Schriften im Rahmen der Erfüllung berechtigter wissenschaftlicher oder anderer ebenso gewichtigen öffentlichen Interesses unter bestimmten Voraussetzungen nicht strafbar. Ebenfalls gibt es Privilegierungen für bestimmte berufliche Tätigkeiten, etwa bei medizinischer Aufklärung oder therapeutischen Zwecken. Voraussetzung ist stets, dass das Material für den jeweiligen Zweck unentbehrlich und der Zugriff für unbeteiligte Dritte ausgeschlossen ist. Die Abgrenzung liegt im Einzelfall häufig im Ermessen der Gerichte und muss jeweils eng ausgelegt werden, um Umgehungen des Verbots auszuschließen.
Wie werden jugendgefährdende Inhalte festgestellt und bewertet?
Die Feststellung, ob ein Inhalt als jugendgefährdend einzustufen ist, erfolgt nach gesetzlichen Maßstäben (§ 15 JuSchG) und orientiert sich an der Einschätzung der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ). Diese Stelle prüft, ob Medien oder Schriften geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Wesentliche Kriterien sind die Darstellung von Gewalt, Sexualität, Drogenkonsum und menschenverachtenden Ideologien. Die BzKJ kann Schriften indizieren, womit deren öffentliche Verbreitung und Bewerbung stark eingeschränkt wird. Gerichte sind an diese Bewertung gebunden, können aber im Einzelfall selbst eine Prüfung vornehmen, wenn das Material (noch) nicht indiziert ist.
Welche weiteren rechtlichen Konsequenzen können neben einer Strafbarkeit auftreten?
Neben strafrechtlichen Sanktionen drohen weitere rechtliche Konsequenzen wie die Einziehung und Vernichtung der entsprechenden Schriften (§ 184 Abs. 6 StGB), Schadensersatzansprüche von Geschädigten und zivilrechtliche Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche. Im Berufsleben können Berufsverbote (§ 70 StGB), Disziplinarmaßnahmen (etwa bei Beamten), ordnungsrechtliche Sanktionen (z. B. durch Jugendämter oder Aufsichtsbehörden) sowie eine Eintragung ins Führungszeugnis die Folge sein. Bei Unternehmen und Plattformbetreibern sind zudem empfindliche Bußgelder und behördliche Maßnahmen möglich, etwa Betriebsschließungen oder Sperrverfügungen gegen Webseiten.