Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»IT Recht»Verbraucherverträge über digitale Produkte

Verbraucherverträge über digitale Produkte


Begriffsklärung: Verbraucherverträge über digitale Produkte

Verbraucherverträge über digitale Produkte sind Rechtsverhältnisse zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer, die auf den Erwerb, die Nutzung oder den Zugang zu digitalen Produkten oder digitalen Dienstleistungen gerichtet sind. Dieser Vertragstyp ist vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) durch zahlreiche spezialisierte Vorschriften geregelt, die den Verbraucherschutz stärken und die Besonderheiten digitaler Produkte berücksichtigen.


Rechtliche Definition und Grundlagen

Abgrenzung: Digitale Produkte und digitale Dienstleistungen

Digitale Produkte umfassen digitale Inhalte (z. B. Software, E-Books, Musik, Videos) und digitale Dienstleistungen (z. B. Cloud-Services, Streaming-Dienste). Nach § 327 Abs. 1 BGB sind damit Daten gemeint, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden. Die Begriffsabgrenzung ist relevant, da Verträge über digitale Produkte nicht mit klassischen Kaufverträgen gleichgesetzt werden können.

Vertragspartner

Ein Verbrauchervertrag über digitale Produkte verlangt, dass eine Vertragspartei Verbraucher (§ 13 BGB) und die andere Unternehmer (§ 14 BGB) ist. Der Verbraucherschutz wird über zwingende Vorschriften gewahrt; abweichende Vereinbarungen sind in der Regel unwirksam, soweit sie den Verbraucher benachteiligen.


Regelungssystematik im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB

Die §§ 327 bis 327u BGB regeln detailliert die Pflichten des Unternehmers, die Rechte des Verbrauchers und die Rechtsfolgen bei Nichterfüllung. Sie gelten für alle Verbraucherverträge, durch die ein Unternehmer einem Verbraucher digitale Produkte bereitstellt oder zugänglich macht – unabhängig davon, ob der Verbraucher ein Entgelt zahlt oder dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt.

Anwendungsbereich

Relevant sind die Vorschriften sowohl für entgeltliche als auch für „datenbasierte“ Verträge, wobei Letztere dann erfasst werden, wenn digitale Produkte im Austausch gegen personenbezogene Daten (außer lediglich zur Vertragserfüllung erforderlich) bereitgestellt werden.

Ausnahmen

Von den §§ 327 ff. BGB ausgenommen sind u. a. Finanzdienstleistungen, behördlich bereitgestellte Leistungen und bestimmte personenbezogene Dienstleistungen, die keinen digitalen Inhalt zum Gegenstand haben.


Hauptleistungspflichten und Unternehmerpflichten

Bereitstellungspflicht

Der Unternehmer ist verpflichtet, das digitale Produkt fehlerfrei und vertragsgemäß zu überlassen (§§ 327c, 327d BGB). Maßgeblich sind die vereinbarten, sowie objektive Anforderungen, wie sie allgemein für solche digitalen Produkte üblich sind.

Aktualisierungspflicht

Dem Unternehmer obliegt eine umfassende Aktualisierungspflicht (§ 327f BGB). Diese umfasst alle Updates, die für die Aufrechterhaltung der Vertragsmäßigkeit zwingend erforderlich sind, insbesondere Sicherheitsupdates und Funktionsupdates.

Informationspflichten

Vor Vertragsschluss müssen Verbraucher über wesentliche Merkmale des digitalen Produkts, Kompatibilität, Interoperabilität, die Funktionsweise digitaler Elemente sowie über den Zeitraum, in dem Aktualisierungen bereitgestellt werden, informiert werden (§ 312d Abs. 2, Art. 246b EGBGB).


Mängelrechte und Rechtsfolgen

Begriffsbestimmung des Mangels

Ein digitaler Mangel liegt vor, wenn die digitale Leistung bei Bereitstellung oder während des Bereitstellungszeitraumes nicht dem vereinbarten Zustand oder den gesetzlichen Anforderungen entspricht (§ 327e BGB).

Rechte bei Mängeln

Verbrauchern stehen die klassischen Mängelrechte zu:

  • Nacherfüllung (Nachbesserung oder Ersatzlieferung, § 327i BGB)
  • Rücktritt vom Vertrag (§ 327m BGB), sofern die Voraussetzungen vorliegen
  • Minderung des Entgelts (§ 327m BGB)
  • Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 327l BGB)

Beweislastumkehr

Im Falle eines Mangels innerhalb eines Jahres nach Bereitstellung gilt die Vermutung, dass der Mangel bereits bei Bereitstellung bestand (§ 327k BGB).


Widerrufsrecht

Verbraucherverträge über digitale Produkte unterliegen in der Regel dem gesetzlichen Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB und § 356 Abs. 5 BGB. Das Widerrufsrecht erlischt bei vollständiger Vertragserfüllung und ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers frühzeitig.


Datenschutzaspekte bei Verträgen über digitale Produkte

Speziell bei Verträgen, die statt eines Geldentgelts die Bereitstellung personenbezogener Daten als Gegenleistung vorsehen, greift neben dem BGB auch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Unternehmer dürfen Daten nur auf gesetzlicher Grundlage verarbeiten, und Verbraucher müssen umfassend über die Datenverarbeitung informiert werden.


Besondere Konstellationen

Verträge über digitale Produkte mit fortlaufender Bereitstellungspflicht

Bei Abonnement-Modellen und Streaming-Diensten ist zu beachten, dass die Aktualisierungspflicht während der gesamten Vertragslaufzeit besteht. Die Vertragsmäßigkeit hat also dauerhaft dem Stand der Technik zu entsprechen.

Kombinierte Verträge

Verträge, die sowohl digitale Produkte als auch Waren enthalten (sog. „hybride Verträge“), unterfallen den besonderen Vorschriften, sobald digitale Inhalte eine nicht nur untergeordnete Rolle spielen (§ 327a Abs. 3 BGB).

Verbraucherverträge mit Dritten

Bei Drittanbieter-Plattformen (Marktplätze, App-Stores) gelten die Schutzvorschriften zugunsten des Verbrauchers auch dann, wenn das digitale Produkt technisch oder faktisch durch einen Dritten bereitgestellt wird, sofern der Unternehmer Vertragspartner ist.


Rechtsfolgen bei Vertragsbeendigung

Nach Vertragsende ist der Unternehmer verpflichtet, die weitere Nutzung des digitalen Produkts zu unterbinden und ggf. personenbezogene Daten zu löschen, sofern diese nicht aus anderen Rechtsgründen aufbewahrt werden müssen.


Internationales Privatrecht und grenzüberschreitende Verträge

Unterliegt der Vertrag dem europäischen Verbraucherrecht, ist vor allem die EU-Richtlinie (EU) 2019/770 maßgeblich, die durch die §§ 327 ff. BGB umgesetzt wurde. Bei grenzüberschreitenden Verbraucherverträgen gilt regelmäßig das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 6 Rom I-VO).


Zusammenfassung

Verbraucherverträge über digitale Produkte sind umfassend geregelt und gewähren Verbrauchern weitreichende Schutzrechte. Die Pflichten des Unternehmers reichen von umfassender Information und Fehlerfreiheit des digitalen Produkts bis zur fortlaufenden Aktualisierung und sicheren Verarbeitung personenbezogener Daten. Das BGB trägt damit der fortschreitenden Digitalisierung Rechnung und schafft einen klaren, verbraucherfreundlichen Ordnungsrahmen für digitale Vertragsverhältnisse.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte haben Verbraucher bei Mängeln digitaler Produkte?

Verbraucher genießen beim Kauf digitaler Produkte besondere Schutzrechte, wenn diese mangelhaft sind. Im rechtlichen Kontext bedeutet das, dass digitale Produkte – zum Beispiel Software, E-Books oder Cloud-Dienste – vertragsgemäß bereitgestellt werden müssen. Ist dies nicht der Fall, stehen dem Verbraucher verschiedene Gewährleistungsrechte zur Verfügung. Seit dem 1. Januar 2022 ist der neue § 327 ff. BGB maßgeblich, der speziell Verträge über digitale Produkte regelt. Der Verbraucher kann innerhalb von zwei Jahren ab Bereitstellung des digitalen Produkts die Nacherfüllung verlangen, das heißt, der Unternehmer muss nachbessern, also den Mangel beheben oder das Produkt erneut bereitstellen. Ist die Nacherfüllung unmöglich oder wird diese vom Unternehmer verweigert, stehen dem Verbraucher weitere Rechte zu: Rücktritt vom Vertrag, Minderung des Kaufpreises oder unter bestimmten Umständen Schadensersatz. Besonders relevant ist, dass beim Vorliegen eines Mangels innerhalb der ersten zwölf Monate nach Bereitstellung die sogenannte Beweislastumkehr gilt. Das bedeutet, dass im rechtlichen Streitfall zugunsten des Verbrauchers vermutet wird, dass das digitale Produkt von Anfang an mangelhaft war, sofern der Unternehmer das Gegenteil nicht beweisen kann.

Wann beginnt die Gewährleistungsfrist für digitale Produkte?

Die zweijährige Gewährleistungsfrist für digitale Produkte beginnt grundsätzlich mit der Bereitstellung des Produkts. Anders als bei klassischen Sachgütern ist beim digitalen Produkt entscheidend, wann der Verbraucher Zugriff erhält. Dies kann beispielsweise der Zeitpunkt des Downloads oder die erstmalige Nutzung einer Streaming-Plattform sein. Zudem sieht das Gesetz (§ 327f BGB) vor, dass bei Verträgen mit fortlaufender Bereitstellung – wie etwa Abonnements von Software im „Software as a Service“-Modell – die Pflicht zur Mangelfreiheit während der gesamten Bereitstellungsdauer gilt. Stellt der Unternehmer die geschuldete Aktualisierung nicht bereit und entstehen daraus Mängel, verlängert sich die Gewährleistungsfrist: Sie endet dann frühestens zwölf Monate nach der letzten Bereitstellung der digitalen Leistung oder der Aktualisierung.

Welche Informationspflichten hat der Unternehmer?

Unternehmer müssen Verbraucher umfassend vor Vertragsabschluss über wesentliche Eigenschaften des digitalen Produkts sowie über etwaige Kompatibilitäts- und Interoperabilitätserfordernisse informieren (§ 327g BGB in Verbindung mit Art. 246b § 2 EGBGB). Wesentliche Informationen umfassen unter anderem technische Anforderungen, Funktionalitäten, etwaige Zugangsbeschränkungen und die Mindestlaufzeiten für Aktualisierungen. Unterlässt der Unternehmer diese Informationen oder gibt diese unvollständig an, können dem Verbraucher zusätzliche Rechte, wie beispielsweise ein Rücktrittsrecht, zustehen. Die Informationspflichten dienen dem Schutz des Verbrauchers vor Überrumpelung und stellen sicher, dass dieser eine fundierte Kaufentscheidung treffen kann.

Welche Rolle spielen Aktualisierungspflichten bei digitalen Produkten?

Aktualisierungspflichten sind ein zentrales Element des Verbraucherschutzes bei digitalen Produkten. Nach § 327f BGB hat der Unternehmer während der Bereitstellungsdauer – oder für einen angemessenen Zeitraum nach einmaliger Bereitstellung – für notwendige Updates zu sorgen. Dies umfasst sowohl funktionale Aktualisierungen als auch Sicherheitsupdates, sofern dies für die Vertragsmäßigkeit erforderlich ist. Kommt der Unternehmer diesen Pflichten nicht nach und entstehen daraus Mängel oder Sicherheitslücken, hat der Verbraucher die oben erläuterten Gewährleistungsrechte. Die Dauer der Aktualisierungspflicht richtet sich nach Art und Zweck des Produkts, den Erwartungen des Durchschnittsverbrauchers und gegebenenfalls nach vertraglichen Vereinbarungen.

In welchen Fällen haben Verbraucher ein Widerrufsrecht bei digitalen Produkten?

Das Widerrufsrecht besteht grundsätzlich auch bei Verträgen über digitale Produkte, sofern der Vertrag als Fernabsatzvertrag – zum Beispiel im Onlinehandel – abgeschlossen wurde (§ 355 BGB, § 312g Abs. 1 BGB). Eine Ausnahme greift, wenn die Bereitstellung des digitalen Produkts unmittelbar nach Vertragsschluss erfolgt und der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt sowie Kenntnis genommen hat, dass mit Beginn der Ausführung sein Widerrufsrecht erlischt (§ 356 Abs. 5 BGB). Dies ist beispielsweise beim sofortigen Download einer Software gängig. Erfüllt der Unternehmer die diesbezüglichen Informationspflichten nicht, bleibt das Widerrufsrecht trotz Beginn der Ausführung erhalten. Für den Verbraucher ist daher entscheidend, ob er korrekt über das Erlöschen des Widerrufsrechts informiert und diesem ausdrücklich zugestimmt hat.

Welche Konsequenzen drohen dem Unternehmer bei Verstößen gegen Verbraucherschutzvorschriften?

Verstößt der Unternehmer gegen die speziellen Verbraucherschutzvorschriften beim Vertrieb digitaler Produkte, kann dies eine Vielzahl rechtlicher Konsequenzen nach sich ziehen. Neben individuellen Rechten des Verbrauchers – wie Schadensersatz, Rücktritt oder Minderung – drohen dem Unternehmer auch abmahnrechtliche Schritte durch Wettbewerbsverbände oder Mitbewerber (§ 3a UWG). Zudem kann bei Verstößen gegen Informationspflichten oder das Widerrufsrecht die Durchsetzung der vertraglichen Ansprüche erschwert oder sogar ausgeschlossen sein. In gravierenden Fällen droht dem Unternehmer die Verpflichtung zur Rückzahlung bereits geleisteter Zahlungen und die Übernahme von Rechtsverfolgungskosten seitens des Verbrauchers oder der Wettbewerbszentrale. Unternehmer sind daher gehalten, die speziellen Regelungen zu Verträgen über digitale Produkte sorgfältig einzuhalten, um zivilrechtliche Haftungsrisiken zu minimieren.