Begriff und Grundzüge des Verantwortungseigentums
Verantwortungseigentum ist eine moderne und alternative Form des Unternehmenseigentums, bei der das Unternehmen dauerhaft auf einen bestimmten Unternehmenszweck ausgerichtet wird und das Vermögen sowie die Stimmrechte an keine einzelnen natürlichen Personen, insbesondere nicht zur persönlichen Bereicherung, übertragbar sind. Ziel ist es, Unternehmen zu sichern und zu verhindern, dass Unternehmen zum bloßen Gegenstand des Kapitalmarktes werden. Verantwortungseigentum grenzt sich von traditionellen Unternehmensformen ab, indem Eigentümer:innen (oft auch Trustees oder Treuhänder:innen genannt) die rechtliche Kontrolle ausschließlich zur Wahrung des Unternehmenszwecks ausüben.
Historische Entwicklung und Hintergrund
Entstehung
Die Idee des Verantwortungseigentums hat ihre Vorläufer in der deutschen und skandinavischen Unternehmenspraxis des 20. Jahrhunderts. Insbesondere Unternehmen wie Bosch und Zeiss wurden nach Prinzipien geführt, die dem heutigen Verständnis von Verantwortungseigentum entsprechen. In den 2010er Jahren gewann das Konzept neue Relevanz im Zuge gesellschaftlicher, ökologischer und wirtschaftlicher Transformationsprozesse, was schließlich 2023 zur Einführung der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmbH in Verantwortungseigentum, kurz „VE-GmbH“) im deutschen Gesellschaftsrecht geführt hat.
Entwicklung im deutschen Recht
Die Einführung der VE-GmbH durch das Gesetz zur Einführung von Gesellschaften mit gebundenem Vermögen (BGBl. 2023 I Nr. 140) verankerte erstmals die verantwortungseigene Unternehmensform im deutschen Recht. Auch auf europäischer Ebene werden Betrachtungen hinsichtlich einer eigenständigen Rechtsform geführt.
Rechtliche Ausgestaltung des Verantwortungseigentums
Gesellschaftsrechtliche Grundlagen
Das Verantwortungseigentum stellt in der Regel eine Variante der GmbH oder einer anderen Kapitalgesellschaftsform dar, nutzt jedoch zusätzliche gesellschaftsrechtliche Instrumentarien zur Sicherung des Unternehmenszwecks. Die herausragenden Merkmale im Gesellschaftsrecht sind:
- Vermögensbindung: Das Gesellschaftsvermögen ist dauerhaft an den Unternehmenszweck gebunden. Gewinne dürfen zwar ausgeschüttet werden, jedoch nur in eng begrenztem Rahmen und niemals als reine Kapitalgewinne bei einem Verkauf.
- Stimmrechtstrennung: Die Kontrolle und Leitung des Unternehmens liegen bei Treuhänder:innen, die verpflichtet sind, ausschließlich im Sinne des Unternehmenszwecks zu handeln.
Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (VE-GmbH)
Mit der VE-GmbH wurde eine eigene Ausprägung im deutschen Recht geschaffen. Hier werden besondere Regelungen zur Vermögensbindung (§ 84 ff. GmbHG n.F.) sowie zur Nachfolge in der Gesellschafterstellung implementiert. Die Übertragung von Geschäftsanteilen ist nur unter strengen Voraussetzungen und nur an qualifizierte Nachfolger:innen möglich, die ihrerseits der verbindlichen Wahrung des Unternehmenszwecks unterliegen.
Satzungsgestaltung
Die Sicherung des Verantwortungseigentums erfolgt überwiegend durch eine detaillierte Ausgestaltung der Satzung, insbesondere mit folgenden Elementen:
- Zweckbindung: Der Gesellschaftszweck wird zwingend und dauerhaft in der Satzung verankert.
- Bindung der Gewinnausschüttung: Die Möglichkeit zur Entnahme von Ertrag ist beschränkt, typischerweise auf angemessene Gehälter und eine moderate Verzinsung des eingebrachten Kapitals.
- Vermögensbindung bei Liquidation: Im Falle der Auflösung darf das Vermögen nicht an Gesellschafter:innen ausgeschüttet werden, sondern muss gemeinnützigen oder dem Gesellschaftszweck dienenden Institutionen zufließen.
- Nachfolge- und Übertragungsregelungen: Die Satzung muss strenge Vorgaben für die Übertragung von Anteilen und die Nachfolge der Treuhänder:innen enthalten, um Missbrauch zu verhindern.
Ausschluss des Verkaufs und Schutzmechanismen
Ein zentrales Element ist der weitgehende Ausschluss des Verkaufs des Unternehmens an Dritte mit Gewinnabsicht. Die Satzung muss dafür Vorkehrungen treffen, etwa durch Zustimmungserfordernisse oder Festschreibung einer maximal zulässigen Verzinsung eingebrachten Kapitals.
Steuerrechtliche Behandlung des Verantwortungseigentums
Steuerliche Anerkennung
Unternehmen in Verantwortungseigentum unterliegen grundsätzlich denselben steuerrechtlichen Regelungen wie andere Kapitalgesellschaften. Für eine steuerliche Begünstigung, etwa im Sinne der Gemeinnützigkeit, ist eine besondere Anerkennung durch die Finanzbehörden erforderlich, die jedoch an weitere Voraussetzungen, insbesondere die tatsächliche Förderung gemeinnütziger Zwecke, geknüpft ist.
Einzelfragen zur Steuerpflicht
- Gewinnausschüttungen: Im Rahmen der VE-GmbH sind Gewinnausschüttungen begrenzt; dennoch unterliegen Ausschüttungen (z.B. Gehälter oder verzinstes Kapital) der Besteuerung.
- Vermögensbindung: Im Fall der Auflösung des Unternehmens ist die steuerliche Behandlung der Vermögensübertragung an gemeinnützige Empfänger:innen zu berücksichtigen und kann steuerliche Folgen für die Gesellschaft nach sich ziehen.
Vergleich des Verantwortungseigentums mit anderen Unternehmensformen
Unterschiede zur klassischen GmbH
Im Gegensatz zur klassischen GmbH sind bei der VE-GmbH und anderen verantwortungseigenen Formen der Erwerb und die Übertragung der Geschäftsanteile an strikte Bedingungen gebunden. Eine Bereicherung Einzelner durch den Verkauf des Unternehmens ist ausgeschlossen. Der Unternehmenswert verbleibt im Unternehmen.
Verhältnis zu Stiftungen
Das Verantwortungseigentum ist mit der Stiftungsstruktur verwandt, da hier wie dort Vermögensbindung und Zweckorientierung im Vordergrund stehen. Im Unterschied zur Stiftung bleibt im Verantwortungseigentum jedoch weiterhin die unternehmerische Flexibilität erhalten, während die Stiftung auf Dauerhaftigkeit und Unveräußerlichkeit angelegt ist.
Kritik und Ausblick
Rechtliche Herausforderungen
Das Verantwortungseigentum steht vor verschiedenen rechtlichen Herausforderungen, wie etwa der Übertragbarkeit im europäischen Ausland oder der Anerkennung in abweichenden Rechtssystemen. Innerhalb Deutschlands ist die rechtliche Einordnung und Kontrolle durch die Registergerichte und die Finanzverwaltung entscheidend, um Missbrauch vorzubeugen.
Künftige Entwicklung
Es ist zu erwarten, dass das Konzept des Verantwortungseigentums im Zuge wachsender Bedeutung nachhaltigen Unternehmertums und Unternehmensnachfolge weiterhin an Bedeutung gewinnen wird. Die rechtlichen Rahmenbedingungen dürften in den kommenden Jahren weiter differenziert und an die Bedürfnisse der Praxis angepasst werden.
Literatur und Rechtsquellen
- Gesetz zur Einführung von Gesellschaften mit gebundenem Vermögen (BGBl. 2023 I Nr. 140)
- GmbHG § 84 ff.
- Bundesministerium der Justiz: Informationen zur Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (2023)
- Stiftung Verantwortungseigentum: Rechtliche Grundlagen
Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und ersetzt keine individuelle Beratung im Einzelfall.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Unternehmensformen sind für Verantwortungseigentum in Deutschland geeignet?
Für Verantwortungseigentum bieten sich in Deutschland insbesondere die GmbH, die Aktiengesellschaft (AG), die gGmbH (gemeinnützige GmbH) und mit Einschränkungen die Stiftung an. Da das spezielle „Gesetz zur Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV)“ bisher nur als Entwurf existiert, greifen Unternehmen oft zu Mischkonstruktionen oder juristisch individuell ausgearbeiteten Satzungen. Besonders häufig wird die sogenannte „Doppelstiftung“ gewählt, bei der Anteile an einer operativen Gesellschaft von einer oder mehreren Stiftungen gehalten werden, um die Unveräußerlichkeit und die Selbstorganisation zu sichern. Diese Formen ermöglichen den Ausschluss von Kapitalübertragungen auf externe Investoren und sichern die Bindung des Unternehmensvermögens. Auch Modelle mit treuhänderischen Konstruktionen zur Stimmrechtsbindung sind vereinzelt verbreitet. Jede dieser Rechtsformen bringt eigene Vor- und Nachteile hinsichtlich steuerlicher Behandlung, Haftung und Flexibilität bei der Ausgestaltung der Unternehmensverfassung mit sich.
Wie kann das Vermögensbindungskonzept rechtssicher umgesetzt werden?
Die rechtssichere Umsetzung der Vermögensbindung – also dass Gewinne und Vermögenswerte nur im Unternehmen verbleiben oder nur in begrenztem Umfang ausgeschüttet werden dürfen – erfolgt meist durch entsprechende Satzungsregelungen oder durch Einbindung von Stiftungen als Gesellschafter. Für Kapitalgesellschaften wie die GmbH und AG lässt sich in der Satzung ein Ausschluss oder eine Kontingentierung der Gewinnentnahme festschreiben. Zudem können Rückkaufsrechte oder Vorkaufsrechte für Gesellschaftsanteile zugunsten der Gesellschaft oder einer Stiftung eingerichtet werden, um einen Verkauf an Dritte zu verhindern. Stiftungslösungen erhöhen die Rechtssicherheit, da das Stiftungsrecht auf dauerhafte Gemeinwohlbindung und Unveräußerlichkeit des Stiftungsvermögens ausgelegt ist. In jedem Fall bedarf es jedoch einer präzisen und juristisch einwandfrei formulierten Satzung; Verstöße bergen erhebliche zivilrechtliche und steuerliche Risiken.
Welche rechtlichen Herausforderungen bestehen beim Generationenübergang in Verantwortungseigentum?
Der Generationenübergang in Unternehmen mit Verantwortungseigentum wirft komplexe Rechtsfragen auf, vor allem beim Wechsel von Führungs- und Stimmberechtigten. Satzungs- und Stiftungsgestaltungen müssen klar regeln, wie Nachfolger ausgewählt werden (zum Beispiel durch bestehende Gesellschafter oder Kuratorien) und unter welchen Bedingungen ein Wechsel erfolgen kann. Bei Stimmrechtsbindung durch Stiftungen muss darauf geachtet werden, dass das Selbstbestimmungsrecht gewahrt bleibt und keine unerwünschte Fremdeinwirkung erfolgt. Im Erbrecht ist sicherzustellen, dass keine gesetzlichen Pflichtteils- oder Abfindungsansprüche Dritter das Unternehmenskonzept gefährden. Mitunter erfolgt ein Teil der Regelungen über schuldrechtliche Absprachen, die ebenfalls rechtssicher ausgestaltet sein und im Streitfall durchgesetzt werden können müssen.
Wie schützt Verantwortungseigentum vor feindlichen Übernahmen aus juristischer Sicht?
Verantwortungseigentum schützt vor Übernahmen, indem es Stimmrechte und Kapitalanteile unabhängig voneinander verteilt oder eine feste Vergabe an bestimmte Organträger (bspw. Stiftungen oder natural persons) vornimmt. In der Praxis werden in Satzungen und Anteilskaufverträgen Vinkulierungen, also Beschränkungen der freien Übertragbarkeit von Anteilen, vorgesehen. Dies wird zumeist durch Zustimmungserfordernisse (etwa durch den Aufsichtsrat, Stiftungsrat oder bestehende Gesellschafter) geregelt, wodurch eine Übernahme durch Unbefugte verhindert wird. Derartige Maßnahmen müssen rechtlich korrekt implementiert und mit gesellschaftsrechtlichen Vorgaben harmonisiert werden. Fehlerhafte Ausgestaltung kann zu Anfechtbarkeit beschlossener Maßnahmen oder zu langwierigen Prozessen führen.
Welche steuerlichen Besonderheiten sind beim Verantwortungseigentum zu beachten?
Steuerlich sind insbesondere die Einbindung von Stiftungen als Gesellschafter sowie besondere Regelungen zur Vermögensbindung relevant. Stiftungen unterliegen im Rahmen ihrer gemeinnützigen Zwecke steuerlichen Privilegien, jedoch kann jede Ausschüttung oder Vermögensverschiebung an Privatpersonen eine Nachversteuerungspflicht auslösen. Kommt es innerhalb einer Verantwortungseigentumskonstruktion zu einer Änderung der Gesellschafterstruktur oder zu Kapitalübertragungen, können Schenkungs-, Erbschafts- oder Körperschaftsteuer anfallen. Ertragsausschüttungen an nichtgemeinnützige Rechtspersonen sind steuerpflichtig. Insgesamt empfiehlt sich eine engmaschige steuerrechtliche Begleitung, vor allem beim Wechsel von Eigentumsfunktionen und bei allen Ausschüttungsszenarien.
Welche Rolle spielen Governance-Strukturen aus rechtlicher Sicht im Kontext von Verantwortungseigentum?
Governance-Strukturen sind zentral, um die Prinzipien des Verantwortungseigentums dauerhaft und rechtlich bindend umzusetzen. Oft setzen Unternehmen auf mehrgliedrige Kontrollorgane (z.B. Kuratorium, Stiftungsrat, Treuhänder), die unabhängig von operativen Leitungsorganen agieren und wichtige Entscheidungen überwachen. Rechtlich entscheidend ist dabei die Satzungsgestaltung: Die Kompetenzen zur Bestellung, Abwahl und Nachfolge von Entscheidungsorganen müssen klar geregelt sein, um Rechtsklarheit und Unternehmensfortbestand zu gewährleisten. Konflikte können entstehen, wenn die Governance-Regeln zu unklar formuliert oder mit sonstigen gesellschaftsrechtlichen Regelungen inkompatibel sind. Auch der deutsche Gesetzgeber prüft derzeit, ob spezifische Governance-Regeln für Verantwortungseigentum verbindlich gemacht werden sollten.
Auf welche rechtlichen Risiken und Haftungsfragen müssen sich Inhaber und Organträger von Verantwortungseigentum einstellen?
Inhaber und Organträger (z.B. Stiftungsräte, Geschäftsführer) von Unternehmen im Verantwortungseigentum sind den klassischen zivil- und strafrechtlichen Risiken ausgesetzt, insbesondere bei Pflichtverletzungen, fehlerhaften Beschlüssen oder mangelnder Einhaltung der Satzung. Die Haftungsgefahren steigen, wenn die Sonderregelungen zum Verantwortungseigentum mit geltendem Gesellschaftsrecht im Widerspruch stehen oder nicht ausreichend dokumentiert wurden. Im Extremfall können Beschlüsse angefochten, Schadensersatzforderungen geltend gemacht oder gar die Satzung gerichtlich für unwirksam erklärt werden. Die Rechtsprechung entwickelt sich in diesem Bereich noch; daher ist eine juristische Begleitung und regelmäßige Überprüfung der Konstruktion unerlässlich.