Begriff und Bedeutung des Verächtlichmachens
Das Verächtlichmachen ist ein im deutschen Recht bedeutsamer Begriff, der verschiedene Kontexte, insbesondere im Strafrecht sowie im öffentlichen Recht, umfasst. Im Kern beschreibt das Verächtlichmachen die Herabwürdigung oder das Herabsetzen der Ehre, Würde oder des sozialen Ansehens einer natürlichen oder juristischen Person, einer Gruppe oder einer Institution. Dies geschieht durch Äußerungen, Handlungen oder Veröffentlichungen, die geeignet sind, Verachtung hervorzurufen oder das öffentliche Ansehen wesentlich zu beeinträchtigen.
Historische Entwicklung des Begriffs
Entstehung im Rechtsrahmen
Historisch lässt sich der Begriff „Verächtlichmachen“ im deutschen Recht bereits im 19. Jahrhundert nachweisen, insbesondere im Zusammenhang mit Schutzgesetzen für staatliche Institutionen und Symbole (z. B. Monarchie, Staatssymbole). Im Laufe der Zeit wurde das Verächtlichmachen jedoch auch im Zusammenhang mit dem Schutz individueller Rechte, etwa der persönlichen Ehre oder der religiösen Gefühle, zunehmend bedeutsam.
Entwicklung im Strafrecht
Im Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches (StGB) wurde das Verächtlichmachen zunächst im Kontext des Schutzes staatswichtiger Institutionen strafrechtlich geregelt. Im Laufe der Rechtsgeschichte wurde die Vorschrift weiterentwickelt und an neue gesellschaftliche sowie rechtliche Anforderungen angepasst.
Verächtlichmachen im deutschen Strafrecht
Relevante Straftatbestände
§ 90a StGB – Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole
Nach § 90a des Strafgesetzbuchs ist es strafbar, Symbole des Staates der Bundesrepublik Deutschland oder der verfassungsmäßigen Ordnung „verächtlich zu machen“. Der Tatbestand setzt voraus, dass durch eine öffentliche Handlung, etwa durch Äußerungen, Gesten oder Darstellungen, der Staat, seine Organe oder seine Symbole herabgesetzt werden.
§ 166 StGB – Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
Auch nach § 166 StGB wird das Verächtlichmachen strafrechtlich sanktioniert, wenn sich die Herabwürdigung gegen Religionsgemeinschaften, Weltanschauungsvereinigungen oder deren Einrichtungen richtet und geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Sonstige Tatbestände mit Bezug zum Verächtlichmachen
Das Verächtlichmachen erscheint ebenfalls im Zusammenhang mit Straftatbeständen wie der üblen Nachrede (§ 186 StGB), der Beleidigung (§ 185 StGB) sowie bei der „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ (§ 189 StGB).
Tatbestandsmerkmale
Für das strafrechtlich relevante Verächtlichmachen müssen in der Regel folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Objektive Eignung zur Herabsetzung: Die Handlung muss geeignet sein, den sozialen Geltungsanspruch des Betroffenen in den Augen Dritter zu verletzen.
- Veräußerung nach außen: Das Verächtlichmachen muss auf eine Weise erfolgen, die über eine rein private Meinungsäußerung hinausgeht und eine Außenwirkung entfaltet (z. B. durch öffentliche Kundgabe).
- Vorsatz: In aller Regel ist Vorsatz erforderlich; das bedeutet, der Täter muss die Herabsetzung billigend in Kauf nehmen oder gezielt darauf abzielen.
Verächtlichmachen im öffentlichen Recht
Verwaltungsrechtlicher Kontext
Im öffentlichen Recht spielt das Verächtlichmachen insbesondere als Voraussetzung für Beschränkungen der Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Grundgesetz (GG) eine Rolle. Meinungsäußerungen, die die Grenze zur Schmähkritik und damit zum strafrechtlichen Verächtlichmachen überschreiten, genießen keinen Schutz nach Art. 5 Abs. 1 GG.
Polizei- und Ordnungsrecht
Maßnahmen können auch dann angeordnet werden, wenn durch verächtlichmachende Darstellungen oder Äußerungen Gefahren für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit bestehen.
Abgrenzung von Verächtlichmachen zu anderen Begriffen
Unterschied zu Beleidigung und übler Nachrede
Während das Verächtlichmachen einen objektiven Unwerturteilcharakter aufweist, liegen bei Beleidigung und übler Nachrede häufig auch persönlichkeitsbezogene Wertungen und Tatsachenbehauptungen vor. Nicht jede beleidigende Äußerung erfüllt den Tatbestand des Verächtlichmachens, doch überschneiden sich die Begriffe in der Praxis häufig.
Relevanz im Zivilrecht
Im Zivilrecht, insbesondere im Rahmen von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen gemäß §§ 1004, 823 BGB, kann das öffentliche Verächtlichmachen einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen.
Die Abwägung mit der Meinungsfreiheit
Das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz vor Verächtlichmachung und der Freiheit der Meinungsäußerung ist ein wesentlicher Bestandteil rechtlicher Auseinandersetzungen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fordert stets eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Schutz von Persönlichkeitsrechten und dem Schutz der Meinungsfreiheit, insbesondere wenn es um Äußerungen im Bereich der öffentlichen Meinungsbildung geht.
Relevanz und Schutzobjekte
Schutzobjekte des Verächtlichmachens
- Natürliche Personen
- Juristische Personen
- Staatliche Institutionen
- Religionsgemeinschaften
- Symbole und Einrichtungen mit besonderem Schutzbedarf
Beispiele aus der Rechtsprechung
Die Gerichte haben in zahlreichen Fällen judiziert, wann eine Äußerung als Verächtlichmachen zu qualifizieren ist. Die Einordnung hängt stets vom Einzelfall, vom Kontext der Äußerung und von der konkreten Wirkung auf das Ansehen ab.
Rechtsfolgen und Sanktionen
Beim strafrechtlichen Verächtlichmachen drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen. Im zivilrechtlichen Kontext können Unterlassungsansprüche und Schadenersatzforderungen geltend gemacht werden. Behörden können gegebenenfalls ordnungsrechtliche Maßnahmen erlassen, um die öffentliche Ordnung sicherzustellen.
Internationale Perspektive
Vergleichbare Regelungen existieren in vielen europäischen Rechtsordnungen und schützen insbesondere Staatsorgane, nationale Symbole sowie religiöse Gruppen vor verächtlichmachenden Handlungen. In internationalen Rechtssystemen gibt es jedoch erhebliche Unterschiede im Umgang mit dem Spannungsverhältnis zwischen Schutz der Ehre und Meinungsfreiheit.
Zusammenfassung
Das Verächtlichmachen ist im deutschen Recht ein vielschichtiger Begriff, der sowohl im Strafrecht als auch im öffentlichen und zivilrechtlichen Kontext Anwendung findet. Er dient dem Schutz von Ehre, Ansehen und Würde verschiedener Schutzobjekte gegen herabsetzende oder entehrende Äußerungen und Handlungen. Die rechtliche Bewertung ist dabei stets von einer Abwägung mit anderen grundrechtlichen Belangen, insbesondere der Meinungsfreiheit, geprägt und unterliegt einer umfangreichen Einzelfallprüfung durch Gerichte und Behörden.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Konsequenzen kann das Verächtlichmachen einer Person gemäß deutschem Recht haben?
Das Verächtlichmachen einer Person kann nach deutschem Recht verschiedene straf- und zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen. Im Strafrecht sind insbesondere § 185 StGB (Beleidigung), § 186 StGB (Üble Nachrede) und § 187 StGB (Verleumdung) einschlägig, sofern durch das Verächtlichmachen die Ehre eines anderen verletzt wird. Hierbei kann bereits der öffentliche Gebrauch ehrverletzender Äußerungen, Gesten oder Darstellungen eine Strafbarkeit begründen. Ergänzend können zivilrechtliche Ansprüche, etwa auf Unterlassung, Gegendarstellung, Widerruf sowie gegebenenfalls auf Schmerzensgeld aus § 823 BGB (Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung) resultieren. Die rechtlichen Folgen bemessen sich nach Schwere, Reichweite und Wiederholungsgefahr der Äußerungen. Bei Wiederholung oder besonderer Hartnäckigkeit kann zudem eine einstweilige Verfügung erlassen werden.
Inwieweit ist das Verächtlichmachen im Kontext von Meinungsfreiheit geschützt?
Die Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Abs. 1 GG bildet ein hohes Gut im deutschen Rechtssystem. Dennoch findet sie ihre Schranken insbesondere in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze sowie in den Rechten der Persönlichkeitsentfaltung. Das gezielte Verächtlichmachen einer Person überschreitet in der Regel den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, vor allem, wenn es sich um Schmähkritik handelt, also die Herabwürdigung der Person jenseits einer sachlichen Auseinandersetzung. Gerichte wägen regelmäßig ab, ob noch eine zulässige Meinungsäußerung oder bereits eine unzulässige Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Kontext die verächtlichmachende Äußerung getroffen wurde (z.B. privater, beruflicher oder öffentlicher Zusammenhang).
Besteht ein Unterschied zwischen Verächtlichmachen im direkten und indirekten Sinne aus rechtlicher Sicht?
Rechtlich kann das Verächtlichmachen sowohl durch unmittelbare, explizite Aussagen als auch durch indirekte, suggerierende oder kontextgebundene Bemerkungen erfolgen. Die Gerichte prüfen stets, wie ein objektiver Dritter die jeweilige Äußerung versteht (objektiver Empfängerhorizont). Auch subtil formulierte Herabwürdigungen können zu einer rechtlichen Relevanz führen, wenn sie geeignet sind, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit oder im privaten Bereich erheblich zu schädigen. Das Motiv oder die Absicht des Äußernden ist im Einzelfall zu berücksichtigen, aber nicht allein entscheidend.
Welche Rechte stehen einer betroffenen Person zu, wenn sie verächtlich gemacht wurde?
Wird eine Person verächtlich gemacht, stehen ihr verschiedene rechtliche Instrumente zur Verfügung. Zunächst kann sie auf Unterlassung klagen, um weitere ehrverletzende Äußerungen zu verhindern. Ein Anspruch auf Widerruf und Gegendarstellung besteht, wenn unwahre Tatsachen verbreitet wurden. Darüber hinaus kann ein Anspruch auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld bestehen, sofern ein erheblicher immaterieller Schaden nachgewiesen werden kann. Im Falle einer akuten oder drohenden Wiederholung kann die betroffene Person auch den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen, um rasch gerichtlichen Schutz zu erhalten. Besteht begründete Angst vor einer Strafbarkeit, kann zudem Strafanzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft gestellt werden.
Wie wird das Verächtlichmachen in beruflichen Kontexten, beispielsweise am Arbeitsplatz, rechtlich bewertet?
Verächtlichmachung am Arbeitsplatz kann arbeitsrechtliche sowie zivil- und strafrechtliche Konsequenzen haben. Im arbeitsrechtlichen Kontext kann ehrenrühriges Verhalten eine Abmahnung und im Wiederholungsfall sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Arbeitgeber sind nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie aufgrund ihrer Fürsorgepflicht verpflichtet, Mitarbeitende vor Diskriminierung, Mobbing und ehrverletzenden Handlungen zu schützen. Betroffene können sich bei Betriebsräten, dem Arbeitgeber oder externen Stellen (z.B. Gleichstellungsbeauftragte, Antidiskriminierungsstellen) zur Wehr setzen. Rechtlich kann parallel das Straf- oder Zivilrecht bemüht werden, um Unterlassungs-, Beseitigungs- oder Schadensersatzansprüche durchzusetzen.
Welche Beweismittel sind erforderlich, um ein rechtlich relevantes Verächtlichmachen nachzuweisen?
Für die rechtliche Verfolgung eines Verächtlichmachens sind aussagekräftige Beweise essentiell. Dies können sein: Schriftstücke (E-Mails, Briefe, Chatprotokolle), Ton- und Videoaufnahmen (sofern rechtlich zulässig), Zeugenaussagen, Bildschirmfotos (Screenshots) oder Veröffentlichungen in sozialen Medien. Wichtig ist, dass die Beweise im Rahmen straf- und zivilprozessualer Regeln erlangt wurden und vor Gericht verwertbar sind. Die Beweislast trägt grundsätzlich die Person, die die Verächtlichmachung geltend macht. Lückenhafte oder nicht gerichtsverwertbare Beweise können zur Abweisung der Klage führen. Bei schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen kann im Einzelfall auch die richterliche Beweisaufnahme, etwa durch Vernehmung von Zeugen, angeordnet werden.
Gibt es besondere Schutzmechanismen bei Verächtlichmachung gegenüber öffentlichen Personen oder Amtsträgern?
Öffentliche Personen und Amtsträger genießen grundsätzlich denselben gesetzlichen Ehrenschutz wie Privatpersonen, allerdings unterliegen insbesondere herausgehobene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens einer verstärkten Kritikbereitschaft der Öffentlichkeit. Die Grenzen zulässiger Kritik liegen in der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht. Bei Angriffen, die ausschließlich dazu dienen, den Amtsträger oder die Person herabzusetzen und verächtlich zu machen, sind die gleichen Rechtsmittel wie Unterlassung, Widerruf oder strafrechtliche Ahndung anwendbar. Spezielle Schutzregelungen gibt es für besonders schwere Fälle, etwa im Rahmen des Schutzes staatlicher Institutionen und deren Vertreter (§ 188 StGB – Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens). Auch hier prüfen Gerichte besonders sorgfältig die Schutzwürdigkeit der angegriffenen Person im Verhältnis zur Bedeutung der Äußerung für die öffentliche Meinungsbildung.