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Unvertretbare Handlung


Begriff und Definition der Unvertretbaren Handlung

Eine unvertretbare Handlung ist im deutschen Zivilrecht eine Form der Handlung, bei der die geschuldete Leistung nach ihrer Eigenart ausschließlich vom Schuldner persönlich erbracht werden kann. Unvertretbare Handlungen stehen im Gegensatz zu vertretbaren Handlungen, bei denen die geschuldete Handlung auch durch eine andere Person oder einen Dritten mit gleichwertigem Erfolg vorgenommen werden kann.

Unvertretbare Handlungen ergeben sich insbesondere aus §§ 887-890 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie aus weiteren gesetzlichen Vorschriften. Die rechtliche Einordnung, die Rechte und Pflichten der Parteien sowie die Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen hängen entscheidend davon ab, ob eine Handlung als vertretbar oder unvertretbar einzustufen ist.

Abgrenzung: Vertretbare und unvertretbare Handlung

Vertretbare Handlung

Eine vertretbare Handlung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie in gleicher Weise von mehreren Personen vorgenommen werden kann und das Ergebnis nicht an die Individualität des Leistenden gebunden ist. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Lieferung von Massenwaren.

Unvertretbare Handlung

Demgegenüber liegt eine unvertretbare Handlung dann vor, wenn sie aufgrund ihrer spezifischen Natur nur vom Schuldner selbst vorgenommen werden kann. Dies ist regelmäßig bei höchstpersönlichen Leistungen, bestimmten Dienstleistungen, Werkleistungen künstlerischer oder wissenschaftlicher Art oder Handlungen, die an spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten oder das besondere Vertrauen des Gläubigers anknüpfen, der Fall.

Rechtsgrundlagen

Gesetzliche Regelungen

Die wesentlichen Bestimmungen zu unvertretbaren Handlungen finden sich unter anderem in folgenden gesetzlichen Vorschriften:

  • § 887 BGB regelt die Ersatzvornahme bei vertretbaren Handlungen.
  • § 888 BGB regelt die Zwangsvollstreckung in Form von Zwangsgeld und Zwangshaft bei unvertretbaren Handlungen.
  • § 890 BGB sieht ebenfalls Zwangsgeld und Zwangshaft vor, betrifft aber die Unterlassung beziehungsweise das Dulden.

Die Differenzierung erfolgt dabei sowohl im Bereich des allgemeinen Schuldrechts als auch im Vollstreckungsrecht.

Vertragsrechtliche Bedeutung

Ob eine Handlung unvertretbar ist, bestimmt sich maßgeblich durch den Inhalt des jeweiligen Schuldverhältnisses. Bereits im Rahmen der Vertragsgestaltung ist zu prüfen, ob eine Handlung höchstpersönlich, individuell oder durch Dritte erfüllbar ist.

Typische Beispiele für unvertretbare Handlungen

Unvertretbare Handlungen können in verschiedensten Rechtsgebieten auftreten. Typische Fälle sind:

  • Persönliche Verpflichtungen: Die Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung, z.B. Unterzeichnung eines Vertragsdokuments.
  • Künstlerische Leistungen: Malen eines Bildes durch einen bestimmten Künstler.
  • Wissenschaftliche Arbeiten: Erstellung einer Dissertation.
  • Persönliche Dienstleistungen: Pflege- oder Betreuungsleistungen, soweit sie auf die individuelle Leistung einer bestimmten Person zugeschnitten sind.

Nicht unvertretbar sind demgegenüber standardisierte Lieferungen, Austauschleistungen oder Routine-Dienstleistungen, deren Erfolg nicht von der Person des Schuldners abhängt.

Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung

Durchsetzbarkeit unvertretbarer Handlungen

Unvertretbare Handlungen können nicht durch Ersatzvornahme (§ 887 BGB) erfüllt werden, da Dritte die höchstpersönliche Leistung nicht erbringen können. Die Zwangsvollstreckung erfolgt somit nach § 888 Abs. 1 BGB durch gerichtliche Anordnung von Zwangsgeld oder Zwangshaft zur Erzwingung der Handlung. Kommt der Schuldner der Verpflichtung weiterhin nicht nach, können wiederholt Zwangsmittel verhängt werden.

Schadensersatz

Kommt es bei einer unvertretbaren Handlung zu einer Pflichtverletzung, kann der Gläubiger gegebenenfalls Schadensersatz verlangen (§§ 280 ff. BGB). Dabei ist zu beachten, dass der Gläubiger regelmäßig nicht einfach Dritte beauftragen kann, da gerade die höchstpersönliche Leistung geschuldet ist.

Unmöglichkeit und Rücktritt

Wird die Erbringung der unvertretbaren Handlung dauerhaft unmöglich (§ 275 BGB), stehen dem Gläubiger Rücktritts- und ggf. Schadensersatzrechte zu. Da eine Ersatzhandlung ausgeschlossen ist, kann der Leistungserfolg nicht durch Dritte realisiert werden.

Unvertretbare Handlungen im Zwangsvollstreckungsrecht

Im Rahmen der Zwangsvollstreckung unterscheidet die Zivilprozessordnung ausdrücklich zwischen vertretbaren und unvertretbaren Handlungen. Während vertretbare Handlungen vom Gläubiger selbst oder durch einen Dritten im Wege der Ersatzvornahme vollzogen werden können, ist bei unvertretbaren Handlungen lediglich die Beugung des Schuldners durch Zwangsgeld (§ 888 ZPO) oder – falls dies nicht zum Erfolg führt – durch Zwangshaft möglich.

Verfahrensablauf bei Zwangsvollstreckung

  1. Antrag auf Zwangsvollstreckung wegen unvertretbarer Handlung (§ 888 ZPO)
  2. Festsetzung von Zwangsgeld durch das Vollstreckungsgericht
  3. Ggf. Festsetzung von Zwangshaft bei wiederholter Nichterfüllung

Die zwangsweise Erfüllung der unvertretbaren Handlung bleibt ausgeschlossen – Ziel ist lediglich, den Schuldner zur freiwilligen Vornahme zu bewegen.

Abgrenzung zu speziellen Fallgruppen

Abgabe einer Willenserklärung

Die Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung stellt eine unvertretbare Handlung dar. Erklärt der Schuldner sich nicht, kann das Urteil die Willenserklärung ersetzen (§ 894 ZPO).

Unterlassungen und Duldungen

Auch Unterlassungs- und Duldungspflichten sind keine vertretbaren Handlungen im obigen Sinne, sondern unterfallen eigenen Vollstreckungsvorschriften (§ 890 ZPO).

Bedeutung in der Praxis

Die rechtsdogmatische Unterscheidung zwischen vertretbarer und unvertretbarer Handlung ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Insbesondere für die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen im Zivilprozess, die Gestaltung von Verträgen und die Geltendmachung von Ersatzansprüchen ist die genaue Einstufung essenziell.

Literaturverweise und weiterführende Quellen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 275, 280, 887-890
  • Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 888, 890
  • Palandt, Kommentar zum BGB, aktuelle Auflage
  • MüKo BGB/MüKo ZPO, aktuelle Auflagen

Zusammenfassung:
Die unvertretbare Handlung ist im deutschen Recht ein zentraler Begriff zur Abgrenzung höchstpersönlicher Leistungen, die notwendig vom Schuldner selbst erbracht werden müssen. Ihre Behandlung spielt eine entscheidende Rolle bei der Vertragsabwicklung, Leistungsdurchsetzung und Zwangsvollstreckung. Die Unterscheidung von vertretbaren Handlungen ist für die Durchsetzbarkeit und die Durchsetzungsmöglichkeiten im Streitfall von großer Tragweite.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Folgen kann eine unvertretbare Handlung haben?

Im deutschen Zivilrecht hat die unvertretbare Handlung weitreichende rechtliche Konsequenzen, da sie anders als vertretbare Handlungen nicht durch Dritte vorgenommen werden kann (§ 887 ZPO findet keine Anwendung). Im Falle eines Schuldverhältnisses, bei dem ein Schuldner zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung verpflichtet ist und diese nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt, hat der Gläubiger grundsätzlich nur die Möglichkeit, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen (§ 887 Abs. 1 ZPO, i.V.m. §§ 280, 281 BGB), sofern alle Voraussetzungen vorliegen. Eine Ersatzausführung oder Zwangsvollstreckung in Form der Ersatzvornahme ist bei unvertretbaren Handlungen rechtlich ausgeschlossen, da nur der Schuldner die Handlung in der besonders geforderten Weise leisten kann (zum Beispiel die Unterzeichnung eines Dokuments oder das Verfassen eines Gutachtens). Um eine solche Handlung dennoch zu bewirken, sieht das Gesetz in bestimmten Fallkonstellationen die Anwendung von Zwangsgeld oder Zwangshaft gemäß § 888 ZPO vor, um auf den Schuldner Druck auszuüben. Die rechtlichen Folgen konzentrieren sich daher entweder auf den finanziellen Ausgleich (Schadensersatz) oder auf die Erzwingung der Handlung durch Druckmittel, aber niemals auf die Erfüllung durch Dritte.

Wann gilt eine Handlung im rechtlichen Sinn als unvertretbar?

Eine Handlung wird dann als unvertretbar qualifiziert, wenn sie ihrer Natur nach nur von einer bestimmten Person vorgenommen werden kann und nicht auf andere Personen übertragen werden darf oder kann. Rechtlich betrachtet ist die Unvertretbarkeit regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Handlung an eine persönliche Leistung oder Fähigkeit des Schuldners gebunden ist. Dies ist beispielsweise bei höchstpersönlichen Dienstleistungen oder bei der persönlichen Abgabe von Willenserklärungen der Fall (etwa beim Abschluss eines bestimmten Vertrags, der Unterschrift unter einer Urkunde oder der Erstellung eines Gutachtens durch einen Sachverständigen). Aber auch künstlerische, wissenschaftliche oder individuelle Leistungen fallen unter den Begriff der unvertretbaren Handlung. Maßgeblich ist stets, ob der individuelle Charakter der Handlung oder die besondere, nur dem Schuldner eigene Fähigkeit erforderlich ist und nicht durch eine andere gleichartig ersetzt werden kann.

Wie wird die Durchsetzung einer unvertretbaren Handlung im Vollstreckungsrecht geregelt?

Die Durchsetzung einer unvertretbaren Handlung im Vollstreckungsrecht erfolgt nicht über klassische Zwangsmittel wie die Ersatzvornahme (die für vertretbare Handlungen vorgesehen ist), sondern durch sogenannte Ersatzmaßnahmen, besonders durch die Anwendung von Zwangsgeld oder Zwangshaft nach § 888 ZPO. Das Gericht kann auf Antrag des Gläubigers ein Zwangsgeld gegen den Schuldner verhängen, um diesen zu veranlassen, die geschuldete Handlung selbst vorzunehmen. Führt auch das Zwangsgeld nicht zum Erfolg, droht als letztes Mittel die Verhängung von Zwangshaft. Die gerichtliche Anordnung ist regelmäßig an die Voraussetzung gebunden, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung verpflichtet ist und sich weigert, dieser Verpflichtung nachzukommen. Ausschließlich strafbare Zwangsmaßnahmen, wie die Selbstvornahme oder die Wegnahme der Handlung durch Dritte, scheiden in diesem Zusammenhang grundsätzlich aus.

Welche Beispiele für unvertretbare Handlungen gibt es im deutschen Zivilrecht?

Im deutschen Zivilrecht zählen zu den klassischen Beispielen unvertretbarer Handlungen insbesondere solche Tätigkeiten, bei denen eine höchstpersönliche Leistung geschuldet wird. Dazu gehören die Unterzeichnung bestimmter Verträge oder Urkunden (zum Beispiel Testament, Schuldanerkenntnis), das Erstellen von individuellen Gutachten (beispielsweise durch einen Sachverständigen), das Halten eines Vortrags, die künstlerische Darbietung (zum Beispiel ein Konzert durch einen bestimmten Musiker) oder die Entrichtung einer Entschuldigung mit bestimmtem Wortlaut. Auch Anordnungen zur persönlichen Duldung oder Unterlassung (wie beispielsweise die Anordnung, bestimmte Äußerungen zu unterlassen) stellen unvertretbare Handlungen dar, da sie zwangsläufig auf die Individualität des Schuldners bezogen sind und nicht auf Dritte übertragen werden können.

Wie unterscheidet sich die unvertretbare von der vertretbaren Handlung juristisch?

Die Abgrenzung erfolgt im Wesentlichen anhand des Kriteriums der Ersetzbar- bzw. Übertragbarkeit: Vertretbare Handlungen sind solche, die im Ergebnis von jedermann mit vergleichbaren Fähigkeiten ausgeführt werden können; sie sind also austauschbar und nicht an die Individualität des Schuldners geknüpft. Unvertretbare Handlungen hingegen sind an eine bestimmte Person gebunden und setzen deren spezifische Fähigkeiten, Einsichten oder persönliche Entscheidung voraus. Für vertretbare Handlungen erlaubt das Recht die Ersatzvornahme durch Dritte auf Kosten des Schuldners (§ 887 ZPO), während bei unvertretbaren Handlungen die persönliche Leistung so zentral ist, dass eine Ersatzvornahme ausgeschlossen und stattdessen die Anwendung von Zwangsgeld oder Zwangshaft möglich ist (§ 888 ZPO).

Welche Rolle spielt die unvertretbare Handlung bei der Vertragsabwicklung?

Im Rahmen der Vertragsabwicklung spielt die Unterscheidung zwischen unvertretbaren und vertretbaren Handlungen eine erhebliche Rolle für die Durchsetzbarkeit und die Durchsetzungsmöglichkeiten der vertraglich geschuldeten Leistung. Wird eine unvertretbare Handlung vereinbart, so kann der Gläubiger im Falle der Nichterfüllung grundsätzlich nur auf (gerichtliche) Druckmittel zurückgreifen oder Schadensersatz verlangen, nicht aber die Erfüllung durch einen Dritten erzwingen. Dies ist insbesondere bei Dienstleistungsverträgen, Auftragserteilung und Werkverträgen mit höchstpersönlichem Charakter von bzw. für Bedeutung. Auch die Gestaltung der Leistungsverpflichtung muss diesbezüglich rechtssicher erfolgen, um späteren Durchsetzungsschwierigkeiten vorzubeugen.

Können unvertretbare Handlungen nachträglich in vertretbare umgewandelt werden?

Grundsätzlich ist eine Umwandlung unvertretbarer in vertretbare Handlungen nur dann möglich, wenn die Parteien dies einvernehmlich vereinbaren und die Natur der Leistung eine solche Ersetzung zulässt. Allerdings steht dem häufig entgegen, dass bereits die rechtliche oder tatsächliche Bindung an eine bestimmte Person den individuellen Charakter der Leistung voraussetzt. Eine vertragliche Nachbesserung oder Umgestaltung kann allerdings erfolgen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Charakter der Handlung etwa doch nicht ausschließlich an den Schuldner gebunden ist. Ohne eine derartige Vereinbarung verbleibt es rechtlich jedoch bei der Unvertretbarkeit der Handlung und den damit verbundenen Durchsetzungsmechanismen.