Legal Lexikon

Untreue

Begriff und Einordnung

Untreue ist ein strafrechtlich erfasstes Verhalten, bei dem eine Person eine ihr anvertraute Vermögensfürsorge verletzt und dadurch dem betreuten Vermögen einen Nachteil zufügt. Geschützt werden sowohl Vermögensinteressen als auch das Vertrauen in treuhänderische Pflichten. Der Begriff spielt vor allem in Wirtschaft, Verwaltung, Vereinen und bei der Verwaltung fremder Gelder eine Rolle. Er hat nichts mit fehlender Loyalität in privaten Beziehungen zu tun, sondern beschreibt eine Pflichtverletzung im Umgang mit fremdem Vermögen.

Rechtliche Struktur und Tatbestandselemente

Vermögensbetreuungspflicht

Zentrale Voraussetzung ist eine herausgehobene Pflicht zur Pflege fremder Vermögensinteressen. Diese Pflicht entsteht, wenn jemand eigenverantwortlich, mit erheblichem Entscheidungsspielraum, Vermögen eines anderen verwaltet oder betreut. Typisch sind Leitungs- oder Vertrauenspositionen mit Befugnissen, die über bloße Ausführungstätigkeiten hinausgehen. Nicht jede Neben-, Sorgfalts- oder Arbeitspflicht genügt; die Verantwortung muss das fremde Vermögen als solches betreffen und dessen Wahrung zum Kern der Aufgabe machen.

Pflichtwidrige Handlung

Missbrauch einer Befugnis

Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine rechtlich bestehende Vertretungs- oder Verfügungsbefugnis äußerlich wirksam eingesetzt wird, jedoch im Innenverhältnis gegen bindende Grenzen oder Weisungen verwendet wird. Die Handlung ist nach außen gültig, verletzt aber die treuhänderische Bindung.

Treuepflichtverletzung

Eine Treuepflichtverletzung kann auch ohne besondere Vertretungsmacht erfolgen, etwa durch Zuwiderhandeln gegen klar umrissene Verhaltenspflichten, Unterlassen notwendiger Sicherungsmaßnahmen oder riskante Dispositionen entgegen festgelegten Anlagerichtlinien. Maßgeblich ist, dass die Handlung die geschuldete Wahrung des fremden Vermögens erheblich verfehlt.

Vermögensnachteil

Erforderlich ist ein konkreter wirtschaftlicher Nachteil. Dieser kann in einem eingetretenen Schaden oder in einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bestehen. Maßstab ist eine objektive wirtschaftliche Betrachtung: Entscheidend ist, ob das Vermögen nach der pflichtwidrigen Maßnahme schlechter steht. Mögliche Vorteile dürfen nur berücksichtigt werden, wenn sie sicher und unmittelbar kompensieren. Risikogeschäfte sind nicht schon deshalb nachteilig; relevant wird es, wenn das eingegangene Risiko pflichtwidrig, sachwidrig oder ex ante nicht vertretbar war.

Vorsatz

Die handelnde Person muss mit Vorsatz handeln, also die wesentlichen Umstände der Pflichtverletzung und des Vermögensnachteils zumindest billigend in Kauf nehmen. Eine Absicht, sich oder andere zu bereichern, ist nicht erforderlich. Grobe Fahrlässigkeit allein reicht nicht aus.

Rechtswidrigkeit und Einwilligung

Handlungen können gerechtfertigt sein, wenn eine wirksame Zustimmung des Vermögensinhabers vorliegt. Die Zustimmung muss inhaltlich bestimmt sein, auf ausreichender Informationsgrundlage beruhen und von einer hierfür zuständigen Person erteilt werden. Bei geschäftlichen Entscheidungen besteht ein anerkannter Ermessensspielraum: Unter vertretbaren Annahmen getroffene, sachgerecht vorbereitete Entscheidungen sind regelmäßig nicht pflichtwidrig, selbst wenn sie sich im Nachhinein als nachteilig erweisen.

Schuld

Neben der Rechtswidrigkeit muss persönliche Vorwerfbarkeit bestehen. Tatsachen- oder Verbotsirrtümer können die Schuld mindern oder ausschließen, wenn sie unvermeidbar waren.

Täterschaft, Teilnahme und Verantwortlichkeit

Täterkreis

Täter kann sein, wer eine Vermögensbetreuungspflicht trägt. Das sind häufig Organ- oder Leitungsmitglieder, bestimmte Amtsträger mit Finanzbefugnissen, Treuhänder oder Personen mit eigener Entscheidungsbefugnis über fremdes Vermögen. Wer keine solche Pflicht innehat, kann nicht Täter sein.

Teilnahme Dritter

Dritte ohne eigene Betreuungsverantwortung können eine Untreue veranlassen oder fördern. Sie haften dann als Beteiligte. Personen, die Vermögensvorteile aus einer Untreue erlangen, müssen mit der Abschöpfung dieser Vorteile rechnen, unabhängig von einer Beteiligungsform.

Unternehmen und Organisationen

Neben der individuellen Verantwortung natürlicher Personen kommen ordnungsrechtliche Sanktionen gegen Unternehmen oder Vereine in Betracht, etwa Geldbußen, wenn Aufsichts- und Organisationspflichten verletzt wurden. Zudem können Compliance-Verstöße interne Konsequenzen nach sich ziehen.

Abgrenzungen zu anderen Delikten und Rechtsgebieten

Abgrenzung zu Betrug

Betrug setzt eine Täuschung und eine darauf beruhende Vermögensverfügung voraus. Untreue erfordert keine Täuschung gegenüber dem Geschädigten; sie beruht auf dem treuwidrigen Umgang mit anvertrautem Vermögen.

Abgrenzung zu Diebstahl und Unterschlagung

Diebstahl und Unterschlagung betreffen die Zueignung fremder Sachen. Untreue betrifft pflichtwidrige Vermögensdispositionen oder -unterlassungen im Rahmen einer Vertrauensstellung, oft ohne körperliche Wegnahme.

Arbeits- und zivilrechtliche Konsequenzen

Neben strafrechtlicher Ahndung kommen arbeits- oder dienstrechtliche Maßnahmen sowie zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz in Betracht. Straf- und Zivilverfahren sind voneinander unabhängig; beide können parallel geführt werden.

Sanktionen und prozessuale Aspekte

Strafrahmen

Untreue wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe geahndet. In besonders gravierenden Fallgestaltungen ist ein deutlich erhöhter Strafrahmen vorgesehen. Für die Strafhöhe bedeutsam sind insbesondere Umfang des Schadens, Stellung und Verantwortungsbereich der handelnden Person, Dauer und Planungstiefe des Vorgehens, Beweggründe sowie etwaige Wiedergutmachung.

Versuch und Vorbereitung

Der Versuch ist regelmäßig nicht strafbar. Reine Vorbereitungshandlungen bleiben grundsätzlich ohne strafrechtliche Folgen, können aber andere Tatbestände erfüllen.

Verjährung

Die Verfolgung unterliegt mehrjährigen Fristen. Die Dauer richtet sich nach der Schwere des Falls. Die Frist beginnt in der Regel mit Beendigung der Tat und kann durch bestimmte Handlungen der Strafverfolgungsbehörden unterbrochen werden.

Wiedergutmachung und Vermögensabschöpfung

Neben einer Strafe ist die Abschöpfung von Taterträgen möglich. Zivilrechtlich können Rückzahlungs- und Schadensersatzansprüche bestehen. Eine Wiedergutmachung kann sich auf die Strafzumessung auswirken.

Typische Konstellationen

Unternehmensleitung und Organstellung

Pflichtwidrige Eigengeschäfte, verdeckte Begünstigungen, unzulässige Interessenkonflikte oder Investitionen ohne ausreichende Tatsachengrundlage können Untreue begründen, wenn hierdurch dem betreuten Vermögen ein Nachteil entsteht.

Öffentlicher Bereich und Vereine

Die zweckwidrige Verwendung von Haushalts- oder Vereinsmitteln, die Umgehung von Vergaberegeln oder das Missachten von Kontrollmechanismen bei Fördergeldern sind typische Risikofelder.

Vermögensverwaltung für Dritte

Treuhänder, Betreuende oder sonstige Vermögensverwaltende können Untreue begehen, wenn sie Weisungen missachten, Vermögen mischen oder Sicherungspflichten ignorieren.

Finanzsektor

Dispositionen entgegen dokumentierten Kundeninteressen, riskante Produktplatzierungen ohne hinreichende Grundlage oder unzulässige Kick-back-Konstrukte können bei Nachteilszufügung den Tatbestand erfüllen.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet Untreue im rechtlichen Sinne?

Untreue bezeichnet die treuwidrige Verletzung einer besonderen Pflicht zur Wahrung fremder Vermögensinteressen, durch die dem betreuten Vermögen ein wirtschaftlicher Nachteil entsteht.

Wer kann sich wegen Untreue strafbar machen?

Nur Personen mit einer eigenverantwortlichen Pflicht zur Betreuung fremden Vermögens kommen als Täter in Betracht. Dritte ohne solche Pflicht können als Beteiligte haften.

Reicht grob fahrlässiges Verhalten aus?

Nein. Erforderlich ist Vorsatz, also zumindest das billigende Inkaufnehmen der Pflichtverletzung und des Vermögensnachteils. Grobe Fahrlässigkeit allein genügt nicht.

Muss ein Vermögensschaden bereits eingetreten sein?

Nicht zwingend. Ausreichend ist auch eine schadensgleiche Vermögensgefährdung, sofern sie konkret ist und wirtschaftlich einem Schaden gleichsteht.

Ist riskantes Wirtschaften automatisch Untreue?

Nein. Entscheidend ist, ob das Risiko im Rahmen eines vertretbaren, sachgerecht vorbereiteten Ermessens lag. Pflichtwidrig wird es, wenn der Entscheidung eine unzureichende Tatsachengrundlage zugrunde liegt oder verbindliche Grenzen überschritten werden.

Ist der Versuch von Untreue strafbar?

In der Regel nicht. Strafbar ist die vollendete Tat; der Versuch bleibt regelmäßig straflos.

Worin liegt der Unterschied zu Betrug?

Betrug beruht auf Täuschung und einer Vermögensverfügung. Untreue setzt keine Täuschung voraus, sondern die treuwidrige Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht.

Welche Folgen hat Untreue neben einer Strafe?

Neben Geld- oder Freiheitsstrafe kommen Vermögensabschöpfung, zivilrechtliche Schadensersatzansprüche und arbeits- oder dienstrechtliche Maßnahmen in Betracht.