Begriff und Grundlagen der Untervollmacht
Die Untervollmacht ist ein Begriff des deutschen Zivilrechts und beschreibt die durch einen Bevollmächtigten erteilte Vollmacht an eine weitere Person, innerhalb derer diese im Namen des ursprünglichen Vollmachtgebers handeln kann. Die Untervollmacht ermöglicht es, die kraft Hauptvollmacht eingeräumten Befugnisse – ganz oder teilweise – auf eine dritte Person zu übertragen. Sie ist insbesondere im Schuldrecht, im Gesellschaftsrecht und im anwaltlichen Berufsrecht von großer Bedeutung. Die rechtlichen Grundlagen der Untervollmacht ergeben sich vor allem aus den Vorschriften über das Vertretungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).
Rechtliche Einordnung
Abgrenzung zur Hauptvollmacht und zur Substitution
Die Untervollmacht ist von der Hauptvollmacht sowie von der sogenannten Substitution abzugrenzen. Während die Hauptvollmacht unmittelbar zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem besteht, wird die Untervollmacht vom Bevollmächtigten gegenüber einem weiteren Vertreter erteilt. Die Substitution bezeichnet hingegen die vollständige Übertragung der Vollmacht auf einen Dritten, sodass der ursprüngliche Bevollmächtigte aus dem Rechtsverhältnis ausscheidet.
Rechtsnatur der Untervollmacht
Rechtlich betrachtet, handelt es sich bei der Untervollmacht um ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ausdrücklich oder konkludent erfolgt. Sie wirkt im sogenannten Namen des ursprünglichen Vollmachtgebers. Durch die Untervollmacht erhält der Unterbevollmächtigte die Befugnis, Rechtsgeschäfte mit Wirkung für und gegen den Vollmachtgeber abzuschließen. Maßgeblich für die Reichweite der Untervollmacht ist stets der Umfang der erteilten Hauptvollmacht sowie der eindeutige oder mutmaßliche Wille des Vollmachtgebers.
Voraussetzungen zur Erteilung einer Untervollmacht
Ermächtigung zur Untervollmachtserteilung
Eine Untervollmacht darf nur dann erteilt werden, wenn der Hauptbevollmächtigte hierzu ausdrücklich oder stillschweigend vom Vollmachtgeber ermächtigt worden ist. Fehlt eine solche Ermächtigung, ist die Erteilung einer Untervollmacht grundsätzlich unwirksam (§ 167 BGB, Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).
Formvorschriften
Auch die Untervollmacht unterliegt grundsätzlich keinen besonderen Formvorschriften und kann formlos, also auch mündlich oder stillschweigend, erteilt werden. Eine Ausnahme besteht, wenn für das der Untervollmacht zugrunde liegende Rechtsgeschäft eine bestimmte Form vorgeschrieben ist, wie etwa beim Grundstückskauf (§ 311b Abs. 1 BGB: notarielle Beurkundung).
Inhalt und Umfang
Der Umfang der Untervollmacht kann dem des Hauptbevollmächtigten entsprechen oder auch beschränkt werden. Überschreitet der Unterbevollmächtigte die erteilte Befugnis, haftet er für den daraus entstehenden Schaden nach den Vorschriften zur sogenannten Vertreterhaftung (§§ 177 ff. BGB).
Wirkungen und Rechtsfolgen der Untervollmacht
Vertretungsmacht und Zurechnung
Der Unterbevollmächtigte handelt im Namen des Vollmachtgebers, sodass dessen Handeln diesem unmittelbar zuzurechnen ist (§ 164 Abs. 1 BGB). Der Hauptbevollmächtigte bleibt weiterhin ermächtigt, kann also parallel zu seinem Unterbevollmächtigten tätig werden, es sei denn, die Vollmacht wurde ausschließlich oder unwiderruflich erteilt.
Erlöschen der Untervollmacht
Die Untervollmacht erlischt grundsätzlich mit dem Erlöschen der Hauptvollmacht (§ 168 S. 1 BGB) oder durch ausdrücklichen Widerruf des Hauptbevollmächtigten, sofern nichts anderes vereinbart ist. Die Untervollmacht besteht damit stets abhängig von der Hauptvollmacht und endet auch, wenn der Vollmachtgeber die Hauptvollmacht widerruft.
Haftung und Pflichten
Das Verhältnis zwischen Hauptbevollmächtigtem und Unterbevollmächtigtem richtet sich regelmäßig nach den Vorschriften über den Auftrag (§§ 662 ff. BGB) oder anderweitige schuldrechtliche Abreden. Der Hauptbevollmächtigte haftet gegenüber dem Vollmachtgeber für etwaiges Fehlverhalten des von ihm bestellten Unterbevollmächtigten (Auswahlverschulden; § 278 BGB).
Untervollmacht in der anwaltlichen Praxis
Die Erteilung von Untervollmachten spielt insbesondere im Gerichtswesen eine wichtige Rolle. Ein bei Gericht bevollmächtigter Vertreter kann, wenn er dazu befugt ist, seinerseits einen Unterbevollmächtigten bestellen, etwa zur Terminswahrnehmung (§ 51 ZPO). Die Wirksamkeit solcher Unterbevollmächtigungen richtet sich nach den gleichen Grundsätzen wie im allgemeinen Zivilrecht.
Prozessrechtliche Besonderheiten
Im Zivilprozess kann die wirksame Erteilung einer Untervollmacht bedeutsam sein, beispielsweise bei der Wahrnehmung von Gerichtsterminen durch einen anderen Rechtsanwalt im Untervollmachtswege. Fehlerhafte Untervollmachten können zur Unwirksamkeit von Prozesshandlungen oder zur Versäumung von Fristen führen.
Untervollmacht im Gesellschaftsrecht und Handelsrecht
Im Gesellschaftsrecht (z. B. bei der Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften) sowie im Handelsrecht (§ 54 HGB) kommt der Untervollmacht erhebliche praktische Bedeutung zu. Insbesondere Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte benötigen zur Weiterübertragung von Vollmachten regelmäßig eine ausdrückliche Ermächtigung.
Unterschiede zur Substitutierten Vertretung
Die Untervollmacht ist deutlich von der substitutionalen Bestellung zu unterscheiden: Während bei der Untervollmacht beide Vertreter (Hauptbevollmächtigter und Unterbevollmächtigter) nebeneinander tätig werden können, hat die Substitution die vollständige Übertragung des Vertretungsverhältnisses zur Folge.
Literatur und Rechtsprechung
Mit der Untervollmacht beschäftigen sich zahlreiche gerichtliche Entscheidungen und Kommentare zum BGB und zur Rechtsanwaltsordnung. Die einschlägigen Vorschriften, insbesondere §§ 164 ff., 167, 168 BGB, sowie spezielle Gesetze und Verordnungen im jeweiligen Fachgebiet bieten die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Untervollmacht im deutschen Zivilrecht, beleuchtet wichtige Abgrenzungen und erläutert die zentralen rechtlichen Fragestellungen detailliert für ein Rechtslexikon.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für die Erteilung einer Untervollmacht vorliegen?
Die Erteilung einer Untervollmacht setzt grundsätzlich voraus, dass der ursprüngliche Vollmachtgeber dem Bevollmächtigten das Recht zur Erteilung von Untervollmachten ausdrücklich oder stillschweigend eingeräumt hat. Sofern ein solches Recht nicht vereinbart wurde, ist eine Untervollmacht nur möglich, wenn sie im Rahmen der §§ 164 ff. BGB durch Auslegung der Vollmachtserklärung oder nach den Umständen, insbesondere nach dem Geschäftszweck, zulässig erscheint. Fehlt die Berechtigung zur Unterbevollmächtigung, ist die Untervollmacht unwirksam, was dazu führen kann, dass der durch die Untervollmacht vertretene Rechtsakt für den Vollmachtgeber keine Wirkung entfaltet. Im Rahmen gesetzlicher Vertretungen, etwa bei Vormündern (§ 1793 BGB), bestimmt häufig das Gesetz selbst, inwiefern eine Unterbevollmächtigung möglich ist.
Welche Unterschiede bestehen zwischen Untervollmacht und Substitution?
Rechtlich ist zwischen Untervollmacht und Substitution zu unterscheiden: Während die Untervollmacht bedeutet, dass der ursprüngliche Bevollmächtigte eine weitere Person ermächtigt, im Namen des Vollmachtgebers zu handeln, bleibt er selbst weiterhin bevollmächtigt. Die Vollmacht wird also nicht übertragen, sondern eine zusätzliche Person wird mit Vertretungsmacht ausgestattet. Im Falle der Substitution hingegen überträgt der ursprüngliche Bevollmächtigte die Vollmacht gänzlich auf einen Dritten und tritt damit in den Hintergrund. Diese feinen Unterschiede sind insbesondere bei Zuständigkeitsfragen, Haftungsfragen und der Beendigung der Vertretung wesentlich zu beachten.
Welche Formerfordernisse gelten für die Erteilung einer Untervollmacht?
Die Untervollmacht unterliegt grundsätzlich keinen strengeren Formvorschriften als die Hauptvollmacht. Ist für das Grundgeschäft eine bestimmte Form vorgeschrieben (zum Beispiel notarielle Beurkundung bei Immobiliengeschäften nach § 311b BGB), so gilt diese Formvorschrift meist auch für die Untervollmacht. Ist die Hauptvollmacht formfrei erteilt, kann dies auch für die Untervollmacht gelten, sofern nicht besondere gesetzliche Vorschriften oder Individualabreden eine bestimmte Form erfordern. Im Hinblick auf Nachweisbarkeit und Rechtssicherheit empfiehlt sich jedoch meist, Untervollmachten schriftlich zu erteilen.
In welchen Fällen kann eine Untervollmacht widerrufen werden?
Der Widerruf einer Untervollmacht ist jederzeit möglich, solange dies nicht durch gesetzliche Vorschriften oder Vereinbarungen ausgeschlossen ist. Der Widerruf kann sowohl vom ursprünglichen Vollmachtgeber als auch durch den Hauptbevollmächtigten erfolgen, sofern der Hauptbevollmächtigte dazu berechtigt ist. Der Widerruf muss mindesten in der gleichen Form erfolgen, wie die Untervollmacht selbst erteilt wurde. Nach Widerruf ist der Unterbevollmächtigte nicht mehr berechtigt, Rechtsgeschäfte im Namen des Vollmachtgebers durchzuführen. Zusätzlich ist zu beachten, dass ein etwaiger Widerruf der Hauptvollmacht automatisch auch die Untervollmacht zum Erlöschen bringt (§ 168 S. 1 BGB).
Welche Haftungsfragen ergeben sich im Zusammenhang mit der Untervollmacht?
Im Zusammenhang mit der Untervollmacht besteht eine besondere Sorgfaltspflicht für den Hauptbevollmächtigten im Auswahl- und Überwachungsverhältnis. Der Hauptbevollmächtigte haftet grundsätzlich für eine fehlerhafte Auswahl des Unterbevollmächtigten, insbesondere im Hinblick auf dessen Qualifikation und Zuverlässigkeit, sowie für dessen Überwachung bei der Vornahme rechtserheblicher Handlungen. Überschreitet der Unterbevollmächtigte die ihm übertragene Vertretungsmacht oder handelt er außerhalb des ihm eingeräumten Rahmens, haftet er dem Vollmachtgeber persönlich auf Schadensersatz (§ 179 BGB analog). Letztlich bleibt auch der Hauptbevollmächtigte weiterhin für die ordnungsgemäße Ausführung der Geschäfte gegenüber dem Vollmachtgeber verantwortlich.
Welche Wirkungen hat die Untervollmacht gegenüber Dritten?
Die Untervollmacht wirkt grundsätzlich wie eine selbständige Vollmacht gegenüber Dritten. Rechtsgeschäfte, die der Unterbevollmächtigte im Rahmen der ihm eingeräumten Vollmacht abschließt, wirken unmittelbar für und gegen den Vollmachtgeber (§ 164 Abs. 1 BGB). Eine Begrenzung oder Bedingung der Untervollmacht ist auch Dritten gegenüber zu beachten, sofern sie ihnen bekannt ist oder hätte bekannt sein müssen (§ 173 BGB). Dritte können sich auf den Bestand der Untervollmacht verlassen, soweit ihnen deren Widerruf oder Erlöschen nicht bekannt ist.
Was geschieht mit einer Untervollmacht im Falle des Todes des Hauptbevollmächtigten oder des Vollmachtgebers?
Das Ende der Hauptvollmacht – sei es durch Widerruf, Tod, Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers oder Zeitablauf – hat grundsätzlich auch das Erlöschen der dazugehörigen Untervollmacht zur Folge (§ 168 S. 1 BGB). Ebenso erlischt die Untervollmacht, wenn der Hauptbevollmächtigte verstirbt und diese Untervollmacht eine persönliche Ausübung der Vertretung voraussetzt. Im Falle des Todes des Unterbevollmächtigten und fortbestehender Berechtigung des Hauptbevollmächtigten kann dieser jederzeit eine neue Untervollmacht erteilen. Besondere vertragliche Regelungen oder gesetzliche Vorschriften (z.B. transmortale Vollmacht) können hiervon abweichende Regelungen vorsehen.