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Untersuchung, strafrechtliche


Begriff und Bedeutung der strafrechtlichen Untersuchung

Die strafrechtliche Untersuchung stellt im deutschen Strafverfahrensrecht einen zentralen Abschnitt dar, in dem Straftaten aufgeklärt und die hierzu notwendigen Beweise gesammelt werden. Sie beginnt regelmäßig mit dem Anfangsverdacht einer Straftat und dient der Ermittlung, ob und von wem eine rechtswidrige Tat begangen und mit welcher Schuld gehandelt wurde. Die strafrechtliche Untersuchung bildet somit die wesentliche Grundlage für die Entscheidung über die Erhebung einer öffentlichen Klage sowie für das gerichtliche Hauptverfahren.

Rechtsrahmen der strafrechtlichen Untersuchung

Die Strafprozessordnung (StPO)

Die gesetzlichen Vorschriften zur strafrechtlichen Untersuchung finden sich insbesondere in der Strafprozessordnung (StPO). Dort sind Beginn, Ablauf, Rechte und Pflichten der Verfahrensbeteiligten sowie die mögliche Beendigung der Untersuchung detailliert geregelt.

Begriffe: Ermittlungs- und Untersuchungsverfahren

In der Praxis wird die strafrechtliche Untersuchung vor allem als Ermittlungsverfahren bezeichnet. Der Begriff „Untersuchung“ taucht insbesondere im Zusammenhang historischer Prozessordnungen und im weiten Sinn immer noch auf, meint aber zumeist das vorgelagerte Ermittlungsverfahren (§§ 152 ff. StPO).

Ablauf der strafrechtlichen Untersuchung

1. Einleitung der Untersuchung

Die strafrechtliche Untersuchung wird in der Regel durch Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat eingeleitet, etwa durch eine Strafanzeige, einen Strafantrag oder eigene Wahrnehmungen der Strafverfolgungsbehörden (§ 152 Abs. 2 StPO). Es genügt ein sog. Anfangsverdacht.

2. Ermittlungsmaßnahmen

Im Verlauf der strafrechtlichen Untersuchung sind die Ermittlungsbehörden – mithin Staatsanwaltschaft und Polizei – verpflichtet, den Sachverhalt umfassend und objektiv zu erforschen. Die Ermittlungsmaßnahmen umfassen u. a.:

  • Vernehmung von Beschuldigten und Zeugen
  • Durchsuchung von Wohnungen, Gegenständen und Personen
  • Beschlagnahme von Beweismitteln
  • Sicherstellung und Auswertung von Daten
  • Anordnung von Überwachungsmaßnahmen (z. B. Telefonüberwachung, Observation)
  • Identitätsfeststellung

Viele dieser Maßnahmen sind mit erheblichen Grundrechtseingriffen verbunden und unterliegen daher richterlichem Vorbehalt, etwa Durchsuchungen (§ 105 StPO) oder Untersuchungshaft (§ 112 ff. StPO).

3. Beteiligte der strafrechtlichen Untersuchung

Die maßgeblich beteiligten Stellen und Personen sind:

  • Staatsanwaltschaft (herrscht über das Verfahren, sog. Herrin des Ermittlungsverfahrens)
  • Polizeibehörden (führen auf Anweisung und unter Leitung der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen durch)
  • Beschuldigte (verdächtigte Person, gegen die sich das Verfahren richtet)
  • Betroffene Dritte (etwa Zeugen, Opfer, Sachverständige)
  • Strafverteidiger (Wahrung der Rechte der Beschuldigten)
  • Gericht (bei richterlichen Entscheidungen über besondere Maßnahmen)

4. Dauer und Abschluss der Untersuchung

Die strafrechtliche Untersuchung ist grundsätzlich zügig durchzuführen. Sie endet mit der Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO (mangels hinreichenden Tatverdachts) oder mit der Erhebung der öffentlichen Klage (§ 170 Abs. 1 StPO), die zum gerichtlichen Hauptverfahren führt.

Rechtsstellung und Rechte der Verfahrensbeteiligten

Rechte des Beschuldigten

Der als Beschuldigter bezeichnete Betroffene einer strafrechtlichen Untersuchung verfügt über zahlreiche Verfahrensrechte, unter anderem:

  • Recht auf rechtliches Gehör (§ 163a StPO)
  • Aussageverweigerungsrecht (§ 136 StPO)
  • Recht auf Unterrichtung über den Tatvorwurf
  • Akteneinsichtsrecht (über eine Verteidigung)
  • Anwesenheitsrechte bei bestimmten Ermittlungsmaßnahmen
  • Beschwerde gegen Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden

Rechte weiterer Beteiligter

Auch Zeugen, Sachverständige und Geschädigte haben in der strafrechtlichen Untersuchung spezifische Rechte wie Zeugenbeistand, Auskunft zur eigenen Betroffenheit sowie zumindest in Teilen ein Recht auf Information zum Stand des Verfahrens.

Pflichten der Beteiligten

Die Beteiligten haben unter anderem Mitwirkungspflichten (etwa Zeugenaussagepflicht), müssen aber durch umfassende Verfahrensgarantien auch vor Selbstbelastungen und ungerechtfertigten Eingriffen geschützt bleiben.

Besonderheiten bei schwerwiegenden Eingriffen

Maßnahmen wie Untersuchungshaft und Durchsuchungen dürfen ausschließlich unter besonders engen gesetzlichen Voraussetzungen und nach Verhältnismäßigkeitsprüfung angeordnet werden. In aller Regel ist hierfür die Zustimmung eines unabhängigen Gerichts erforderlich.

Beendigung und Folgen der strafrechtlichen Untersuchung

Am Ende der strafrechtlichen Untersuchung steht die Staatsanwaltschaft vor der Entscheidung, ob die gesammelten Beweise einen sog. hinreichenden Tatverdacht rechtfertigen. Ist das der Fall, erhebt sie öffentliche Klage zum Gericht. Andernfalls ist das Verfahren durch förmlichen Bescheid einzustellen. Der Beschuldigte wird daraufhin informiert, und gegebenenfalls erfolgt die Löschung der personenbezogenen Daten im Rahmen des Datenschutzes.

Sonderformen und Besonderheiten

Sonderfälle in der strafrechtlichen Untersuchung

Ermittlungsverfahren gegen Jugendliche

Das Jugendstrafrecht (§§ 1 ff. JGG) sieht Besonderheiten beim Ablauf und bei den Rechtsfolgen der Untersuchung vor, beispielsweise Vorrang von Erziehungsmaßnahmen und spezielle Verfahrensrechte.

Internationale Ermittlungen

Bei internationalem Bezug – etwa durch Auslandsbezug der Tat oder Beteiligte – kann die Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden anderer Staaten nach den Regeln der internationalen Rechtshilfe geboten sein.

Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht

Untersuchungen in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen werden häufig von spezialisierten Ermittlungsdienststellen geführt. Sie unterliegen jedoch denselben strafprozessualen Grundsätzen.

Nichtverfolgbarkeit und Verfahrenseinstellung

Unter bestimmten Voraussetzungen, wie z. B. bei geringer Schuld, kann die Staatsanwaltschaft gemäß §§ 153 ff. StPO bereits im Ermittlungsverfahren von der Strafverfolgung absehen.

Rechtsmittel und Kontrolle der Untersuchung

Gegen sämtliche belastende Maßnahmen im Rahmen der Untersuchung stehen den Betroffenen Rechtsmittel zur Verfügung, insbesondere die Beschwerde (§§ 304 ff. StPO) bzw. der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 23 EGGVG).

Die Untersuchung unterliegt zudem gerichtlicher und parlamentarischer Kontrolle, insbesondere durch Eingaben, Beschwerden und gegebenenfalls Untersuchungs­ausschüsse bei schwerwiegenden Verfahrensverstößen.

Literaturhinweise und rechtliche Grundlagen

  • Strafprozessordnung (StPO)
  • Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
  • Jugendgerichtsgesetz (JGG)
  • Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), Art. 6
  • Fachkommentare zur StPO und einschlägige Monographien zum Strafverfahrensrecht

Die strafrechtliche Untersuchung ist ein fundamentales Element staatlicher Strafrechtspflege. Sie sichert die rechtsstaatliche Aufklärung von Straftaten bei umfassender Berücksichtigung der Grundrechte aller Beteiligten und bildet das Rückgrat rechtsstaatlicher Strafverfolgung in Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Wie verläuft eine strafrechtliche Untersuchung in Deutschland?

Eine strafrechtliche Untersuchung beginnt meist mit einem Anfangsverdacht, der entweder durch eine Anzeige, eigene Ermittlungen der Polizei oder Hinweise durch andere Behörden ausgelöst wird. Ist dieser Verdacht gegeben, nimmt die Polizei oder die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Diese Ermittlungen umfassen die Sammlung von Beweismitteln, wie etwa Zeugenbefragungen, Tatortbesichtigungen, Sicherstellung von Gegenständen, Beschlagnahmungen sowie gegebenenfalls die Durchführung von Durchsuchungen nach richterlicher Anordnung. Im Verlauf der Untersuchung kann die Staatsanwaltschaft bestimmte Maßnahmen anordnen oder beantragen, wie Untersuchungshaft, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die betroffene Person genießt während des gesamten Verfahrens Rechte, darunter das Recht auf einen Anwalt und das Recht, keine Angaben zur Sache zu machen. Die Untersuchung endet, wenn entweder die Staatsanwaltschaft das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts einstellt oder Anklage beim zuständigen Gericht erhebt.

Welche Rechte stehen Beschuldigten während einer strafrechtlichen Untersuchung zu?

Beschuldigte in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren haben zahlreiche gesetzlich garantierte Rechte. Zunächst haben sie das Recht zu schweigen und müssen sich nicht selbst belasten. Darüber hinaus haben sie das Recht, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl vertreten zu lassen oder auf Antrag einen Pflichtverteidiger zugeteilt zu bekommen. Sie sind berechtigt, die Ermittlungsakte einzusehen (über ihren Anwalt) und sich zu den Vorwürfen zu äußern. Während Durchsuchungen und Beschlagnahmen müssen bestimmte formelle Voraussetzungen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden; meist ist ein richterlicher Beschluss erforderlich. Werden sie festgenommen, müssen sie über ihre Rechte belehrt und unverzüglich einem Haftrichter vorgeführt werden. Auch das Recht auf Benachrichtigung eines Angehörigen sowie auf medizinische Versorgung in Haft ist gesetzlich verbrieft.

Wann kann es zu einer Durchsuchung oder Beschlagnahme im Zuge der strafrechtlichen Untersuchung kommen?

Durchsuchungen und Beschlagnahmen sind besonders eingriffsintensive Maßnahmen, die nur unter engen Voraussetzungen zulässig sind. Eine Durchsuchung der Wohnung oder anderer Räume ist in der Regel nur mit richterlichem Beschluss erlaubt, es sei denn, Gefahr im Verzug liegt vor. Voraussetzung ist ein konkreter Verdacht, dass durch die Maßnahme Beweismittel oder die gesuchte Person gefunden werden können. Für die Beschlagnahme von Gegenständen gilt ähnliches. Richterliche Anordnungen müssen detailliert begründet werden, und die Maßnahmen sind dokumentations- und protokollpflichtig. Die betroffene Person oder deren Anwalt kann gegen die Durchsuchung oder Beschlagnahme Rechtsmittel, wie die Beschwerde, einlegen. Die jeweiligen rechtlichen Grundlagen finden sich in der Strafprozessordnung (StPO), insbesondere in den §§ 94 ff. und 102 ff.

Was unterscheidet das Ermittlungsverfahren vom Hauptverfahren?

Das Ermittlungsverfahren ist die Phase der Beweiserhebung und Tatsachenfeststellung, in der ermittelt wird, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine Anklage besteht. In dieser Phase werden Zeugen gehört, Beweise gesichert und der Beschuldigte erstmals mit den Vorwürfen konfrontiert. Endet es mit einer Anklage und lässt das Gericht diese zu, schließt sich das Hauptverfahren an: Das Gericht prüft, ob sich der Tatvorwurf bestätigt. Im Hauptverfahren gilt der Grundsatz des unmittelbaren mündlichen Vortrags und der Öffentlichkeit. Die Beweisaufnahme findet in der Verhandlung statt, der Angeklagte wird erneut gehört und es werden Zeugen und Sachverständige geladen. Am Ende steht das Urteil, das auf Schuldspruch oder Freispruch lauten kann.

Welche Möglichkeiten hat eine beschuldigte Person, sich gegen Ermittlungsmaßnahmen zu wehren?

Eine beschuldigte Person kann sich mit verschiedenen rechtlichen Mitteln gegen Ermittlungsmaßnahmen verteidigen. Gegen Durchsuchungen, Beschlagnahmen oder andere Zwangsmaßnahmen steht die Beschwerde nach der Strafprozessordnung (StPO) offen. Auch gegen Untersuchungshaft kann mit der Haftprüfung oder der Haftbeschwerde vorgegangen werden. Der anwaltliche Beistand kann Akteneinsicht beantragen, Anträge auf Einstellung des Verfahrens stellen oder entlastende Beweise einreichen. Im gesamten Verfahren gilt das Recht auf rechtliches Gehör und auf einen fairen Prozess. Einwendungen und Beweisanträge können sowohl im Ermittlungs- als auch später im Hauptverfahren gestellt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, falsche oder unrechtmäßige Maßnahmen unmittelbar gerichtlich überprüfen zu lassen.

Welche Rolle spielt die Staatsanwaltschaft in der strafrechtlichen Untersuchung?

Die Staatsanwaltschaft ist Herrin des Ermittlungsverfahrens und maßgeblich verantwortlich für dessen Ablauf. Sie entscheidet, ob und in welchem Umfang ermittelt wird, kann Ermittlungsmaßnahmen anordnen oder beantragen und überwacht die Tätigkeit der Polizei. Die Staatsanwaltschaft wertet die gesammelten Beweise und entscheidet, ob das Verfahren eingestellt wird (z.B. aus Mangel an Beweisen oder wegen Geringfügigkeit), ob ein Strafbefehl beantragt oder Anklage erhoben wird. Sie ist dabei zur Objektivität verpflichtet und muss sowohl belastende als auch entlastende Umstände ermitteln und berücksichtigen. In bestimmten Fällen, wie etwa bei schweren Straftaten, führt sie die Ermittlungen auch selbst durch und ist der erste Ansprechpartner für Verteidiger und Beschuldigte.

Was geschieht, wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt wird?

Wird ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingestellt, bedeutet dies, dass die Staatsanwaltschaft keinen hinreichenden Tatverdacht für eine Anklage sieht oder andere Gründe für eine Einstellung vorliegen, wie etwa das Fehlen von Beweisen, das Zurückziehen der Anzeige oder Geringfügigkeit (letzteres meist mit Zustimmung des Gerichts). Die betroffene Person gilt in diesem Fall als unschuldig im Sinne des Strafrechts, es erfolgt kein Eintrag im Bundeszentralregister und keine öffentliche Bekanntmachung. Einige Einstellungen erfolgen jedoch unter Auflagen und Bedingungen nach § 153a StPO (z.B. Zahlung einer Geldauflage). Kommt es zur Einstellung, werden die beschlagnahmten Gegenstände in der Regel zurückgegeben. Gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft können etwa Anzeigenerstatter oder Nebenkläger Beschwerde einlegen.