Begriff und Bedeutung der Unterschwellenvergabeordnung
Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) ist ein zentrales Regelwerk für die öffentliche Auftragsvergabe in Deutschland und gilt für Beschaffungsvorgänge unterhalb der sogenannten EU-Schwellenwerte. Die UVgO regelt das Vergabeverfahren für Liefer- und Dienstleistungen (ausgenommen Bauleistungen), die von öffentlichen Auftraggebern ausgeschrieben und vergeben werden, wenn der geschätzte Auftragswert die jeweilige Schwelle nicht überschreitet. Sie ist als eigenständige Rechtsvorschrift ausgestaltet und dient der rechtssicheren und transparenten Gestaltung von Vergabeverfahren auf nationaler Ebene.
Systematik und Geltungsbereich der UVgO
Anwendungsbereich
Die UVgO findet Anwendung auf Vergaben von Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte entsprechend § 106 Absatz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Sie gilt für Institutionen des Bundes, der Länder und der Kommunen, soweit diese die UVgO ganz oder teilweise in ihren Bereichen eingeführt haben. Nicht anwendbar ist die UVgO auf Bauleistungen, für die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) maßgeblich ist.
Einbindung in den Rechtsrahmen
Die UVgO ergänzt auf nationaler Ebene das Vergaberecht, das europaweit durch die Vergaberichtlinien der Europäischen Union sowie durch das GWB und die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) strukturiert ist. Die UVgO hat den bis Ende 2017 geltenden ersten Abschnitt der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) weitgehend abgelöst.
Rechtliche Grundlagen und Ziele
Gesetzliche Verankerung
Die Einführung der UVgO erfolgt auf Grundlage von Verwaltungsvorschriften der jeweiligen Auftraggeber. Im Bund ist dies insbesondere die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur UVgO (VVgV zu § 50), in den Ländern erfolgt die Einführung zumeist durch Erlasse oder Landesvergabegesetze. Die Regelungen der UVgO sind bindend für die darin aufgeführten Stellen; ihre Geltung kann durch interne Vorschriften auf Landes- und Kommunalebene erweitert werden.
Ziele der UVgO
Die Unterschwellenvergabeordnung verfolgt das Ziel, einen einheitlichen, transparenten, wettbewerbsfördernden und zugleich ressourcenschonenden Rechtsrahmen für Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte zu schaffen. Insbesondere soll das Verfahren vereinfacht, die Transparenz erhöht und die Rechtssicherheit für öffentliche Beschaffer und Bietergestärkt werden.
Struktur und wesentliche Regelungsinhalte
Aufbau der UVgO
Die UVgO gliedert sich in insgesamt 52 Paragraphen, die systematisch den Ablauf eines Vergabeverfahrens von der Vorbereitung bis zur Zuschlagserteilung regeln. Zentrale Themenbereiche sind:
- Grundlagen und Allgemeines (§§ 1-8 UVgO)
- Vergabeverfahren (§§ 9-19 UVgO)
- Leistungsbeschreibung, Eignung und Zuschlagskriterien (§§ 23-35 UVgO)
- Ablauf des Verfahrens, Angebote, Zuschlagserteilung (§§ 36-47 UVgO)
- Dokumentations- und Informationspflichten (§§ 28, 30, 45 f. UVgO)
Vergabearten nach der UVgO
Die UVgO sieht folgende wesentliche Verfahrensarten vor:
- Öffentliche Ausschreibung: Ein förmliches Verfahren, bei dem eine unbeschränkte Zahl von Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert wird.
- Beschränkte Ausschreibung mit oder ohne Teilnahmewettbewerb: Ein Verfahren, bei dem nur ausgewählte Unternehmen zur Angebotsabgabe eingeladen werden; ein Teilnahmewettbewerb zur Auswahl der Teilnehmer ist optional.
- Verhandlungsvergabe: Ein Verfahren, das flexiblere Verhandlungen mit einzelnen oder mehreren Unternehmen ermöglicht, insbesondere in besonderen Konstellationen oder bei wiederholtem Scheitern vorausgegangener Verfahren.
- Direktauftrag: Einfache Beschaffungsmöglichkeit für Kleinstaufträge bis zu einem bestimmten Nettoauftragswert (in der Regel 1.000 EUR).
Die Auswahl des Verfahrens richtet sich nach dem geschätzten Auftragswert sowie nach besonderen Umständen und wird in den §§ 8 ff. UVgO näher geregelt.
Ablauf und Anforderungen an das Vergabeverfahren
Das Vergabeverfahren nach UVgO muss die Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung, Wettbewerbsförderung und Wirtschaftlichkeit beachten. Dazu zählen unter anderem:
- Vergabedokumentation: Sorgfältige Aufzeichnung sämtlicher wesentlicher Verfahrensschritte und Entscheidungen zur Nachvollziehbarkeit.
- Vergabeunterlagen: Vollständige und eindeutige Darstellung der zu beschaffenden Leistung.
- Eignungsprüfung: Überprüfung, ob Bieter die Anforderungen an Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit erfüllen.
- Zuschlagskriterien: Festlegung von Kriterien für die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots; neben dem Preis können qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.
- Information und Transparenz: Obligatorische Information der Bieter über den Stand des Verfahrens und die Gründe für eine Nichtberücksichtigung ihres Angebots.
Fristenregelungen
Für die Einreichung von Angeboten und Teilnahmeanträgen gelten verbindliche Mindestfristen, die eine angemessene Zeitspanne zur Angebotserstellung sichern. Die UVgO differenziert hierbei nach Verfahrensart und Dringlichkeit der Beschaffung.
Verhältnis zu anderen vergaberechtlichen Regelwerken
Abgrenzung zur VgV und VOL/A
Die Unterschwellenvergabeordnung ist ausschließlich auf Auftragsvergaben anwendbar, deren geschätzte Werte unterhalb der jeweiligen EU-Schwellenwerte liegen. Für Vergaben oberhalb der Schwellenwerte gelten die Vorschriften der Vergabeverordnung (VgV) und des GWB. Während die VOL/A früher für den unterschwelligen Bereich galt, ist deren Anwendungsbereich mit Inkrafttreten der UVgO deutlich eingeschränkt worden.
Bauleistungen und Sektorenauftraggeber
Die UVgO findet keine Anwendung auf Bauleistungen (hier gilt die VOB/A) und nicht auf die besonderen Sektorenauftraggeber im Bereich Wasser-, Energie-, Verkehrs- und Postdienste (hier gilt die Sektorenverordnung).
Rechtsschutz und Nachprüfungsverfahren im Unterschwellenbereich
Im Gegensatz zu EU-weiten Vergabeverfahren steht Bietern im Unterschwellenbereich grundsätzlich kein förmliches Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern zu. Etwaige Verstöße gegen die UVgO können im Einzelfall Gegenstand innerdienstlicher Prüfungen oder gerichtlicher Überprüfungen (beispielsweise im Wege von Schadenersatzklagen oder einstweiligem Rechtsschutz nach Zivilrecht oder Haushaltsrecht) werden. In manchen Bundesländern existieren ergänzende landesrechtliche Nachprüfungsregelungen.
Reform und Entwicklung der UVgO
Die UVgO wird stetig weiterentwickelt, um aktuelle Anforderungen an Wirtschaftlichkeit, Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Impulse für Änderungen kommen aus der Rechtsprechung, der Gesetzgebung auf Bundes- und Landesebene sowie aus Erfahrungen der Auftraggeber und Bietenden in der Praxis. Ein zentraler Entwicklungsschwerpunkt ist die fortschreitende Digitalisierung der Vergabeverfahren, insbesondere durch die verpflichtende elektronische Kommunikation.
Zusammenfassung
Die Unterschwellenvergabeordnung regelt verbindlich die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte in Deutschland. Ihre systematische und detaillierte Struktur gewährleistet rechtssichere, transparente und wettbewerbsorientierte Vergabeverfahren und trägt zur effizienten und nachvollziehbaren Mittelverwendung im öffentlichen Sektor bei. Als dynamisches Regelwerk wird sie kontinuierlich an neue rechtliche und wirtschaftliche Anforderungen angepasst und bleibt damit ein zentrales Instrument des deutschen Vergaberechts.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind bei der Anwendung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) zu beachten?
Die Anwendung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) ist an eine Vielzahl rechtlicher Rahmenbedingungen gebunden, die insbesondere aus dem Haushaltsrecht, dem Vergaberecht und ergänzenden EU-rechtlichen Vorgaben resultieren. Zunächst ist die UVgO im Rahmen von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte anzuwenden, soweit sie auf Bundes- oder Landesebene in Kraft gesetzt wurde. Maßgeblich sind zudem die haushaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Auftraggebers, die u.a. die wirtschaftliche und sparsame Verwendung öffentlicher Mittel fordern. Weiterhin müssen für einzelne Leistungen fachspezifische Regelungen (z.B. im Bereich IT, Bau oder Sozialleistungen) beachtet werden, die ergänzende Anforderungen an das Vergabeverfahren stellen können. Die Einhaltung von Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsätzen nach § 97 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) bleibt auch auf Unterschwellenebene essentiell, wodurch insbesondere die Dokumentationspflicht nach § 8 UVgO relevant ist. Ferner ist der Anwendungsbereich geografisch und sachlich begrenzt und muss mit dem jeweiligen Landesrecht abgeglichen werden, insbesondere da die Umsetzung der UVgO in manchen Bundesländern dezentral geregelt ist.
Welche Pflichten zur Dokumentation bestehen nach der UVgO?
Die UVgO fordert detaillierte Dokumentationspflichten, um die Nachprüfbarkeit und Transparenz der Vergabeentscheidungen zu gewährleisten. Nach § 8 UVgO muss der gesamte Vergabeprozess lückenlos dokumentiert werden, einschließlich der Vorbereitung des Verfahrens, der Angebotswertung und der Zuschlagsentscheidung. Dazu gehören die Beschreibung des Beschaffungsgegenstands, die Wahl der Verfahrensart (z. B. Direktvergabe, Verhandlungsvergabe, Öffentliche Ausschreibung), die Begründung für die Wahl der Verfahrensart, die Kriterien und deren Gewichtung für die Angebotswertung sowie eine Übersicht der eingereichten Angebote. Die Dokumentation soll es Dritten ermöglichen, das Verfahren auch im Nachhinein auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Mindestanforderungen sind in § 8 UVgO geregelt; weitergehende Dokumentationspflichten können sich aus haushaltsrechtlichen Vorschriften oder internen Regularien der Vergabestelle ergeben.
In welchen Fällen ist eine freihändige Vergabe nach der UVgO zulässig und welche rechtlichen Voraussetzungen gelten hierbei?
Freihändige Vergaben, in der UVgO als Verhandlungsvergabe bzw. in bestimmten Konstellationen auch als Direktvergabe bezeichnet, sind unter den in §§ 8, 12 und 14 UVgO genannten Voraussetzungen möglich. Beispielsweise kann eine Verhandlungsvergabe unterhalb bestimmter Wertgrenzen, bei Ausbleiben von Angeboten oder besonderen Dringlichkeiten erfolgen. Gesetzlich zwingend ist dabei die Begründung und Dokumentation der Ausnahme, insbesondere warum eine Öffentliche Ausschreibung nicht durchführbar oder zweckmäßig ist. Auch bei Verhandlungsvergaben sind die Grundsätze von Transparenz, Wettbewerb und Gleichbehandlung zu beachten. Zudem dürfen keine Umgehungstatbestände vorliegen, bei denen ein Auftrag künstlich unter die Schwellenwerte aufgeteilt wird, um ein weniger strenges Verfahren wählen zu können. Bei von der UVgO abweichenden Regelungen einzelner Aufgabenträger (etwa bei Zuwendungsempfängern) sind zusätzliche rechtliche Vorgaben zu beachten.
Wie sind die rechtlichen Vorgaben zur Veröffentlichung von Vergabeverfahren nach der UVgO geregelt?
Die UVgO sieht im Gegensatz zur VOB/A unterhalb der EU-Schwellenwerte keine zwingende Pflicht zur Veröffentlichung aller Vergabeverfahren oder -bekanntmachungen vor. Dennoch müssen gemäß § 28 UVgO Aufträge mit einem Auftragswert ab 25.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) ex-post bekannt gemacht werden. Dies bedeutet, dass Auftraggeber die vergebenen Aufträge nach Zuschlagserteilung auf geeignete Weise, häufig online auf entsprechenden Vergabeplattformen, veröffentlichen müssen. In manchen Bundesländern gelten strengere Regeln, sodass eine Bekanntmachungspflicht auch schon bei niedrigeren Auftragswerten vorgesehen sein kann. Nicht-öffentliche Bekanntmachungen sind freiwillig möglich, um den Vergabewettbewerb zu fördern.
Wie erfolgt die Nachprüfung und welche Rechtsbehelfe stehen bei UVgO-Vergaben zur Verfügung?
Im Unterschied zu Verfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte steht für UVgO-Beschaffungen nach aktuellen Rechtsstand (Juni 2024) grundsätzlich kein formales Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer nach dem GWB zur Verfügung. Rechtsschutz kann daher primär über die allgemeinen zivilrechtlichen und verwaltungs- bzw. haushaltsrechtlichen Wege erfolgen. Bieter können bei Rechtsverstößen ein Vergabenachprüfungsverfahren nach Maßgabe von § 19 Abs. 2 VOL/A (analog) oder durch einstweilige gerichtliche Maßnahmen, Beschwerden an die Aufsichtsbehörde oder Rügen im Vergabeverfahren geltend machen. Die Auftraggeber sind verpflichtet, auf eingehende Rügen zu reagieren und die Entscheidung zu begründen. Je nach Bundesland können spezielle Nachprüfungsmechanismen oder Ombudsstellen eingerichtet sein.
Welche Anforderungen bestehen an die Eignungsprüfung und die Auswahl von Bietern?
Gemäß den §§ 31 bis 34 UVgO sind die Eignung der Bieter und ihre Angebote nach festgelegten, sachlich gerechtfertigten und transparenten Kriterien zu bewerten. Die prüfenden Anforderungen betreffen die Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit sowie ggf. weitere Nachweise, wie Referenzen, Nachweise zur Zahlung von Steuern und Abgaben, ggf. Versicherungsbestätigungen und Nachweise zur Einhaltung von Sozialvorschriften. Die Eignungskriterien sowie ihre Gewichtung müssen bereits in den Vergabeunterlagen festgelegt und allen potenziellen Bietern bekanntgegeben werden. Die spätere Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots muss auf dieser, im Voraus transparent festgelegten, Grundlage erfolgen. Die Anforderungen dürfen nicht diskriminierend und müssen verhältnismäßig sein.
Welche rechtlichen Konsequenzen hat die Nichteinhaltung der UVgO-Vorgaben für Vergabestellen?
Eine missbräuchliche oder fehlerhafte Anwendung der UVgO kann unterschiedliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Im Bereich der förmlichen Nachprüfung (s.o.) existieren zwar keine speziellen Sanktionen unterhalb der Schwellenwerte, allerdings kann die Nichteinhaltung der UVgO ein Haushaltsverstoß sein, der zu Beanstandungen durch die Haushalts- oder Prüfungsbehörden (z.B. Bundesrechnungshof, Landesrechnungshöfe) und ggf. zur Rückforderung oder Streichung von Fördermitteln führen kann. Ferner drohen Schadensersatzansprüche von benachteiligten Bietern, z.B. auf Erstattung der Angebotserstellungskosten. Zudem kann ein Verstoß gegen die vergaberechtlichen Vorschriften eine persönliche Haftung der Entscheider im öffentlichen Dienst nach sich ziehen. In gravierenden Fällen könnte eine Vertragsaufhebung oder -anfechtung in Betracht gezogen werden. Das Maß der Konsequenzen hängt vom Einzelfall, dem Verschulden und den Auswirkungen des Verstoßes ab.