Begriff und Bedeutung von Unterhaltssachen
Unterhaltssachen sind ein zentrales Thema im deutschen Familienrecht. Unter diesem Begriff werden sämtliche rechtlichen Streitigkeiten, Anträge und Verfahren zusammengefasst, die sich auf die Zahlung, Festsetzung oder Abänderung von Unterhaltspflichten beziehen. Die Regelungen zu Unterhaltssachen sind insbesondere im Familienverfahrensrecht und im materiellen Familienrecht verankert und betreffen verschiedene Konstellationen, die das Eltern-Kind-Verhältnis, eheliche und nichteheliche Partnerschaften sowie andere Unterhaltsverhältnisse betreffen.
Gesetzliche Grundlagen
Zivilprozessordnung und Familienverfahrensgesetz
Unterhaltssachen sind in der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO), im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) sowie im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Das FamFG enthält im Abschnitt 2 (§§ 231 ff. FamFG) spezielle verfahrensrechtliche Bestimmungen zu Unterhaltssachen.
Materiell-rechtliche Grundlage
Materiell-rechtlich werden Unterhaltspflichten primär im BGB begründet:
- Kindesunterhalt (§§ 1601 ff. BGB)
- Ehegattenunterhalt (§§ 1360 ff., 1570 ff. BGB)
- Verwandtenunterhalt (§§ 1601 ff. BGB)
- Elternunterhalt (§ 1601 BGB)
- Unterhalt nicht verheirateter Mütter oder Väter (§ 1615l BGB)
Arten von Unterhaltssachen
Kindesunterhalt
Kindesunterhalt umfasst alle Ansprüche, die minderjährige und volljährige Kinder gegenüber ihren Eltern auf Zahlung von Unterhalt haben. Die Höhe des Kindesunterhalts richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle, wobei das konkrete Einkommen des Unterhaltspflichtigen und der Bedarf des Kindes maßgebend sind.
Ehegattenunterhalt
Beim Ehegattenunterhalt wird zwischen Trennungsunterhalt während des Getrenntlebens (§ 1361 BGB) und nachehelichem Unterhalt nach der Scheidung (§§ 1569 ff. BGB) unterschieden. Für die Bemessung des nachehelichen Unterhalts sind das nacheheliche Bedürfnis und die Leistungsfähigkeit des Zahlungspflichtigen entscheidend.
Elternunterhalt
Elternunterhalt betrifft Unterhaltsansprüche der Eltern gegen ihre Kinder, falls die Eltern selbst bedürftig sind und ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können.
Sonderformen
- Unterhalt für Mutter oder Vater aus Anlass der Geburt (§ 1615l BGB)
- Unterhaltsansprüche von Großeltern oder Enkeln (in Ausnahmefällen)
- Ehebedingter Mehrbedarf (z. B. wegen gemeinsamer Kinder oder Haushaltstätigkeit)
Verfahren in Unterhaltssachen
Zuständigkeit der Gerichte
Für Unterhaltssachen ist das Familiengericht zuständig, das als Abteilung beim Amtsgericht geführt wird. Das FamFG bestimmt die örtliche Zuständigkeit in § 232 FamFG regelmäßig nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten.
Ablauf des Verfahrens
Ein Unterhaltsverfahren beginnt in der Regel mit einem schriftlichen Antrag beim Familiengericht. Es findet ein strukturiertes Verfahren mit Möglichkeiten zu Vergleich, Beweisaufnahme und gerichtlicher Entscheidung statt. Hauptpunkte hierbei sind:
- Ermittlung der Einkommensverhältnisse sowie des Bedarfs und der Leistungsfähigkeit
- Vorläufige Anordnung in eilbedürftigen Fällen (einstweiliger Rechtsschutz nach §§ 49, 246 FamFG)
- Möglichkeit der Abänderung bestehender Titel bei veränderten Verhältnissen
- Vollstreckung von Unterhaltstiteln (beispielsweise durch Lohnpfändung)
Auslandsbezug
Internationale Unterhaltssachen unterliegen besonderen Regelungen, beispielsweise dem Haager Unterhaltsübereinkommen oder der EU-Unterhaltsverordnung (EG Nr. 4/2009). Hier sind Zuständigkeit, anzuwendendes Recht und gegenseitige Anerkennung von Titeln geregelt.
Titulierung und Zwangsvollstreckung
Unterhaltstitel
Ein Unterhaltstitel ist eine öffentliche Urkunde oder ein Gerichtsbeschluss, aufgrund dessen der Unterhalt vollstreckt werden kann. Zu den Titeln zählen:
- gerichtlicher Unterhaltsbeschluss
- Jugendamtsurkunde (§ 59 SGB VIII)
- notarielle Urkunde
Vollstreckungsmaßnahmen
Bleibt die freiwillige Zahlung aus, kann mittels des Unterhaltstitels die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Hierzu gehören Pfändungen, Kontenbeschlagnahme und Vermögensauskunft.
Abänderung und Wegfall von Unterhalt
Abänderungsverfahren
Ein bestehender Unterhaltstitel kann bei veränderten wirtschaftlichen oder persönlichen Umständen abgeändert werden. Dies geschieht auf Antrag bei dem Familiengericht, welches auch den ursprünglichen Titel erlassen hat.
Erlöschen des Unterhaltsanspruchs
Der Unterhaltsanspruch erlischt generell bei Eintritt bestimmter Bedingungen, etwa:
- Vollendung der Ausbildung beim Kindesunterhalt
- Wiederheirat oder Tod beim Ehegattenunterhalt
- Wegfall der Bedürftigkeit
Kosten und Vergütung im Unterhaltsverfahren
Gerichtskosten
Das Verfahren in Unterhaltssachen löst Gerichtskosten aus, berechnet nach Streitwert und Gerichtskostengesetz (GKG).
Anwaltsvergütung
Die Vergütung richtet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), wobei der Gegenstandswert mitentscheidend ist.
Verfahrenskostenhilfe
Unter bestimmten Voraussetzungen kann Verfahrenskostenhilfe beantragt werden, wenn die finanzielle Leistungsfähigkeit nicht zur Tragung der Kosten ausreicht.
Bedeutung und Funktion im Familienrecht
Unterhaltssachen gewährleisten die wirtschaftliche Sicherung der im Gesetz genannten Berechtigten und bilden einen Grundpfeiler des Familienschutzes. Im Interesse des Kindeswohls und der sozialen Verantwortung wird so ein effektiver Weg geboten, Rechte und Pflichten zwischen den Beteiligten verbindlich zu regeln und durchzusetzen.
Zusammenfassung
Unterhaltssachen umfassen sämtliche gerichtlichen und außergerichtlichen Angelegenheiten, die sich auf die Feststellung, Durchsetzung, Abänderung und Vollstreckung von Unterhaltsansprüchen verschiedener Personengruppen beziehen. Sie sind ein zentraler Bestandteil des Familienrechts und dienen dem Zweck, existenzielle Bedürfnisse bei Trennung, Scheidung oder im Verwandtenverhältnis rechtlich abzusichern und durchsetzbar zu machen. Die gesetzlichen Grundlagen und die detaillierte verfahrensrechtliche Ausgestaltung tragen maßgeblich zur Rechtssicherheit und zum sozialen Ausgleich zwischen den Beteiligten bei.
Häufig gestellte Fragen
Wie wird die Höhe des Kindesunterhalts berechnet?
Die Berechnung des Kindesunterhalts erfolgt in Deutschland in der Regel anhand der sogenannten Düsseldorfer Tabelle, die als Leitlinie von den Familiengerichten herangezogen wird. Die Tabelle legt je nach Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils und nach dem Alter des Kindes feste Richtwerte fest. Das anrechenbare monatliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen wird nach Abzug berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten bestimmt. Dazu gehören beispielsweise berufsbedingte Aufwendungen oder unter Umständen bereits bestehende Unterhaltsverpflichtungen gegenüber weiteren Kindern oder Ex-Partnern. Neben dem Tabellensatz der Düsseldorfer Tabelle ist das Kindergeld anteilig anzurechnen: Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, erhält in der Regel mindestens das hälftige Kindergeld auf den Bedarf angerechnet. Die festgelegten Unterhaltsbeträge unterscheiden nach Altersstufen (0-5, 6-11, 12-17 Jahre sowie volljährige Kinder). Einzelfallbezogene Besonderheiten wie gesteigerte Erwerbsobliegenheit oder die Anrechnung von eigenem Einkommen des Kindes werden ebenfalls berücksichtigt. Das Familiengericht kann bei außergewöhnlichen Umständen vom Tabellenwert abweichen.
Welche Unterlagen müssen zur Feststellung des Unterhalts eingereicht werden?
Für die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs und der Leistungsfähigkeit sind insbesondere ausführliche Einkommensnachweise des Unterhaltspflichtigen notwendig. Hierzu zählen mindestens die Gehaltsabrechnungen der letzten zwölf Monate, Nachweise über sonstige Einnahmen (z.B. Mieteinnahmen, Kapitalerträge), Steuerbescheide der letzten Jahre sowie Kontoauszüge, die regelmäßige Zahlungseingänge und -ausgänge belegen. Weiterhin werden Belege über berücksichtigungsfähige Kosten wie kreditbedingte Belastungen, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, erforderliche Fahrtkosten und ggf. Nachweise über weitere Unterhaltspflichten gefordert. Selbständige müssen zudem Bilanzen, Einnahmen-Überschuss-Rechnungen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie entsprechende Steuerunterlagen vorlegen. Für den Nachweis von erhöhtem Bedarf des Kindes (z.B. bei medizinischen Sonderkosten oder ausbildungsbedingtem Mehrbedarf) sind gesonderte Belege einzureichen.
Kann die Unterhaltshöhe nachträglich geändert werden?
Die festgelegte Unterhaltshöhe ist grundsätzlich anpassbar, wenn sich wesentliche Veränderungen der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse ergeben. Typische Änderungen, die zu einer Überprüfung und ggf. Abänderung der Unterhaltshöhe führen können, sind zum Beispiel eine erhebliche Veränderung der Einkommenssituation eines Elternteils (z.B. Arbeitsplatzverlust, Einkommenssteigerung), erhebliche Änderungen beim eigenen Einkommen des Kindes (z.B. durch Aufnahme einer Ausbildung oder bei Volljährigkeit) oder auch durch Gesetzes- bzw. Tabellenerhöhungen (z.B. neue Düsseldorfer Tabelle, gesetzliche Kindergelderhöhung). Die Änderung ist beim Familiengericht oder außergerichtlich zu beantragen und kann grundsätzlich auch rückwirkend geltend gemacht werden, frühestens jedoch ab dem Zeitpunkt, zu dem die veränderten Umstände nachweislich angezeigt wurden.
Welche Konsequenzen drohen bei Verweigerung der Unterhaltszahlungen?
Die Verweigerung von Unterhaltszahlungen kann empfindliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Der Unterhaltsberechtigte hat die Möglichkeit, den Unterhaltstitel beim Familiengericht oder beim Jugendamt zu erwirken und anschließend eine Zwangsvollstreckung zu beantragen. Hierbei können Lohnpfändungen, Konto- oder sonstige Vermögenspfändungen erfolgen. Darüber hinaus ist die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verweigerung von Unterhaltsleistungen nach § 170 StGB strafbar („Unterhaltspflichtverletzung“). Das Jugendamt kann zudem im Rahmen des Unterhaltsvorschussgesetzes Unterhaltsvorschuss leisten und die Ansprüche auf das Land überleiten, das dann wiederum im Wege des Regresses gegen den Unterhaltspflichtigen vorgeht.
Gibt es Unterschiede beim Ehegattenunterhalt im Trennungsjahr und nach Scheidung?
Ja, es ist zu unterscheiden zwischen Trennungsunterhalt und nachehelichem Unterhalt. Während des Trennungsjahres bis zur rechtskräftigen Scheidung steht dem weniger leistungsfähigen Ehegatten in der Regel ein Anspruch auf Trennungsunterhalt zu, solange eine durch die ehelichen Lebensverhältnisse begründete Bedürftigkeit vorliegt. Diese orientiert sich an den ehelichen Lebensverhältnissen zum Zeitpunkt der Trennung. Nach Rechtskraft der Scheidung kommt grundsätzlich nur noch nachehelicher Unterhalt in Betracht, für den jedoch strengere Anspruchsvoraussetzungen gelten, z.B. wegen Betreuung von gemeinsamen Kindern, Krankheit, Alter oder Erwerbslosigkeit trotz Bemühens um eigene Arbeit. Der nacheheliche Unterhalt ist auf die Dauer und Höhe nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung begrenzt und kann zeitlich befristet sowie der Höhe nach angepasst werden.
Wie wird der Unterhalt für volljährige Kinder geregelt?
Mit Eintritt der Volljährigkeit (ab dem 18. Geburtstag) verändert sich das Unterhaltsrecht für Kinder maßgeblich. Volljährige Kinder sind grundsätzlich selbst für die Durchsetzung ihres Unterhalts gegenüber den Eltern verantwortlich. Beide Elternteile sind entsprechend ihrer Einkommensverhältnisse anteilig barunterhaltspflichtig, unabhängig davon, bei wem das Kind lebt. Die Bedarfssätze für volljährige Kinder sind ebenfalls in der Düsseldorfer Tabelle geregelt, allerdings gelten hier abweichende Festbeträge, die den Wegfall des Betreuungsunterhalts berücksichtigen. Der angemessene Eigenbedarf (Selbstbehalt) der Eltern erhöht sich zudem gegenüber dem minderjährigen Kind. Das Kindergeld wird in der Regel in voller Höhe auf den Bedarf des volljährigen Kindes angerechnet.
Welche Bedeutung hat der sogenannte Selbstbehalt beim Unterhalt?
Der Selbstbehalt bezeichnet den Betrag, der dem Unterhaltspflichtigen zur Sicherstellung seines eigenen Existenzminimums verbleiben muss, bevor Unterhaltszahlungen zu leisten sind. Der Selbstbehalt ist in der Düsseldorfer Tabelle als Mindestbetrag festgelegt und unterscheidet sich danach, ob Unterhalt gegenüber minderjährigen bzw. volljährigen Kindern oder gegenüber Ehegatten/Eltern gezahlt wird. Wird durch die Unterhaltszahlung der Selbstbehalt unterschritten, kann dies dazu führen, dass der Unterhaltspflichtige entweder weniger oder gar keinen Unterhalt schuldet. Der Selbstbehalt wird regelmäßig an die Kostenentwicklung angepasst und umfasst neben dem pauschalen Lebensunterhalt auch einen Betrag für Unterkunft und Heizung. Im Einzelfall können bei besonders hohen Belastungen individuelle Anpassungen erfolgen.