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Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern


Begriff und Grundlagen der Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern

Die Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern stellt einen zentralen Bestandteil des deutschen Familienrechts dar. Sie verpflichtet Eltern, für das materielle und immaterielle Wohl ihres minderjährigen Kindes umfassend zu sorgen. Diese Verpflichtung ist in Deutschland gesetzlich geregelt und dient dem Schutz und der Sicherung des Kindeswohls. Der folgende Artikel bietet eine ausführliche, rechtlich fundierte Darstellung sämtlicher relevanter Aspekte der Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern.


Gesetzliche Grundlagen der Unterhaltspflicht

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Die Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Insbesondere die §§ 1601 ff. BGB regeln die Unterhaltspflichten von Verwandten in gerader Linie, zu denen auch Eltern gegenüber ihrem Kind zählen. Das Gesetz räumt dem Kindesunterhalt als sogenanntem „Minderjährigenunterhalt“ eine herausgehobene Stellung ein, da den minderjährigen Kindern ein bevorzugter Anspruch auf Unterhalt zukommt.

Vorrang des Kindesunterhalts

Gemäß § 1609 BGB haben minderjährige unverheiratete Kinder und privilegierte volljährige Kinder Vorrang vor anderen unterhaltsberechtigten Personen (beispielsweise Ehegatten oder Eltern). Dies sichert die rechtliche Priorität des Kindeswohls gegenüber konkurrierenden Unterhaltsansprüchen.


Arten, Umfang und Höhe der Unterhaltspflicht

Naturalleistung und Barunterhalt

Naturalunterhalt

Der Naturalunterhalt umfasst die unmittelbare Betreuung und Versorgung des Kindes, wie Unterbringung, Ernährung, Bekleidung, Krankenfürsorge sowie Erziehung. Im Regelfall wird dieser vomjenigen Elternteil erfüllt, in dessen Haushalt das Kind lebt.

Barunterhalt

Der Elternteil, der mit dem Kind nicht zusammenlebt, ist gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB grundsätzlich zur Zahlung von Barunterhalt verpflichtet. Dies bedeutet, dass dieser Elternteil anstelle der persönlichen Betreuung die finanziellen Belange des Kindes sicherstellt.

Bemessung der Unterhaltshöhe

Bedarfsermittlung anhand der Düsseldorfer Tabelle

Die Höhe des zu leistenden Kindesunterhalts richtet sich nach dem Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils sowie nach dem Alter und dem Bedarf des Kindes. Die Düsseldorfer Tabelle, die von den deutschen Oberlandesgerichten in Abstimmung mit dem Deutschen Familiengerichtstag herausgegeben wird, liefert bundeseinheitliche Leitlinien zur Berechnung des Mindestunterhalts.

Selbstbehalt

Dem Unterhaltspflichtigen steht ein sogenannter Selbstbehalt zu, der sein Existenzminimum schützt. Die Höhe des Selbstbehalts variiert, je nach Erwerbstätigkeit und Lebenssituation. Er soll verhindern, dass der Unterhaltspflichtige durch die Zahlungsverpflichtung selbst bedürftig wird.

Dynamisierung und Anpassung

Die Unterhaltshöhe kann sich im Lauf der Zeit ändern, etwa durch Einkommensänderungen des Unterhaltspflichtigen oder veränderte Lebensumstände des Kindes. Der Unterhaltsbedarf steigt zudem mit dem Alter des Kindes und wird regelmäßig angepasst.


Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kind

Unterhaltspflicht beider Elternteile

Gemäß § 1606 BGB sind beide Elternteile unterhaltspflichtig. In der Praxis übernimmt der betreuende Elternteil den Naturalunterhalt, während der nicht betreuende Elternteil Barunterhalt schuldet. Dieses Zusammenspiel gewährleistet die umfassende Versorgung des Kindes.

Rangverhältnisse und Privilegierung

Vorrang der minderjährigen Kinder

Wie § 1609 BGB ausdrücklich regelt, sind minderjährige Kinder unterhaltsrechtlich vorrangig. Dies gilt auch für volljährige, privilegierte Kinder (z. B. solche, die sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden und im elterlichen Haushalt leben).


Durchsetzung und Sicherung des Kindesunterhalts

Titulierung des Unterhaltsanspruchs

Der Anspruch auf Kindesunterhalt kann durch eine sogenannte Titulierung rechtlich abgesichert werden. Dazu zählt beispielsweise die notarielle oder vormundschaftsgerichtliche Urkunde, aber auch gerichtliche Unterhaltstitel.

Zwangsvollstreckung und Beistandschaft

Wenn der Unterhaltspflichtige seiner Verpflichtung nicht nachkommt, ist die Zwangsvollstreckung möglich. Das Jugendamt bietet dem alleinsorgeberechtigten Elternteil oder dem Kind eine sogenannte Beistandschaft an (§ 1712 BGB), um Unterhaltsansprüche durchzusetzen.


Anpassung und Befristung der Unterhaltspflicht

Dauer der Unterhaltspflicht

Die Unterhaltspflicht besteht grundsätzlich, bis das Kind volljährig ist. Sie kann jedoch auch über die Volljährigkeit hinaus fortbestehen, etwa bei laufender Schulausbildung oder während einer ersten beruflichen Ausbildung. Mit dem Eintritt der Selbständigkeit des Kindes (z. B. abgeschlossen Ausbildung, Studium oder eigene Erwerbstätigkeit) endet die Unterhaltspflicht in der Regel.

Besonderheiten bei Ausbildungsunterhalt

Der sogenannte Ausbildungsunterhalt nach § 1610 BGB erstreckt sich auf die Gewährleistung einer angemessenen, der Begabung und Neigung entsprechenden Ausbildung. Eine längere Unterhaltspflicht kann zum Beispiel bei einem konsekutiven Studium bestehen.


Unterhaltspflicht in Trennung, Scheidung und bei Patchworkfamilien

Minderjährigenunterhalt im Trennungsfall

Im Fall der Trennung oder Scheidung schuldet der nicht betreuende Elternteil Barunterhalt. Die Höhe richtet sich auch hier regelmäßig nach der Düsseldorfer Tabelle.

Unterhaltspflicht in Patchworkkonstellationen

Auch in Patchworkfamilien bleibt die Verpflichtung gegenüber dem eigenen minderjährigen Kind bestehen. Stiefeltern übernehmen nur unter bestimmen Voraussetzungen eine Unterhaltspflicht.


Sanktionen bei Verletzung der Unterhaltspflicht

Strafbarkeit nach § 170 StGB

Die vorsätzliche Verletzung der Unterhaltspflicht ist gemäß § 170 Strafgesetzbuch strafbar und kann zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe führen. Voraussetzung ist die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen und die vorsätzliche Nichtleistung des Unterhalts.

Zwangsvollstreckung und Eintrag ins Schuldnerverzeichnis

Kommt der Unterhaltspflichtige der Zahlung trotz Titulierung nicht nach, kann die Zwangsvollstreckung eingeleitet und ein Eintrag ins Schuldnerverzeichnis (§ 882c ZPO) vorgenommen werden.


Zusammenfassung

Die Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern ist ein umfassend geregelter Pflichtenkreis im deutschen Familienrecht mit zahlreichen rechtlichen und praktischen Besonderheiten. Sie dient der Sicherung des Kindeswohls und genießt gegenüber anderen Unterhaltsverpflichtungen Vorrang. Die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere des Bürgerlichen Gesetzbuchs, konkretisiert durch die Rechtsprechung und Hilfsmittel wie die Düsseldorfer Tabelle, sorgen für Rechtssicherheit sowie Transparenz für alle Beteiligten.

Häufig gestellte Fragen

Wann beginnt und wann endet die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern?

Die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern beginnt grundsätzlich mit deren Geburt. Ab diesem Zeitpunkt sind beide Elternteile verpflichtet, für den angemessenen Unterhalt ihres Kindes zu sorgen. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht, und unabhängig davon, bei welchem Elternteil das Kind lebt. Die Unterhaltspflicht endet im Regelfall mit der Volljährigkeit des Kindes, also mit Vollendung des 18. Lebensjahres. Dennoch kann sie unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen des sogenannten Ausbildungsunterhalts fortbestehen, etwa wenn das Kind sich noch in einer allgemeinen Schulausbildung oder einer ersten Berufsausbildung befindet und deshalb nicht selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann. Die Verpflichtung entfällt auch dann nicht automatisch bei Eintritt der Volljährigkeit, sondern nur, wenn das Kind tatsächlich in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten oder offensichtlich keine weitere Ausbildung mehr anstrebt. Stirbt das Kind oder der zahlungspflichtige Elternteil, so endet die Unterhaltspflicht mit dem Todeszeitpunkt.

Wie wird die Höhe des Kindesunterhalts berechnet?

Die Höhe des Kindesunterhalts wird in Deutschland in der Regel nach der sogenannten Düsseldorfer Tabelle ermittelt. Ausschlaggebend für die Berechnung sind dabei insbesondere das bereinigte Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils sowie das Alter des Kindes. Das bereinigte Nettoeinkommen ergibt sich aus dem monatlichen Einkommen abzüglich bestimmter berücksichtigungsfähiger Aufwendungen wie beispielsweise berufsbedingte Kosten, Krankenkassenbeiträge oder zusätzliche Altersvorsorge. Der Unterhaltsbedarf minderjähriger Kinder ist nach Altersstufen gestaffelt und im jeweiligen Tabellenwert ablesbar. Vom so bestimmten Regelbetrag ist in der Regel das Kindergeld, welches hälftig auf beide Elternteile aufgeteilt wird, anteilig abzuziehen, da es dem Barunterhalt angerechnet wird. Wichtig ist, dass nicht jedes Einkommen in voller Höhe als unterhaltsrelevant gilt; unter anderem sind auch Berücksichtigungen von weiteren unterhaltsberechtigten Personen vorzunehmen sowie bestimmte Selbstbehalte (Eigenbedarf) zu beachten, die dem Unterhaltspflichtigen verbleiben müssen.

Wer ist vorrangig zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet?

Vorrangig zum Barunterhalt verpflichtet ist im Grundsatz der Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt (nicht betreuender Elternteil). Der andere Elternteil erfüllt seine Unterhaltspflicht in der Regel durch die sogenannte Naturalunterhaltspflicht, indem er das Kind betreut, versorgt und erzieht. Leben beide Elternteile getrennt, so muss der betreuende Elternteil in der Regel keinen Barunterhalt leisten, es sei denn, das Kind lebt hälftig bei beiden Elternteilen (Wechselmodell), dann kann eine anteilige Verpflichtung beider Elternteile bestehen. Im Falle mehrerer leistungsfähiger unterhaltspflichtiger Personen (z.B. Elternteile, Großeltern) besteht grundsätzlich eine sogenannte gestufte Haftung, wobei zunächst die Eltern herangezogen werden, bevor andere Verwandte einbezogen werden.

Was passiert, wenn der Unterhaltspflichtige nicht zahlen kann oder will?

Kann ein Unterhaltspflichtiger seinen Verpflichtungen nicht oder nicht in voller Höhe nachkommen, etwa aufgrund zu geringen Einkommens oder aus anderen Gründen, greift in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen der sogenannte Unterhaltsvorschuss. Bei Zahlungsverweigerung seitens des Unterhaltspflichtigen kann der betreuende Elternteil Leistungen beim zuständigen Jugendamt beantragen. Das Jugendamt zahlt dann den Unterhaltsvorschuss an das Kind aus und versucht im Anschluss, die vorgeschossenen Beträge vom Unterhaltspflichtigen zurückzuerhalten. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, einen gerichtlichen Unterhaltstitel zu erwirken, der Grundlage für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sein kann, falls der Pflichtige weiterhin nicht zahlt. Es ist jedoch zu beachten, dass Unterhaltspflichtige stets zumindest den sogenannten Mindestunterhalt leisten müssen, sofern keine besonderen Härtefälle (z.B. eigenes Existenzminimum gefährdet) nachgewiesen sind.

Welche Nachweispflichten bestehen bezüglich des Einkommens des Unterhaltspflichtigen?

Der Unterhaltspflichtige ist im Rahmen seiner Auskunfts- und Nachweispflichten verpflichtet, sein Einkommen vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen. Dazu zählt die Vorlage von Lohn- und Gehaltsabrechnungen, Steuerbescheiden, Nachweisen über weitere Bezüge (zum Beispiel aus Vermietung, Verpachtung oder Kapitalvermögen) und bei Selbständigen Gewinn- und Verlustrechnungen oder Betriebsauszüge. Diese Auskünfte müssen auf Verlangen des betreuenden Elternteils oder des Jugendamtes regelmäßig, in der Praxis meist alle zwei Jahre, erneut erteilt werden. Kommt der Unterhaltspflichtige dieser Verpflichtung nicht nach, kann der Unterhaltsanspruch auch gerichtlich durchgesetzt werden, wobei das Gericht den Unterhalt mangels effektiver Nachweise im Zweifel schätzt.

Können außergewöhnliche Belastungen (z.B. Schulden, weitere Kinder) berücksichtigt werden?

Bei der Festsetzung des unterhaltsrelevanten Nettoeinkommens werden bestimmte außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Dazu gehören beispielsweise Unterhaltspflichten gegenüber weiteren Kindern oder Ehegatten, angemessene Kosten für Fahrten zur Arbeit, zusätzliche Altersvorsorge oder berufsbedingte Aufwendungen. Schulden können unter Umständen ebenfalls abgezogen werden, soweit sie notwendig sind und keine mutwillige Verschuldung vorliegt. Allerdings gilt, dass das Existenzminimum des Kindes grundsätzlich Vorrang hat und Verbindlichkeiten des Unterhaltspflichtigen nicht dazu führen dürfen, dass der Mindestunterhalt des Kindes erheblich unterschritten wird.

Wie wird der Unterhaltsanspruch für volljährige Kinder geregelt, wenn diese noch in Ausbildung sind?

Mit Erreichen der Volljährigkeit (ab dem 18. Geburtstag) ändert sich die Unterhaltsberechnung und vor allem die Verantwortlichkeit. Nun sind beide Elternteile anteilig nach ihrem Einkommen barunterhaltspflichtig, das heißt, auch der Elternteil, bei dem das Kind bisher gewohnt hat, kann nun neben dem anderen Elternteil zum Barunterhalt herangezogen werden. Darüber hinaus ist das Kind nun grundsätzlich verpflichtet, sich selbst um seinen Lebensunterhalt zu bemühen, beispielsweise durch Aufnahme eines Nebenjobs, sofern dies im Rahmen einer zumutbaren Ausbildung möglich ist. Die Pflicht zur Zahlung von Unterhalt bleibt jedoch bestehen, sofern das volljährige Kind sich in einer allgemeinen Schulausbildung, Erstausbildung oder in besonderen Ausnahmefällen in einer Zweitausbildung befindet, die in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Erstausbildung steht. Der Bedarf volljähriger, nicht im Haushalt der Eltern lebender Kinder wird regelmäßig pauschal festgelegt (Stand 2024: 930 Euro monatlich, inklusive Kranken-/Pflegeversicherung und Wohnbedarf), wobei eigenes Einkommen des Kindes, wie etwa Ausbildungsvergütung oder BaföG, angerechnet wird.