Begriffserklärung und rechtliche Grundlagen der Unterhaltsberechnung
Die Unterhaltsberechnung bezeichnet im deutschen Recht die systematische Ermittlung der Höhe eines gesetzlich oder vertraglich geschuldeten Geldbetrags, den eine Person (Unterhaltspflichtiger) einer anderen (Unterhaltsberechtigtem) regelmäßig zu zahlen hat. Der Unterhalt dient der Sicherung des Lebensbedarfs der unterhaltsberechtigten Person und stellt eine zentrale Säule des Familienrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) dar. Die Unterhaltsberechnung spielt insbesondere im Zusammenhang mit Ehegatten- und Kindesunterhalt sowie Verwandtenunterhalt eine bedeutende Rolle.
Gesetzliche Grundlagen
Die gesetzlichen Vorschriften zur Unterhaltsberechnung finden sich primär in den §§ 1360 bis 1615o BGB. Zusätzlich erheben Leitlinien der Oberlandesgerichte, wie die Düsseldorfer Tabelle, normative Bedeutung für die praktische Berechnung des Unterhalts.
- Ehegattenunterhalt: §§ 1361, 1570 ff. BGB
- Kindesunterhalt: § 1601 ff. BGB
- Verwandtenunterhalt: § 1606 ff. BGB
Grundelemente der Unterhaltsberechnung
Die Ermittlung des Unterhaltsanspruchs folgt stets einer stufenweisen Prüfung. Wesentliche Berechnungskriterien sind das unterhaltsrelevante Einkommen, der Bedarf des Berechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten.
1. Unterhaltspflicht und Unterhaltsberechtigung
Unterhaltspflicht
Eine gesetzliche Unterhaltspflicht kann sich ergeben aus:
- Ehe oder eingetragener Lebenspartnerschaft
- Abstammung (Eltern-Kind-Verhältnis)
- Weitere Verwandtschaftsverhältnisse gerader Linie
Unterhaltsberechtigung
Unterhaltsberechtigt sind insbesondere:
- Minderjährige und privilegierte volljährige Kinder
- Ehegatten oder ehemalige Ehegatten
- Nicht verheiratete Mütter oder Väter eines nichtehelichen Kindes
2. Bedarfsermittlung
Der Bedarf richtet sich nach der Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten:
- Beim Kindesunterhalt: Ausgangspunkt ist der Mindestunterhalt, gestaffelt nach Altersgruppen gemäß Düsseldorfer Tabelle.
- Beim Ehegattenunterhalt: Maßgeblich ist die während der Ehe erworbene Lebensstellung und das beiderseitige Einkommen.
- Beim Verwandtenunterhalt: Orientiert am üblichen Lebensbedarf unter Wahrung des Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen.
3. Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens
Einkommensermittlung beim Pflichtigen
Das unterhaltsrelevante Einkommen umfasst sämtliche Einkünfte:
- Erwerbseinkommen
- Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit
- Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung
- Kapitaleinkünfte
- Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB), sofern unterhaltsrelevant
Vom Bruttoeinkommen werden unter anderem folgende Posten abgezogen:
- Steuern und Sozialversicherungsbeiträge
- Altersvorsorgeaufwendungen (angemessene Beiträge)
- berufsbedingte Aufwendungen
- bestehende Unterhaltsverpflichtungen gegenüber vorrangigen Unterhaltsberechtigten
Einkommensermittlung beim Berechtigten
Auch der Unterhaltsberechtigte muss grundsätzlich eigenes Einkommen auf den Bedarf anrechnen lassen, sofern ihm zumutbare Erwerbstätigkeit möglich ist.
4. Rangfolgen und Selbstbehalte
Rangfolge der Unterhaltsberechtigten
Das Gesetz sieht eine Rangfolge der Unterhaltsberechtigten vor (§ 1609 BGB), insbesondere im Fall beschränkter Leistungsfähigkeit des Pflichtigen. Vorrang haben beispielsweise minderjährige Kinder sowie ihnen gleichgestellte volljährige Kinder.
Selbstbehalte (Eigenbedarf)
Dem Pflichtigen muss ein Mindestbetrag für den eigenen Lebensunterhalt verbleiben. Die Höhe der Selbstbehalte ist durch Leitlinien und Tabellen bestimmt und wird regelmäßig angepasst.
5. Bedarfskontrollbetrag und Mangelfall
Der Bedarfskontrollbetrag dient der Sicherstellung, dass nach Abzug aller Unterhaltsleistungen und des Selbstbehalts noch ein Restbetrag zur Verfügung steht. Reicht das Einkommen nicht für alle Unterhaltsverpflichtungen aus, liegt ein Mangelfall vor. Dann erfolgt eine anteilige Bemessung der Unterhaltsbeiträge nach der Rangfolge.
Sonderfragen der Unterhaltsberechnung
1. Kindesunterhalt nach Düsseldorfer Tabelle
Die Düsseldorfer Tabelle stellt eine bundesweit anerkannte Orientierungshilfe für die Bemessung von Kindesunterhalt dar. Sie gliedert sich in Altersstufen und Einkommensgruppen. Zusätzlich sind Mehr- und Sonderbedarfe zu berücksichtigen (z.B. Kosten für Kindergarten, Klassenfahrten).
2. Ehegattenunterhalt
Der Ehegattenunterhalt differenziert zwischen Trennungsunterhalt (zwischen Trennung und Scheidung) und nachehelichem Unterhalt. Im Regelfall wird hier das sogenannte Halbteilungsprinzip angewandt. Verschiedene Unterhaltstatbestände (z.B. wegen Kinderbetreuung, Alters, Krankheit) können aufseiten des Berechtigten zu unterschiedlich langen oder dauerhaften Ansprüchen führen.
3. Unterhalt aus Billigkeitsgründen
In bestimmten Konstellationen wird Unterhalt nach Billigkeit oder Bedürftigkeit geschuldet, insbesondere wenn soziale Härtegründe vorliegen, etwa im Elternunterhalt (Pflegekosten).
Verfahrensrechtliche Aspekte der Unterhaltsberechnung
1. Mitwirkungspflicht
Sowohl Berechtigter als auch Verpflichteter müssen Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegen (§ 1605 BGB). Kommt eine Partei dem nicht oder unzureichend nach, kann dies zu einer Schätzung des Einkommens führen.
2. Dynamische Titel und Anpassung
Unterhaltsansprüche können tituliert (gerichtlich oder notariell) und dynamisch ausgestaltet werden, sodass sie sich automatisch an gesetzliche Mindestunterhalte anpassen.
3. Abänderungsmöglichkeiten
Änderungen der Einkommens- oder Lebensverhältnisse können zur Anpassung des Unterhalts führen. Hierfür ist ein gerichtlicher Abänderungsantrag nötig, falls keine außergerichtliche Einigung erzielt wird (z.B. bei Arbeitsplatzwechsel, Renteneintritt).
Fazit
Die Unterhaltsberechnung im deutschen Recht ist ein vielschichtiger Prozess, der auf gesetzlichen Vorgaben, gerichtlichen Leitlinien und individuellen Verhältnissen basiert. Im Zentrum stehen die Prüfung des Unterhaltsanspruchs, die richtige Bedarfsermittlung, die Berücksichtigung des Einkommens beider Parteien sowie die konsequente Beachtung von Rangfolgen und Selbstbehalten. Die kontinuierliche Anpassung der maßgeblichen Tabellen und Leitlinien gewährleistet dabei eine aktuelle und sozialverträgliche Unterhaltsbemessung.
Quellen:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- Düsseldorfer Tabelle (jeweilige Fassung)
- Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Oberlandesgerichte
- Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)
Häufig gestellte Fragen
Wie wird das unterhaltsrelevante Einkommen bei der Unterhaltsberechnung ermittelt?
Bei der Unterhaltsberechnung ist das sogenannte unterhaltsrelevante Einkommen von zentraler Bedeutung. Hierzu werden sämtliche regelmäßigen Einnahmen des Unterhaltspflichtigen herangezogen, also neben dem Nettoarbeitslohn auch Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Prämien, Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalerträge. Vom Bruttoeinkommen werden zunächst die gesetzlichen Abzüge wie Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen. Darüber hinaus sind berufsbedingte Aufwendungen, beispielsweise für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle, Fortbildung oder Arbeitskleidung, sowie eventuelle Schuldenverpflichtungen und zusätzliche Vorsorgeaufwendungen zu berücksichtigen. Auch der sogenannte Selbstbehalt, also der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende Mindestsatz zur eigenen Lebensführung, wird bei der Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens im Rahmen der Berechnung berücksichtigt.
Welche Rolle spielt der Selbstbehalt bei der Unterhaltsberechnung?
Der Selbstbehalt bezeichnet den Betrag, der dem Unterhaltspflichtigen nach Abzug aller Unterhaltszahlungen für den eigenen Lebensbedarf mindestens verbleiben muss. Die Höhe des Selbstbehalts variiert je nach Unterhaltsart und familiären Verhältnissen. So liegt der notwendige Selbstbehalt gegenüber minderjährigen Kindern derzeit (Stand 2024) bei 1.370 Euro monatlich, gegenüber Ehegatten oder volljährigen Kindern bei 1.650 Euro. Vom Einkommen, das diesen Betrag übersteigt, werden die Unterhaltsleistungen berechnet. Der Selbstbehalt dient dazu, dem Pflichtigen einen angemessenen Lebensstandard trotz Unterhaltspflichten zu sichern. Ausnahmen oder Erhöhungen sind möglich, wenn besondere persönliche oder wirtschaftliche Umstände dies rechtfertigen.
Wie beeinflusst das Wechselmodell die Unterhaltsberechnung?
Beim sogenannten Wechselmodell, in dem die Kinder annähernd gleich viel Zeit bei beiden Elternteilen verbringen, unterscheidet sich die Berechnung des Kindesunterhalts grundlegend vom Residenzmodell. Grundsätzlich sind in einem solchen Fall beide Elternteile barunterhaltspflichtig. Die Einkünfte beider Eltern werden addiert und die Unterhaltspflicht nach dem Verhältnis ihrer Einkommen bestimmt. Zudem trägt jeder Elternteil die Kosten für den eigenen Haushalt und die Betreuung während der jeweiligen Zeit. Kosten, die in beiden Haushalten anfallen, müssen entsprechend berücksichtigt werden. Die Berechnung erfolgt häufig nach der Düsseldorfer Tabelle, wobei zuvor eine Quote der jeweiligen Einkommensanteile festgestellt wird.
Wie werden Sonder- und Mehrbedarf in der Unterhaltsberechnung berücksichtigt?
Sonderbedarf bezeichnet außergewöhnliche, unvorhersehbare und notwendige Ausgaben, die nicht durch den regelmäßigen Unterhalt abgedeckt sind, zum Beispiel medizinische Kosten oder Klassenfahrten. Mehrbedarf hingegen umfasst regelmäßig wiederkehrende, höhere Kosten, wie etwa Nachhilfeunterricht oder erhöhte Betreuungskosten aufgrund einer Behinderung. Beide Bedarfsarten müssen gesondert nachgewiesen und geltend gemacht werden. Die Kosten werden – analog zur Berechnung des laufenden Unterhalts – anteilig nach dem Einkommen beider Eltern aufgeteilt. In der Praxis ist die genaue Einordnung und Berechnung von Sonder- und Mehrbedarf jedoch oft streitbehaftet und wird nicht selten gerichtlich überprüft.
Welche Bedeutung hat die Düsseldorfer Tabelle für die Unterhaltsberechnung?
Die Düsseldorfer Tabelle dient als Standardwerk zur Bemessung des Kindesunterhalts in Deutschland und wird regelmäßig aktualisiert. Sie listet die jeweils nach dem bereinigten Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen und der Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder zu zahlenden Regelsätze auf. Die Tabelle differenziert dabei nach Altersgruppen der Kinder und enthält zusätzlich Hinweise zum Selbstbehalt sowie zum Bedarfskontrollbetrag. Sie ist zwar rechtlich nicht verbindlich, wird jedoch von den Familiengerichten als maßgebliche Orientierungshilfe herangezogen. Die konkrete Unterhaltsverpflichtung kann im Einzelfall angepasst werden, insbesondere bei Abweichungen vom Durchschnittseinkommen oder besonderen Lebensumständen.
Wie wird das Einkommen bei Selbständigen zur Unterhaltsberechnung ermittelt?
Bei Selbständigen gestaltet sich die Einkommensermittlung für die Unterhaltsberechnung komplexer als bei Angestellten. Relevant ist nicht das unversteuerte Betriebsergebnis, sondern das „bereinigte Nettoeinkommen“. Grundlage bilden hier die Steuerbescheide und betriebswirtschaftlichen Auswertungen der letzten Jahre – in der Regel der vergangenen drei Jahre, um Einkommensschwankungen auszugleichen. Zu den Einnahmen zählen laufende Gewinne, Entnahmen, Steuerrückerstattungen und etwaige geldwerte Vorteile, während abzugsfähige betriebliche Aufwendungen, Investitionskosten und angemessene Altersvorsorge berücksichtigt werden. Unübliche oder überhöhte Ausgaben, die lediglich der Einkommensminderung dienen, bleiben unberücksichtigt. Die Ermittlung ist oftmals Gegenstand umfangreicher Prüfungen und im Bedarfsfall Gutachten durch das Gericht.
Was geschieht bei einem neuen Ehepartner oder einer neuen Familie des Unterhaltspflichtigen?
Beginnt der Unterhaltspflichtige eine neue Ehe oder gründet eine neue Familie, beeinflusst dies die Unterhaltsberechnung maßgeblich. Der neue Ehepartner ist zunächst nicht vorrangig unterhaltsberechtigt; das gilt primär für Kinder und frühere Ehegatten. Allerdings kann der sogenannte Familienselbstbehalt, also der Betrag bei gemeinsamer Hauswirtschaft, Anwendung finden, wodurch sich der dem Unterhaltspflichtigen verbleibende Selbstbehalt erhöht. Sind aus der neuen Partnerschaft unterhaltsberechtigte Kinder hervorgegangen, werden diese gleichrangig mit anderen Kindern berücksichtigt, und der verfügbare Unterhaltsbetrag wird nach Quoten aufgeteilt. Zudem kann ein Gesamtschuldnerausgleich zwischen mehreren Unterhaltsberechtigten erforderlich werden. Es greift ein komplexes System von Rangfolgen, das im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1609 BGB) festgelegt ist.