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Untauglicher Versuch

Begriff und Grundidee des untauglichen Versuchs

Der untaugliche Versuch bezeichnet eine Konstellation, in der jemand eine Straftat begehen will, die Tat jedoch objektiv nicht vollendet werden kann. Die geplante Handlung ist von vornherein ungeeignet, den angestrebten Erfolg herbeizuführen – etwa weil das Tatobjekt nicht die erforderlichen Eigenschaften hat oder das eingesetzte Mittel keine Wirkung entfalten kann. Entscheidend ist, dass die handelnde Person nach ihrer Vorstellung dennoch davon ausgeht, die Tat verwirklichen zu können.

Einordnung im System des Versuchs

Der Versuch verlagert die Verantwortlichkeit zeitlich vor. Er knüpft an den Willen an, eine rechtswidrige Tat zu verwirklichen, und daran, dass mit der Ausführung begonnen wurde. Beim untauglichen Versuch ist die Gefährdung des geschützten Rechtsguts geringer oder gar nicht vorhanden, die innere Haltung und Zielrichtung der handelnden Person sind jedoch vergleichbar mit Fällen, in denen die Vollendung möglich wäre.

Abgrenzung: tauglicher Versuch, untauglicher Versuch, Wahndelikt

– Tauglicher Versuch: Der Plan könnte objektiv zur Vollendung führen; der Erfolg bleibt nur zufällig aus.
– Untauglicher Versuch: Die Vollendung ist objektiv unmöglich, etwa wegen untauglichen Mittels oder ungeeignetem Tatobjekt.
– Wahndelikt (Putativdelikt): Die Person hält ein Verhalten für strafbar, das es nicht ist; es fehlt bereits an einer tatbestandlichen Zielsetzung. Hier liegt kein Versuch vor.

Erscheinungsformen des untauglichen Versuchs

Untaugliches Tatobjekt

Die Handlung richtet sich gegen einen Gegenstand oder eine Person, an der die geplante Tat nicht verwirklicht werden kann. Beispiele: In die leere Tasche greifen, um etwas zu stehlen; eine Handlung gegen eine Person, der die rechtlich erforderliche Eigenschaft fehlt; eine vermeintlich schwangere Frau, die tatsächlich nicht schwanger ist.

Untaugliches Tatmittel

Das eingesetzte Mittel kann den angestrebten Erfolg nicht herbeiführen. Beispiele: Ein vermeintliches Gift, das tatsächlich wirkungslos ist; eine Schusswaffe ohne Munition, deren Zustand der Handelnde nicht erkennt.

Untauglicher Kausalverlauf

Der geplante Ablauf ist so angelegt, dass er den Erfolg nicht bewirken kann, etwa weil wesentliche Zwischenschritte fehlen oder Naturgesetze missverstanden werden.

Absolute und relative Untauglichkeit; grober Unverstand

– Relative Untauglichkeit: Das Mittel oder der Ablauf erscheinen unter den konkreten Umständen ungeeignet, könnten aber in anderen Konstellationen funktionieren.
– Absolute Untauglichkeit: Der Erfolg ist generell ausgeschlossen (etwa bei bloß magischen Praktiken).
– Grober Unverstand: Bei Handlungen, deren Unsinnigkeit auf der Hand liegt, kann die Strafbarkeit entfallen. Typisch sind Fälle abergläubischer Vorstellungen oder völlig wirklichkeitsfremder Annahmen. Maßgeblich ist eine Beurteilung aus verständiger Sicht im Tatzeitpunkt.

Voraussetzungen des untauglichen Versuchs

Tatentschluss aus Sicht der handelnden Person

Erforderlich ist ein gefestigter Plan, die Merkmale eines Straftatbestands zu verwirklichen. Dabei kommt es auf die Vorstellung der handelnden Person an. Wer sicher weiß, dass der Erfolg unmöglich ist, hat regelmäßig keinen entsprechenden Vorsatz. Hält die Person den Erfolg wenigstens für möglich und nimmt ihn in Kauf, kann ein Versuch vorliegen.

Unmittelbares Ansetzen zur Tat

Das Verhalten muss die Schwelle vom bloßen Planen zur konkreten Ausführung überschreiten. Es genügt, dass Handlungen vorgenommen werden, die nach der Vorstellung der Person ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden.

Objektive Untauglichkeit von Objekt, Mittel oder Ablauf

Die Tat kann unter den gegebenen Umständen nicht vollendet werden. Diese Feststellung erfolgt unabhängig davon, was sich die handelnde Person vorgestellt hat. Reine Bewertungsergebnisse (etwa bloße Strafbarkeitserwartungen ohne tatbestandliche Grundlage) genügen dafür nicht.

Rechtsfolgen

Strafbarkeit und Strafrahmen

Der untaugliche Versuch ist grundsätzlich wie ein tauglicher Versuch zu behandeln. Allerdings kann der Strafrahmen gegenüber der vollendeten Tat gemildert werden. Bei Handlungen aus grobem Unverstand kann von Strafe abgesehen werden. In der Strafzumessung spielt die deutlich geringere objektive Gefährdung eine wichtige Rolle.

Rücktritt vom untauglichen Versuch

Ein strafbefreiender Rücktritt ist möglich. Er setzt voraus, dass die Person aus eigenem Antrieb die Ausführung aufgibt oder weitere Folgen verhindert. Bei einem noch nicht „beendeten” Versuch reicht die freiwillige Aufgabe weiterer Ausführung; bei einem „beendeten” Versuch ist aktives Gegensteuern erforderlich. Auch beim untauglichen Versuch kommt es auf die innere Motivation an.

Versuchsstrafbarkeit je nach Deliktsart

Nicht bei jeder Tat kommt ein strafbarer Versuch in Betracht. Es gibt Delikte, deren Versuch gesetzlich nicht erfasst ist. In diesen Fällen scheidet auch die Ahndung eines untauglichen Versuchs aus.

Abgrenzungen und Grenzfälle

Wahndelikt (Putativdelikt)

Hält jemand ein Verhalten irrtümlich für strafbar, obwohl es nicht tatbestandsmäßig ist, liegt kein Versuch vor. Beispiel: Jemand geht davon aus, ein erlaubtes Verhalten sei verboten, und „versucht” es dennoch zu begehen. Es fehlt die Ausrichtung auf einen wirklichen Straftatbestand.

Tatbestandsirrtum und untauglicher Versuch

Beim untauglichen Versuch verkennt die handelnde Person tatsächliche Umstände (etwa die Leere einer Tasche) und glaubt, die Tat verwirklichen zu können. Beim Tatbestandsirrtum fehlt es am Vorsatz hinsichtlich eines Merkmals; der Irrtum kann den Vorsatz ausschließen und damit den Versuch verhindern. Maßgeblich ist, was sich die Person tatsächlich vorgestellt hat.

Fehlgeschlagener Versuch

Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Person erkennt, dass die Tat mit den verfügbaren Mitteln oder ohne zeitliche Zäsur nicht mehr gelingen kann. Beim untauglichen Versuch kann bereits von Anfang an eine objektive Unmöglichkeit vorliegen; fehlgeschlagen ist er aber erst, wenn aus Tätersicht ein Weiterhandeln aussichtslos ist. Diese Unterscheidung ist besonders für die Frage eines möglichen Rücktritts bedeutsam.

Praxisrelevanz und Beweisfragen

In der Praxis steht häufig die innere Vorstellung der handelnden Person im Vordergrund. Aus Wortwahl, Vorbereitungshandlungen und situativem Verhalten wird rekonstruiert, ob ein Plan zur Tatbestandsverwirklichung bestand und ob der Erfolg nach dieser Vorstellung erreichbar schien. Objekte, Mittel und Abläufe werden objektiv bewertet, um die Untauglichkeit zu bestimmen. Das Gesamtergebnis entscheidet über Einordnung, Strafbarkeit, Rücktrittsmöglichkeiten und Strafmaß.

Häufig gestellte Fragen zum untauglichen Versuch

Wann liegt ein untauglicher Versuch vor?

Ein untauglicher Versuch liegt vor, wenn jemand mit Tatentschluss zur Verwirklichung eines Straftatbestands unmittelbar ansetzt, die Vollendung jedoch objektiv ausgeschlossen ist, etwa wegen eines untauglichen Tatobjekts, untauglichen Mittels oder eines objektiv unmöglichen Ablaufs.

Ist der untaugliche Versuch strafbar?

Grundsätzlich ja. Der untaugliche Versuch wird wie ein tauglicher Versuch behandelt. Der Strafrahmen kann gemildert werden; bei Handlungen aus grobem Unverstand kann eine Bestrafung entfallen.

Was bedeutet grober Unverstand?

Grober Unverstand beschreibt Fälle, in denen die Erfolgsuntauglichkeit offen zutage liegt, etwa bei magischen Praktiken oder völlig realitätsfernen Annahmen. In solchen Konstellationen kann die Bestrafung ausgeschlossen sein.

Worin unterscheidet sich der untaugliche Versuch vom Wahndelikt?

Beim untauglichen Versuch ist die geplante Tat eine echte Straftat, deren Vollendung nur objektiv unmöglich ist. Beim Wahndelikt hält die Person ein Verhalten irrtümlich für strafbar, das tatsächlich nicht tatbestandsmäßig ist; ein Versuch scheidet dann aus.

Kann man vom untauglichen Versuch zurücktreten?

Ja. Ein Rücktritt ist möglich, wenn die Person freiwillig die weitere Ausführung aufgibt oder den Erfolg verhindert. Die Anforderungen richten sich danach, ob der Versuch aus Sicht der Person bereits als „beendet” anzusehen war.

Welche Rolle spielt die Sicht der handelnden Person?

Sie ist maßgeblich für Tatentschluss und unmittelbares Ansetzen. Für die Untauglichkeit kommt es hingegen auf eine objektive Beurteilung an. Beide Perspektiven fließen zusammen, um die rechtliche Einordnung vorzunehmen.

Gilt der untaugliche Versuch bei allen Straftaten?

Nein. Der Versuch ist nur bei solchen Taten erfasst, deren Versuch die Rechtsordnung grundsätzlich berücksichtigt. Wo der Versuch nicht vorgesehen ist, kann auch ein untauglicher Versuch nicht bestraft werden.