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Untauglicher Versuch


Untauglicher Versuch

Der Begriff „untauglicher Versuch“ ist ein zentrales Konzept im Strafrecht und bezeichnet einen Versuch, bei dem die Tatausführung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen von vornherein nicht zur Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges führen kann. Der untaugliche Versuch unterscheidet sich damit von anderen Erscheinungsformen des strafbaren Versuchs und ist ein wesentlicher Bestandteil der Dogmatik des Allgemeinen Teils des Strafrechts. Dieser Artikel bietet eine umfassende, detaillierte und systematische Darstellung des untauglichen Versuchs sowie seiner rechtlichen Grundlagen, Anwendungsbereiche und Rechtsfolgen.


1. Begriffserklärung und rechtliche Grundlagen

1.1 Definition

Ein untauglicher Versuch liegt gemäß § 22 Strafgesetzbuch (StGB) vor, wenn der Täter die Tat zu Ende bringen will, die Ausführung dem Tatplan entsprechend aber an einem Umstand scheitert, der die Ausführung der Tat objektiv unmöglich macht. Ursache der Untauglichkeit kann das Mittel, der Gegenstand oder das Objekt der Tat sein.

1.2 Gesetzliche Verankerung

Die maßgebliche Norm für den strafbaren Versuch findet sich in § 22 StGB. In Deutschland ist auch der untaugliche Versuch grundsätzlich strafbar. Maßgebend ist, dass der Täter beziehungsweise die Täterin mit auf Tatvollendung gerichteter Absicht zur Ausführung ansetzt, auch wenn das volle Delikt gar nicht verwirklicht werden kann.

1.3 Abgrenzung

Der untaugliche Versuch ist abzugrenzen vom

  • tauglichen Versuch (auch: „eigentliches Versuchsstadium“), bei dem die Tat aus Sicht des Täters vollendet werden kann,
  • abergläubischen Versuch, bei dem der Täter schon keinen gesetzlich tatbestandlichen Erfolg anstrebt (weil einer „magischen Wirkung“ vertraut wird; nicht strafbar),
  • Wahndelikt, bei dem der Täter irrig annimmt, eine Straftat zu begehen, obwohl sein Verhalten objektiv nicht strafbar ist (keine Versuchsstrafbarkeit).

2. Erscheinungsformen des untauglichen Versuchs

2.1 Untaugliches Mittel

Ein untaugliches Mittel liegt vor, wenn das zur Tatausführung verwendete Werkzeug oder Mittel objektiv ungeeignet ist, um den tatbestandlichen Erfolg zu bewirken. Beispiel: Der Einsatz einer Platzpatrone, um jemanden zu töten.

2.2 Untaugliches Objekt (Tatobjekt)

Ein untaugliches Objekt liegt vor, wenn der Täter ein Objekt auswählt, das nicht unter den geschützten Tatbestand fällt. Beispiel: Der Täter versucht, einen „Mord“ an einer bereits verstorbenen Person zu begehen.

2.3 Untauglichkeit aus rechtlichen Gründen

Ein untauglicher Versuch kann auch aus rechtlichen Gründen vorliegen, etwa wenn der Täter ein Verhalten an den Tag legt, das er fälschlicherweise für rechtswidrig hält, tatsächlich aber erlaubt oder geboten ist (beispielsweise im Rahmen eines rechtfertigenden Notstands).


3. Strafbarkeit des untauglichen Versuchs

3.1 Strafbarkeit nach deutschem Recht

Laut § 23 Abs. 1 StGB ist der Versuch grundsätzlich strafbar, wenn das Gesetz die Tat mit Strafe bedroht. Der untaugliche Versuch steht dabei dem tauglichen Versuch gleich; auf die objektive Erfolgsgeeignetheit der Tatausführung kommt es nicht an.

Ausgenommen ist der „grob unverständige Versuch“ (§ 23 Abs. 3 StGB). Dies gilt, „wenn nach der Vorstellung des Täters die Tat aus grobem Unverstand untauglich war“, dann kann das Gericht die Strafe nach eigenem Ermessen mildern oder von Strafe absehen.

3.2 Versuchsbeginn und Tatentschluss

Die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs setzt das Vorliegen eines Tatentschlusses sowie das unmittelbare Ansetzen zur Tat voraus. Der Täter muss also den Willen zur Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale haben und seine Handlungen müssen nach seiner Vorstellung bereits in unmittelbaren Zusammenhang zur Tatbestandsverwirklichung stehen.


4. Theoretische Grundlagen und strafrechtliche Bewertung

4.1 Subjektive Theorie

Nach der subjektiven Theorie kommt es allein auf die Tätervorstellung an: Glaubt der Täter, erfolgreich eine Straftat zu verwirklichen, ist der Versuch – auch wenn er objektiv untauglich ist – strafbar.

4.2 Objektive Bedingungen

Für die objektive Untauglichkeit kommt es auf die reale, nicht die vorgestellte Tatsituation an. Wesentlich ist, dass der tatbestandliche Erfolg unter keinen Umständen eintreten kann.

4.3 Rechtsphilosophische Überlegungen

Die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs wird mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Notwendigkeit präventiver Gefahrenabwehr begründet. Auch wenn eine reale Gefahr nicht besteht, soll das vorhandene Unrechtspotential und die kriminelle Energie des Täters sanktioniert werden.


5. Praktische Relevanz und Beispiele

5.1 Fallbeispiele

  • Vergiften mit Zucker: Der Täter gibt Zucker in der Annahme, es handele sich um Gift, in ein Getränk – untauglicher Versuch der Körperverletzung.
  • Abfeuern einer ungeladenen Waffe: Ein Täter drückt mit einer ungeladenen Waffe ab, um eine Person zu töten – untauglicher Versuch des Totschlags.
  • Aufschneiden einer Leiche: Der Täter versucht, eine bereits verstorbene Person zu töten – untauglicher Versuch des Mordes.

5.2 Abgrenzung zu anderen Versuchsstadien

Die genaue Bestimmung, ob ein untauglicher Versuch oder bereits ein Wahndelikt vorliegt, ist insbesondere bei vermeintlichen Rechtsverstößen, symbolischen Handlungen oder Irrtümern von erheblicher Bedeutung.


6. Rechtsvergleichende Perspektiven

Auch in anderen Rechtsordnungen, etwa in Österreich (§ 15 StGB) und der Schweiz (Art. 22 StGB), ist der untaugliche Versuch im Grundsatz strafbar. Die Ausgestaltung der Strafmilderungs- oder Strafaufhebungsregeln kann jedoch variieren.


7. Rechtspolitische Erwägungen und Kritik

Die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs ist immer wieder Gegenstand rechtspolitischer Diskussion. Kritik entzündet sich an der Frage, ob auch eine objektiv unmögliche Tatausführung bestraft werden soll. Befürworter argumentieren mit dem Schutz der gesellschaftlichen Werteordnung sowie der Gefahrenprävention, während Gegner eine zu weite Vorverlagerung der Strafbarkeit befürchten.


8. Zusammenfassung

Der untaugliche Versuch ist eine besondere Erscheinungsform des Versuchs im Strafrecht. Er beschreibt Konstellationen, in denen der Täter eine Straftat zu begehen versucht, die jedoch objektiv nicht vollendet werden kann, weil das Mittel, das Objekt oder die Umstände untauglich sind. Trotz der objektiven Erfolglosigkeit bleibt der untaugliche Versuch in Deutschland und vergleichbaren Rechtsordnungen grundsätzlich strafbar – lediglich grober Unverstand kann zur Strafmilderung oder zum Absehen von Strafe führen. Seine Bedeutung liegt insbesondere in der Sanktionierung des kriminellen Unrechtswillens und der präventiven Wirkung des Strafrechts.


Literaturhinweise

  • Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB. Verlag C.H. Beck, aktuelle Auflage.
  • Wessels/Beulke/Satzger: Strafrecht Allgemeiner Teil. Vahlen Verlag, aktuelle Auflage.
  • Schönke/Schröder: Strafgesetzbuch, Kommentar, aktuelle Auflage.

Siehe auch

  • Versuch (Strafrecht)
  • Wahndelikt
  • Untaugliches Mittel
  • Untaugliches Tatobjekt

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über das strafrechtliche Konzept des untauglichen Versuchs, dessen Erscheinungsformen, Rechtsgrundlagen und Anwendungsbeispiele und ist für die Nutzung in Rechtslexika und als weiterführende Informationsquelle konzipiert.

Häufig gestellte Fragen

Welche strafrechtlichen Konsequenzen hat ein untauglicher Versuch?

Beim untauglichen Versuch handelt es sich um eine besondere Erscheinungsform des Versuchs im Strafrecht, die in § 23 Abs. 3 StGB ausdrücklich geregelt wird. Strafrechtlich wird der untaugliche Versuch grundsätzlich wie ein tauglicher Versuch behandelt; der Versuch ist grundsätzlich strafbar, auch wenn das gesetzliche Tatbestandsmerkmal objektiv tatsächlich nicht vorliegt. Eine Strafbarkeit kann jedoch ausnahmsweise entfallen, wenn der Versuch so fernliegend erscheint, dass von einer „groben Unfähigkeit“ oder von Aberglauben (§ 23 Abs. 3 StGB) auszugehen ist. Die Gerichte prüfen im Einzelfall, ob der Täter nach seinem Vorstellungsbild vorgeht und ob aus seiner Sicht die Tat vollendet werden könnte. In der Praxis können Strafe oder Strafmaß abhängig vom Tatmotiv, der Gefährlichkeit und dem Maß der Tatunfähigkeit variieren, wobei bei besonders abstrusen Untauglichkeitsfällen ein Absehen von Strafe geboten sein kann.

Wie unterscheidet sich ein untauglicher Versuch vom tauglichen Versuch?

Der untaugliche Versuch unterscheidet sich vom tauglichen Versuch dadurch, dass beim untauglichen Versuch eine Tatbegehung bereits von Anfang an objektiv unmöglich ist, entweder weil das Tatobjekt nicht vorhanden oder der Taterfolg aus anderen tatsächlichen Gründen nicht erreichbar ist. Beim tauglichen Versuch ist die Tat hingegen nach der objektiven Sachlage grundsätzlich möglich, die Vollendung scheitert aber an Umständen, die im Einzelfall auftreten. Der untaugliche Versuch ist also bereits aufgrund der äußeren Gegebenheiten zum Scheitern verurteilt, während der taugliche Versuch unter normalen Umständen durchaus zur Vollendung führen könnte. Beide Versuchsarten setzen jedoch einen Tatentschluss und unmittelbares Ansetzen voraus.

Wann liegt ein grob unverständiger (abergläubischer) untauglicher Versuch vor und wie wirkt sich das auf die Strafbarkeit aus?

Ein grob unverständiger oder abergläubischer untauglicher Versuch liegt vor, wenn das Verhalten des Täters derart von jedem nachvollziehbaren Verständnis abweicht, dass bereits aus Laiensicht die Erfolglosigkeit offensichtlich ist. Hierunter fallen insbesondere Fälle, in denen der Täter beispielsweise durch magische Rituale oder sonstige objektiv völlig irreale Handlungen ein bestimmtes Ziel erreichen möchte, etwa jemanden durch einen Zauberspruch töten will. Nach § 23 Abs. 3 StGB ist ein solcher Versuch nicht strafbar, weil ihm jeder Bezug zur realen Gefahrenlage fehlt. Die Bewertung, ob ein abergläubischer Versuch vorliegt, richtet sich nach den gesamten Umständen unter Berücksichtigung des allgemeinen Verständnisses und der individuellen Fähigkeiten des Täters.

Können auch Fahrlässigkeitsdelikte im Sinne des untauglichen Versuchs strafbar sein?

Im deutschen Strafrecht sind Versuche grundsätzlich nur bei vorsätzlichen Delikten strafbar, da der Versuch Vorsatz hinsichtlich der Vollendung erfordert. Da der untaugliche Versuch eine Sonderform des Versuchs darstellt, ist auch er nur bei Delikten möglich, bei denen der Versuch überhaupt strafbar ist. Fahrlässigkeitsdelikte sind vom Versuch ausgeschlossen, da sie definitionsgemäß keinen Vorsatz, sondern nur eine Sorgfaltspflichtverletzung voraussetzen. Folglich kann ein untauglicher Versuch eines Fahrlässigkeitsdelikts nicht zur Strafbarkeit führen. Der untaugliche Versuch hat damit für fahrlässige Taten keine eigenständige Bedeutung.

Wie wird beim untauglichen Versuch die Rücktrittsmöglichkeit bewertet?

Auch beim untauglichen Versuch besteht prinzipiell die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts nach § 24 StGB. Der Täter kann vom Versuch zurücktreten, solange die Tat noch nicht vollendet ist und er alle nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Taterfolgs erforderlichen Handlungen noch nicht abgeschlossen hat. Beim untauglichen Versuch ist dies häufig der Fall, weil eine Tatvollendung ohnehin niemals eintreten könnte. Der Rücktritt beim untauglichen Versuch setzt voraus, dass sich der Täter aus freiem Willen von der weiteren Tatausführung abwendet oder sonst deren Vollendung verhindert. Die Rechtsprechung erkennt auch beim untauglichen Versuch die Rücktrittsregelungen vollumfänglich an.

Welche Bedeutung hat der untaugliche Versuch für den Versuchsbeginn?

Für den untauglichen Versuch gelten hinsichtlich des Versuchsbeginns dieselben Maßstäbe wie für den tauglichen Versuch. Es muss nach § 22 StGB ein unmittelbares Ansetzen zur Tatverwirklichung vorliegen, das sich an der Vorstellung des Täters orientiert. Der Täter muss subjektiv den Erfolgseintritt für möglich halten und den Tatentschluss gefasst haben. Die objektive Unmöglichkeit der Tatverwirklichung steht dem Versuchsbeginn nicht entgegen, solange nach dem Vorstellungsbild des Täters die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschritten ist. Die Beurteilung erfolgt also maßgeblich aus der Perspektive des Täters.