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Unmöglichkeit (der Leistung)


Begriff und Grundlagen der Unmöglichkeit (der Leistung)

Die Unmöglichkeit (der Leistung) ist ein zentrales Konzept im Zivilrecht und betrifft die Erfüllbarkeit vertraglicher oder gesetzlicher Schuldverhältnisse. Sie beschreibt den Zustand, in dem eine vertraglich geschuldete Leistung von dem Verpflichteten entweder tatsächlich oder rechtlich nicht mehr erbracht werden kann. Die Regelungen zur Unmöglichkeit finden sich insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das die wesentlichen Grundsätze für den Umgang mit diesem Rechtsphänomen vorgibt.

Durch die Unmöglichkeit der Leistung wird das Schuldverhältnis maßgeblich beeinflusst. Je nach Art und Zeitpunkt des Eintritts der Unmöglichkeit ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen für Gläubiger und Schuldner.

Arten der Unmöglichkeit

Tatsächliche (faktische) Unmöglichkeit

Von tatsächlicher Unmöglichkeit wird gesprochen, wenn die Leistung aus tatsächlichen Gründen unmöglich geworden ist. Dies ist der Fall, wenn die Leistung physisch oder praktisch nicht mehr erbracht werden kann. Typische Beispiele sind die Zerstörung einer individuell bestimmten Sache (Stückschuld) oder eine irreversible Veränderung.

Stückschuld und Gattungsschuld

Bei Stückschulden (einzelne, individuell bestimmte Sachen) tritt Unmöglichkeit ein, wenn das konkrete Objekt untergeht (z.B. Untergang eines bestimmten Gemäldes). Bei Gattungsschulden (vertretbare Sachen einer Gattung) ist die Leistung hingegen erst dann unmöglich, wenn sämtliche Exemplare der Gattung untergegangen oder nicht mehr zu beschaffen sind (sogenannte „Gattungsschuld wird zur Stückschuld“).

Rechtliche Unmöglichkeit

Eine rechtliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Erbringung einer Leistung zwar tatsächlich möglich wäre, jedoch durch gesetzliche Verbote, behördliche Anordnungen oder durch Verstoß gegen die guten Sitten das Leistungsverhalten rechtlich ausgeschlossen ist. Ein Beispiel ist die Eigentumsübertragung an einem Gegenstand, an dem das Verbot der Veräußerung besteht.

Praktische Unmöglichkeit

Die praktische Unmöglichkeit oder auch Unzumutbarkeit bezeichnet Fälle, in denen die Leistung zwar nicht absolut unmöglich ist, ihre Erbringung dem Schuldner aber nicht zumutbar wäre, weil hierfür ein unverhältnismäßiger Aufwand notwendig ist (§ 275 Abs. 2 BGB).

Absolute und relative Unmöglichkeit

  • Absolute Unmöglichkeit: Die Leistung kann von niemandem erbracht werden.
  • Relative Unmöglichkeit: Die Leistung kann zwar grundsätzlich erbracht werden, jedoch nicht mehr von dem in Anspruch genommenen Schuldner.

Rechtliche Grundlagen und Systematik im BGB

Regelungskern: § 275 BGB

§ 275 BGB regelt die Befreiung des Schuldners von der Leistungspflicht, wenn die Leistung für niemanden möglich ist (objektive Unmöglichkeit) oder wenn sie für den Schuldner unmöglich bzw. unzumutbar ist (subjektive Unmöglichkeit bzw. praktische Unmöglichkeit). Außerdem wird dort festgelegt, wann der Schuldner die Leistung zu verweigern berechtigt ist.

§ 275 Abs. 1 BGB – Objektive und subjektive Unmöglichkeit

Erbringt der Schuldner die geschuldete Leistung nicht, weil diese unmöglich geworden ist, erlischt die Leistungspflicht automatisch ohne weiteres Zutun. Es spielt keine Rolle, ob die Unmöglichkeit schuldhaft oder unverschuldet eintritt.

§ 275 Abs. 2 BGB – Unzumutbarkeit und unverhältnismäßiger Aufwand

Hier bekommt der Schuldner das Recht, eine an sich mögliche Leistung zu verweigern, wenn der hierzu erforderliche Aufwand im Verhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers in keinem vertretbaren Verhältnis steht. Es handelt sich hierbei um eine „wirtschaftliche Unmöglichkeit“.

§ 275 Abs. 3 BGB – Persönliche Leistungshindernisse

Ebenso besteht ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn sich der Schuldner unter Abwägung aller Umstände nur unter erheblichem persönlichen Einsatz oder unter Gefährdung von Leben oder Gesundheit zur Erbringung der Leistung verpflichtet sieht.

Rechtsfolgen der Unmöglichkeit

Entfall der Leistungspflicht

Mit Eintritt der Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) entfällt die Pflicht des Schuldners, die Leistung zu erbringen. Damit geht im Gegenzug auch der Anspruch auf die Gegenleistung (z.B. Zahlung des Kaufpreises) unter (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Ersatzansprüche (Schadensersatz statt Leistung)

Wird die Unmöglichkeit vom Schuldner zu vertreten, besteht weiterhin Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach § 280 Abs. 1 und 3, § 283 BGB. Voraussetzung ist ein Vertretenmüssen, zum Beispiel bei schuldhaftem Verschulden des Schuldners am Untergang der Sache.

Herausgabe des Surrogats

Erhält der Schuldner für die unmöglich gewordene Sache einen Ersatz (z.B. Versicherungssumme nach Zerstörung durch Brand), ist er gemäß § 285 BGB verpflichtet, dieses Surrogat an den Gläubiger herauszugeben.

Teilunmöglichkeit

Ist die Leistung nur zu einem Teil unmöglich geworden, gelten die Vorschriften der § 275 BGB analog. Der Gläubiger kann vom Vertrag ganz oder teilweise zurücktreten, sofern die Erfüllung des übrigen Teils des Vertrages für ihn uninteressant ist (§ 326 Abs. 5 BGB).

Abgrenzungen der Unmöglichkeit

Verzögerung der Leistung („Verzug“)

Im Gegensatz zur Unmöglichkeit ist beim Verzug die Leistung noch möglich, wird aber nicht rechtzeitig erbracht. Unmöglichkeit schließt Verzug aus, da eine Leistung nicht mehr erbracht werden kann, wenn sie unmöglich ist.

wirtschaftliche Unzumutbarkeit vs. praktische Unmöglichkeit

Im Spannungsfeld zwischen geringer wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit und tatsächlicher Unausführbarkeit ist im Einzelfall zu differenzieren, ob lediglich Unzumutbarkeit nach § 275 Abs. 2 BGB oder absolute Unmöglichkeit vorliegt.

Ausschluss und Ausschlussgründe der Unmöglichkeit

Ein vertraglicher oder gesetzlicher Leistungsausschluss kann verschiedene Ursachen haben:

  • Höhere Gewalt: Leistung wird durch unvorhersehbare, von außen kommende Ereignisse unmöglich
  • Vertragliche Risikoverteilung: Durch Vereinbarungen kann das Risiko der Unmöglichkeit auf einen Vertragspartner übertragen werden (Gefahrtragungsklauseln)
  • Verletzung von Nebenpflichten: Der Eintritt der Unmöglichkeit kann auch durch ein Verhalten des Gläubigers ausgelöst werden (Annahmeverzug)

Unmöglichkeit bei gegenseitigen Verträgen

Im Rahmen gegenseitiger Verträge, wie beim Kauf- oder Werkvertrag, regelt § 326 BGB die weiteren Rechtsfolgen. Neben dem Wegfall der Hauptleistungspflichten entstehen unter Umständen Rücktrittsrechte und Schadensersatzansprüche.

Sonderfälle und weitere Entwicklungen

Unmöglichkeit bei Dauer- und Teilverträgen

Bei Dauerschuldverhältnissen (z.B. Miete, Leasing) kann die Unmöglichkeit zeitlich begrenzt bestehen oder nur einen Teil des Vertragsgegenstands betreffen. Dies erfordert eine differenzierte rechtliche Beurteilung je nach Vertragsgegenstand und Leistungszeitraum.

Vorübergehende Unmöglichkeit

Ist die Unmöglichkeit nicht dauerhaft, sondern nur zeitweise gegeben, spricht man von „vorübergehender Unmöglichkeit“. Oft ruht während dieser Zeit die Leistungspflicht; der Gläubiger kann unter Umständen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) dennoch den Vertrag kündigen oder zurücktreten.

Zusammenfassung und praktische Bedeutung

Unmöglichkeit (der Leistung) zählt zu den grundlegenden Leistungsstörungsformen im Schuldrecht. Sie führt unter bestimmten Voraussetzungen zum Erlöschen der Leistungspflicht und beeinflusst die weitere Rechtsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner nachhaltig. Die korrekte rechtliche Einordnung der Unmöglichkeit verlangt eine differenzierte Betrachtung des Einzelfalls unter Beachtung der einschlägigen Normen des BGB und eventueller Vertragsklauseln.

Dies ist für die Vertragsauslegung, das Risikomanagement und die Beurteilung von Leistungsstörungen von existenzieller Bedeutung. Bei Bedarf sollten die konkreten Regelungen und Besonderheiten des Einzelfalls stets sorgfältig mit der aktuellen Gesetzeslage und relevanten Gerichtsurteilen abgeglichen werden.

Häufig gestellte Fragen

Welche Folgen hat die Unmöglichkeit der Leistung für den Schuldner im deutschen Zivilrecht?

Im deutschen Zivilrecht hat die Unmöglichkeit der Leistung, geregelt in § 275 BGB, erhebliche Folgen für den Schuldner. Kann die geschuldete Leistung dauerhaft nicht erbracht werden (objektive oder subjektive Unmöglichkeit), wird der Schuldner grundsätzlich von seiner Leistungspflicht befreit. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass der Schuldner keine weiteren Verpflichtungen treffen. Ist die Unmöglichkeit vom Schuldner zu vertreten (Verschulden), so kann der Gläubiger gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Außerdem kann der Gläubiger bei gegenseitigen Verträgen nach § 326 BGB vom Vertrag zurücktreten und hat gegebenenfalls einen Anspruch auf Rückzahlung bereits erbrachter Leistungen. Für die Abgrenzung zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit ist entscheidend, ob der Leistungshinderungsgrund bereits bei Vertragsschluss oder erst danach eingetreten ist.

Welche Arten der Unmöglichkeit unterscheidet das deutsche Recht?

Das deutsche Recht unterscheidet mehrere Arten der Unmöglichkeit. Die wichtigste Unterscheidung ist die zwischen objektiver und subjektiver Unmöglichkeit. Objektive Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Leistung von niemandem erbracht werden kann (z.B. Untergang eines einmaligen Stücks), während subjektive Unmöglichkeit gegeben ist, wenn zwar der Schuldner nicht, aber ein Dritter die Leistung noch erbringen könnte. Außerdem wird zwischen anfänglicher Unmöglichkeit (die Leistung ist schon bei Vertragsschluss unmöglich) und nachträglicher Unmöglichkeit (die Unmöglichkeit tritt erst nach Vertragsschluss ein) unterschieden. Daneben existiert die teilweise Unmöglichkeit, bei der nur ein Teil der gesamten Leistung unmöglich wird, und die vorübergehende Unmöglichkeit, wenn die Leistung nur zeitweise unmöglich ist.

Was passiert mit einem gegenseitigen Vertrag, wenn die Leistung für eine Partei unmöglich wird?

Wird die Leistung für eine Partei in einem gegenseitigen Vertrag unmöglich, regelt § 326 BGB die Rechtsfolgen: Die Gegenleistung muss nicht mehr erbracht werden, und bereits erbrachte Leistungen sind zurückzugewähren. Hat der Gläubiger einen Teil der Leistung bereits erhalten, bleibt er insoweit zur Gegenleistung verpflichtet. Im Falle von Verschulden des Schuldners an der Unmöglichkeit stehen dem Gläubiger zusätzlich Schadensersatzansprüche zu. Zudem ist dem Gläubiger in den meisten Fällen ein Rücktrittsrecht nach § 323 BGB eröffnet, sofern die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit von Unmöglichkeit im Sinne von § 275 BGB gesprochen werden kann?

Für das Vorliegen von Unmöglichkeit müssen nach § 275 BGB bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Es muss sich um eine dauerhafte und tatsächliche Unmöglichkeit handeln, die den Schuldner daran hindert, die geschuldete Leistung zu erbringen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Unmöglichkeit auf objektiven, äußeren Umständen oder auf der individuellen Situation des Schuldners beruht. Im Falle der sogenannten „praktischen Unmöglichkeit“ kommt es darauf an, ob die Erbringung der Leistung mit unzumutbarem Aufwand verbunden wäre. Die Unmöglichkeit muss zudem die im Vertrag konkret vereinbarte Leistung betreffen.

Wie unterscheidet sich die tatsächliche von der rechtlichen Unmöglichkeit?

Die tatsächliche Unmöglichkeit bezieht sich auf physische oder faktische Umstände, die die Leistungserbringung unmöglich machen, beispielsweise wenn eine individuell bestimmte Sache zerstört wird. Die rechtliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Erfüllung der Leistung zwar tatsächlich möglich wäre, sie jedoch aus rechtlichen Gründen nicht erbracht werden darf oder kann, etwa bei einem nach Vertragsschluss eingetretenen gesetzlichen Verbot. In beiden Fällen entfällt die Leistungspflicht des Schuldners gemäß § 275 Abs. 1 BGB.

Kann auch der Gläubiger für die Unmöglichkeit der Leistung verantwortlich sein und welche Folgen hat dies?

Ja, auch der Gläubiger kann durch Mitverantwortung für die Unmöglichkeit der Leistung haften. Liegt die Unmöglichkeit der Leistung im Verantwortungsbereich des Gläubigers oder ist sie ihm zumindest zuzurechnen („Gläubigerverzug“, vgl. § 300 BGB), so bleibt der Schuldner zwar von der eigentlichen Leistungspflicht befreit, allerdings behält er die Gegenleistungspflicht des Gläubigers gemäß § 326 Abs. 2 BGB. Das bedeutet, dass der Gläubiger die vereinbarte Gegenleistung trotzdem erbringen muss, da die Unmöglichkeit auf seinem eigenen Verhalten beruht.

Welche Rolle spielt die Mahnung im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen bei Unmöglichkeit?

Im Kontext der Unmöglichkeit ist die Mahnung für den Schadensersatzanspruch dann relevant, wenn die Unmöglichkeit erst nach Fälligkeit und nach einer Mahnung eintritt. Für den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, 3, § 281, § 283 BGB) ist grundsätzlich keine Mahnung erforderlich, sofern die Unmöglichkeit unverschuldet eintritt. Wenn jedoch ein Schuldner in Verzug gerät und anschließend die Leistung unmöglich wird, haftet er für den sogenannten Verzögerungsschaden, der während der Verzugszeit entsteht. Die Mahnung ist insoweit Voraussetzung für den Verzugseintritt und damit für die Haftung des Schuldners auf Verzögerungsschäden, sofern nicht ausnahmsweise der Verzug ohne Mahnung eintritt (§ 286 BGB).