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Unechte Stellvertretung


Unechte Stellvertretung – Definition und rechtliche Einordnung

Die unechte Stellvertretung ist ein zentraler Begriff im deutschen Zivilrecht und beschreibt einen Fall, in dem eine Person im Rechtsverkehr für eine andere Person handelt, ohne tatsächlich befugt zu sein, diese zu vertreten. Die Handlungen entfalten dabei unmittelbare Rechtswirkungen ausschließlich für oder gegen denjenigen, der selbst handelt, nicht jedoch für den Vertretenen. Dies unterscheidet die unechte Stellvertretung maßgeblich von der echten Stellvertretung im Sinne der §§ 164 ff. BGB.

Abgrenzung zur echten Stellvertretung

Die klassische, sogenannte echte Stellvertretung erfordert nach § 164 Abs. 1 BGB drei zentrale Voraussetzungen:

  1. Das Handeln im Namen des Vertretenen (Offenkundigkeitsprinzip)
  2. Eine eigene Willenserklärung des handelnden Vertreters
  3. Das Vorliegen einer Vertretungsmacht

Ist auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, handelt es sich um keine echte Stellvertretung. Die unechte Stellvertretung kommt typischerweise in zwei Konstellationen vor:

  • Der Vertreter handelt im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung (z.B. Kommissionär)
  • Der Vertreter handelt zwar im fremden Namen, ohne jedoch Vertretungsmacht zu besitzen (sogenannte Vertreter ohne Vertretungsmacht, vgl. § 177 BGB)

Im Kern entfaltet die unechte Stellvertretung keine unmittelbaren Rechtsfolgen für den Vertretenen, sondern für den Handelnden selbst.

Erscheinungsformen der unechten Stellvertretung

Handeln im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung

Ein typisches Beispiel dieser Konstellation findet sich in § 400 HGB – der Kommissionär kauft oder verkauft Waren im eigenen Namen, aber für die Rechnung eines Dritten (Kommittenten). Der Vertrag kommt hier ausschließlich zwischen dem Kommissionär und dem Dritten zustande, nicht jedoch zwischen dem Dritten und dem Kommittenten. Gleichwohl ist der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg des Geschäfts dem Kommittenten zuzurechnen.

Handeln ohne Vertretungsmacht – Vertreter ohne Vertretungsmacht

Handelt jemand als Vertreter, obwohl ihm die Vertretungsmacht fehlt, liegt zunächst eine unechte Stellvertretung vor. Erklärt der Vertreter eine Willenserklärung im fremden Namen, ohne dazu berechtigt zu sein, bleibt der Geschäftsgegner nach § 177 Abs. 1 BGB zunächst gebunden; der Vertrag wird schwebend unwirksam und bedarf der Genehmigung durch den Vertretenen.

Kommt eine Genehmigung nicht zustande, ist der Vertreter unter den Voraussetzungen des § 179 BGB zur Haftung verpflichtet, wenn der Geschäftsgegner gutgläubig war.

Anscheins- und Duldungsvollmacht

Auch in Fällen, in denen eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht vom Vertretenen weder ausdrücklich noch tatsächlich eingeräumt wurde, aber der Geschäftsgegner auf das Bestehen einer Vertretungsmacht vertrauen durfte, entstehen komplexe Rechtsverhältnisse, die sich nicht der echten Stellvertretung zuordnen lassen. In diesen Fällen kommt es auf Schutzmechanismen zugunsten des Rechtsverkehrs an.

Rechtsfolgen der unechten Stellvertretung

Die zentrale Rechtsfolge der unechten Stellvertretung besteht darin, dass die abgegebenen Willenserklärungen ausschließlich im Namen und auf Rechnung des Handelnden wirken. Der angeblich Vertretene wird dadurch weder berechtigt noch verpflichtet.

Haftung des Handelnden

Insbesondere das Handeln ohne Vertretungsmacht löst spezifische Haftungsfolgen aus. Nach § 179 BGB muss der Handelnde dem Dritten entweder die Erfüllung des Vertrags verschaffen oder Ersatz des Schadens leisten, sofern der Vertretene die Genehmigung verweigert. Im Geschäftsbereich werden dabei die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt.

Im Kommissionsgeschäft richtet sich die Haftung primär nach den handelsrechtlichen Regelungen (vgl. §§ 384 ff. HGB).

Genehmigung durch den Vertretenen

Kommt nachträglich eine Genehmigung durch die Person zustande, für die gehandelt wurde, werden die Willenserklärungen rückwirkend wirksam (§ 177 Abs. 1 BGB).

Vertrauensschutz des Geschäftspartners

Im Interesse des Rechtsverkehrs schützen verschiedene Vorschriften Dritte, die auf eine bestehende Vertretungsmacht vertraut haben. Hierzu zählen die Grundsätze von Anscheins- und Duldungsvollmacht oder der Schutz gemäß § 179 Abs. 3 BGB bei Geschäftsunfähigkeit des Vertreters.

Unechte Stellvertretung im internationalen Kontext

Auch im internationalen Privatrecht und bei grenzüberschreitenden Geschäften ist die Abgrenzung zu beachten. Unterschiedliche nationale Regelungen können im Einzelfall dazu führen, dass Rechtsfolgen anders beurteilt werden, insbesondere beim Fehlen einer Vertretungsmacht oder abweichenden Offenbarungsregeln.

Wichtige Abgrenzungen und Sonderfälle

Botenschaft

Eine weitere wichtige Abgrenzung ist die zur sogenannten Botenschaft. Der Bote überbringt lediglich fremde Willenserklärungen und wird nie selbst Vertragspartner. Im Gegensatz dazu gibt der unechte Vertreter eigene Willenserklärungen ab.

Geschäft für den, den es angeht

Im Einzelfall kann ein Handeln „für den, den es angeht“ vorliegen, insbesondere bei Bargeschäften des täglichen Lebens. Hier verzichten die Parteien stillschweigend auf das Offenlegen des Geschäftsherrn. Auch in diesem Kontext kann die unechte Stellvertretung eine Rolle spielen, etwa wenn aus den Umständen hervorgeht, dass das Geschäft bewusst offen gestaltet ist.

Zusammenfassung

Die unechte Stellvertretung beschreibt im deutschen Zivil- und Handelsrecht die Fälle, in denen eine Person entweder im eigenen Namen für fremde Rechnung oder ohne bestehende Vertretungsmacht für eine andere Person handelt. Während bei der echten Stellvertretung rechtsgeschäftliche Wirkungen unmittelbar für den Vertretenen eintreten, treffen bei der unechten Stellvertretung die Rechtsfolgen grundsätzlich nur den Handelnden selbst. Die materiellen Konsequenzen sowie die unterschiedlichen Schutzmechanismen zu Gunsten des Geschäftsgegners prägen die Rechtsnatur und praktische Bedeutung der unechten Stellvertretung. Besonders bei fehlender oder nicht ausreichend dargelegter Vertretungsmacht sind differenzierte Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und des Handelsgesetzbuchs (HGB) heranzuziehen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Folgen ergeben sich bei einer unechten Stellvertretung für den Vertretenen?

Im Falle der unechten Stellvertretung entfalten die vom Vertreter vorgenommenen Rechtsgeschäfte keine unmittelbare Wirkung für und gegen den Vertretenen, sondern ausschließlich für und gegen den Handelnden selbst. Der Vertretene bleibt aus dem Geschäft rechtlich unberührt und erhält weder Rechte noch Pflichten. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass bei der unechten Stellvertretung entweder kein oder ein nicht ausreichend offengelegtes Vertretungsverhältnis vorliegt. Ein Vertrag, der in unechter Stellvertretung geschlossen wurde, bindet somit lediglich den handelnden Vertreter und seinen Vertragspartner, während der Vertretene nicht an dem Rechtsgeschäft partizipiert und keine Ansprüche oder Verpflichtungen ableiten kann. Rechtlich gesehen handelt der Vertreter dann im eigenen Namen, sodass eine Durchgriffshaftung oder -berechtigung gegenüber dem Vertretenen ausgeschlossen ist. Daraus können sich insbesondere Haftungsfragen für den Vertreter ergeben, da diese persönlich für die aus dem Geschäft resultierenden Verpflichtungen einzustehen haben.

Welche Ansprüche kann der Geschäftspartner im Falle der unechten Stellvertretung geltend machen?

Bei einer unechten Stellvertretung hat der Geschäftspartner ausschließlich Ansprüche gegen denjenigen, der das Geschäft im eigenen Namen abgeschlossen hat, also den Vertreter. Ansprüche gegen den vermeintlich Vertretenen bestehen nicht, da kein wirksames Rechtsverhältnis zwischen diesem und dem Geschäftspartner begründet wurde. Falls der Vertreter allerdings fälschlicherweise eine Vertretungsmacht vorgibt (sogenanntes „Handeln unter fremdem Namen“), kann der Geschäftspartner unter Umständen Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo (§§ 280, 311 Abs. 2 BGB) oder aus § 179 BGB (Vertretung ohne Vertretungsmacht) geltend machen. Voraussetzung ist, dass der Geschäftspartner im Vertrauen auf die Vertretungsverhältnisse disponiert hat und ihm dadurch ein Schaden entstanden ist. Eine vertragliche Bindung und damit Anspruch auf Erfüllung des Rechtsgeschäfts gegenüber dem Vertretenen ist hingegen ausgeschlossen.

Welche Bedeutung hat die Offenlegung des Fremdgeschäftswillens bei der Stellvertretung?

Die Offenlegung des sogenannten Fremdgeschäftswillens stellt ein zentrales Erfordernis einer wirksamen Stellvertretung dar. Sie bedeutet, dass für den Geschäftsgegner erkennbar sein muss, dass der Handelnde nicht in eigenem, sondern im Namen einer anderen Person (des Vertretenen) auftritt. Erfolgt diese Offenlegung – etwa durch ausdrücklichen Hinweis oder aus den Umständen ersichtlich – liegt grundsätzlich eine echte Stellvertretung vor. Wird der Fremdgeschäftswille hingegen nicht oder nicht ausreichend offengelegt, gilt das Geschäft als unechte Stellvertretung. Das liegt daran, dass nach dem sogenannten Grundsatz der Vertragsparteiidentität stets derjenige Vertragspartner wird, der nach außen als Handelnder und Vertragsschließender auftritt. Die fehlende Offenlegung führt somit dazu, dass die beabsichtigten Rechtsfolgen den Vertretenen nicht betreffen.

Inwiefern unterscheidet sich die unechte von der Vertretung ohne Vertretungsmacht?

Obwohl beide Konstellationen auf den ersten Blick Ähnlichkeiten aufweisen, bestehen grundlegende Unterschiede. Bei der unechten Stellvertretung fehlt es an einer äußeren Erkennbarkeit der Vertretung: Der Handelnde tritt nach außen im eigenen Namen, nicht für einen anderen, auf. Es kommt daher zu keinem wirksamen Vertragsschluss für den Vertretenen. Dagegen liegt bei der Vertretung ohne Vertretungsmacht ein entgegengesetzter Fall vor: Der Vertreter gibt sich nach außen als Stellvertreter zu erkennen, verfügt aber nicht über die erforderliche Vertretungsmacht (Vollmacht). Handelt es sich um einen solchen Fall, kann der Vertretene das Geschäft nachträglich genehmigen (§ 177 BGB). Wird die Genehmigung verweigert, haftet der Handelnde unter den Voraussetzungen des § 179 BGB dem Geschäftspartner auf Schadensersatz oder Erfüllung. Dies ist bei der unechten Stellvertretung nicht der Fall, da es an dem notwendigen Offenlegungsakt fehlt.

Welche Besonderheiten bestehen bei der unechten Stellvertretung im Arbeitsrecht?

Im Arbeitsrecht spielt die unechte Stellvertretung insbesondere bei Vertragsabschlüssen und Willenserklärungen, beispielsweise im Rahmen von Kündigungen, eine Rolle. Wird beispielsweise ein Mitarbeiter bei Vertragshandlungen nicht offenkundig im Namen des Arbeitgebers tätig, sondern im eigenen Namen, wirkt das Geschäft grundsätzlich nur gegen ihn selbst. Dies kann dazu führen, dass arbeitsrechtliche Willenserklärungen wie Einstellungen, Änderungen oder Kündigungen nicht dem Arbeitgeber, sondern ausschließlich dem Mitarbeiter selbst zuzurechnen sind. Arbeitsgerichtliche Entscheidungen betonen, dass stets aus Sicht des Empfängers der Erklärung zu prüfen ist, ob eine eindeutige Offenlegung der Stellvertretung vorlag. Fehlt diese, bleibt der Arbeitgeber in der Regel unberührt, wobei dem Geschäftspartner möglicherweise Ansprüche aus Rechtsscheinhaftung oder Vertrauensschutz entstehen können.

Kann eine nachträgliche Genehmigung des Vertretenen die Wirkung der unechten Stellvertretung heilen?

Eine nachträgliche Genehmigung, wie sie bei Geschäften ohne Vertretungsmacht nach § 177 BGB möglich ist, findet bei unechter Stellvertretung grundsätzlich keine Anwendung. Das liegt daran, dass es schon an einem nach außen hin erkennbaren Vertretungswillen fehlt und das Geschäft deshalb gar nicht „im Namen eines anderen“ abgeschlossen wurde. Der Vertragspartner hat mit dem Vertreter, nicht mit dem Vertretenen, kontrahiert. Eine Genehmigung kann daher keine ex-tunc-Wirkung für oder gegen den Vertretenen entfalten. Allenfalls ist im Ausnahmefall – wenn auf anderer Grundlage eine nachträgliche Einbeziehung vereinbart wird – ein Vertragsschluss mit dem ursprünglich nicht beteiligten Dritten denkbar; dies stellt dann jedoch einen eigenständigen Vertragsschluss dar und keine „Heilung“ des ursprünglichen Rechtsaktes.

Welche Rolle spielt die unechte Stellvertretung beim Handeln unter fremdem Namen?

Beim Handeln unter fremdem Namen wird zwischen unechter und echter Namensgebrauch unterschieden. Gibt sich der Handelnde als eine andere Person aus, beabsichtigt aber, das eigene Geschäft zu schließen (unechter Name), liegt eine unechte Stellvertretung vor, da der Erklärende den Geschäftspartner darüber täuscht, mit wem er kontrahiert. Obwohl der reale Name eines anderen verwendet wird, wird rechtlich der Handelnde selbst Vertragspartei – nicht die namentlich genannte Person. Anders ist dies beim sogenannten Stellvertretungsfall unter fremdem Namen, wenn für den Geschäftspartner erkennbar bleibt, dass der Erklärende als Vertreter auftritt (echter Namefall mit Vertretungswille). In der Praxis sind diese Konstellationen oft schwer zu unterscheiden, was rechtliche Unsicherheiten hinsichtlich der Zuordnung und Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte nach sich zieht.