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Unechte Stellvertretung


Unechte Stellvertretung

Die unechte Stellvertretung ist ein Begriff des deutschen Zivilrechts, der die Konstellationen beschreibt, in denen eine Person im fremden Namen ein Geschäft abschließt, dabei jedoch keine unmittelbare Wirkung gegenüber und für den Vertretenen eintritt. Im Gegensatz zur echten Stellvertretung, bei der eine Willenserklärung mit unmittelbarer Wirkung für und gegen den Vertretenen abgegeben wird (§ 164 Abs. 1 BGB), führt eine unechte Stellvertretung dazu, dass Rechtsfolgen grundsätzlich zunächst beim Handelnden selbst eintreten. Die unechte Stellvertretung zeichnet sich demnach durch das Fehlen einer unmittelbaren Durchgriffsmöglichkeit zwischen dem Vertretenen und dem Geschäftspartner aus.

Begriffliche Abgrenzung

Die unechte Stellvertretung ist rechtssystematisch von der echten Stellvertretung abzugrenzen. Echte Stellvertretung erfordert, dass der Vertreter im Namen des Vertretenen handelt (Offenkundigkeitsprinzip) und innerhalb seines Vertretungsmachtbereichs auftritt, sodass die Erklärung direkt den Vertretenen berechtigt oder verpflichtet (§ 164 Abs. 1 BGB). Bei der unechten Stellvertretung hingegen wird das Rechtsgeschäft ausschließlich im eigenen Namen oder im gemischten Namen abgeschlossen (unechte namensmäßige Vertretung), wobei eine Bindung des Vertretenen erst durch eine gesonderte Übertragung, Abtretung oder ein weiteres Rechtsgeschäft eintritt.

Zu systematisieren sind insbesondere folgende Erscheinungsformen der unechten Stellvertretung:

  • Geschäft für den, den es angeht: Sonderfälle, in denen trotz Verstoßes gegen das Offenkundigkeitsprinzip im Einzelfall Rechtsfolgen für den Vertretenen entstehen (z.B. Inhaberpapier, § 793 BGB).
  • Handeln in fremdem Namen ohne Vertretungsmacht: Die sog. Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 177ff. BGB) lösen ein schwebend unwirksames Geschäft aus, das durch Genehmigung rückwirkend wirksam werden kann.
  • Strohmanngeschäfte: Hier schließt ein Dritter (der „Strohmann“) im eigenen Namen, aber für einen anderen ein Rechtsgeschäft ab, mit der Konsequenz, dass nur der Strohmann Partei des Vertrages wird.
  • mittelbare Stellvertretung: Der Handelnde tritt im eigenen Namen, aber im Interesse und für Rechnung eines anderen auf (Kommissionsgeschäft, Treuhand).

Rechtliche Einordnung und Systematik

Die unechte Stellvertretung ist nicht explizit gesetzlich geregelt, sondern ergibt sich aus der negativen Abgrenzung zur echten Stellvertretung und aus verschiedenen zivilrechtlichen Sondervorschriften. Kernpunkt ist stets das Fehlen des unmittelbaren Wirkungsdurchschlags zwischen Vertretenem und Drittem.

Abgrenzung zur echten Stellvertretung

Wesentliche Kriterien zur Unterscheidung sind:

  • Handeln im fremden Namen (Offenkundigkeitsprinzip): Ist dies nicht gewahrt oder wurde bewusst im eigenen Namen gehandelt, liegt keine echte Stellvertretung vor.
  • Vertretungsmacht: Fehlt diese, wirkt das Geschäft nicht unmittelbar für den Vertretenen.
  • Unmittelbare Rechtsfolgen: Die unechte Stellvertretung bewirkt keine unmittelbare Zurechnung der Erklärung an den Vertretenen.

Typische Anwendungsfälle

  • Kommissionsgeschäfte (§§ 383ff. HGB): Ein Kommissionär handelt im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung. Rechtsfolgen treffen hier den Kommissionär, eine Durchgriffswirkung auf den Prinzipal entsteht regelmäßig erst durch eine gesonderte Abtretung der Ansprüche.
  • Strohmannkonstruktionen: Der Strohmann agiert als formaler Vertragspartner, wobei das wirtschaftliche oder tatsächliche Interesse bei einem Dritten liegt. Rechtlich sind Strohmann und Vertragspartner zunächst alleinige Parteien.
  • mittelbare Stellvertretung (Treuhand, Verwaltung fremden Vermögens): Hier wird im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung gehandelt; der Dritte wird nicht direkt berechtigt oder verpflichtet.

Rechtsfolgen der unechten Stellvertretung

Die Rechtsfolgen richten sich regelmäßig danach, dass zunächst ausschließlich der Handelnde berechtigt und verpflichtet wird. Eine Bindung des Vertretenen erfolgt nur durch weitere (meist vertragliche) Übertragungsakte, wie Zession, Abtretung oder Übereignung.

Rechtsposition des Vertretenen

  • Grundsätzlich erwirbt der Vertretene keine unmittelbare Rechtsposition gegenüber dem Dritten.
  • Eine wirtschaftliche Bindung kann sich jedoch durch eine interne Weisung oder Abrechnungspflicht ergeben (z.B. bei Kommission).
  • Haftungsfragen und Risikoabwägungen richten sich regelmäßig nach dem internen Verhältnis zwischen Vertretenem und Vertreter.

Schutzmechanismen

  • Vertrauensschutz des Dritten ist bei unechter Stellvertretung bedeutungslos, da dieser nur eine Rechtsbeziehung zum Vertreter gewinnt.
  • Im Innenverhältnis können Treuepflichten, Haftungsregelungen oder Rückgriffstatbestände zum Tragen kommen.

Praktische Bedeutung und Anwendungsfelder

Die unechte Stellvertretung spielt vor allem im Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, bei Treuhandverhältnissen sowie bei bestimmten Gestaltungsmodellen (wie dem Strohmann) eine zentrale Rolle. Sie ermöglicht Gestaltungsspielräume, aber auch Umgehungslösungen, weshalb ihre rechtssichere Ausgestaltung und die klare Dokumentation der internen Rechtsbeziehungen von erheblicher Bedeutung sind.

Handelsverkehr

Insbesondere im Handelsrecht begegnet die unechte Stellvertretung häufig. Das Kommissionsgeschäft stellt hierfür das prägnanteste Beispiel dar. Hierdurch können Unternehmer Transaktionen abwickeln, ohne selbst nach außen hin in Erscheinung treten zu müssen.

Strohmannverhältnisse

Strohmanngeschäfte werden oft zur Anonymisierung oder in Fällen eingesetzt, in denen gesetzliche oder vertragliche Beschränkungen umgangen werden sollen. Die rechtliche Zulässigkeit und die Ausgestaltung dieser Strukturen sind umstritten und gehören zu den häufig besprochenen Erscheinungsformen der unechten Stellvertretung.

Literaturverzeichnis und weiterführende Quellen

  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, aktuelle Auflage, § 164 BGB.
  • MüKoBGB, Münchener Kommentar zum BGB, § 164.
  • Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 164.
  • BGH, Urteil vom 13.11.1997 – VII ZR 187/96 (zur Abgrenzung von echter und unechter Stellvertretung).

Hinweis: Dieser Artikel bietet eine umfassende Begriffsklärung und systematische Darstellung der unechten Stellvertretung mit Relevanz für ein Rechtslexikon.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen hat eine unechte Stellvertretung für den sogenannten Vertreter und den Vertretenen?

Bei der unechten Stellvertretung, bei der eine Person im Namen eines anderen auftritt, jedoch ohne wirksame Vertretungsmacht handelt, treten die Rechtsfolgen grundsätzlich nicht unmittelbar für und gegen den Vertretenen ein. Das bedeutet, dass das Rechtsgeschäft nicht unmittelbar für den Vertretenen wirksam wird, sondern zunächst „schwebend unwirksam“ ist. Der Vertretene kann jedoch das Handeln des Vertreters nachträglich genehmigen (§ 177 Abs. 1 BGB). Bis zur Genehmigung ist der Vertrag für den Vertretenen unverbindlich; der Vertragspartner bleibt gebunden. Lehnt der Vertretene die Genehmigung ab, wird das Geschäft endgültig unwirksam. In diesem Fall kann der Vertragspartner vom sogenannten Vertreter nach § 179 BGB Schadensersatz verlangen, es sei denn, der Vertreter wusste nicht und musste auch nicht wissen, dass er keine Vertretungsmacht besaß. Der Vertretene hingegen haftet bis zur Genehmigung nicht.

Welche Haftungsrisiken bestehen für den Handelnden ohne Vertretungsmacht?

Handelt jemand als Vertreter ohne Vertretungsmacht, besteht für ihn ein erhebliches Haftungsrisiko. Gemäß § 179 BGB haftet der Handelnde dem Vertragspartner entweder auf Erfüllung oder – wenn dies nicht möglich ist – auf Schadensersatz statt der Leistung. Diese Haftung tritt insbesondere dann ein, wenn der Vertretene die Genehmigung verweigert. Von der Haftung kann sich der Vertreter nur befreien, wenn der Vertragspartner wusste oder hätte wissen müssen, dass die Vertretungsmacht fehlte. Ist der Vertreter minderjährig oder ansonsten geschäftsunfähig, trifft ihn gemäß § 179 Abs. 3 BGB keine Pflicht zum Schadensersatz.

Inwieweit ist eine nachträgliche Genehmigung des Vertretenen möglich und welche Wirkung hat diese?

Eine nachträgliche Genehmigung durch den Vertretenen ist grundsätzlich jederzeit möglich, solange das Geschäft weder durch Zeitablauf noch aus anderen Gründen (z.B. Widerruf durch den Vertragspartner, § 178 BGB) erloschen ist. Die Genehmigung wirkt „ex tunc“, also rückwirkend auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts. Dadurch wird das ursprünglich unwirksame Geschäft voll wirksam, als ob der Vertreter von Anfang an die erforderliche Vertretungsmacht gehabt hätte. Wird die Genehmigung verweigert oder erfolgt sie nicht innerhalb einer vom Vertragspartner gesetzten Frist, bleibt das Rechtsgeschäft unwirksam, und es greifen die Haftungsregelungen des § 179 BGB.

Wie unterscheidet sich die unechte Stellvertretung von der falsus procurator-Problematik in anderen Rechtsordnungen?

In Deutschland ist die unechte Stellvertretung im Bürgerlichen Gesetzbuch, insbesondere in §§ 177 ff. BGB, geregelt und betrifft Fälle des sogenannten falsus procurator, also des Handelns ohne Vertretungsmacht. In anderen Rechtsordnungen, z.B. im anglo-amerikanischen Recht, finden sich ähnliche, aber zum Teil abweichende Regelungen zur Haftung des Vertreters und zur nachträglichen Genehmigung durch den Vertretenen. Während im deutschen Recht Wert auf die Möglichkeit der rückwirkenden Genehmigung und die Ersatzpflicht nach § 179 BGB gelegt wird, bestehen im common law abweichende Strukturen hinsichtlich der Durchsetzbarkeit des Vertrages und der Ersatzpflichten.

Können Dritte auch ohne Kenntnis der fehlenden Vollmacht den Vertrag anfechten oder zurücktreten?

Dritte, also in der Regel die Vertragspartner des Vertreters ohne Vertretungsmacht, genießen durch die Vorschriften der §§ 177 ff. BGB einen besonderen Schutz. Sie können den aufschiebend unwirksamen Vertrag widerrufen oder z. B. vor Ablauf einer zur Genehmigung gesetzten Frist vom Vertrag zurücktreten (§ 178 BGB). Eine Anfechtung kommt zusätzlich in Betracht, wenn sie sich bei Vertragsschluss über die Vertretungsmacht des Handelnden geirrt haben und dieser Irrtum für das Rechtsgeschäft erheblich war. Die Rücktritts- und Anfechtungsrechte dienen insbesondere dem Schutz der Entscheidungssicherheit des Vertragspartners.

Gibt es Ausnahmen, bei denen das Handeln ohne Vertretungsmacht trotzdem zu einer Bindung des Vertretenen führt?

Das deutsche Zivilrecht kennt nur wenige Ausnahmen, in denen trotz fehlender Vertretungsmacht eine unmittelbare Bindung des Vertretenen eintritt. Eine solche Ausnahme besteht etwa dann, wenn der Vertretene dem Vertreter Duldungs- oder Anscheinsvollmacht eingeräumt hat und somit nach außen den Anschein einer Vertretungsmacht gesetzt hat. In diesen Fällen wird der Vertretene wie bei einer echten Stellvertretung gebunden. Außerhalb dieser Fälle bleibt grundsätzlich der Vertretene unbeeinflusst und haftet nicht für das Handeln des vollmachtlosen Vertreters.