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Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag


Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag

Die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (Unechte GoA) ist ein rechtswissenschaftlicher Begriff aus dem deutschen Zivilrecht und bildet eine besondere Fallgruppe der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) gemäß den §§ 677 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die unechte GoA kennzeichnet Situationen, in denen eine Person in Kenntnis der fehlenden Berechtigung in einen fremden Rechtskreis eingreift, ohne einen wirklichen Fremdgeschäftsführungswillen im Sinne der gesetzlichen Grundlagen zu haben. Dieser Artikel bietet eine umfassende, strukturierte und detaillierte Darstellung der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag, beleuchtet alle einschlägigen rechtlichen Aspekte und die Abgrenzung zu anderen Anspruchsgrundlagen.


1. Begriff und gesetzliche Grundlage

1.1 Definition

Die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag tritt ein, wenn ein sogenannter Geschäftsführer ein Geschäft für einen anderen („Fremdgeschäft“) besorgt, dabei aber entweder mit Eigeninteresse handelt oder eine eigennützige Motivation hat. Wesentliches Merkmal der unechten GoA ist, dass das Geschäftsbesorgen nicht im Interesse oder Willen des Geschäftsherrn erfolgt, und der Geschäftsführer regelmäßig weiß oder wissen muss, dass er hierzu nicht berechtigt ist.

1.2 Abgrenzung zur echten Geschäftsführung ohne Auftrag

Im Gegensatz zur echten GoA (auch „berechtigte GoA“ genannt, §§ 677-684 BGB), bei der der Geschäftsführer im Interesse und wenigstens mit dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn handelt, liegt bei der unechten GoA kein entsprechender Fremdgeschäftsführungswille vor. Die unechte GoA ist auf die unberechtigte GoA (§ 687 Abs. 1, 2 BGB) und die angemaßte Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 2 BGB) beschränkt.

1.3 Regelungsbereich im BGB

Die relevanten gesetzlichen Vorschriften finden sich in:

  • §§ 677 ff. BGB (allgemeine GoA)
  • § 687 BGB (unberechtigte und angemaßte GoA)
  • §§ 818 ff. BGB (Bereicherungsrecht, sofern Rechtsfolgen auf Wertersatz begrenzt sind)

2. Voraussetzungen der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag

2.1 Fremdes Geschäft

Voraussetzung ist ein objektiv fremdes Geschäft, das im wirtschaftlichen oder rechtlichen Interesse eines anderen vorgenommen wird. Fremd ist ein Geschäft, wenn es nach außen erkennbar in den Rechts- oder Interessenkreis eines Dritten eingreift.

2.2 Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung

Der Geschäftsführer handelt grundsätzlich ohne Auftrag, Vollmacht oder eine sonstige rechtliche Berechtigung des Geschäftsherrn. Auch die Kenntnis davon, hierzu nicht berechtigt zu sein, ist typisch.

2.3 Fremdgeschäftsführungswille

Bei der unechten GoA handelt der Geschäftsführer im eigenen, nicht aber im fremden Interesse. Der Fremdgeschäftsführungswille liegt entweder gar nicht oder nur vordergründig vor.

2.4 Ausschluss bei besonderen gesetzlichen Regelungen

Die Anwendung der Vorschriften der unechten GoA ist ausgeschlossen, wenn das einschlägige Geschäft bereits durch spezielle gesetzliche Vorschriften vollständig geregelt wird (z.B. Deliktsrecht, vertragliche Ansprüche, öffentlich-rechtliche Regelungen).


3. Ausprägungen der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag

3.1 Unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 1 BGB)

Hier nimmt der Geschäftsführer ein Geschäft für einen anderen wahr, obwohl er zur Geschäftsführung weder berechtigt noch verpflichtet ist. Seine Tätigkeit widerspricht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn.

Rechtsfolgen

Die Rechtsfolgen sind gemindert: Es bestehen vor allem Anspruchsentstehungen und Verpflichtungen nur im Rahmen des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB), nicht aber Ansprüche auf Aufwendungsersatz nach den §§ 683 ff. BGB.

3.2 Angemaßte Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 2 BGB)

Eine Abwandlung stellt die angemaßte Eigengeschäftsführung dar: Der Geschäftsführer betreibt ein Geschäft mit dem (falschen) Bewusstsein, es im eigenen Namen durchzuführen, handelt aber tatsächlich im fremden Rechtskreis.

Besonderheiten und Sanktionen

In diesem Fall stehen dem vermeintlichen Geschäftsherrn (tatsächlicher Berechtigter) die Rechte aus unerlaubter Handlung und Bereicherungsrecht zu. Insbesondere besteht nach § 687 Abs. 2 Satz 2 BGB das Wahlrecht, Ansprüche aus GoA oder aus unerlaubter Handlung geltend zu machen.


4. Rechtsfolgen der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag

4.1 Ausschluss von Forderungen des Geschäftsführers

Im Gegensatz zur berechtigten GoA hat der Geschäftsführer keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 683 BGB, da seine Geschäftsführung nicht im Interesse des Geschäftsherrn lag.

4.2 Ansprüche des Geschäftsherrn

Der Geschäftsherr kann insbesondere verlangen, dass der Geschäftsführer das Erlangte herausgibt (Herausgabeansprüche aus §§ 681 S. 2, 687 Abs. 2, 681 S. 1 BGB i.V.m. §§ 812 ff. BGB). Gegebenenfalls sind Schadenersatzansprüche möglich, insbesondere bei angemaßter Eigengeschäftsführung.

4.3 Konkurrenzen zu anderen Anspruchsgrundlagen

In Fällen der unechten GoA stehen konkurrierende Ansprüche aus Bereicherungsrecht, Deliktsrecht und eventuell Vertrag zur Verfügung. Vorrangig sind dabei Spezialgesetze.


5. Abgrenzungskriterien und praktische Bedeutung

5.1 Abgrenzung zur berechtigten GoA und zum Bereicherungsrecht

Entscheidend ist der Fremdgeschäftsführungswille sowie das objektive Interesse des Geschäftsherrn – fehlt dieser, liegt regelmäßig eine unechte GoA vor.

5.2 Praktische Anwendungsbereiche

Die unechte GoA ist insbesondere relevant bei Handlungen, bei denen dem Geschäftsführer bekannt ist, dass er nicht für einen anderen tätig werden darf, zum Beispiel bei eigenmächtigen Nothilfen, Besitzstörung, fehlerhafter Herausgabe von Sachen oder Eingriffen in fremde Rechte.


6. Bedeutung im deutschen Zivilrecht

Die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag sichert den Schutz des Rechts- und Interessenkreises Dritter und verhindert, dass unbefugte Eingriffe zu einer privilegierten Stellung des eingreifenden Dritten führen. Sie stellt sicher, dass unberechtigte oder eigennützige Handlungen nicht mit Ersatzansprüchen belohnt werden, regelt aber dennoch die Bereicherung und sorgt für Schutz des wahren Berechtigten.


7. Literatur und weiterführende Quellen

Für ein tieferes Verständnis bieten sich einschlägige Lehrbücher und Kommentare zum BGB sowie die Auseinandersetzung mit aktueller Rechtsprechung an. Zentrale Werke beschäftigen sich besonders mit den §§ 677-687 BGB und deren praktischer Anwendung.


Fazit:
Die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag stellt im deutschen Zivilrecht einen komplexen, durch gesetzliche Vorschriften umfassend geregelten Tatbestand dar, der sowohl das Schutzinteresse wirtschaftlicher Inhaber als auch die Grenzen eigenmächtigen Handelns Dritter wirksam reguliert. Sie dient dem Ausgleich der Interessen und ist ein zentrales Instrument zur Verhinderung ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen.

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt eine unechte Geschäftsführung ohne Auftrag im rechtlichen Sinne vor?

Eine unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) liegt nach deutschem Zivilrecht gemäß §§ 677 ff. BGB dann vor, wenn jemand ein fremdes Geschäft führt, jedoch nicht in einem fremden Interesse, sondern allein im eigenen Interesse oder ohne zumindest erkennbaren Fremdgeschäftsführungswillen. Im Unterschied zur echten GoA fehlt es bei der unechten GoA an dem sogenannten Fremdgeschäftsführungswillen, d. h. der Geschäftsführer beabsichtigt nicht, für einen anderen tätig zu werden. Typische Fälle sind etwa eigenmächtige Selbsthilfemaßnahmen, selbstständige Schadensbeseitigung ohne Auftrag oder sogar die eigenmächtige Störung von Besitzverhältnissen. Die unechte GoA unterscheidet sich somit in der rechtlichen Einordnung und den daraus resultierenden Ansprüchen wesentlich von der echten GoA.

Welche Rechtsfolgen ergeben sich bei der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag?

Die unechte GoA führt im Gegensatz zur echten GoA in der Regel nicht zu Ansprüchen des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn auf Aufwendungsersatz gemäß §§ 683 S. 1, 684 S. 1 BGB. Stattdessen regelt § 684 S. 1 BGB, dass der Geschäftsherr nur dann und insoweit Ersatz zu leisten hat, wie er durch die Geschäftsführung auf seine Kosten etwas erlangt hat und eine Bereicherung vorliegt. So können insbesondere bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche nach § 812 BGB entstehen. Schadensersatz- oder Aufwendungsersatzansprüche des Geschäftsführers sind jedoch ausdrücklich ausgeschlossen, wenn dieser nicht mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt oder wenn das Geschäft nicht im Interesse und nicht im wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn geführt wurde.

Welche Rolle spielt das Interesse und der Wille des Geschäftsherrn?

Für die Abgrenzung zwischen echter und unechter GoA ist zu prüfen, ob das Geschäft im „Interesse und nach dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn“ geführt wurde (§ 683 BGB). Fehlt dieses Interesse oder steht der Wille entgegen, handelt es sich regelmäßig um eine unechte GoA. In Abgrenzung hierzu genügt bei der echten GoA bereits, dass objektiv ein fremdes Geschäft geführt wird und dabei zumindest mit dem erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen (dem Bewusstsein, im Interesse eines anderen zu handeln) vorgegangen wird. Ist dies nicht der Fall und überwiegt das Eigeninteresse, spricht man von unechter GoA, welche rechtlich anders behandelt wird, insbesondere im Hinblick auf Ersatzansprüche.

Kann der Geschäftsherr in der unechten GoA Schadensersatz verlangen?

Der Geschäftsherr kann im Rahmen der unechten GoA Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer geltend machen, wenn durch das eigenmächtige Eingreifen ein Schaden erlitten wurde. Zwar besteht keine gesetzlich angeordnete Haftung wie bei der echten GoA, doch kommen deliktische Ansprüche, etwa aus § 823 BGB, in Betracht, wenn durch das unberechtigte Eingreifen rechtswidrig ein geschütztes Rechtsgut verletzt wurde. Auch ein Herausgabeanspruch bezüglich dessen, was der Geschäftsführer im Zuge der selbstständigen Handlung erlangt hat, kann gegeben sein. Die Rechtsfolgen richten sich dabei nicht nach dem Vertragsrecht, sondern nach den bereicherungsrechtlichen oder deliktsrechtlichen Vorschriften.

Welche Ansprüche hat der Geschäftsführer aus unechter GoA?

Der Geschäftsführer hat grundsätzlich keine Ansprüche gegen den Geschäftsherrn auf Ersatz seiner Aufwendungen nach §§ 677, 683 BGB, da diese nur bei einer echten Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht kommen. Allerdings bleibt der Geschäftsführer nicht komplett ohne Schutz: Nach § 684 S. 1 BGB kann ein Bereicherungsanspruch gegen den Geschäftsherrn bestehen, soweit diesem tatsächlich durch die Geschäftsführung ein wirtschaftlicher Vorteil verschafft wurde und eine Entreicherung nicht eingetreten ist. Die Höhe des Anspruchs ist auf den Wertzuwachs beim Geschäftsherrn beschränkt. Ein Anspruch auf Ersatz von Schäden bleibt dem Geschäftsführer hingegen versagt, es sei denn, es bestehen ausnahmsweise Rückgriffsmöglichkeiten aus anderen Rechtsgrundlagen.

Gibt es Besonderheiten für Bereicherungsansprüche bei unechter GoA?

Im Rahmen der unechten GoA finden Bereicherungsansprüche nach den §§ 812 ff. BGB Anwendung. Maßgeblich ist, ob und in welchem Umfang der Geschäftsherr durch das unberechtigte Eingreifen des Geschäftsführers bereichert wurde. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsherr nicht bereichert ist, wenn und soweit er das Erlangte nicht behalten kann oder einen Rechtsgrund dafür hat. Darüber hinaus bestimmt § 684 S. 1 BGB, dass gezogene Nutzungen oder ersparte Aufwendungen dem Geschäftsführer nur dann ersetzt werden, wenn die Geschäftsübernahme für ihn selbst nicht unerlaubt war. Im Übrigen kommen auch Verwendungsersatzansprüche nach den allgemeinen Vorschriften in Betracht, falls besondere Umstände dies rechtfertigen.

Welche typischen Fallkonstellationen sind bei der unechten GoA relevant?

Typische Fallkonstellationen der unechten GoA sind etwa eigenmächtige Selbsthilfemaßnahmen, bei denen der Handelnde aus eigenem Interesse tätig wird (z. B. eigenmächtige Besitzergreifung, eigenmächtige Schädlingsbekämpfung im Garten eines Nachbarn ohne dessen Einverständnis, selbstständige Reparaturmaßnahmen am Eigentum eines anderen ohne Auftrag). Auch die fälschliche Annahme, für einen anderen handeln zu dürfen, ohne dass tatsächlich ein Auftrag oder ein entsprechender Wille des Geschäftsherrn vorliegt, gehört zu den praktischen Beispielen. In diesen Konstellationen ist die unechte GoA einschlägig, und es greifen die beschriebenen besonderen Rechtsfolgen.