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Underwriting


Definition und rechtlicher Rahmen des Underwriting

Underwriting ist ein Begriff mit zentraler Bedeutung in der Versicherungswirtschaft, im Bankwesen sowie am Kapitalmarkt. Im weiteren Sinne beschreibt Underwriting die Übernahme finanzieller Risiken gegen Entgelt. Im engeren juristischen Kontext bezieht sich Underwriting auf die vertraglich geregelte Übernahme von Risiken durch eine Partei (Underwriter) gegenüber einer anderen Partei (Emittent, Versicherungsnehmer), oft im Zusammenhang mit der Platzierung von Wertpapieren oder der Gewährung von Versicherungsschutz.

Underwriting im Versicherungsrecht

Grundprinzip und Bedeutung

Im Versicherungswesen bezeichnet Underwriting sämtliche Prozesse rund um die Risikobewertung und -übernahme vor Abschluss eines Versicherungsvertrags. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet das Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Insbesondere die §§ 19 ff. VVG regeln die vorvertraglichen Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers, welche essenzieller Bestandteil des Underwriting-Prozesses sind.

Risikobewertung und Offenlegungspflichten

Der Versicherer prüft im Rahmen des Underwriting, ob und zu welchen Konditionen ein Vertrag zustande kommt. Die Angaben des Versicherungsnehmers sind dabei entscheidend. Unvollständige oder falsche Angaben können gemäß § 19 VVG zur Anfechtung oder zur Vertragsanpassung führen. Die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung des Risikos obliegt dem Versicherer und basiert auf gesetzlichen Vorgaben sowie internen underwriting guidelines.

Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgrundsatz

Zu beachten ist das Diskriminierungsverbot gemäß Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG), insbesondere bei personenbezogenen Versicherungen. Das Underwriting darf keine unzulässige Benachteiligung aufgrund von Rasse, Ethnie, Geschlecht oder anderen in § 1 AGG genannten Gründen bewirken. Verstöße können zur Nichtigkeit von Klauseln oder dem Entstehen von Schadensersatzansprüchen führen.

Underwriting am Kapitalmarkt

Underwriting bei Wertpapieremissionen

Im Kapitalmarktrecht beschreibt Underwriting die Verpflichtung eines Finanzintermediärs, Wertpapiere eines Emittenten ganz oder teilweise zu übernehmen und zu einem definierten Preis am Markt zu platzieren. Das Underwriting erfolgt üblicherweise auf der Grundlage von Zeichnungsverträgen (Underwriting Agreements) und ist integraler Bestandteil von Emissionen, beispielsweise bei Börsengängen (Initial Public Offerings, IPOs).

Arten des Kapitalmarkt-Underwritings

  • Festübernahme (firm commitment underwriting): Der Underwriter übernimmt das volle Platzierungsrisiko, d.h., nicht platzierte Wertpapiere gehen in den eigenen Bestand über.
  • Bestmögliche Platzierung (best efforts underwriting): Der Underwriter verpflichtet sich lediglich zur bestmöglichen Platzierung, das Risiko nicht abgenommener Wertpapiere verbleibt weitgehend beim Emittenten.
  • Konsortiumsunderwriting: Mehrere Institute teilen sich das Risiko, vertraglich geregelt im Konsortialvertrag.

Gesetzliche Grundlagen und aufsichtsrechtliche Anforderungen

Das Underwriting von Wertpapieren ist im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und Kreditwesengesetz (KWG) geregelt. Finanzdienstleister benötigen für das Underwriting entsprechend eine Erlaubnis nach § 32 KWG. Besondere Bedeutung kommt zudem kapitalmarktrechtlichen Transparenz- und Ad-hoc-Pflichten (§§ 33 ff. WpHG) zu. Im europäischen Kontext sind zusätzlich die Vorgaben der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) und Richtlinien der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zu beachten.

Underwriting im Bankwesen

Kreditsicherung und Bonitätsprüfung

Im Bankwesen fungiert Underwriting als Synonym für die Prüfung der Bonität eines Kreditnehmers vor Vergabe von Krediten. Die Anforderungen sind durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), Kreditwesengesetz (KWG) und gegebenenfalls durch die Zahlungsdiensteaufsicht (ZAG) geregelt. Im Falle von Verbriefungen greifen zudem Regelungen nach der Verordnung (EU) 2017/2402 (Verbriefungsverordnung).

Vertragsrechtliche Strukturen des Underwriting

Underwriting Agreements

Underwriting Agreements sind zivilrechtliche Verträge, in denen die Konditionen der Risikoübernahme, unter anderem Preis, Umfang und Dauer, definiert werden. Im Gesellschaftsrecht sind sie regelmäßig dem Recht der Geschäftsbesorgungsverträge (§§ 675 ff. BGB) zuzuordnen und können ergänzend Regelungen über Haftung, Rücktritt und besondere Kündigungsrechte enthalten.

Haftung und Rücktrittsrechte

Die Haftung des Underwriters richtet sich nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, dem jeweiligen Vertrag sowie branchenspezifischen Regelungen. Bei unrichtigen Prospektangaben kommen Haftungsansprüche nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) oder Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) in Betracht. Rücktrittsrechte ergeben sich aus vertraglichen Gestaltungen oder bei Vorliegen von Anfechtungsgründen nach §§ 119 ff. BGB.

Compliance, Geldwäsche und Datenschutz im Underwriting

Geldwäscheprävention und Know-Your-Customer (KYC)

Underwriting-Prozesse unterliegen den Vorschriften des Geldwäschegesetzes (GwG). Dies bedeutet die umfassende Identifizierung von Vertragspartnern (KYC-Prüfung), die Überwachung verdächtiger Transaktionen und das Ergreifen von Präventionsmaßnahmen.

Datenschutzrechtliche Anforderungen

Mit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gelten für Underwriting-Prozesse strenge datenschutzrechtliche Bestimmungen, insbesondere hinsichtlich der Datenverarbeitung und Aufbewahrung sensibler Kundendaten.

Fazit

Underwriting nimmt in zahlreichen Bereichen des Wirtschaftsrechts eine zentrale Stellung ein. Die zugrundeliegenden Rechtsnormen sind vielfältig und betreffen das Versicherungsrecht, das Kapitalmarktrecht, das Bankwesen und den Datenschutz. Rechtssicheres Underwriting setzt die Beachtung einschlägiger gesetzlicher Vorschriften, die korrekte Ausgestaltung von Verträgen und die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorgaben voraus. Besondere Aufmerksamkeit ist der Ausgestaltung vertraglicher Haftungsregelungen, der Einhaltung von Informations- und Offenlegungspflichten sowie der Vermeidung von Diskriminierung zu widmen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Pflichten treffen einen Underwriter im Rahmen eines Wertpapierprospekts?

Ein Underwriter ist bei der Emission von Wertpapieren besonders umfangreichen rechtlichen Pflichten unterworfen. Gemäß Wertpapierprospektgesetz (WpPG) und der EU-Prospektverordnung (VO (EU) 2017/1129) trägt der Underwriter eine Mitverantwortung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Verständlichkeit des Prospekts, auf dessen Grundlage Anleger Investitionsentscheidungen treffen. Neben einer sorgfältigen inhaltlichen Prüfung des Prospekts obliegt dem Underwriter insbesondere eine sogenannte plausibilisierende Sorgfaltspflicht (Due-Diligence-Prüfung). Hierzu zählt die Pflicht, die vom Emittenten bereitgestellten Informationen intensiv zu kontrollieren, auf offensichtliche Unvollständigkeiten oder Unwahrheiten hin zu überprüfen und gegebenenfalls weitere Nachforschungen anzustellen. Verstöße gegen diese Pflichten können zu zivilrechtlichen Haftungsansprüchen von Anlegern führen (§ 14 WpPG), sofern ein fehlerhafter Prospekt Grundlage der Anlageentscheidung war und dem Anleger ein Schaden entstanden ist.

Unterliegt der Underwriter im Rahmen des Underwriting-Vertrags besonderen Transparenzanforderungen?

Ja, der Underwriter unterliegt im Rahmen des Underwriting-Vertrags spezifischen Transparenz- und Offenlegungspflichten. Der Vertrag zwischen Emittent und Underwriter, meist als Übernahmevertrag ausgestaltet, muss klar und transparent alle relevanten Rechte und Pflichten sowie Vergütungsregelungen und Haftungsmodalitäten regeln. Zudem sind Interessenskonflikte und Vergütungsstrukturen offenzulegen, insbesondere falls der Underwriter weitere Dienstleistungen für den Emittenten übernimmt. Für Banken als Underwriter kommen zusätzlich geldwäscherechtliche und aufsichtsrechtliche Transparenzpflichten nach dem Kreditwesengesetz (KWG), der Geldwäsche-Verordnung (GwG), und ggf. nach MiFID II hinzu.

Wie ist die zivilrechtliche Haftung eines Underwriters ausgestaltet?

Die zivilrechtliche Haftung eines Underwriters basiert in erster Linie auf dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) sowie den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Nach § 14 WpPG haftet der Underwriter, sofern er mit dem Emittenten oder für diesen einen Prospekt veröffentlicht oder dessen Veröffentlichung veranlasst und der Prospekt unrichtig oder unvollständig ist. Voraussetzung ist, dass der Anleger durch fehlerhafte oder unvollständige Angaben im Prospekt einen Schaden erleidet und auf die Richtigkeit des Prospekts vertraut hat. Darüber hinaus kann der Underwriter bei schuldhafter Verletzung von Sorgfaltspflichten ebenfalls aus Vertrag oder Delikt nach §§ 280, 823 BGB haftbar gemacht werden. Zu beachten ist, dass die Haftung oft vertraglich begrenzt wird, diese Begrenzungen aber rechtlichen Grenzen unterliegen (insbesondere bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit).

Gibt es regulatorische Anforderungen an die Organisation des Underwriters?

Underwriter, die als Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut nach dem KWG aufgestellt sind, müssen eine Vielzahl organisatorischer Anforderungen erfüllen. Dazu zählen insbesondere Regelungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten, zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und zur Einhaltung der Vorschriften über die interne Kontrolle und Compliance. Relevante aufsichtsrechtliche Vorgaben ergeben sich aus dem KWG, der MiFID II und der MAR (Marktmissbrauchsverordnung). Diese betreffen z. B. die Einrichtung von Kontrollmechanismen zur Verhinderung von Marktmissbrauch und Insiderhandel, die Ausgestaltung von Kontroll- und Risikomanagementsystemen sowie die Durchführung regelmäßiger Compliance- und Sorgfaltsschulungen der Mitarbeiter.

Inwieweit spielt das Verbot der Marktmanipulation (MAR) beim Underwriting eine Rolle?

Das Verbot der Marktmanipulation gemäß der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) ist für Underwriting-Tätigkeiten von zentraler Bedeutung. Der Underwriter muss sicherstellen, dass seine Handlungen nicht zu einer künstlichen Beeinflussung des Marktpreises der emittierten Wertpapiere führen. Verboten sind insbesondere das Schaffen von irreführenden Signalen hinsichtlich Angebot, Nachfrage oder Preis von Finanzinstrumenten sowie das Verschleiern oder die Verbreitung von Falschinformationen. Insbesondere während der Platzierungsphase sind Geschäfte, die dem Zweck dienen, Kurse zu stützen (Stabilisierungsmaßnahmen), nach Art. 5 MAR und der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1052 offenzulegen und nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Verstöße können zu erheblichen Bußgeldern, Reputationsverlust und aufsichtsrechtlichen Sanktionen führen.

Welche Rolle spielen Interessenkonflikte und wie sind diese rechtlich zu handhaben?

Interessenkonflikte spielen im Underwriting eine bedeutende Rolle, da der Underwriter typischerweise einerseits dem Emittenten als Vertragspartner verpflichtet ist, andererseits aber auch die Interessen der Anleger berücksichtigen muss. Nach § 80 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und MiFID II muss der Underwriter potenzielle Interessenkonflikte identifizieren, verhindern oder, soweit dies nicht möglich ist, gegenüber dem Emittenten und den Anlegern offenlegen. Es sind wirksame interne Richtlinien zur Identifikation, zum Management und zur Offenlegung solcher Konflikte zu etablieren. Werden diese Pflichten verletzt, drohen nicht nur aufsichtsrechtliche Sanktionen, sondern im Einzelfall auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche der betroffenen Anleger oder Emittenten.

Welche Melde- und Dokumentationspflichten bestehen für Underwriter?

Underwriter sind verpflichtet, sämtliche wesentlichen Geschäftsvorfälle, Entscheidungen und Kommunikationsvorgänge im Rahmen des Underwriting-Prozesses lückenlos zu dokumentieren. Hierzu zählt die vollständige Erfassung der Due-Diligence-Prüfung, Kommunikationsprotokolle mit dem Emittenten und relevanten Dritten, sowie die Dokumentation aller Verträge und Entscheidungen im Zusammenhang mit der Prospekterstellung und -veröffentlichung. Zudem bestehen umfangreiche Meldepflichten an die zuständigen Aufsichtsbehörden (z.B. BaFin in Deutschland), wenn wesentliche Verdachtsmomente auf Marktmissbrauch, Insiderhandel oder sonstige Gesetzesverstöße festgestellt werden. Verstöße gegen die Dokumentations- oder Meldepflichten können Bußgelder nach sich ziehen und wirken sich zudem negativ auf die zivil- oder aufsichtsrechtliche Bewertung der Geschäftsorganisation aus.