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Underwriter


Definition und rechtliche Einordnung des Begriffs Underwriter

Der Begriff Underwriter bezeichnet im deutschen und internationalen Rechts- sowie Finanzwesen eine Person oder ein Unternehmen, das Risiken gegen Zahlung einer Prämie übernimmt und insbesondere bei der Platzierung von Wertpapieren, Versicherungen sowie in der Schiffs- und Kreditwirtschaft tätig wird. Die Aufgaben und Pflichten eines Underwriters sind vielfältig und gesetzlich wie vertraglich detailliert geregelt. Im Folgenden werden die rechtlichen Grundlagen, Aufgabenbereiche, Vertragsgestaltungen sowie die jeweiligen Rechte und Pflichten umfassend dargestellt.


Historische Entwicklung des Underwriting

Die Wurzeln des Underwriting reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück, insbesondere im Kontext der Londoner Versicherungswirtschaft. Die Praxis des „Underwriting“ entstand aus der Notwendigkeit, wirtschaftliche Risiken, beispielsweise im Seehandel, arbeitsteilig abzusichern. Bis heute bildet diese historische Entwicklung die Grundlage zahlreicher gesetzlicher Regelungen und Geschäftspraktiken.


Rechtlicher Rahmen für Underwriter in Deutschland

Underwriting im Versicherungswesen

Gesetzliche Grundlagen

Im deutschen Recht sind die Tätigkeit und Funktion des Underwriters im Versicherungsbereich besonders durch das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) geregelt. Versicherungsunternehmen übernehmen als Underwriter das Risiko der Schadensdeckung gegen die Zahlung von Versicherungsprämien.

Pflichten des Underwriters im Versicherungsvertrag

Ein Underwriter beurteilt das zu versichernde Risiko professionell und entscheidet auf dieser Basis über Annahme oder Ablehnung sowie über die Konditionen des Versicherungsvertrages. Zu den Kernpflichten gehören:

  • Risikobewertung: Sorgfältige Prüfung der Antragsdaten und Risikofaktoren.
  • Prämienkalkulation: Anpassung von Prämienhöhe und Vertragsbedingungen an die Risikosituation.
  • Haftungsübernahme: Übernahme einer vertraglichen Haftung im Schadensfall.

Aufsicht und Regulierung

Versicherungs-Underwriter unterliegen der staatlichen Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Zugelassene Versicherungsunternehmen müssen strenge Anforderungen an Solvabilität, Risikomanagement und Kapitalausstattung erfüllen.

Underwriting bei Wertpapieremissionen

Gesetzliche Grundlagen im Wertpapiergeschäft

Im Kapitalmarkt umfasst das Underwriting vor allem die Übernahme und Platzierung von Wertpapieren, insbesondere im Rahmen von Börsengängen oder Kapitalerhöhungen. Die rechtlichen Grundlagen ergeben sich hier insbesondere aus dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG), dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sowie dem Handelsgesetzbuch (HGB).

Vertragliche Ausgestaltung – Übernahmevertrag

Beim sogenannten Übernahmevertrag verpflichtet sich der Underwriter (meist ein Kreditinstitut oder ein Investmenthaus), eine festgelegte Anzahl an Wertpapieren direkt oder „fest“ zu übernehmen und in der Regel am Kapitalmarkt zu platzieren. Rechtsgrundlage bildet ein schuldrechtlicher Vertrag, häufig als „Emissionsvertrag“ bezeichnet.

Risiken und Pflichten
  • Platzierungsrisiko: Trägt der Underwriter das Risiko, nicht alle Wertpapiere am Markt verkaufen zu können, spricht man von einer „Festübernahme“.
  • Garantieübernahme: Der Underwriter garantiert oftmals einen bestimmten Emissionserlös.
  • Haftung: Umfasst Verletzungen von Aufklärungs-, Sorgfalts- oder Veröffentlichungspflichten (z.B. im Wertpapierprospekt).

Prospekthaftung

Wesentliche Bedeutung hat die Prospekthaftung des Underwriters. Fehlerhafte, unvollständige oder irreführende Angaben im Wertpapierprospekt können zu umfassenden Schadensersatzansprüchen führen (§§ 9 ff. WpPG).


Internationales Underwriting und relevante Regelungen

Europarechtliche Vorgaben

Unternehmen mit Underwriting-Aktivitäten im europäischen Binnenmarkt unterliegen einer Vielzahl an Regulierungen, vor allem den Vorgaben der EU-Prospektrichtlinie, der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR) über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute, sowie der Solvency-II-Richtlinie im Versicherungswesen.

Transnationale Aspekte

In grenzüberschreitenden Fällen greifen internationale Abkommen sowie privatrechtliche Standards, beispielsweise im Bereich der Lloyd’s of London (Versicherungs-Underwriting) oder den Bestimmungen der International Capital Market Association (ICMA) bezüglich Wertpapieremissionen.


Vertragstypen und rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten

Underwriting Agreement (Übernahmevertrag)

Der „Underwriting Agreement“ ist ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen Emittent und Underwriter. Dieser Vertrag enthält insbesondere Klauseln zu

  • Umfang der Übernahmeverpflichtung,
  • Haftungsumfang,
  • Fälligkeitsregelungen,
  • Rücktrittsrechte,
  • Pflichten der Information und Zusammenarbeit.

Konsortialgeschäft

Häufig treten mehrere Institute als Konsortium auf, um Emissionen am Kapitalmarkt zu begleiten. Das Konsortialverhältnis und die Haftungsverteilung sind hierbei vertraglich präzise zu regeln. Rechtliche Grundlagen ergeben sich vor allem aus den Vorschriften über Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) gemäß §§ 705 ff. BGB sowie aus handelsrechtlichen Bestimmungen.


Aufgaben, Rechte und Pflichten des Underwriters

Sorgfaltspflichten

Underwriter haben besonders hohe Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich Risikoprüfung, Vertragserstellung, Prospektprüfung sowie im Umgang mit vertraulichen Informationen.

Aufklärungs- und Informationspflichten

Im Rahmen ihrer Tätigkeit sind Underwriter umfassenden Aufklärungs- und Informationspflichten unterworfen. Dazu zählt insbesondere die korrekte und rechtzeitige Information der Vertragspartner und Behörden über sämtliche risikorelevante Aspekte.

Haftung

Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen können weitreichende Schadensersatzpflichten nach sich ziehen (z.B. §§ 280, 311 BGB, Prospekthaftung, Produkthaftung im Versicherungsbereich).


Zusammenfassende rechtliche Bewertung

Der Underwriter nimmt im deutschen wie internationalen Recht eine zentrale Rolle in der Versicherungs- und Finanzwirtschaft ein. Die Tätigkeit ist geprägt von einer Vielzahl gesetzlicher Regelungen, vor allem im Versicherungs-, Wertpapier-, Gesellschafts- und Aufsichtsrecht. Die vertraglichen Beziehungen sind durch ein komplexes Geflecht von Haftungs-, Prüf- und Auskunftspflichten geprägt, wobei insbesondere die Prospekthaftung im Wertpapiergeschäft und die Risikoprüfung im Versicherungsbereich herausragen.

Im Ergebnis ist bei der Gestaltung und Durchführung von Underwriting-Verträgen höchste rechtliche Sorgfalt und Kenntnis der einschlägigen gesetzlichen, aufsichtsrechtlichen und vertraglichen Bestimmungen geboten.


Quellen:

  • Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
  • Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)
  • Wertpapierprospektgesetz (WpPG)
  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Verordnung (EU) Nr. 575/2013
  • EU-Prospektrichtlinie

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Regelungen bestimmen die Tätigkeit eines Underwriters?

Die rechtlichen Vorgaben für Underwriter in Deutschland ergeben sich insbesondere aus dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG), dem Handelsgesetzbuch (HGB) sowie spezialgesetzlichen Vorschriften je nach Sektor (z.B. Wertpapierhandelsgesetz – WpHG bei Kapitalmarkttransaktionen). Underwriter müssen die Anforderungen des Aufsichtsrechts, insbesondere des Kreditwesengesetzes (KWG) und der Versicherungsaufsicht nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) einhalten, sofern sie im Bereich der Finanzdienstleistungen oder Versicherungen tätig sind. Bei internationalen Geschäftsvorfällen sind zudem EU-Verordnungen, wie Solvency II im Versicherungsbereich, sowie diverse Richtlinien (beispielsweise MiFID II im Wertpapierbereich) zu beachten. Darüber hinaus ergeben sich Pflichten zur Vermeidung von Geldwäsche (Geldwäschegesetz, GwG) und zur Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben (DSGVO). Bei der Ausgestaltung der Vertragswerke und Policen sind ebenfalls das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sowie – insbesondere bei Standardbedingungen – das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) maßgeblich.

Welche Haftungsrisiken bestehen für Underwriter aus rechtlicher Sicht?

Underwriter stehen sowohl vor zivilrechtlichen als auch vor aufsichtsrechtlichen Haftungsrisiken. Zivilrechtlich haften sie gegenüber Versicherern, Kunden oder Beteiligten für Beratungsfehler, Falschinformation und Pflichtverletzungen aus dem Vertragsverhältnis, aber auch vorvertraglicher Schäden (vorvertragliches Schuldverhältnis, culpa in contrahendo). Typische Haftungsfälle sind die fehlerhafte Risikoprüfung, Nichtbeachtung von Obliegenheiten oder die Überschreitung von Zeichnungsvollmachten. Aufsichtsrechtlich können bei Verstößen gegen gesetzliche Vorgaben (z.B. Anzeigepflichten, Dokumentationspflichten) Bußgelder oder sogar die Entziehung der Zulassung drohen. Im Bankenbereich oder bei Wertpapieremissionen bestehen zudem Sanktionen nach dem WpHG oder der Marktmissbrauchsverordnung (MAR).

Welche Mitteilungspflichten hat ein Underwriter gegenüber Behörden?

Underwriter sind verpflichtet, verschiedene gesetzliche Melde- und Anzeigepflichten zu erfüllen. Dazu zählen zum einen die Pflicht, bestimmte Geschäfte und Vertragsabschlüsse der zuständigen Aufsichtsbehörde zu melden, etwa der BaFin bei Versicherungsunternehmen. Bei Verdachtsfällen auf Geldwäsche gilt unabhängig vom Sektor die Verpflichtung zur Meldung nach dem GwG. Darüber hinaus können aufsichtsrechtliche Vorschriften zu laufender Berichterstattung (z.B. Solvency II-Meldewesen), Transparenz über Großrisiken sowie ad-hoc-Mitteilungen bei kapitalmarktrelevanten Transaktionen vorgeschrieben sein. Werden diese Pflichten verletzt, drohen erhebliche Sanktionen und aufsichtsrechtliche Maßnahmen.

Inwieweit gelten Datenschutzvorschriften für die Tätigkeit des Underwriters?

Für den Underwriting-Prozess ist die Verarbeitung hoher Mengen personenbezogener und teils besonders schützenswerter Daten (z.B. Gesundheitsdaten bei Lebens- oder Krankenversicherungen) notwendig. Nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bedürfen diese Vorgänge einer klaren Rechtsgrundlage (Rechtsgrundlage: Vertragserfüllung, berechtigtes Interesse, ggf. Einwilligung bei sensiblen Daten). Es bestehen umfangreiche Informations- und Dokumentationspflichten gegenüber den Versicherten, und die Verarbeitung muss auf das notwendige Maß beschränkt sein (Grundsatz der Datenminimierung). Verstöße können zu erheblichen Bußgeldern führen und verlangen eine sorgfältige Kontrolle und Dokumentation sämtlicher Verarbeitungsvorgänge.

Welche besonderen Pflichtverletzungen können zu einem Rücktritt oder zur Anfechtung des Vertrages führen?

Underwriter müssen im Rahmen der Antragsprüfung die maßgeblichen Umstände sorgfältig und vollständig ermitteln. Erfolgt dies unter Missachtung gesetzlicher Anforderungen, etwa durch Ignorieren von Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers gemäß §§ 19ff. VVG oder durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Fehleinschätzung des Risikos, riskieren sie, dass Versicherungsunternehmen vom Vertrag zurücktreten oder diesen anfechten. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen vorvertragliche Anzeigepflichten verletzt, unrichtige Angaben gemacht oder gefahrerhebliche Umstände nicht offenbart wurden. Die korrekte Dokumentation des Prüfprozesses ist daher essenziell.

Welche Regelungen finden bei grenzüberschreitenden Underwriting-Tätigkeiten Anwendung?

Bei grenzüberschreitenden Underwriting-Tätigkeiten ist das internationale Privatrecht zu beachten; maßgeblich ist in der Regel das Versicherungsvertragsstatut, das gemäß Rom I-Verordnung zu bestimmen ist. Zudem sind die jeweiligen aufsichtsrechtlichen Anforderungen der Sitzländer relevant – beispielsweise Melde- und Zulassungspflichten bei Tätigkeiten im EU-Ausland („Europäischer Pass“) oder die Einhaltung nationaler Marktstandards. Auch datenschutzrechtlich muss das jeweilige Schutzniveau der beteiligten Staaten gewährleistet sein. Im Zweifelsfall kann neben deutschem auch ausländisches Recht Anwendung finden beziehungsweise parallel beachtet werden müssen.

Welche Bedeutung kommt der Dokumentationspflicht im Underwriting-Prozess zu?

Die Dokumentationspflicht ist eine zentrale rechtliche Anforderung, da sie der Nachweisführung im Streitfall, der Revisionssicherheit und der Erfüllung aufsichtsrechtlicher Anforderungen dient. Nach § 28 VVG und weiteren branchenspezifischen Vorschriften müssen Underwriter sämtliche prüfungsrelevanten Informationen, Entscheidungen und Risikoerwägungen nachvollziehbar festhalten. Dies betrifft sowohl die Annahme- als auch die Ablehnungsentscheidung, ggf. auch nachträgliche Anpassungen oder Sonderregelungen. Die Nichteinhaltung der Dokumentationspflicht kann dazu führen, dass Beweislasten zu Lasten des Versicherers verschoben werden oder aufsichtsrechtliche Sanktionen drohen. In der Praxis ist daher ein lückenloses und ordnungsgemäßes Dokumentationssystem unerlässlich.