Begriff und Bedeutung der Üblen Nachrede
Die Üble Nachrede zählt zu den Ehrdelikten innerhalb des deutschen Strafrechts und ist im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Sie beschreibt die widerrechtliche Behauptung oder Verbreitung von ehrenrührigen Tatsachen über eine andere Person gegenüber Dritten, ohne dass diese Tatsachen erweislich wahr sind. Ziel der Vorschrift ist der umfassende Schutz der persönlichen Ehre vor unbegründeten Ansehensschädigungen.
Gesetzliche Grundlage
Regelung im Strafgesetzbuch
Die strafrechtliche Sanktionierung der Üblen Nachrede findet sich in § 186 StGB. Die gesetzliche Vorschrift lautet:
„Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Abgrenzung zu anderen Ehrdelikten
- Beleidigung (§ 185 StGB): Erfasst ehrverletzende Werturteile, ohne dass es auf einen Wahrheitsgehalt ankommt.
- Verleumdung (§ 187 StGB): Geht einen Schritt weiter als die üble Nachrede und erfasst wissentlich falsche Tatsachenbehauptungen.
- Nicht erfasst: reine Meinungsäußerungen und wahre Tatsachenbehauptungen, es sei denn, deren Verbreitung verfolgt keinen rechtlichen Zweck und ist unter bestimmten Ausnahmen ebenfalls strafbar.
Merkmale der Üblen Nachrede
1. Tatsache
Der Begriff der „Tatsache“ umfasst Ereignisse oder Zustände der Gegenwart oder Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind. Bloße Meinungsäußerungen oder Werturteile reichen nicht aus.
2. Behauptung oder Verbreitung
- Behauptung: Der Täter stellt die Tatsache als eigene Überzeugung dar.
- Verbreitung: Wiedergabe der Aussage eines Dritten, ohne dass sich der Täter den Inhalt zu eigen machen muss.
3. Bezug auf einen anderen
Die Äußerung muss sich auf eine identifizierbare andere natürliche Person oder eine bestehende rechtliche Einheit (wie etwa eine juristische Person) beziehen.
4. Eignung zur Herabwürdigung
Die Tatsache muss geeignet sein, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Es genügt die objektive Möglichkeit, das Ansehen des Betroffenen zu schädigen.
5. Unwahrheit bzw. fehlender Wahrheitsnachweis
Strafbar ist die Behauptung oder Verbreitung einer Tatsache nur dann, wenn nicht bewiesen werden kann, dass die Tatsache wahr ist. Der Gesetzgeber sieht den Schutz der Ehre als vorrangig an, sollte kein eindeutiger Wahrheitsbeweis vorliegen.
Rechtsfolgen und Strafmaß
Die Üble Nachrede ist ein sogenanntes Antragsdelikt, das eine Strafverfolgung regelmäßig nur nach Strafantrag des Geschädigten ermöglicht. In besonders gelagerten Fällen kann eine Verfolgung auch von Amts wegen erfolgen, insbesondere wenn ein besonderes öffentliches Interesse gegeben ist.
Das gesetzliche Strafmaß sieht folgende Möglichkeiten vor:
- Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder
- Geldstrafe
- Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, falls die Handlung öffentlich oder mittels verbreiteter Schriften begangen wurde.
Sonderformen und Qualifikationen
Öffentliche Begehung
Erfolgt die üble Nachrede öffentlich (zum Beispiel in Presse, Fernsehen, Internet oder in einer Menschenmenge) oder durch Verbreitung von Schriften, so ist dies strafschärfend zu werten.
Üble Nachrede gegen Personen des politischen Lebens
Ein besonderer Schutz besteht gemäß § 188 StGB für Angehörige politischer Körperschaften, wobei die Strafandrohung in solchen Fällen erhöht ist, insbesondere bei Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, deren öffentliches Wirken erheblich zu beeinträchtigen.
Abgrenzung zu Meinungsäußerung und anderen Äußerungsdelikten
Tatsachenbehauptung versus Werturteil
Die Rechtsprechung unterscheidet klar zwischen Tatsachenbehauptungen (beweisbar, Grundlage der üblen Nachrede) und Werturteilen (nicht beweisbar, meist im Bereich der Beleidigung relevant). Auch im Rahmen gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen sind diese Unterschiede maßgeblich.
Wahrnehmung berechtigter Interessen
Eine Ausnahme von der Strafbarkeit besteht nach § 193 StGB für die wahrheitsgemäße Äußerung und Verbreitung von Tatsachen, wenn diese zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt, etwa im Rahmen journalistischer Berichterstattung, gerichtlicher Auseinandersetzungen oder zur Wahrung eigener rechtlicher Interessen.
Verfahren und Praxis
Strafantrag
In der Regel ist für die Strafverfolgung ein Strafantrag des unmittelbar Verletzten notwendig. Der Antrag ist binnen drei Monaten nach Kenntniserlangung der Tatsache zu stellen. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob das öffentliche Interesse eine Verfolgung gebietet.
Beweisbelastung
Im Rahmen eines Strafverfahrens trägt der Angeklagte die sog. „Wahrheitsbeweislast“. Das heißt, er muss die Wahrheit der behaupteten oder verbreiteten Tatsache nachweisen können. Gelingt dieser Nachweis, entfällt die Strafbarkeit.
Nebenfolgen
Neben der strafrechtlichen Verfolgung kommen zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf, Gegendarstellung und auf Ersatz immaterieller Schäden (Schmerzensgeld) in Betracht.
Internationaler Vergleich
Ehrschutzdelikte wie die üble Nachrede sind nicht nur im deutschen Recht, sondern auch in vergleichbaren Rechtsordnungen anderer Staaten, zum Beispiel im österreichischen oder schweizerischen Strafrecht, geregelt. Die konkrete Ausgestaltung und das Verhältnis zu Meinungsfreiheit und Pressefreiheit variieren jedoch zum Teil erheblich.
Bedeutung im Kontext von Medien und Internet
Im Zeitalter digitaler Kommunikation hat die üble Nachrede besondere praktische Relevanz. Verleumdende Inhalte in sozialen Netzwerken, Foren oder Online-Bewertungsportalen verbreiten sich schnell und können massive, nachhaltige Ehrverletzungen nach sich ziehen. Dies erhöht die Anforderungen an Präventions- und Schutzmaßnahmen sowie an die Durchsetzung von Ansprüchen auf Löschung und Gegendarstellung.
Fazit
Die Üble Nachrede stellt ein bedeutendes Instrument zum Schutz der persönlichen Ehre und des guten Rufs dar. Sie zielt insbesondere auf die Verhinderung und Sanktionierung unbegründeter ehrverletzender Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten ab und steht in einem Spannungsverhältnis zu den Grundrechten auf Meinungsfreiheit und Pressefreiheit. Ihre umfassende rechtliche Ausgestaltung trägt der Bedeutung des Ehrschutzes in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft Rechnung.
Häufig gestellte Fragen
Wann liegt bei übler Nachrede ein öffentliches oder zugängliches Mitteilen vor?
Ein öffentliches oder zugängliches Mitteilen im Sinne der üblen Nachrede (§ 186 StGB) liegt vor, wenn die ehrverletzende Behauptung einer größeren, nicht abgrenzbaren Personengruppe oder zumindest einer solchen Personenanzahl zugänglich gemacht wird, dass sie als Öffentlichkeit im strafrechtlichen Sinne gilt. Hierbei ist es unerheblich, ob tatsächlich mehrere Personen die Aussage wahrnehmen oder die Möglichkeit der Kenntnisnahme ausreichend besteht. Dies umfasst zum Beispiel das Verbreiten von Behauptungen in sozialen Netzwerken, auf Websites, in öffentlichen Foren, aber auch innerhalb von Vereinen, Verbänden oder auf Veranstaltungen, sofern der Empfängerkreis nicht vertraulich ist. Es reicht dabei bereits die abstrakte Möglichkeit, dass unbeteiligte Dritte die ehrenrührige Aussage zur Kenntnis nehmen könnten. Die Übermittlung in einem geschützten, ausschließlich privaten Rahmen (z. B. vertrauliches Gespräch unter vier Augen) erfüllt hingegen nicht die Voraussetzung der Öffentlichkeit.
Kann eine üble Nachrede auch im privaten Bereich, etwa unter Arbeitskollegen, vorliegen?
Ja, eine üble Nachrede kann auch im privaten Bereich, etwa unter Arbeitskollegen, Freunden oder in der Familie vorliegen, sofern die Aussage nicht ausschließlich an die betroffene Person selbst gerichtet ist. Entscheidend ist, dass Dritte die behauptete Tatsache wahrnehmen können, da die Strafbarkeit nicht aufgrund des Ortes, sondern wegen des Personenkreises begründet wird. Selbst Gespräche im kleinen Kreis, zum Beispiel im Betrieb oder in der Schule, können eine üble Nachrede darstellen, wenn die Aussage nicht Teil einer vertraulichen Kommunikation darstellt und die Möglichkeit besteht, dass Dritte Kenntnis erlangen. Die Abgrenzung erfolgt stets im Einzelfall unter Berücksichtigung der Umstände und des konkreten Empfängerkreises.
Welche Beweismittel sind bei einem Strafverfahren wegen übler Nachrede zulässig?
Im Rahmen eines Strafverfahrens wegen übler Nachrede kommen sämtliche üblichen Beweismittel nach der Strafprozessordnung in Betracht. Dazu zählen insbesondere Zeugenaussagen (etwa von Personen, die die ehrverletzende Äußerung mitgehört haben), Urkunden (wie E-Mails, Chatverläufe, Posts oder Briefe), Sachverständigengutachten (zur Echtheit von Nachrichten) sowie die richterliche Inaugenscheinnahme (etwa von Bildschirmfotos). Zentrale Voraussetzung ist die Beweisbarkeit der Tatsache, dass eine bestimmte, ehrenrührige Behauptung von dem Beschuldigten getätigt und von Dritten wahrgenommen wurde. In der Praxis ist die gerichtsfeste Dokumentation – zum Beispiel durch Screenshots oder Protokolle – von entscheidender Bedeutung, da die Tat häufig im vertraulichen Umfeld erfolgt und Zeugenaussagen daher besonders relevant sind.
Welche Strafen drohen bei einer Verurteilung wegen übler Nachrede?
Bei einer Verurteilung wegen übler Nachrede nach § 186 StGB droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, bei Begehung mittels Veröffentlichung in einer der Öffentlichkeit zugänglichen Weise (z. B. Medien, Internet) sogar Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Die konkrete Strafe hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von Art und Schwere der Ehrverletzung, der Reichweite der Behauptung, etwaigen Folgen für das Opfer sowie etwaigen Vorstrafen des Täters ab. Neben strafrechtlichen Sanktionen können zudem zivilrechtliche Ansprüche wie Unterlassung und Schadensersatz oder Schmerzensgeld geltend gemacht werden.
Besteht ein Recht auf Gegendarstellung oder Widerruf bei übler Nachrede?
Grundsätzlich besteht bei übler Nachrede ein zivilrechtlicher Anspruch auf Berichtigung, Widerruf und/oder Gegendarstellung, wenn die ehrverletzende Behauptung unwahr ist und das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt wurde. Der Betroffene kann im Rahmen des Zivilrechts verlangen, dass die falsche Tatsachenbehauptung richtiggestellt oder widerrufen wird, insbesondere wenn die Verbreitung öffentlich erfolgte. Im Presse- und Medienrecht bestehen darüber hinaus spezielle Vorschriften für Gegendarstellungen. Die Durchsetzung dieser Ansprüche kann gerichtlich erzwungen werden. Parallel dazu kann der Betroffene eine strafrechtliche Verfolgung (Strafantrag) anstrengen.
Wie unterscheidet sich der Tatbestand der üblen Nachrede von der Beleidigung und der Verleumdung?
Der Tatbestand der üblen Nachrede unterscheidet sich sowohl von der Beleidigung (§ 185 StGB) als auch von der Verleumdung (§ 187 StGB) im Kern durch die Art der ehrverletzenden Aussage und deren Gehalt. Während die Beleidigung auf die generelle Kundgabe von Missachtung oder Nichtachtung einer Person abzielt, stellt die üble Nachrede eine Tatsachenbehauptung auf, die nicht erweislich wahr ist und geeignet ist, das Ansehen des Betroffenen zu schädigen. Für eine Verleumdung genügt es hingegen nicht, dass die behauptete Tatsache bloß nicht beweisbar wahr ist – vielmehr muss sie bewusst unwahr und wider besseren Wissens verbreitet werden. Die Verleumdung ist daher besonders schwerwiegend und wird dementsprechend schärfer bestraft.
Kann eine üble Nachrede auch strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie den Ruf einer Person „nur“ im Internet schädigt?
Ja, auch Äußerungen im Internet können den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Das Internet ermöglicht eine besonders schnelle und weite Verbreitung ehrverletzender Inhalte, sodass hier häufig sogar von einer öffentlichen oder zugänglichen Verbreitung im Sinne des § 186 StGB auszugehen ist. Plattformen wie soziale Netzwerke, Bewertungsportale oder Diskussionsforen bieten keinen strafrechtlichen Schutzraum – vielmehr besteht eine erhöhte Verpflichtung zu wahrheitsgemäßer Behauptung. Auch im Netz kann der Geschädigte Anzeige erstatten und gegebenenfalls Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche durchsetzen. Die Verfolgbarkeit ist unabhängig vom Medium garantiert, solange die Aussage in den deutschen Rechtsbereich gelangt.