Begriff und rechtliche Einordnung der Übernahme eines Handelsgeschäfts (Unternehmens)
Die Übernahme eines Handelsgeschäfts (Unternehmens) bezeichnet im deutschen Handelsrecht den rechtsgeschäftlichen Erwerb eines bestehenden Handelsunternehmens oder wesentlicher Teile desselben durch einen oder mehrere Erwerber. Dieser Prozess umfasst neben dem Erwerb der materiellen und immateriellen Vermögenswerte des Unternehmens auch die damit verbundenen Rechtsverhältnisse, Rechte und Pflichten. Der Begriff ist im Kontext des Handelsgesetzbuchs (HGB) und insbesondere im Zusammenhang mit § 25 HGB von wesentlicher Bedeutung.
Rechtliche Grundlagen
Definition nach Handelsgesetzbuch (HGB)
Nach § 1 HGB ist ein Handelsgeschäft jedes Geschäft eines Kaufmanns, das zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört. Die Übernahme eines Handelsgeschäfts kann durch Kauf, Schenkung, Tausch, Fusion oder aufgrund eines Erbfalls erfolgen. Rechtlich handelt es sich dabei um eine Gesamtheit von Rechtsgeschäften, die einen rechtsgeschäftlichen Übergang des Unternehmens als Lebens- und Wirtschaftseinheit bewirken.
§ 25 HGB – Firmenfortführung und Haftung
Besondere Relevanz besitzt § 25 HGB, der die Haftung des Erwerbers eines Handelsgeschäfts bei Firmenfortführung regelt. Wird der Erwerber unter der bisherigen Firma des Unternehmens tätig, haftet er für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers, es sei denn, es wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart und bekannt gemacht.
Wesentliche Voraussetzungen:
- Erwerb eines Handelsgeschäfts oder Unternehmens
- Fortführung des Handelsgeschäfts mit oder ohne Änderungen
- Übernahme der Firma oder auch der Geschäftsinfrastruktur
Rechtsfolgen:
- Gesamthafterschuld für bestehende Verbindlichkeiten, soweit diese im Zusammenhang mit dem Unternehmen stehen
- Möglichkeit zum Ausschluss der Haftung durch öffentliche Bekanntmachung, etwa im Handelsregister (§ 25 Abs. 2 HGB)
Formen der Übernahme
Asset Deal
Beim sogenannten Asset Deal werden einzelne Vermögensgegenstände (Assets) des Unternehmens – beispielsweise Grundstücke, Maschinen, Warenlager, immaterielle Wirtschaftsgüter wie Markenrechte – und gegebenenfalls bestimmte Verträge und Verpflichtungen einzeln erworben. Rechtlich handelt es sich um eine Vielzahl einzelner Übertragungsakte.
Share Deal
Im Rahmen eines Share Deals werden Anteile (z. B. Aktien, GmbH-Geschäftsanteile) am Unternehmen übertragen, wodurch ein Inhaberwechsel auf Ebene der Gesellschaft und nicht des einzelnen Vermögensgegenstandes stattfindet. Die Gesellschaft bleibt unverändert Rechtsträger, sämtliche Rechte und Pflichten bleiben bestehen, lediglich die Gesellschafterstruktur ändert sich.
Einzelrechtsnachfolge und Gesamtrechtsnachfolge
- Einzelrechtsnachfolge: Übertragung einzelner Gegenstände und Rechtsverhältnisse
- Gesamtrechtsnachfolge: Übertragung aller Rechte und Pflichten, z. B. durch Erbgang
Rechtsfolgen und Haftung
Übergang von Rechten und Pflichten
Im Rahmen der Unternehmensübernahme können folgende Abrücke entstehen:
- Schuldübernahme: Bestehende Verbindlichkeiten des bisherigen Unternehmensinhabers gehen unter Umständen auf den Erwerber über, insbesondere bei Fortführung der Firma (§ 25 HGB)
- Forderungsübergang: Erwerber kann offene Forderungen übernehmen
- Arbeitsverhältnisse: Gemäß § 613a BGB tritt der Erwerber bei Betriebsübergang in die Arbeitsverhältnisse ein
Haftungsbegrenzung und Ausschluss
Die Haftung aus § 25 HGB kann vertraglich eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Dies bedarf zu seiner Wirksamkeit einer entsprechenden Vereinbarung und deren Veröffentlichung im Handelsregister, um Dritten gegenüber wirksam zu sein.
Haftung bei Betriebsübergang gemäß § 613a BGB
Nach § 613a BGB haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die Verpflichtungen aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen, sofern ein Betriebsübergang vorliegt. Auch der alte Inhaber haftet für einen Zeitraum von einem Jahr weitergehend subsidiär.
Weitere Regelungen und Nebenaspekte
Übernahme von Verträgen
Verträge mit Dritten können grundsätzlich nicht ohne Zustimmung des Vertragspartners übertragen werden („Grundsatz der Unübertragbarkeit“). Ausnahmen bestehen bei gesetzlichen Schuldübernahmen oder durch Bonitätsvereinbarungen.
Übernahme von gewerblichen Schutzrechten
Die Rechte an Marken, Patenten, Designs und sonstigen gewerblichen Schutzrechten bedürfen regelmäßig einer eigenen Übertragung im Rahmen des Asset Deals. Bei der Firmenübernahme sind insbesondere auch die Eintragung und Umschreibung im jeweiligen Register zu beachten.
Steuerrechtliche Aspekte
Die Übernahme eines Unternehmens kann verschiedene steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen, beispielsweise hinsichtlich der Grunderwerbsteuer, Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer. Das Steuerrecht unterscheidet zudem zwischen der Übernahme im Wege eines Asset Deals und eines Share Deals.
Eintragungspflichten und Öffentlichkeitswirkung
Handelsregister
Erwerb und Fortführung eines Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma sind im Handelsregister anzumelden (§ 29 HGB). Auch etwaige Vereinbarungen zur Haftungsbeschränkung müssen eingetragen werden, um gegenüber Dritten Wirkung zu entfalten.
Bekanntmachungspflichten
Darüber hinaus besteht in bestimmten Fällen die Verpflichtung zur öffentlichen Bekanntmachung, insbesondere wenn sich aus der Übernahme wesentliche Änderungen ergeben, die die Rechte von Gläubigern beeinflussen können.
Zusammenfassung
Die Übernahme eines Handelsgeschäfts ist ein rechtlich vielschichtiger Vorgang mit zahlreichen zivilrechtlichen, handelsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Implikationen. Von zentraler Bedeutung sind die Haftungstatbestände (§ 25 HGB, § 613a BGB), die Art der Rechtsnachfolge (Asset Deal, Share Deal) sowie die Einhaltung der Mitteilungs- und Eintragungspflichten. Neben den zivilrechtlichen Auswirkungen sind ebenfalls steuerliche und gesellschaftsrechtliche Folgefragen sorgfältig zu beachten, um spätere Haftungs- oder Rechtsnachteile zu vermeiden.
Häufig gestellte Fragen
Was ist bei der Vertragsgestaltung einer Unternehmensübernahme rechtlich zu beachten?
Bei der Übernahme eines Handelsgeschäfts ist die sorgfältige Ausarbeitung des Unternehmenskaufvertrags von zentraler Bedeutung. Neben der genauen Identifikation der zu übertragenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten müssen insbesondere Regelungen zu Haftung, Gewährleistungen, Kaufpreiszahlung, Übergang von Verträgen, Arbeitsverhältnissen sowie Handelsnamen festgelegt werden. Rechtsfragen bezüglich Publikumshaftung, Bestandsschutz von Mietverhältnissen, Übernahme von Genehmigungen und Lizenzen, sowie Regelungen zum Wettbewerbsverbot sind zwingend zu prüfen. Empfehlenswert ist dabei die Prüfung & Gestaltung des Vertrags durch fachkundige Juristinnen und Juristen, vor allem im Hinblick auf branchen- und gesellschaftsspezifische Besonderheiten und gegebenenfalls erforderliche Zustimmungen (bspw. durch die Gesellschafterversammlung).
Welche Haftungsrisiken bestehen für den Erwerber eines Handelsgeschäfts?
Der Erwerber eines Handelsgeschäfts haftet nach § 25 HGB grundsätzlich für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers, sofern der Erwerb unter Lebenden erfolgt und eine Fortführung des Geschäfts beabsichtigt ist. Dabei ist insbesondere auf die Nichtausnahme öffentlich-rechtlicher Verbindlichkeiten (etwa Steuerschulden, Sozialversicherungsbeiträge) hinzuweisen. Eine Haftungsfreistellung ist nur bei ausdrücklicher und im Handelsregister publizierter Vereinbarung möglich, wobei dies Dritte, insbesondere Gläubiger, schützen soll. Für Altverbindlichkeiten haftet der Erwerber zudem als Gesamtschuldner neben dem bisherigen Inhaber. Sonderregelungen gelten, wenn kein Handelsgeschäft im Sinne des HGB vorliegt oder eine Geschäftsaufgabe erfolgt.
Welche arbeitsrechtlichen Folgen ergeben sich bei der Übernahme eines Handelsgeschäfts?
Bei Unternehmensübernahmen findet regelmäßig das Betriebsübergangsrecht gemäß § 613a BGB Anwendung. Dies bedeutet, dass sämtliche Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber übergehen. Arbeitnehmer dürfen aufgrund des Übergangs nicht gekündigt werden, es sei denn, es liegen wesentliche betriebswirtschaftliche Gründe vor, die unabhängig vom Betriebsübergang sind. Der Erwerber haftet auch für bestehende Ansprüche und Verpflichtungen der Arbeitnehmer, insbesondere bezüglich Lohn, Überstunden und Urlaubsansprüchen. Zudem sind sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber zur angemessenen Unterrichtung der Arbeitnehmer verpflichtet.
Wie erfolgt die handelsrechtliche Eintragung bei Übernahme eines Handelsgeschäfts?
Die Übernahme eines Handelsgeschäfts muss im Handelsregister angemeldet und dort vermerkt werden. Dabei sind genaue Angaben zur Geschäftsfortführung, zum Wechsel der Inhaberschaft und ggf. zur Änderung der Firma zu machen. Sollte der Geschäftsbetrieb fortgeführt werden, ist häufig die „Firma“ (der Name des Handelsgeschäfts) nach § 22 HGB geschützt und kann weitergeführt werden, sofern dies im Handelsregister ordnungsgemäß vermerkt wird. Bei Übernahme durch juristische Personen oder Gesellschaften sind zusätzlich gesellschaftsrechtliche Vorschriften, wie etwa Zustimmungs- oder Mitteilungspflichten, zu beachten.
Welche steuerrechtlichen Aspekte sind bei der Übernahme eines Handelsgeschäfts von Bedeutung?
Im Rahmen der Übernahme eines Handelsgeschäfts sind neben der Grunderwerbsteuer (bei Grundstücksübertragungen) insbesondere umsatzsteuerrechtliche und einkommensteuerliche Konsequenzen zu prüfen. Die Übertragung von Betriebsvermögen stellt regelmäßig einen steuerpflichtigen Vorgang dar, fordert aber eine eingehende Prüfung, ob beispielsweise eine Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) vorliegt, bei der keine Umsatzsteuer entsteht. Dem Erwerber obliegt es zu prüfen, ob die übernommenen Wirtschaftsgüter korrekt bewertet und deklariert werden. Zudem ist zu beachten, dass steuerliche Haftungsrisiken bestehen können (z.B. für zurückliegende Betriebsprüfungen oder Steuerschulden des alten Geschäftsinhabers).
Welche Genehmigungen und behördlichen Anzeigen sind im Rahmen der Übernahme erforderlich?
Je nach Branche und Art des Unternehmens können für die Fortführung des Handelsgeschäfts bestimmte behördliche Genehmigungen, Erlaubnisse oder Zulassungen erforderlich sein (z.B. Gaststättenerlaubnis, Handelserlaubnis, Gewerbeerlaubnis). Diese sind in der Regel nicht automatisch übertragbar, sondern müssen vom Erwerber regelmäßig neu beantragt werden. Zusätzlich ist eine Gewerbeanmeldung auf den neuen Betreiber vorzunehmen, ggf. sind auch Änderungen beim Finanzamt und bei zuständigen Kammern (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer) anzuzeigen. Das Versäumnis der rechtzeitigen Beantragung oder Anzeige kann zur Untersagung der Geschäftsausübung führen.
Welche Rolle spielen bestehende Verträge mit Kunden und Lieferanten bei der Übernahme?
Die Übernahme bestehender Vertragsverhältnisse ist rechtlich differenziert zu betrachten: Während mit Zustimmung der Vertragsparteien (Kunden, Lieferanten) ein Schuldner- oder Gläubigerwechsel möglich ist, bedarf es bei Dauerschuldverhältnissen (z.B. Leasing, Mietverträge, Rahmenlieferverträge) häufig ausdrücklich der Zustimmung des jeweiligen Vertragspartners. Ohne eine solche Vereinbarung können sich Rechte und Pflichten aus diesen Verträgen nicht automatisch auf den Erwerber übertragen. Im Unternehmenskaufvertrag sind daher Regelungen zur sogenannten Vertragsübernahme („Vertragsübergangsklauseln“) festzuhalten, um Rechtssicherheit für Übernehmer und Geschäftspartner zu schaffen.