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Übernahme eines Handelsgeschäfts (Unternehmens)

Übernahme eines Handelsgeschäfts (Unternehmens): Begriff und rechtliche Einordnung

Die Übernahme eines Handelsgeschäfts, häufig als Unternehmensübernahme bezeichnet, beschreibt die rechtliche und wirtschaftliche Übertragung eines bestehenden Unternehmens oder einer organisatorischen Einheit auf einen neuen Rechtsträger. Ziel ist die Fortführung der bisherigen Geschäftstätigkeit unter neuer Inhaberschaft. Der Vorgang kann sämtliche Vermögenswerte, Verträge, Mitarbeitenden, immaterielle Rechte und die Firmenbezeichnung betreffen oder nur einzelne Teile hiervon.

Rechtlich bedeutsam sind vor allem die Fragen, was genau übertragen wird, welche Rechtsverhältnisse automatisch mit übergehen, welche Zustimmungen nötig sind, welche Haftungsfolgen eintreten und welche behördlichen Anforderungen zu beachten sind. Auch arbeitsrechtliche, datenschutzrechtliche, steuerliche und registerrechtliche Aspekte spielen eine zentrale Rolle.

Formen der Übernahme

Asset Deal

Beim Asset Deal werden einzelne Vermögensgegenstände und Rechtspositionen (z. B. Maschinen, Vorräte, Markenrechte, Kundenverträge) aus dem bisherigen Unternehmen auf den Erwerber übertragen. Der Erwerbsgegenstand wird katalogartig festgelegt; nicht benannte Positionen verbleiben beim Veräußerer. Grundstücke, Lizenzen und Vertragsverhältnisse erfordern je nach Rechtsnatur besondere Übertragungsakte und Zustimmungen.

Rechtsfolgen

Die Haftung richtet sich nach den konkret übernommenen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten. Für bestimmte Unternehmensverbindlichkeiten kann eine Haftung des Erwerbers entstehen, insbesondere wenn eine wirtschaftliche Einheit fortgeführt wird. Vereinbarungen zur Haftungsverteilung sind üblich und werden häufig mit Garantien und Freistellungen abgesichert.

Share Deal

Beim Share Deal erwirbt der Käufer Anteile an der Gesellschaft, die das Unternehmen betreibt. Rechtsträger des Unternehmens bleibt unverändert, es ändert sich die Gesellschafterstruktur. Sämtliche Vermögenswerte, Verträge und Verbindlichkeiten verbleiben bei der Gesellschaft.

Rechtsfolgen

Da der Rechtsträger derselbe bleibt, gehen Verträge und Genehmigungen grundsätzlich nicht gesondert über. Allerdings können in Verträgen sogenannte Kontrollwechselklauseln eine Zustimmungspflicht auslösen. Haftung und Risiken knüpfen an der Gesellschaft an und werden durch Zusicherungen im Anteilskaufvertrag adressiert.

Weitere Konstellationen

Neben Kauf und Verkauf sind auch Übernahmen durch Verschmelzung, Ausgliederung oder Einbringung möglich. Bei börsennotierten Unternehmen gelten besondere Regeln für öffentliche Übernahmeangebote. Zudem können Mehrheits-, Minderheits- oder schrittweise Beteiligungserwerbe erfolgen, jeweils mit unterschiedlichen Mitbestimmungs- und Kontrollrechten.

Übergehende Rechtsverhältnisse und Haftung

Verträge mit Dritten

Ob Verträge automatisch übergehen oder zustimmungsbedürftig sind, hängt von der Übernahmeform und der Ausgestaltung des Vertrags ab. Häufig finden sich Klauseln, die bei Kontrollwechseln eine Anzeige- oder Zustimmungspflicht vorsehen. Miet-, Leasing-, Liefer- und IT-Verträge erfordern oftmals individuelle Übertragungsakte.

Forderungen und Verbindlichkeiten

Beim Asset Deal werden Verbindlichkeiten nur übernommen, wenn dies vereinbart oder gesetzlich angeordnet ist. Beim Share Deal verbleiben Verbindlichkeiten bei der Gesellschaft. Eine Haftung für betriebsbezogene Verbindlichkeiten kann bei Fortführung des Handelsgeschäfts ausgelöst werden, sofern keine wirksame Haftungsbegrenzung vereinbart und bekannt gemacht wurde.

Gewährleistungen, Garantien und Freistellungen

Kaufverträge enthalten regelmäßig Zusicherungen zur Bilanzwahrheit, zum Bestand von Vermögenswerten, zu Rechtsstreitigkeiten, Steuern und Compliance. Haftungshöchstgrenzen, Selbstbehalte, Verjährungsfristen und Freistellungstatbestände strukturieren das Risiko. Zur Absicherung werden häufig Treuhandkonten, Zurückbehalte oder Versicherungen über Zusicherungsrisiken genutzt.

Umwelt-, Produkt- und sonstige Altlasten

Umwelt- und Produkthaftungsrisiken können unabhängig von vertraglichen Regelungen fortwirken. Der Umgang mit solchen Risiken erfolgt typischerweise über besondere Garantien, Informationspflichten und spezielle Freistellungslösungen. Relevante Unterlagen und Genehmigungen sind Teil der Prüfung des Zielunternehmens.

Firma und Fortführung

Wird die bisherige Firma (Name des Unternehmens) fortgeführt, können daraus Rechtsfolgen erwachsen, insbesondere im Hinblick auf Kundenerwartungen, Markenauftritt und Gläubigerschutz. Die Eintragung im Handelsregister und Hinweise auf einen Inhaberwechsel dienen der Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr.

Arbeitsrechtliche Aspekte

Betriebsübergang

Geht eine wirtschaftliche Einheit auf einen neuen Inhaber über und wird deren Identität gewahrt, liegt regelmäßig ein Betriebsübergang vor. Arbeitsverhältnisse gehen grundsätzlich mit dem Übergang auf den Erwerber über, einschließlich bestehender Rechte und Pflichten. Kündigungen wegen des Übergangs sind unzulässig; andere Beendigungstatbestände bleiben unberührt.

Informations- und Beteiligungsrechte

Arbeitnehmende sind zu informieren. Beteiligungsrechte von Vertretungen, etwa im Rahmen der Mitbestimmung, sind zu beachten. Kollektivrechtliche Regelungen wie Betriebsvereinbarungen und Tarifbindungen können fortgelten, teilweise mit Übergangs- oder Anpassungsmechanismen.

Widerspruchsrecht

Arbeitnehmende können dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen widersprechen. Dies führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis beim bisherigen Arbeitgeber verbleibt, sofern dortige Fortführungsmöglichkeiten bestehen.

Betriebliche Altersversorgung

Zusagen der betrieblichen Altersversorgung können mit übergehen. Eine sorgfältige Prüfung der Zusagearten, Finanzierungswege und bestehenden Sicherungen ist für die Risikobeurteilung bedeutsam.

Leitungsorgane und freie Mitarbeit

Organschaftliche Anstellungsverhältnisse (z. B. Geschäftsführung) und freie Dienstverhältnisse folgen eigenen Regeln und gehen nicht automatisch über. Sie werden regelmäßig separat geregelt oder neu abgeschlossen.

Genehmigungen, Aufsichten und Register

Erlaubnisse und Konzessionen

In regulierten Branchen (z. B. Finanzdienstleistungen, Gesundheit, Energie, Transport) können Erlaubnisse personengebunden sein oder einen Inhaberwechsel auslösen. Je nach Ausgestaltung ist eine Anzeige, Zustimmung oder Neuerteilung erforderlich.

Zusammenschlusskontrolle

Große Zusammenschlüsse können der Kontrolle durch Wettbewerbsbehörden unterliegen. Maßgeblich sind Umsatz- und Größenkriterien sowie Wirkungsbereiche. Ein Vollzugsverbot bis zur Freigabe ist in diesen Fällen typisch.

Register und Grundbuch

Änderungen an Firma, Geschäftsanschrift, Vertretungsverhältnissen und Gesellschafterstruktur werden im Handelsregister eingetragen. Übertragungen von Grundstücken bedürfen notarieller Beurkundung und Eintragung im Grundbuch. Immaterialgüterrechte werden in Marken-, Patent- oder Designregistern umgeschrieben.

Kapitalmarktrechtliche Pflichten

Bei börsennotierten Gesellschaften sind Veröffentlichungspflichten, Insiderregeln und besondere Angebotsverfahren zu beachten. Schwellenmeldepflichten können Beteiligungsaufstockungen begleiten.

Datenschutz und Informationsschutz

Prüfungsphase (Due Diligence)

In der Prüfungsphase werden regelmäßig sensible Informationen geteilt. Personenbezogene Daten werden nur in dem Rahmen offengelegt, der für die Bewertung des Unternehmens erforderlich ist. Anonymisierung, Pseudonymisierung und Datenräume sind gängige Instrumente zur Wahrung von Vertraulichkeit.

Übertragung und Nutzung von Daten

Beim Übergang sind Rechtsgrundlagen für die Datenübertragung zu beachten. Kunden- und Beschäftigtendaten dürfen nur in dem Umfang genutzt werden, der durch den Übergang und die Zwecke der Vertragsabwicklung gedeckt ist. Informationspflichten gegenüber Betroffenen können einschlägig sein.

Geschäftsgeheimnisse

Technisches Know-how, Rezepturen, Quellcodes und andere Geheimnisse werden durch vertragliche Vertraulichkeitsabreden, Zugriffsregelungen und organisatorische Maßnahmen geschützt. Die Einhaltung solcher Schutzvorkehrungen ist auch nach dem Übergang bedeutsam.

Steuerliche und bilanzielle Aspekte

Asset Deal und Share Deal im Vergleich

Beim Asset Deal kann der Erwerber die Anschaffungskosten auf die einzelnen Vermögenswerte verteilen, was die Abschreibungsbasis beeinflusst. Beim Share Deal verbleiben stille Reserven in der Gesellschaft; die steuerliche Behandlung des Veräußerungsgewinns erfolgt auf Ebene des Anteilseigners. Verlustvorträge und steuerliche Organschaften können je nach Struktur berührt sein.

Transaktionssteuern

Je nach Gegenstand können Grunderwerb-, Umsatz- oder Quellensteuern anfallen. Strukturierung, Stichtagsregelungen und Kaufpreisallokation wirken sich auf die steuerliche Belastung aus.

Stichtag und Kaufpreisallokation

Wesentlich sind Regelungen zum wirtschaftlichen Übergangsstichtag, zur Zurechnung von Ergebnisbeiträgen und zur Allokation des Kaufpreises auf einzelne Vermögenswerte. Bilanzielle Abbildung und Offenlegung richten sich nach den jeweils anwendbaren Rechnungslegungsvorschriften.

Kaufpreis, Finanzierung und Zahlungsmechanismen

Kaufpreisstrukturen

Fixpreise, variabel ausgestaltete Earn-out-Regelungen und Anpassungen für Nettoverschuldung und Umlaufvermögen sind verbreitet. Die Ausgestaltung knüpft an den Bewertungsansatz und die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Übergang an.

Locked-Box und Closing Accounts

Beim Locked-Box-Mechanismus wird der Wert zu einem historischen Stichtag fixiert; Mittelabflüsse bis zum Vollzug sind durch Leakage-Regeln adressiert. Beim Closing-Accounts-Mechanismus erfolgt die finale Kaufpreisberechnung auf Basis geprüfter Abschlusszahlen zum Vollzugszeitpunkt.

Sicherungsmechanismen

Treuhandkonten, Einbehalte, Bürgschaften oder Versicherungen werden eingesetzt, um Zahlungs- und Garantieansprüche abzusichern. Verkäuferdarlehen und Bankfinanzierungen bestimmen die Liquiditätsstruktur der Transaktion.

Ablauf in Phasen

Vorbereitung und Vertraulichkeit

Typisch sind Geheimhaltungsvereinbarungen, Prüfkonzepte und der Aufbau von Datenräumen. Wettbewerbsrechtliche Informationsgrenzen sind zu beachten.

Prüfung (Due Diligence)

Die Prüfung umfasst rechtliche, finanzielle, steuerliche, technische und regulatorische Bereiche. Ziel ist die Identifikation von Chancen und Risiken sowie die Ableitung der vertraglichen Absicherung.

Vertragsgestaltung

Der Kaufvertrag definiert Erwerbsgegenstand, Kaufpreis, Zusicherungen, Haftung, Bedingungen und Vollzugsmodalitäten. Ergänzend kommen Nebenabreden wie Wettbewerbsverbote, Übergangsleistungen und Serviceverträge hinzu.

Vollzug und Integration

Zwischen Unterzeichnung (Signing) und Vollzug (Closing) werden Bedingungen erfüllt, Zustimmungen eingeholt und Freigaben erteilt. Nach dem Vollzug schließen sich Integrationsschritte an, etwa die Zusammenführung von Systemen, Prozessen und Markenauftritt.

Besondere Konstellationen

Übernahme aus der Insolvenz

Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder Insolvenz erfolgt die Übernahme häufig als übertragende Sanierung. Verfahrensregeln, Gläubigerschutz und die Behandlung von Forderungen unterscheiden sich von der regulären Transaktion.

Carve-out und Übergangsleistungen

Wird nur ein Teilbereich aus einem Konzern herausgelöst, sind Übergangsleistungen (z. B. IT, Buchhaltung, Logistik) üblich. Diese werden in Dienstleistungsvereinbarungen zeitlich befristet geregelt.

Minderheitsbeteiligungen

Der Erwerb von Minderheiten führt zu Mitspracherechten über Gesellschaftervereinbarungen, Zustimmungsvorbehalte und Informationsrechte. Besondere Beendigungs- und Exit-Regeln (Mitveräußerungsrechte und -pflichten) sind verbreitet.

Grenzüberschreitende Übernahmen

Bei grenzüberschreitenden Vorgängen greifen mehrere Rechtsordnungen. Themen sind Anerkennung von Unternehmensformen, Registerverfahren, Investitionskontrollen, steuerliche Anknüpfungspunkte und Währungsaspekte.

Risiken und Absicherung

Typische Risiken

Dazu zählen ungeklärte Eigentumsverhältnisse, ausstehende Genehmigungen, schwebende Rechtsstreitigkeiten, IT- und Datenschutzrisiken, Pensionslasten sowie vertragliche Change-of-Control-Klauseln.

Risikoverteilung

Die Verteilung erfolgt über Kaufpreisgestaltung, Zusicherungen, Freistellungen, Haftungsbegrenzungen, Versicherungen und Treuhandlösungen. Closing-Bedingungen und materiell nachteilige Veränderungsklauseln können das Vollzugsrisiko steuern.

Geheimhaltung und Wettbewerbsschutz

Vertraulichkeitserklärungen, Unterlassungsabreden und Wettbewerbsverbote schützen Informationen und Marktposition. Ihre Reichweite ist zeitlich, sachlich und örtlich begrenzt auszugestalten.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet die Übernahme eines Handelsgeschäfts im rechtlichen Sinne?

Gemeint ist die Übertragung eines bestehenden Unternehmens oder einer wirtschaftlichen Einheit auf einen neuen Inhaber, einschließlich der Fortführung der Tätigkeit. Je nach Ausgestaltung gehen Vermögenswerte, Verträge, Beschäftigungsverhältnisse, Genehmigungen und die Firma über oder verbleiben beim bisherigen Träger.

Worin liegt der Unterschied zwischen Asset Deal und Share Deal?

Beim Asset Deal werden einzelne Vermögenswerte und Rechtspositionen übertragen; beim Share Deal gehen Anteile an der Gesellschaft über, die das Unternehmen betreibt. Daraus folgen unterschiedliche Regeln für den Übergang von Verträgen, Genehmigungen, Haftung und Steuern.

Gehen Arbeitsverhältnisse automatisch auf den Erwerber über?

Bei Fortführung einer wirtschaftlichen Einheit gehen Arbeitsverhältnisse grundsätzlich mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über. Informationspflichten und Mitbestimmung sind zu beachten; ein Widerspruch einzelner Beschäftigter ist möglich.

Wer haftet für Altschulden und Altlasten des Unternehmens?

Beim Share Deal verbleiben Verbindlichkeiten bei der Gesellschaft. Beim Asset Deal hängt die Haftung von übernommenen Positionen und gesetzlichen Anknüpfungen an die Fortführung des Handelsgeschäfts ab. Üblich sind vertragliche Regelungen zur Haftungsverteilung, etwa Garantien und Freistellungen.

Benötigt die Übernahme behördliche Freigaben?

In regulierten Branchen können Anzeigen, Zustimmungen oder Neuerteilungen von Erlaubnissen erforderlich sein. Größere Zusammenschlüsse unterliegen häufig der Kontrolle von Wettbewerbsbehörden; bis zur Freigabe besteht regelmäßig ein Vollzugsverbot.

Welche datenschutzrechtlichen Punkte sind zu beachten?

Die Weitergabe personenbezogener Daten ist auf das Erforderliche zu begrenzen. Während der Prüfung kommen Anonymisierung oder Pseudonymisierung in Betracht. Nach dem Übergang muss die Datenverarbeitung dem neuen Zweck und den Informationspflichten entsprechen.

Wie wird der Kaufpreis rechtlich abgesichert?

Absicherung erfolgt durch Treuhandkonten, Einbehalte, Bürgschaften oder Versicherungen. Kaufpreismechanismen wie Locked-Box oder Closing Accounts regeln die endgültige Höhe und den Ausgleich von Zwischenwertentwicklungen.