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Übergangsgeld in der Sozialversicherung


Übergangsgeld in der Sozialversicherung

Das Übergangsgeld ist eine dynamische Entgeltersatzleistung der gesetzlichen Sozialversicherung, die zur finanziellen Absicherung während bestimmter Maßnahmen der medizinischen oder beruflichen Rehabilitation dient. Besonders im Kontext der gesetzlichen Rentenversicherung und Unfallversicherung kommt diese Leistung zur Anwendung. Das Übergangsgeld hat einen hohen sozialrechtlichen Stellenwert, da es den Lebensunterhalt der Betroffenen während arbeitsfördernder oder beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen sicherstellt. Im Folgenden werden sämtliche rechtlichen Grundlagen, Anspruchsvoraussetzungen, Berechnungsmodalitäten sowie Besonderheiten behandelt.


Gesetzliche Grundlagen des Übergangsgeldes

Rechtliche Verankerung in der Sozialgesetzgebung

Die gesetzlichen Regelungen zum Übergangsgeld finden sich insbesondere im
Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) – Gesetzliche Rentenversicherung – und im Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) – Gesetzliche Unfallversicherung. Weitere einschlägige Vorschriften ergeben sich aus allgemeinen Vorschriften des SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.

  • § 20 SGB VI: Übergangsgeld während Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 16 SGB VI.
  • § 49 SGB VII: Übergangsgeld nach Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten während Leistungen zur Teilhabe.
  • SGB IX: Allgemeine Vorschriften zu Anspruch und Verfahren bei Rehabilitationsleistungen.

Anspruchsvoraussetzungen und anspruchsberechtigte Personengruppen

Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen

Ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht, wenn Versicherte eine medizinische Rehabilitation (Heilverfahren) oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation) erhalten und dadurch kein oder ein vermindertes Erwerbseinkommen erzielen. Das Übergangsgeld sichert somit den Lebensunterhalt während dieser Maßnahmen.

Wesentliche Voraussetzungen:

  • Teilnahme an einer Maßnahme zur Rehabilitation auf Veranlassung des Rehabilitationsträgers,
  • kein Anspruch auf Lohn oder Arbeitsentgelt (Arbeitsunfähigkeit, ruhendes Arbeitsverhältnis, Bezug von Krankengeld oder Verletztengeld),
  • Versicherungsrechtliche Vorversicherungszeiten (in der Regel mindestens 15 Monate Pflichtbeiträge innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung in der Rentenversicherung).

Personenkreis

Anspruch haben sowohl abhängig Beschäftigte als auch Selbständige, sofern sie Beiträge zur gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung gezahlt haben und die jeweiligen Vorschriften die Leistung für Selbständige vorsehen. Auch Arbeitslose mit Leistungen nach dem SGB III (Arbeitslosengeld) oder nach SGB II (Bürgergeld) können Anspruch auf Übergangsgeld während einer durch die Agentur für Arbeit oder den Rentenversicherungsträger initiierten Rehabilitationsmaßnahme haben.


Anspruchsdauer und Beginn der Zahlung

Beginn

Das Übergangsgeld wird ab dem ersten Tag der Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme gezahlt, wenn ein Anspruch besteht und kein anderweitiges Einkommen als Entgeltersatzleistung (z.B. Krankengeld, Verletztengeld, Mutterschaftsgeld) vorliegt.

Anspruchsdauer

Die Zahlung dauert für die Dauer der Maßnahme, inklusive Bewilligungs-, Eingliederungs- und Zwischenzeiten, maximal jedoch bis zum Ablauf der Rehabilitationsmaßnahme bzw. bis zum Eintritt einer vorrangigen Entgeltersatzleistung.

Ende der Leistung

Das Ende des Übergangsgeldanspruchs tritt ein, wenn:

  • die Maßnahme zur Rehabilitation beendet wird,
  • eine andere Entgeltersatzleistung (z.B. Krankengeld, Arbeitslosengeld) beginnt,
  • der Berechtigte Anspruch auf Arbeitsentgelt aus Beschäftigung erhält,
  • der Übergang in die Erwerbsminderungs- oder Altersrente erfolgt.

Berechnung des Übergangsgeldes

Ermittlung der Berechnungsgrundlage

Die Höhe des Übergangsgeldes orientiert sich am zuletzt erzielten Bruttoarbeitsentgelt. Dabei gelten unterschiedliche Berechnungsmaßstäbe für Personen mit und ohne Kind. Maßgeblich ist regelmäßig das in den letzten drei Kalendermonaten (bei Selbständigen: dem letzten Kalenderjahr) vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit oder der Antragsstellung erzielte beitragspflichtige Arbeitsentgelt.

Prozentsätze und Mindestbeträge

  • Mit Kind: 75 % des entgangenen Nettoeinkommens bzw. des regelmäßigen Nettoarbeitsentgelts (höhere Umrechnungsfaktoren nach § 21 SGB VI),
  • Ohne Kind: 68 % des entgangenen Nettoeinkommens.
  • Mindestens jedoch wird der Betrag gezahlt, der der höchsten Stufe des Arbeitslosengeldes entspricht, was die soziale Absicherung gewährleisten soll.

Besonderheiten bei Verdienstausfall

Besteht für nur einen Teil der Maßnahme ein Anspruch auf Arbeitsentgelt, wird das Übergangsgeld als Differenzbetrag gezahlt (sog. Aufstockungsleistung).


Soziale Absicherung während des Übergangsgeldbezugs

Beiträge zu Sozialversicherungen

Während des Bezugs von Übergangsgeld sind Versicherte sowohl in der Kranken-, Pflege-, Renten-, und Arbeitslosenversicherung pflichtversichert. Der Rehabilitationsträger übernimmt die Beiträge auf Basis des gezahlten Übergangsgeldes.

Mitteilungspflichten

Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (z.B. Nebeneinkommen, Arbeitsaufnahme, Ende der Maßnahme) sind dem zuständigen Rehabilitationsträger unverzüglich anzuzeigen.


Rechtsweg und Verfahrensfragen

Antragsverfahren und Bewilligung

Der Anspruch auf Übergangsgeld besteht nicht automatisch; es ist ein formgebundener Antrag bei dem zuständigen Versicherungsträger zu stellen. Die Bewilligung erfolgt im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach §§ 14 ff. SGB IX. Die Leistung wird rückwirkend ab Mitteilungszeitpunkt gezahlt, sofern die Anspruchsvoraussetzungen vorlagen.

Widerspruch und Klage

Ablehnende Bescheide können im sozialgerichtlichen Verfahren mit Widerspruch und Klage angefochten werden. Es gelten die üblichen Fristen gemäß SGB X und SGG (Sozialgerichtsgesetz).


Unterschiede zu anderen Entgeltersatzleistungen

Abgrenzung zu Krankengeld, Verletztengeld und Arbeitslosengeld

Das Übergangsgeld grenzt sich von anderen Lohnersatzleistungen wie dem Krankengeld (SGB V), dem Verletztengeld (SGB VII) oder dem Arbeitslosengeld (SGB III) dadurch ab, dass es ausschließlich für die Zeit von Rehabilitationsmaßnahmen gezahlt wird und keine gewöhnliche Lohnersatzleistung bei Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit ist. Vorrangige Ansprüche auf diese Leistungen führen zum Ruhen des Übergangsgeldanspruchs.


Steuer- und pflichtversicherungsrechtliche Behandlung

Steuerliche Einordnung

Das Übergangsgeld ist zwar steuerfrei, unterliegt jedoch dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b EStG. Es wird demnach bei der Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt und kann den Steuersatz für das übrige zu versteuernde Einkommen erhöhen.

Beitragspflicht zu anderen Sozialversicherungen

Während des Leistungsbezugs bestehen Versicherungspflichten in den übrigen Zweigen der Sozialversicherung, was zu entsprechenden Beitragsabführungen führt. Die Träger der Rehabilitation übernehmen in der Regel den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil.


Nachweise und Literatur

  • Sozialgesetzbuch (SGB) VI, VII, IX
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Sozialgesetzgebung und Arbeitshilfen
  • Sozialgerichtsgesetz (SGG)
  • Kommentarliteratur zum SGB VI und SGB IX
  • Bundesrechtsprechung zum Übergangsgeld

Zusammenfassung

Das Übergangsgeld stellt eine wesentliche entgeltersatzbezogene Sozialleistung im deutschen Sozialrecht dar, die speziell zur finanziellen Absicherung während medizinischer oder beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen dient. Die Regelungen hierzu umfassen komplexe Anspruchsvoraussetzungen, differenzierte Berechnungsgrundlagen, umfangreiche Vorschriften zur sozialen Sicherung während des Bezugs und spezifische verfahrensrechtliche Aspekte. Das Übergangsgeld leistet einen wesentlichen Beitrag zur Existenzsicherung und sozialen Teilhabe während gesundheitlich bedingter Übergangszeiten.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht ein Anspruch auf Übergangsgeld im Rahmen der Sozialversicherung?

Ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht grundsätzlich, wenn Versicherte wegen einer medizinischen Rehabilitation oder einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben an einer Maßnahme teilnehmen und infolge dessen kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen mehr erzielen können. Die Grundlage hierfür bildet § 20 SGB VI in Verbindung mit § 49 SGB IX. Der Anspruch setzt voraus, dass die versicherte Person unmittelbar vor dem Beginn der Maßnahme entweder Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hat oder Arbeitslosengeld bezogen hat, und dass die Maßnahme von einem Sozialversicherungsträger – in der Regel der Deutschen Rentenversicherung oder einer anderen zuständigen Einrichtung, wie der gesetzlichen Unfallversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit – bewilligt wurde. Übergangsgeld wird auch gezahlt, wenn während einer solchen Maßnahme der Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder Krankengeld endet, sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen.

Wie berechnet sich die Höhe des Übergangsgeldes?

Die Höhe des Übergangsgeldes ist gesetzlich geregelt und richtet sich nach dem letzten erzielten Bruttoarbeitsentgelt, das vor Beginn der Maßnahme bezogen wurde. Die Berechnungsgrundlage ergibt sich aus §§ 21 ff. SGB VI. Bei Versicherten, die Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder Krankengeld hatten, wird in der Regel das in den letzten drei abgerechneten Kalendermonaten erzielte Arbeitsentgelt zugrunde gelegt. Für Arbeitnehmer beträgt das Übergangsgeld 68 % (alleinstehend) bzw. 75 % (bei Vorliegen mindestens eines Kindes im Sinne des § 32 EStG) des letzten Nettoarbeitsentgelts. Für Bezieher von Arbeitslosengeld bemisst sich das Übergangsgeld nach dem zuletzt gezahlten Leistungssatz. Besondere Regelungen gelten für bestimmte Personengruppen, etwa Auszubildende oder Selbstständige, bei denen das fiktive Arbeitsentgelt maßgeblich sein kann.

Wer zahlt das Übergangsgeld und wie lange wird es geleistet?

Das Übergangsgeld wird von dem Rehabilitationsträger gezahlt, der die Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt hat. Dies kann die Deutsche Rentenversicherung, die gesetzliche Unfallversicherung, die Bundesagentur für Arbeit oder ein anderer Sozialversicherungsträger sein. Die Zahlung erfolgt grundsätzlich für die Dauer der bewilligten Maßnahme, das heißt, solange die Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme oder der beruflichen Wiedereingliederung andauert. Mit Beendigung der Maßnahme oder beim Wechsel in eine andere Lohnersatzleistung (z. B. Erwerbsminderungsrente, Krankengeld) endet auch der Anspruch auf Übergangsgeld. Eine Verlängerung ist nicht möglich, wenn keine weitere bewilligte Maßnahme vorliegt.

Welche Pflichten müssen Versicherte während des Bezugs von Übergangsgeld beachten?

Während des Bezugs von Übergangsgeld haben die Versicherten gesetzlich geregelte Mitwirkungspflichten. Sie müssen insbesondere an der Maßnahme regelmäßig und aktiv teilnehmen und auftretende Hinderungsgründe (z. B. Krankheit, Abwesenheit aus wichtigen Gründen) dem Rehabilitationsträger unverzüglich melden. Das Unterlassen der Mitwirkung kann zur Kürzung oder Versagung des Übergangsgeldes gemäß § 66 SGB I führen. Außerdem besteht die Pflicht, relevante Änderungen der Lebensumstände, beispielsweise eine Arbeitsaufnahme, das Ende der Maßnahme oder den Bezug anderer Sozialleistungen, dem zuständigen Rehabilitationsträger sofort anzuzeigen. Auf Verlangen des Trägers müssen entsprechende Nachweise (z. B. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen) eingereicht werden.

Wird Übergangsgeld auf andere Sozialleistungen angerechnet?

Das Übergangsgeld wird in verschiedenen Bereichen mit anderen Sozialleistungen koordiniert. Grundsätzlich wird das Übergangsgeld auf das Arbeitslosengeld II (Bürgergeld) sowie auf andere einkommensabhängige Sozialleistungen nach dem SGB II und SGB XII als Einkommen angerechnet und kann eine Reduzierung dieser Leistungen zur Folge haben. Im Falle des Bezugs von Unterhaltsleistungen ist das Übergangsgeld ebenfalls als Einkommen zu berücksichtigen. Sollte während des Bezugs von Übergangsgeld ein neuer Anspruch auf Krankengeld oder eine Rente wegen Erwerbsminderung entstehen, endet der Anspruch auf das Übergangsgeld in der Regel mit Beginn der neuen Leistung. Eine Doppelzahlung ist ausgeschlossen.

Besteht ein Anspruch auf Übergangsgeld auch bei Maßnahmen im Ausland?

Ein Anspruch auf Übergangsgeld während der Teilnahme an einer Rehabilitations- oder Teilhabemaßnahme im Ausland besteht grundsätzlich nur dann, wenn diese Maßnahme von einem deutschen Sozialversicherungsträger ausdrücklich bewilligt wurde. Dies ist gemäß § 14 SGB IV sowie den Bestimmungen der jeweiligen Rehabilitationsträger möglich, wenn die Maßnahme im Ausland medizinisch notwendig und im Inland nicht durchführbar ist. Außerdem müssen alle regulären Voraussetzungen für das Übergangsgeld erfüllt sein. Die Bewilligung ist stets an enge rechtliche Vorgaben und eine Einzelfallentscheidung gebunden.

Kann gegen Entscheidungen zum Übergangsgeld Widerspruch eingelegt werden?

Gegen ablehnende Bescheide bezüglich der Bewilligung, Berechnung oder Höhe des Übergangsgeldes kann innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat nach Zugang des Verwaltungsakts Widerspruch beim zuständigen Rehabilitationsträger eingelegt werden (§§ 84 ff. SGG). Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, kann anschließend Klage vor dem Sozialgericht erhoben werden. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ist der Rehabilitationsträger verpflichtet, seine Entscheidung zu überprüfen. Betroffene sollten alle relevanten Unterlagen, wie Einkommensnachweise oder ärztliche Bescheinigungen, beifügen, um ihren Anspruch rechtlich untermauern zu können.