Begriffserklärung: Tote, Verunglimpfung
Die Verunglimpfung von Toten ist ein spezifischer Straftatbestand im deutschen Recht, der den Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts regelt. Ziel des Gesetzgebers ist es, auch nach dem Tod die Würde und das Ansehen einer Person zu schützen. Im weiteren Sinne umfasst der Begriff alle Handlungen, die geeignet sind, das Andenken an Verstorbene absichtlich zu beschimpfen, herabzuwürdigen oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen. Die Verunglimpfung von Toten stellt eine besondere Kategorie der Ehrdelikte dar und findet sich explizit im Strafgesetzbuch (StGB).
Gesetzliche Grundlage
§ 189 StGB – Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener
Die zentrale rechtliche Norm hinsichtlich der Verunglimpfung von Toten ist § 189 StGB („Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“). Der Paragraph lautet wie folgt:
„Wer das Andenken eines Verstorbenen verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Die Vorschrift schützt die Würde und das Ansehen des Verstorbenen als postmortales Persönlichkeitsrecht weiter. Sie ergänzt damit die Regelungen zum Ehrenschutz lebender Personen wie etwa §§ 185 ff. StGB (Beleidigungsdelikte).
Tatbestand und Voraussetzungen
Geschütztes Rechtsgut
Das geschützte Rechtsgut ist das Andenken an eine verstorbene Person. Geschützt ist dessen persönliche und gesellschaftliche Ehre, die auch nach dem Tod erhalten bleibt. Die Rechtsordnung erkennt an, dass die Persönlichkeit über den Tod hinaus nachwirkt.
Täterkreis
Täter kann jede natürliche Person sein. Der Straftatbestand richtet sich damit an jedermann, unabhängig vom Verhältnis zum Verstorbenen.
Tathandlung
Die Tathandlungen umfassen alle Formen der Verunglimpfung, also des Herabsetzens, Beschimpfens oder verächtlich Machens des Andenkens an einen Toten. Eine Verunglimpfung liegt vor, wenn die Handlung objektiv geeignet ist, den sittlichen, sozialen oder gesellschaftlichen Achtungsanspruch des Verstorbenen zu verletzen oder zu schmälern.
Beispiele für Tathandlungen:
- Diffamierende Veröffentlichungen über den Verstorbenen in Presse, Internet oder sozialen Medien
- Abfällige Bemerkungen oder Beleidigungen am Grab
- Entstellung von Grabmälern mit ehrverletzenden Inhalten
- Verbreitung von ehrverletzenden Unwahrheiten nach dem Tod
Subjektiver Tatbestand
Vorsatz ist erforderlich. Das bedeutet, die Handlung muss absichtlich oder wissentlich vorgenommen werden – fahrlässiges Handeln genügt nicht.
Strafzumessung und Strafrahmen
Der § 189 StGB sieht einen Strafrahmen vor, der eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe ermöglicht. Es handelt sich um ein Antragsdelikt gemäß § 194 StGB, sofern ein berechtigtes Interesse der Angehörigen vorliegt oder ein besonderes öffentliches Interesse gegeben ist.
Verhältnis zu anderen Straftatbeständen
Beleidigung (§ 185 StGB) und üble Nachrede (§ 186 StGB)
Die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener ist von der Beleidigung oder üblen Nachrede abzugrenzen, die jeweils nur die Ehre lebender Personen schützen. Die Tatbestände können in persönlichen Übergangsbereichen jedoch miteinander verwoben erscheinen, etwa wenn Ehrverletzungen noch kurz vor dem Tod oder im Zusammenhang mit Familienmitgliedern ausgesprochen werden.
Störung der Totenruhe (§ 168 StGB)
Parallel besteht der Tatbestand der Störung der Totenruhe, welcher physische Eingriffe an der Leiche, dem Grab oder den sterblichen Überresten unter Strafe stellt. Die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener bezieht sich dagegen auf den immateriellen Aspekt (den Ruf).
Persönlichkeitsrecht und Schutzinteresse
Postmortales Persönlichkeitsrecht
Das postmortale Persönlichkeitsrecht ist verfassungsrechtlich geschützt (Art. 1 Abs. 1 GG: Menschenwürde). Zwar endet die Rechtsfähigkeit mit dem Tod, die Achtung der Persönlichkeit wirkt jedoch fort, vor allem im Hinblick auf das Ansehen in der Öffentlichkeit.
Schutzberechtigte Angehörige
Strafverfolgung kann meist auf Antrag naher Angehöriger erfolgen. Dazu zählen typischerweise Ehegatten, Nachkommen, Eltern und Geschwister des Verstorbenen.
Verfahrensrechtliche Besonderheiten
Antragsdelikt und Strafantrag
In der Praxis ist eine Strafverfolgung in der Regel an einen entsprechenden Antrag gebunden. Ohne einen Strafantrag der Angehörigen erfolgt eine Ermittlung nur in Ausnahmefällen, nämlich wenn durch die Handlung das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung besonders berührt ist.
Verjährung
Die Verfolgungsverjährung für die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener beträgt in der Regel drei Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB).
Kritik und Reformdiskussion
Der Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts wird regelmäßig in der Rechtsprechung und Literatur diskutiert, insbesondere hinsichtlich der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) und Ehrenschutz. Auch historische Aufarbeitungen und wissenschaftliche Diskussionen werden gelegentlich von § 189 StGB erfasst, was zu Debatten über die Reichweite der Vorschrift führt. Der Gesetzgeber hat den Tatbestand bislang nicht wesentlich reformiert, obwohl in digitalen Medien neue Herausforderungen für den Ehrenschutz Verstorbener entstanden sind.
Internationale Rechtslage
Im internationalen Vergleich besteht vergleichbarer Schutz häufig in kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen. In vielen Staaten wird das Andenken Verstorbener als besonders schützenswert betrachtet. Jedoch unterscheiden sich Umfang, Voraussetzungen und Sanktionen teilweise erheblich.
Handlungsempfehlungen und Präventionsmöglichkeiten
Um strafbare Handlungen im Sinne des § 189 StGB zu vermeiden, empfiehlt es sich, Veröffentlichungen und Aussagen über Verstorbene mit besonderer Sensibilität zu behandeln. Insbesondere im Medien- und Kommunikationsbereich ist eine sorgfältige Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an Information und dem Schutz der Ehre des Verstorbenen erforderlich.
Literaturhinweise
- Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar, aktuelle Auflage
- Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht
- MüKoStGB, Kommentar zum Strafgesetzbuch
- Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch und Nebengesetze
- Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, insbesondere zur Abgrenzung von Meinungsfreiheit und Ehrschutz
Zusammenfassung
Die Verunglimpfung von Toten ist ein eigenständiger Straftatbestand, der das Andenken und den guten Ruf Verstorbener schützt. § 189 StGB gewährleistet, dass ehrverletzende Handlungen auch nach dem Tod einer Person verfolgt werden können, wobei die Bandbreite der Tathandlungen von verbalen Äußerungen bis zu Veröffentlichungen reichen kann. Die Vorschrift stellt eine wichtige Schutzfunktion für das postmortale Persönlichkeitsrecht dar und sichert die Fortwirkung der Menschenwürde nach dem Tod.
Häufig gestellte Fragen
Ist die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in Deutschland strafbar?
Ja, die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener ist in Deutschland nach § 189 Strafgesetzbuch (StGB) ausdrücklich strafbar. Dieser Paragraph schützt das persönliche Ansehen von Verstorbenen und deren Würde nach dem Tod. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist, dass die ehrverletzende Handlung geeignet ist, das Andenken des Verstorbenen zu beeinträchtigen. Der Tatbestand kann durch Worte, Bilder, Gesten oder andere Handlungen erfüllt werden. Für die Tat ist es nicht notwendig, dass Angehörige anwesend oder konkret beleidigt werden; vielmehr reicht bereits die generelle Herabsetzung gegenüber Dritten. Die Verfolgung erfolgt allerdings ausschließlich auf Antrag, der von Angehörigen oder der Staatsanwaltschaft gestellt werden muss. Ein Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe ist vorgesehen.
Wer kann eine Strafanzeige wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener stellen?
Ein Antragsrecht haben grundsätzlich nahe Angehörige des Verstorbenen, wie Ehepartner, Eltern, Kinder oder Geschwister. Darüber hinaus hat gemäß § 77 Abs. 2 StGB auch die Staatsanwaltschaft das Recht, ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung anzunehmen und selbst aktiv zu werden, z. B. bei besonders gravierenden Fällen oder wenn Angehörige unbekannt oder nicht vorhanden sind. Der Antrag muss nicht detailliert begründet werden, sollte aber klar machen, welche Handlung als verunglimpfend angesehen wird.
Welche Handlungen können als Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gelten?
Verunglimpfende Handlungen können verbal, schriftlich, bildlich oder auch durch Gesten erfolgen. Klassisch sind Beleidigungen, Schmähkritik oder unzutreffende, ehrverletzende Behauptungen über den Verstorbenen. Auch das mutwillige Beschädigen oder Verunstalten von Gräbern und Grabsteinen wird darunter gefasst, sofern sie mit ehrverletzender Absicht gegenüber dem Verstorbenen einhergehen. Die Bewertung hängt stets vom Einzelfall ab, wobei entscheidend ist, ob eine ehrverletzende, das Ansehen des Toten beeinträchtigende Wirkung vorliegt.
Gilt der Ehrschutz auch für Verstorbene, die in der Öffentlichkeit standen?
Ja, auch Personen des öffentlichen Lebens, wie Politiker, Prominente oder kleinere öffentliche Figuren, genießen nach ihrem Tod den Schutz des § 189 StGB. Allerdings kann bei ihnen eine weitergehende Kritik durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein, da ihr Leben und Wirken oft Teil einer öffentlichen Diskussion war. Die Grenze ist dennoch überschritten, wenn es sich objektiv um eine Schmähung, Verleumdung oder Beleidigung handelt, die nicht mehr durch ein berechtigtes Interesse gedeckt ist.
Gibt es Fristen, innerhalb derer ein Antrag gestellt werden muss?
Die Frist zur Stellung eines Strafantrags wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener beträgt gemäß § 77b StGB drei Monate nach Bekanntwerden von Täter und Tat. Versäumt der Antragsberechtigte diese Frist, kann grundsätzlich kein Verfahren mehr angestoßen werden. Eine Verlängerung oder Wiedereinsetzung kann nur in absoluten Ausnahmefällen erfolgen.
Welche zivilrechtlichen Ansprüche bestehen neben der strafrechtlichen Verfolgung?
Neben der strafrechtlichen Komponente kann eine Verunglimpfung auch zivilrechtliche Folgen haben. Nahe Angehörige können etwa Unterlassungs- oder gegebenenfalls Schadensersatzansprüche nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geltend machen, insbesondere im Rahmen des postmortalen Persönlichkeitsrechts. Die Gerichte prüfen in solchen Fällen, ob eine widerrechtliche Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt und die Ansprüche der Angehörigen vorrangig zu schützen sind. Auch diese Ansprüche verjähren nach allgemeinen Vorschriften und sind stets individuell zu prüfen.
Gibt es Ausnahmen vom strafrechtlichen Schutz des Andenkens Verstorbener?
Nicht jede kritische oder auch negative Äußerung über einen Verstorbenen ist automatisch strafbar. Insbesondere die Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Grundgesetz steht in einem Spannungsverhältnis mit dem Ehrschutz. Kritik oder Tatsachenbehauptungen, die dem öffentlichen Interesse oder der Aufklärung dienen, können durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sein, solange sie nicht in eine Schmähung umschlagen oder erkennbar ehrverletzend sind. Die Grenze zur Strafbarkeit ist dann überschritten, wenn die Äußerung bewusst herabsetzend und ehrverletzend erfolgt.