Begriffserklärung und Definition von Tender
Der Begriff Tender bezeichnet im rechtlichen Kontext eine förmliche Aufforderung zur Angebotsabgabe im Rahmen einer Ausschreibung oder Vergabe von Lieferungen, Leistungen oder Bauleistungen. Der Tender ist häufig Teil von Vergabeverfahren, insbesondere bei öffentlichen Auftraggebern, kommt jedoch auch im privatwirtschaftlichen Bereich vor. Der Ausdruck entstammt dem englischen Sprachraum und ist im deutschen Recht insbesondere im Zusammenhang mit Vergabe- und Beschaffungsprozessen gebräuchlich. In einigen Rechtsordnungen, etwa im Common Law, wird „Tender“ zudem im Sinne eines Angebots zum Schuldenausgleich verwendet.
Rechtsgrundlagen des Tenders
Öffentliche Vergabeverfahren
Im öffentlichen Auftragswesen bezeichnet Tender die Ausschreibung, die die Beteiligung potenzieller Bieter am Vergabeverfahren ermöglichen soll. Die rechtlichen Grundlagen sind im deutschen Recht durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Vergabeverordnung (VgV) und spezifische Vorschriften wie die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A), die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) sowie die Sektorenverordnung (SektVO) geregelt.
Ausschreibung und Bekanntmachung
Ein Tender im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe ist eine formalisierte Bekanntmachung, mit der eine Vergabestelle ein Verfahren zur Beschaffung öffentlicher Aufträge eröffnet. Die Anforderungen an die Gestaltung von Tenderschreiben oder Ausschreibungsunterlagen ergeben sich insbesondere aus den Grundsätzen der Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung gemäß Art. 97 GWB sowie europarechtlichen Vergaberichtlinien.
Struktur und Inhalt des Tenders
Ein Tender muss sämtliche notwendigen Informationen für die Erstellung eines Angebotes enthalten. Dazu gehören:
- Leistungsbeschreibung,
- Anforderungen an Bieter,
- Fristen,
- Zuschlagskriterien,
- einzureichende Unterlagen,
- Vertragsbedingungen.
Rechtliche Wirkung des Tenders
Ein veröffentlichter Tender stellt keine bindende Willenserklärung dar, sondern dient der Einholung von Angeboten. Erst die Angebotsannahme (Zuschlag) führt zum Vertragsschluss. Die Verfahrensgrundsätze verpflichten zur Gleichbehandlung aller Bieter. Verletzungen der Tender-Bestimmungen können zur Anfechtung oder zu Nachprüfungsverfahren führen.
Private Ausschreibungen und Tenderverfahren
Auch im privatwirtschaftlichen Bereich spielt der Tender eine Rolle. Unternehmen nutzen Tenderverfahren, um wettbewerbliche Angebote für die Vergabe größerer Aufträge einzuholen. Die Abwicklung ist privatrechtlich autonom und unterliegt den Grundsätzen des Zivilrechts, insbesondere §§ 145 ff. BGB (Bindung an das Angebot, Annahmefristen, Vertragsabschluss).
Besonderheiten im internationalen Handelsrecht
Im internationalen Handelsrecht und insbesondere bei der Vergabe internationaler Großaufträge (beispielsweise im Anlagenbau, Schiffs- oder Flugzeugbau) sind Tenderverfahren üblich. Hierbei gelten zumeist die jeweils vereinbarten internationalen Vertragsbedingungen (z.B. FIDIC-Vertragswerke, Incoterms), ergänzt um länderspezifische Gesetze, etwa exportkontrollrechtliche Bestimmungen.
Der Tender im Schuldrecht
Im Common Law existiert der Begriff des „Tender of Payment“. Darunter wird das Angebot zur Erfüllung einer fälligen Schuld (z.B. Geldschuld) verstanden. Die rechtswirksame Darbietung der Leistung nach den maßgeblichen vertraglichen und gesetzlichen Regelungen kann haftungsbefreiende oder verzugsverhindernde Wirkung haben. Im deutschen Recht ist ein ähnlicher Gedanke in § 294 BGB (Anbietung der Leistung) geregelt.
Rechtliche Aspekte und Streitigkeiten
Bindungswirkung und Rücktrittsmöglichkeiten
Ein abgegebener Tender im Sinne eines Angebots ist nach deutschem Recht gemäß § 145 BGB grundsätzlich bindend. Die Rücknahme eines Angebots ist nur bis zum Zugang beim Empfänger oder nach Ablauf einer Bindungsfrist möglich.
Nachprüfungsverfahren und Rechtsschutz
Öffentliche Tenderverfahren unterliegen umfassenden Rechtsschutzsystemen. Unterlegene Bieter können Nachprüfungsanträge gemäß § 160 GWB stellen, etwa wegen Verstoßes gegen Vergaberechtsvorschriften oder diskriminierende Behandlung. Die zuständigen Nachprüfungsinstanzen (Vergabekammern, Oberlandesgerichte) prüfen das Verfahren hinsichtlich der Einhaltung formeller und materieller Vorschriften.
Haftung und Schadensersatz
Verletzungen wesentlicher Tenderbestimmungen können Schadensersatzansprüche betroffener Bieter auslösen. Dies kann etwa der Fall sein bei rechtswidriger Zuschlagserteilung, unzureichender Informationspflichten oder willkürlicher Loslösung von den Ausschreibungsbedingungen.
Abgrenzung zu verwandten Begriffen
Der Begriff Tender ist abzugrenzen vom Begriff der Submission, der insbesondere im Bau- und Vergaberecht für den Zeitpunkt der Angebotsöffnung steht. Während die Submission einen konkreten Verfahrensschritt beschreibt, umfasst der Tender das gesamte Ausschreibungsdokument mit sämtlichen Zuschlagskriterien.
Zusammenfassung
Der Begriff Tender bezeichnet im rechtlichen Kontext eine formalisierte Ausschreibung oder ein Angebot, welches insbesondere im Vergaberecht, aber auch im Schuldrecht von Bedeutung ist. Die rechtlichen Anforderungen an die Form und Durchführung von Tenders sind vielschichtig und werden sowohl von nationalen als auch internationalen Rechtsvorschriften bestimmt. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben im Tenderverfahren ist für die Wahrung der Rechte aller Beteiligten ebenso unerlässlich wie für die Rechtssicherheit und Transparenz bei der Beschaffung von Lieferungen, Leistungen und Werken.
Quellen:
- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
- Vergabeverordnung (VgV)
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- FIDIC Contract Conditions
- Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Anforderungen bestehen bei der Veröffentlichung eines Tenders?
Die Veröffentlichung eines Tenders (Ausschreibung) unterliegt im rechtlichen Kontext insbesondere den einschlägigen Vergabeordnungen, etwa dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der Vergabeverordnung (VgV), sowie sektorenspezifischen Regelwerken wie der Sektorenverordnung (SektVO) und der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) in Deutschland. Die Auftraggeber – in der Regel öffentliche Stellen oder Unternehmen mit öffentlichem Einfluss – sind verpflichtet, Tenders offen und transparent auszuschreiben, sobald bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Sie müssen Mindestfristen für die Veröffentlichung und die Abgabe von Angeboten einhalten, die je nach Ausschreibungsart (offenes, nicht offenes, Verhandlungsverfahren) variieren. Zudem sind europaweite Ausschreibungen ab bestimmten Auftragsvolumina im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (TED) zu publizieren. Fehler bei der Veröffentlichung, etwa unzureichende Veröffentlichung oder die Missachtung von Transparenzgeboten, können zu Nachprüfungsverfahren oder zur Unwirksamkeit des vergebenen Auftrags führen.
Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für Bieter während des Tender-Verfahrens?
Bieter haben im rechtlichen Rahmen das Recht auf Gleichbehandlung, Transparenz und Nichtdiskriminierung durch den Auftraggeber. Sie sind zur Einhaltung der formal gesetzten Anforderungen verpflichtet, etwa Fristen, sprachliche Vorgaben und die Einreichung geforderter Nachweise. Im Gegenzug besitzen sie Auskunftsrechte, beispielsweise das Recht auf Einsichtnahme in Vergabeunterlagen und Information über den Stand des Verfahrens. Im Falle von Unregelmäßigkeiten steht ihnen das Recht zu, Nachprüfungsverfahren bei den zuständigen Vergabekammern anzustrengen. Verschwiegenheitspflichten betreffend Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sind sowohl vom Auftraggeber als auch von den Bietern zu beachten, um Rechtsansprüche auf Schadensersatz oder Unterlassung zu vermeiden.
Welche rechtlichen Folgen hat ein Verstoß gegen Vergaberegeln im Rahmen eines Tenders?
Verstöße gegen Vergaberegeln können vielfältige rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ein grober Vergabefehler – wie die ungerechtfertigte Bevorzugung eines Bieters, eine unzulässige Manipulation des Vergabeverfahrens oder die Missachtung von Fristen – kann die Nichtigkeit der Vertragsvergabe und Schadensersatzansprüche nach sich ziehen. Wettbewerber können im Wege des Nachprüfungsverfahrens Sanktionen wie die Aufhebung des Tenders oder ein Verhandlungsverbot für bereits getroffene Entscheidungen bewirken. Im Fall von schweren Rechtsverstößen drohen zudem vergaberechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen, etwa Ausschluss vom Vergabeverfahren, Vertragsstrafen oder Regressforderungen.
Gibt es gesetzliche Regelungen zur Nachprüfung von Tender-Entscheidungen?
Für die Überprüfung von Vergabeentscheidungen ist im deutschen und europäischen Recht ein zweistufiges Rechtsschutzsystem etabliert: Zunächst ist ein sogenanntes Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer einzuleiten. Hier können unterlegene Bieter innerhalb bestimmter Fristen die Vergabepraxis anfechten und ihre Rechte einklagen. Die Kammern sind verpflichtet, das Verfahren zügig zu betreiben. Gegen deren Entscheidung steht der Rechtsweg zu den Oberlandesgerichten offen. International finden sich ähnliche rechtliche Regelungen, vor allem in der EU-weiten Richtlinie 2014/24/EU. Die Nachprüfung stellt sicher, dass rechtliche Vorgaben wie Transparenz- oder Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt bleiben.
Inwiefern ist der Vertrag nach Zuschlagserteilung rechtlich bindend?
Mit dem Zuschlag auf ein Angebot im Rahmen eines Tenders kommt grundsätzlich ein öffentlich-rechtlicher oder zivilrechtlicher Vertrag zustande, der beide Parteien – Auftraggeber und Auftragnehmer – bindet. Die Bindungswirkung erwächst unmittelbar nach Zugang der Zuschlagsmitteilung beim erfolgreichen Bieter. Die Vertragsinhalte werden größtenteils durch die Ausschreibungsunterlagen und das Angebot bestimmt; nachträgliche Änderungen, insbesondere zu Lasten der übrigen Bieter, sind rechtlich nur in engen Ausnahmefällen (zum Beispiel bei offensichtlichen Kalkulationsirrtümern oder gesetzlichen Neuregelungen) zulässig. Ein Rücktritt oder die nachträgliche Auflösung des Vertrages ist, sofern nicht im Vertrag geregelt, nur ausnahmsweise nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften (wie zum Beispiel wegen Leistungsstörung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage) möglich.
Welche rechtlichen Vorschriften sichern die Vertraulichkeit und Datenschutz im Tender-Verfahren?
Vertraulichkeit und Datenschutz im Rahmen von Tenders werden durch verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen geschützt. Das Vergaberecht verpflichtet die ausschreibende Stelle sowie alle Beteiligten zur Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen der Bieter. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stellt sicher, dass personenbezogene Daten der Beteiligten nur zu den vorgesehenen Zwecken des Vergabeverfahrens erhoben, verarbeitet und gespeichert werden dürfen. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht oder den Datenschutz kann zu Abmahnungen, gerichtlichen Unterlassungsverfügungen, Schadenersatzforderungen und Bußgeldern führen. Die Beteiligten müssen zudem angemessene technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten und Dokumente treffen.